will der Franzose heute, wo er sich Arm in Arm mit dem Nüssen als Herrn der halben Welt fühlt, imponiert sein. Seine gegenwärtige Regierung imponiert ihn absolut nicht, man hat ja an dem Präsidenten Carnot, der doch gewiß vom Kaiser Alexander im höchsten Maße ausgezeichnet worden, auszusetzen gehabt, daß er in seinem Frack neben den Uniformen verschwinde. Er solle sich, so schrieben die Zeitungen, eine Uniform zulegen. Das ist natürlich eine Kleinigkeit, aber in solchen Kleinigkeiten und Aeußerlichkeiten ist der Franzose eben stets groß gewesen! Viel, viel schlimmer, wie mit Herrn Carnot, steht es nun mit dem Ministerium Dupuy, das aus ehrlichen, aber sehr mäßig begabten Männern besteht. Ausgezeichnet vor den Russen und vor Europa hat sich niemand, es sind alltägliche Charaktere, die zur Langweiligkeit neigen, weil die Flamme ihres Geistes zu schwach brennt. Und alles erttägt der- Franzose, nur keine Langweile, und deshalb muß das Kabinet fort. Bis zur parlamentarischen Exekution mag es noch ein Weilchen hin sein, aber die gewährte Frist ist eben nur eine Galgenfrist! Hat man einen neuen Mann, so hat man auch das Kabinet.
Der -neue Mann! Ja, wer ist es? Vor den Wahlen^ erließ der ehemalige Minister Constans ein Regierungsprogramm, in welchem er besonders den Radikalen und Sozialisten recht entschieden zu Lesbe ging, und seine Worte fanden s. Z. so viel Beifall, .daß man in ihm bereits den künftigen leitenden Staatsmann erblickte. Wahrscheinlich wird er es sein, welcher das heutige Ministerium über den Haufen wirft, aber es ist sehr fraglich, ob ihm langes Ministerspielen beschieden sein wird. Constans ist ein klpger Kopf und ein energischer Mann, letzteres hstf er besonders bei der Unterdrückung des Bqulangismus bewiesen, wobei er sich sehr wenig um Rtchf und Verfassung kümmerte, aber Constans ist alles, nur kein Staatsmann, der eine Nation anzufeusM vermag. Auch er hat eine offene Hand für Geschenke gehabt, wenn die letzteren nur groß genug waren, und von seiner Statthalterschaft iy> den französischen Kolonien in Ostasien sind manche Dinge erzählt, die nicht zu seinen Gunsten sprechen. Ein solcher Mann kann ein guter Beamter, aber nicht dex Träger eines Systems sein. Und die übrigen republikanischen Größen? Fast alle hat sie der Panamaskandal verschlungen, und aus dem Abgrund, in welchen sie damals stürzten, sind sie nicht wieder herauszuholen. Es wird den Franzosen recht schwer werden, den Mann zu finden, welcher ihnen behagt, und mit sehr viel Bosheit, aber auch mit scchr viel Recht ist gesagt, die Franzosen möchten snh doch vom Kaiser von Rußland einen Großfürsten erbitten und ihn an die Spitze ihres Staatswesens stellen, dann hätten sie alles, was sie wünschen. So komisch und lächerlich die Verhältnisse im heutigen Frankreich sind, so traurig ist doch die Wirkung dieser Verhältnisse. Der Schrullen dieses exzentrischen Volkes «egen steht ganz Europa unter Waffen, müssen Millionen und wiederum Millionen ausgegeben werden.
Hages-Meuigkeilen.
Deutsches Reich.
Herrenberg, 16. Nov. Infolge der Halsbräune mußte in dem benachbarten Haslach wiederholt die Schule geschlossen werden. Mehr als 20 Kinder sind in den letzten Wochen dieser tückischen Krankheit erlegen. Auch hier hat der unheimliche Gast unter der Kinderwelt einige Opfer gefordert.
Tübingen. (Auszug aus der Geschworenen-Liste des IV. Quartals 1893. Heinr. Bäßler, Gem.-Rat und Landwirt in Altensteig Stadt; Joh. Gauß, Gem.-Rat und Landwirt in Bondorf; Hirzel, Oberförster in Schwann; Fried. Holzapfel, Bierbrauer in Neuenbürg; Felix Kleinvien st, Bauer in Ergenzingen; Martin Kottler, Gem.- Rat in Beuren; Joh. Seeg er, Privatier in Calw.
Stuttgart, 15. Nov. Die Aussteller, welche in Chicago Medaillen und Diplome errungen haben, werden voraussichtlich noch Monate lang zu warten haben. Nachforschungen im Prämienamt haben das erstaunliche Ergebnis gehabt, daß noch nicht einmal ein Entwurf für die Medaillen angefertigt worden ist und die Aussteller dieselben nicht vor Mai nächsten Jahres erhalten können. Inzwischen empfangen sie ein viereckiges vergoldetes Stück Pappendeckel, auf welchem folgendes verzeichnet ist: „Der Firma , . . ist auf der kolumbischen Ausstellung in Chicago
eine Prämie zuerteilt worden. Das Prämienamt. John Boyd Thacher."
Stuttgart, 17. Nov. Der Sohn des Herzogs Albrecht von Württemberg erhielt in der Taufe die Namen Philipp Albrecht. Erster Taufpathe ist der Großvater, Herzog Philipp von Württemberg.
München, 15. Nov. Die Vermählung der Prinzessin Auguste von Bayern mit Erzherzog Joseph August verlief programmmäßig. Die Ziviltrauung wurde von dem Minister Crailsheim unter kurzer Ansprache im Thronsaale vollzögen, hierauf fand in derAllerheiligen-HofkirchediekirchlicheTrauung durch den Erzbischof Thoma statt. Nach der Feier wurde eine kurze Gratulationskour abgehalten, später fand im Palais des Prinzen Leopold ein Familienfrühstück statt. Der Erzherzog Joseph August ist mit seiner Gemahlin um 5 Uhr nachmittags mit Sonderzug nach Salzburg abgereist. Der Kaiser von Oesterreich trat um 7 Uhr die Rückreise nach Wien an, nachdem er auf dem Bahnhofe von dem Prinzregeyten, dem Prinzen Leopold und der Prinzessin Gisela herzlichen Abschied genommen hatte.
Die Ausschüsse des Bundesrats haben am Mittwoch unter oem Vorsitz des Reichsschatzsekretärs Grafen Posadowski die Tabaksteuer angenommen. Der Gesetzentwurf über die Finanzreform ist einstimmig, die grundlegenden Bestimmungen des Tabaksteuergesetzes beinahe einstimmig angenommen worden. Die Weinsteuer wird erst heute von den Ausschüssen beraten werden.
Dem Reichstag zugegangen sind die Handelsverträge mit Spanien, Rumänien sind Serbien. Auch der Reichshaushaltsetat ist dem Reichstage bereits zugegangen.
Hannover, 17. Nov. Das Nachspiel zu dem großen Spieler- und Wucherprozeß ist in zwei Tagen erledigt worden. Zahlreiche Zeugen wurden als Geschädigte vernommen. Das Urteil lautete gegen die Angeklagten Guhl, Schwietzfr und Kräin auf Freisprechung, Hirsch wurde zu 8, Hollmann zu 2'/r Jahren Gefängnis, je 3000 ,)/(( Geldstrafe und je 5 Jahre Ehrverlust verurteilt. Ferner wurde die sofortige Verhaftung der letzten beiden beschlossen.
Berlin, 16. Nov. Ueber die Kieler Spionen- Affaire verlautet, der Kaiser habe sich über die Geschicklichkeit der Untersuchung überaus anerkennend ausgesprochen. Alle an der Untersuchung beteiligten Beamten erhalten Auszeichnungen. Das Resultat der Untersuchung wurde bereits der französischen Regierung bekannt gegeben.
Berlin, 17. Nov. v. Hammerstein brachte mit Unterstützung der Konservativen wieder seinen bekannten Antrag ein, betreffend die Beschränkung der Einwanderung und Niederlassung fremder Juden. Das Zentrum brachte einen Antrag ein, worin die Reichsregierung aufgefordert wird, eine Enquete über die Wirkung der llstünoigen Arbeitszeit bei Frauen anzustellen; ferner einen Antrag, der im Sinne der kaiserl. Botschaft die Errichtung von Arbeiterkammern anregt. Die Elsaß-Lothringer beantragen die Einführung des Reichspreßgesetzes in den Reichslanden, sowie die Beseitigung der dort noch bestehenden Ausnahmegesetze.
Berlin, 17. Nov. Das Zentrum brachte den Antrag auf Außerkraftsetzung des Jesuitengesetzes ein. Die freisinnige Volkspartei brachte den Antrag wegen Entschädigung unschuldig Verurteilter ein.
Berlin, 17. Nov. Nach der „Mg. Ztg." sagte der Kaiser nach der Vereidigung der Truppen folgendes: „Ich brauche christliche Soldaten, die ihr Vaterunser beten. Der Soldat soll nicht seinen Willen haben, sondern Ihr habt Alle einen Willen, und das ist mein Wille; es giebt für Euch nur ein Gesetz, und das ist Mein Gesetz."
Berlin, 17. Nov. Auf Vorschlag des Grafen Hompesch wird das bisherige Präsidium (Levetzow, Buol, Bürk- lin) durch Akklamation wiedergewählt. Die Genannten nehmen die Wahl mit Dankesworten an. — Die Anträge, betreffend die Einstellung des Strafverfahrens gegen Hammerstein, Ahlwardt und Förster, werden angenommen. Nach längerer Geschäftsordnungsdebatte wird entgegen dem Anträge des Präsidenten, der Montag vorschlug, die erste Lesung der Handelsvorträge auf Donnerstag anberaumt.
Berlin, 18. Nov. Der Exjesuit Graf Hoens- broch wird laut „Voss. Ztg." in Rom Besprechungen mit dem Jesuitengeneral und dem Papste haben. — Der Gesamtbetrag der Militärpensionen beträgt für 1894,95 27,550,000 -77 gegen 26,130,000 IM Vorjahr und 17,780,000 in 1888/89. Es ist nach dem Etat auf eine regelmäßige jährliche Steigerung von 2,100,000 -77 zu rechnen.
Oesterreich-Ungarn.
Wien,15. Nov. Der gestern verstorbene Baron Moritz Königswarter hinterläßt ein Vermögen von
40 Millionen Gulden; es verlautet, das Testament werde infolge von Bestimmungen, wonach der zweitgeborene Sohn Universalerbe sei, zu mannigfachen Prozessen Anlaß geben. Stach anderer Version sei zwischen den drei Söhnen des Verblichenen schon vor dessen Ableben bezüglich der Vermögensteilung ein Uebereinkommen getroffen worden. Königswarter verlangte letztwillig Obduktion seines Leichnams, damit die Ursache seines langjährigen Kopfleidens festgestellt und der Wissenschaft ein Dienst geleistet werde.
Wien, 16. Nov. Zur Taufe des neugeborenen Prinzen von Württemberg gingen von hier an das erzherzogliche Paar Karl Ludwig nach Stuttgart zahlreiche Glückwunschtelegramme ab, desgleichen auch an den in Arco weilenden Feldmarschall Erzherzog Albrecht, dessen erstes Urenkelkind der neugeborene Prinz ist.
Pest, 16. Nov. Die deutsche Thronrede macht hier den besten Eindruck. Alle Blätter erkennen ihren friedlichen Charakter an und sind voll des Lobes für Kaiser Wilhelm II.
Graz, 17. Nov. Graf Hartenau (Prinz Alexander von Battenberg) ist heute mittag gestorben. Er war am 5. April 1857 geboren, stand somit im 37. Lebensjahre. Der frühere Fürst von Bulgarien, der seit 1889 hier wohnte, genoß allgemeine Beliebtheit, die Teilnahme an dem Schlag ist deshalb groß.
Frankreich.
Von Paris aus wird immer erneut versucht, den italienischen Staatskredit zu erschüttern, da von den italienischen Staatspapieren auch in Deutschland ein erheblicher Teil untergebracht ist, so mag darauf hingewiesen sein, daß niemand an der Fähigkeit oder Bereitwilligkeit Italiens, seine Verpflichtungen prompt zu erfüllen, zu zweifeln braucht. Die Pariser Machinationen entspringen lediglich dem französischen Haß gegen Italien, der womöglich noch größer ist- als der Haß gegen Deutschland.
Die Weinernte in Frankreich hat dieses Jahr ausgezeichnete Ergebnisse geliefert. Die Ernte beläuft sich für 1893 auf 50 Millionen Hektoliter, also 20 Millionen mehr als die zehnjährige Durchschnittsernte. In der Champagne hat man das Sechsfache des Durchschnitts geerntet.
Italien.
Rom, 16. Novbr. Der Papst empfing heute morgen in der Peterskirche 4000 Pilger aus der Lombardei und Venetien. Dem Empfange wohnten die Großfürstin Katharina mit ihrer Tochter, das diplomatische Korps und ein zahlreiches Publikum bei. In der Antwort auf die Adresse der Pilger protestierte der Papst entschieden gegen die Beschuldigung, ein Feind Italiens zu sein. Er nannte das eine schamlose Verleumdung. Am Schlüsse seines Empfanges erteilte der Papst den Segen. Der Papst sah gut aus. Von der Erkältung, an welcher er kürzlich litt, war nur noch ein leichter Husten zurückgeblieben.
Mailand, 18. Nov. 35 Anarchisten wurden verhaftet und Flugschriften beschlagnahmt.
England.
London, 17. Nov. Aus Airdrie (Schottland) wird gemeldet, daß die Kohlengrube Summerlie Kickwood bei Coatbridge in Brand geraten ist, 52 Bergarbeiter sind dadurch von der Oberwelt abgeschlossen, man befürchte, daß dieselben bereits erstickt seien.
Kleinere Mitteilungen.
In der kalten Nacht vom 7. 8. d. Mts. ist die Lum- vensammlerin Bolz von Delkofen, OA. Spaichingen, in der Nähe von Bubsheim erfroren aufgefunden worden.
In einem Teich bei Wiblingen, OA. Laupheim, wurde in einem Kistchen der Leichnam eines Kindes ausgefunden, das nur kurze Zeit nach der Geburt gelebt zu haben scheint. Die Beinchen des Kindes waren, da das Kistchen zur Aufnahme desselben zu kurz gewesen, abgebrochen worden.
Heidenheim, 13. Nov. Den eifrigen Bemühungen des hiesigen Stations-Kommandanten Hepp und des Landjägers Bay von Söhnstetten ist es gelungen, den Urheber des Brandes in Söhnstetten vom 13. Okt. d. I., zu entdecken und zu verhaften. Der jugendliche Verbrecher hat bereits ein umfassendes Geständnis abgelegt.
(Wie beliebt?) Die „Kölnische Zeitung" veröffentlicht folgende Anzeige: „Eine israelitische Dame, 23 Jahre, bildschön, aus hochachtbarer Familie, mit 8 Mill. Mark Mitgift, hegt den Wunsch, einen vorurteilsfreien (!) Herrn, Grasen oder Baron, gut situiert, kennen zu lernen, und wird die Einführung in einem Badeort in taktvoller Weise stattfinden können. Die Dame ist gesonnen, sich so taufe» zu lassen, wie die Religion des Herrn ist. (!) Strengste