nicht, daß seineStreiche" undPassionen" auf allerlei Wegen unter den Soldaten und im Publikum bekannt werden, und daß er in einem öffentlichen! Leumund steht, wie er schlechter nicht leicht denkbar! ist. Selbst fürstliche Persönlichkeiten könnten bei! besonders scharfem Gehör Ausdrücke wieWind­beutel",Winkelfchlupfer".Schürzenjäger" rc. rc. vernehmen; das Volk benützt da" in aller Freiheit Titel, die nicht in der Rangliste und nicht im Staats­handbuch stehen. Die glänzende Uniform, die statt­liche Reihe der Orden, der hohe Ranz rc. tragen an und für sich nichts zumguten Minen" bei. Das Zeugnis:Er ist ein braver, tüchtiger Mann, vor dem man Respekt haben muß!" das will ver­dient sein!

DieNat. Ztg." schreibt in einer Betrachtung über das Ergebnis der Pariser Verbrüderungsfeste: Man hält es in Frankreich infolge der Annäherung Rußlands für zweckmäßig, die Dreibundsmächte, ins­besondere Deutschland zu beunruhigen und weiterhin zu reizen, uni es, wo möglich, zu irgend einem über­eilten Schritte Hinzureißen, zu einem Schritte, der jenes russische Bündnis, welches die Franzosen jetzt erst wünschen, zu einer Thatsache machen könnte. Wenn sich nun.auch nicht leugnen läßt, daß in der Annäherung Rußlands an Frankreich insofern der Keim einer möglichen Gefahr liegt, als die Fran­zosen wohl nichts unversucht lassen werden, ihre Revanchesucht auf die Russen zu übertragen und so schließlich den Zaren wenn möglich in eine Zwangs­lage zu bringen, so steht doch für absehbare Zeit fest, daß die Zügel in der Hand des Zaren liegen; und'unter diesem Gesichtspunkt hat das russisch-fran­zösische Verhältnis eine friedliche Bedeutung. Die bloße Klugheit schon wird bis auf weiteres die fran­zösische Regierung nötigen, nach den Gesichtspunkten des Zaren "sich zu richten. Alexander III. dürste nicht der Mann sein, welcher durch Schmeicheleien und Verhimmelungen sich von dem durch Rußlands Interessen vorgezeichneten Weg abbringen läßt, und diese Interessen weisen ihn keineswegs aus Erobe­rungen in Deutschland, geschweige denn darauf hin, den Franzosen zu Elsaß-Lothringen oder zum linken NHeinufer ju verhelfen. Wohl aber stärkt der Rück­halt an Frankreich die Stellung des Zaren, und darum ist es durchaus verständlich, daß er gegen die Liebeswerbungen Frankreichs nicht unempfindlich blieb, auch wenn er mit diesem die Angriffsgelüste ßegen Deutschland nicht teilt. Anzunehmen ist, daß in nicht ferner Zeit das russisch-französische Verhält­nis sich auf dem internationalen Gebiete bethätigen wird. Die Probe auf das Exempel dürfte darin liegen, wo dies zunächst erfolgen wird."

Die amtliche Statistik der letzten Reichstagswah­len ist nunmehr erschienen. Hienach fielen am 15. Juni auf die Kandidaten der einzelnen Parteien:

Konservativen

1,038,353

Freikonservativen

438,435

Nationalliberalen

996,980

Zentrum

' 1,468,501

Sozialdemokratie

' 1,786,798

Freisinnige Volkspartei

666,439

Vereinigung

258,481

Südd. Volkspartei

166,757

Antisemiten

263,861

Polen

229,531

Elsäßer, Dänen und Welfen

234,927

Die stärkste Partei ist somit die sozialdemokra­tische, dann folgt das Zentrum, die Konservativen, Rationalliberalen u. s. w. Schon bei der Wahl von 1890 hatte die Sozialdemokratie die meisten Stim­men, 126,388 mehr als die zweitstärkste Partei, das Zentrum, nämlich jene 1,468,501, dieses 1,342,113. Seit 1890 ist die Sozialdemokratie um rund 360,000 Stimmen gewachsen. DerVorwärts" rechnet aus, daß nach der Parteistatistik die deutsche Wählerschaft sich am 15. Juni mit 3,225,641 Stimmen für, mit 4,323,362 Stimmen gegen die Militärvorlage aus­gesprochen habe.

Der älteste Wahlmann in Berlin, der 92jährige Professor Michelet, ist am Tage der Wahl in dem Wahllokal zwei hohe Treppen hinaufgestiegen und hat erklärt, daß er die Wahl annehme.

Die Kosten des Nationaldenkmals für Kai­ser Wilhelm I. in Berlin waren von einem dor­tigen Börsenblatts auf 11 Millionen angegeben. VM rpird jetzt entgegengehalten, daß diese Angaben denn doch sehr erhsbsjch übertrieben sind. Beim!

Reichskanzler Grafen Caprivi fand am Freitag abend ein Mahl zu Ehren der russischen Handels- ! Vertrags-Unterhändler statt.

! In Berlin sind am Montag in der Zentral- ! Markthalle nicht weniger als 21 Fleischergesellen und Kutscher wegen Verübung großer Diebstähle und Hehlereien verhaftet worden.

Berlin, 2. Nov. Es ist noch unentschieden, ob der Etat sowie die Steuergesetze noch in der ersten Woche dem Reichstage nach seinem Zusammen­tritt zugehen werden. Dem Jesuitenantrag des Centrunis sieht man -sofort entgegen.

Berlin, 2. Nov. Ein.verstorbener Bürger na­mens Schmidt hatte der Stadt Berlin Ist» Millio­nen zur Errichtung eines Findelhauses vermacht. Die Erben hatten diese Schenkung angefochten, sind aber vom Reichsgericht mit ihren Ansprüchen zurück­gewiesen worden. Der Kaiser hat nunmehr der Stadt die Annahme dieses Legats gestattet, dabei aber den Wunsch ausgesprochen, daß die neu zu errichtende Anstalt nicht Findelhaus, sondern Kinderasyl heißen möge.

DieNordd. Allg. Ztg." bestätigt, daß ein Reichs­stempel von 10 auf Frachtbriefe eingeführt wer­den soll. Da jedoch der 50-Pfennig-Postpacketverkehr frei gelassen werde, so sollen auch die Eisenbahn­frachtbriefe soweit frei bleiben, damit keine Mehrbe­lastung der Eisenbahnfracht gegenüber dem Postver­kehr eintritt. Die gleiche Behandlung wie die Eisen­bahnfrachtbriefe sollen Schiffsverkehrspapiere erfahren.

Berlin, 3. Nov. Die Morgenblätter melden aus Schneidemühl: Aus dem wieder aufgebroche­nen Unglücksbrunnen entströmen seit gestern um 1 Uhr ununterbrochen mit der früheren Vehe­menz kolossale Wassermassen mit 5 pCt. Erdbestand­teilen, Brunnenmeister Beyer von Berlin stellte fest, daß der neue Äusbxuch durch das erste Bohrloch erfolgte und vermutet einen Erdrutsch in der Tiefe, hofft übrigens bis Samstag die Gefahr beseitigen zu können. DasBerliner Tageblatt" meldet aus Kopenhagen: Das älteste existierende Handelsschiff, der hiesige SchoonerSvanen", im Jahre 1777 in Eckernförde erbaut, ging bei Island unter.

Schneidemühl, 3. Nov, Der Wasserausfluß an der neuen Ausbruchsstelle hat sich vermindert. Der Brunnenmeister Beyer erklärte, zur Zeit sei eine Gefahr nicht vorhanden. Die Thonschicht sei 35 in stark und nicht beschädigt. Der Brunnen wird nun­mehr vollständig geschlossen werden. Einige Häuser zeigen neue Risse. Falls neue Erdrutsche eintreten, was nicht ausgescbloffen ist, so wird der gefährdete Stadtteil schwerlich zu retten sein.

Berlin, 4. Nov. Die Blätter melden aus. Wien: Fürst Windischgrätz nahm den Auftrag zur Kabinettsbildung an. Dieselbe dürfte nächster Woche beendet sein. Wahrscheinlich erhält Plener die Finanzen, der Präsident der Staatsbahneu Bi- linski das Handelsportefeuille.

Schweiz.

In Luzern wurde ein Elektrizitätsarbeiter durch den Wechselstrom getötet.

Oesterreich-Uygarn.

Wien, 1. Nov. Kaiser Wilhelm sprach in Güns die Absicht aus, im nächsten Jahr große Manöver der deutschen Armee zu veranstalten; denselben werden der Kaiser Franz Josef, der Erzherzog Albrecht und Mitglieder der österreichischen Generalität und des Generalstabes beiwohnen. Bei der Anwesenheit des Erzherzogs Albrecht in Berlin wurden Verein­barungen über diese Manöver getroffen; dieselben werden nach dem Muster der Günser Manöver ver­anstaltet. Kaiser Wilhelm will dem verbündeten österreichischen Monarchen Proben der Leistungsfähig­keit des deutschen Heeres geben.

Wien, 2. Nov. Mit aller Bestimmtheit wird das Gerücht verbreitet, die Prinzessin Stefanie, die Wittwe des Kronprinzen Rudolf, werde sich demnächst mit dem Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand vermählen.

Ein mannhaftes Wort des Kaisers Franz Josef, wird demDaily Telegraph" aus Gi en ge­meldet, welches anläßlich der augenblicklichen Minister­krisis in Bezug auf die Zukunft gesprochen worden ist. Danach hat der Kaiser gesagt: Nichts wird mich von der Aufrechterhaltung des Dreibundes ab- bringen; es mag schwere Finanzopfer kosten und viele Sorgen und Unruhen verursachen, aber wie auch die Opfer beschaffen sein mögen, nichts wird mich hindern, Wort zu halten.

Frankreich.

Paris, 1. Nov. Der Bischof von Nimes ließ nach der Allerheiligenmesse in allen Kirchen seiner Diözese ein Ts 1)öum als Danksagung für das Bündnis Frankreichs und Rußlands fingen, von dem er den Weltfrieden zu erwarten behauptet.Laßt uns," schreibt dieser Prälat,die Morgenröte des Friedens froh begrüßen, der zugleich die beständige Sorge der Kirche und der allgemeine Wunsch unse­res Vaterlandes ist. Die Beispiele der Frömmigkeit, die die russische Seeleute uns gegeben haben, sind wohl dazu angethan, uns in Erinnerung zu bringen, daß Gott noch, immer der Herr der Heerscharen ist. Man hat jene tapfern Seeleute auf dem Verdecke ihrer Schiffe beten und in ihren Kirchen zu Toulon wie zu Paris ein Do Don n singen hören. So wol­len wir denn zu Allerheiligen dasselbe thun." Auch der Bischof von Ajaccio ließ zu Ehren der russischen Gäste ein De Demo anstimmen.

Die Franzosen wurmt es nicht wenig, daß das Ausland, zumal die öffentliche Meinung der Dreibundländer, es beharrlich ablehnt, au das Vor­handensein eines förmlichen Bündnisvertrages zwi­schen Rußland und Frankreich zu glauben. Darum fordert Herr Lockroy im PariserEclair" die Regie­rung auf, den Bundesvertrag wenigstens in den Hauptzügen zu veröffentlichen, wie dies die Drei­bundmächte ja ebenfalls gethan hätten. Dies sei das einzige Mittel, die immer noch vorhandenen Zweifel an dem Bestehen eines solchen Vertrages zu beseiti­gen. Herr Lockroy hat recht, das wäre das einzige Mittel, die Zweifler zu widerlegen, aber diese Widerlegung wird nicht erfolgen. Ihr Ausbleiben wird den Ernüchterungsprozeß beschleunigen, dessen Ansätze sich bereits hie und da zeigen.

Ajaccio, 3. Nov. Die Bestattung der bei der Explosion getöteten russischen Matrosen fand in­mitten von Tausenden von Teilnehmern statt. Der Maire von Toulon, Ferrero, hielt am Grabe eine Rede.

Ein Konzessionsgesuch zum Bau einer Brücke, die über den Kanal zur Verbindung zwischen Eng­land und Frankreich dienen soll, gesenkt eine Ge­sellschaft dem englischen Parlament demnächst zu über­reichen. Der Kostenanschlag beläuft sich aus Millionen Franken.

England.

Der britische Elfenbeinhändler Stockes in Ostafrika verbreitet das Gerücht, daß Emin Pascha doch noch lebe. Irgendwelche thatsächliche tlnteetage hiefür hat bis zur Stunde nicht gegeben werden können.

Rußland.

Petersburg, 28. Okt. An der hiesigen Uni­versität, kam es wegen der franzosensreundliche r Kundgebungen zu einer Studenten-Prügelei, welche das Einschreiten der Pedelle nötig machte. Der Vorschlag, auf das Antworttelegramm der Pariser Studenten abermals eine Depesche an dieselben zu senden, stieß auf Widerspruch. In den Opponenten wurden Deutsche gewittert und von Worten ging man zur:-Bethätignng der Fäuste über, wobei die vermittelnden Studenten von beiden Partien am ärgsten zugerichtet wurden.

In Rußland sind durch einen soeben ergange­nen Befehl 15 Reserve-Brigaden neu gebildet wor­den, 13 im europäischen Rußland, 2 im Kaukasus, sodaß jetzt allein das europäische Rußland im Kriegs­fall 64 Infanterie-Divisionen aufstellen würde. Mit der Neubewaffnung der Infanterie ist man indes in Rußland noch lange nicht fertig. 'Nach derFrank­furter Ztg." werden noch zwei Jahre vergehen- ehe das russische Heer mit den neuen Gewehren verse­hen ist.

Während man in Paris zu Ehren der russischen Gäste glänzende Feste feiert, ist in Moskau am 22. Oktober derGedenktag des Abzugs der Franzosen 1812" durch feierliche Kirchenprozession im BeyeR der Spitzen aller Behörden begangen worden. Das paßt ja vortrefflich zusammen!

Serbien.

Belgrad, 2. Okt. Der frühere Justizminister Velimirowitsch wurde gestern morgen entsetzlich ver­stümmelt im Bette aufgefunden, der Kops war vom Rumpfe getrennt, die Brust zeigte acht Stichwunden, die auf einen gräßlichen Kampf hindeuten. Die im Schlafzimmer befindliche Kasse ist erbrochen und des Inhalts beraubt. Von den Thätern hat man bis­her keine Spur.