Erinnerungsmedaille in Gold wurde dem Admiral eingehändigt. Von da ging es zu der Kunstgewerbeschule, wo den Russen ebenfalls eine Erinnerungsmedaille eingehändigl wurde. — Bei dem gestrigen Konzert im Stadthaus und dem Zapfenstreich kamen etwa 50 Unfälle vor, aber nicht von großer Bedeutung. Beim Konzert sang das ganze Publikum stehend die russische Hymne; wie es geklungen hat, wird nicht gemeldet. Beim Diner tin Stadthause waren 564 Couverts gelegt; es war lauter nagelneues Silbergeschirr. Carnot trank auf die Gesundheit des Kaisers, der Kaiserin, des Großfürsten Thronfolgers und aller Mitglieder der kaiserlichen Familie. Der auf den Tribünen aufgestellte Chor sang die russische Hymne auf russisch. Den zweiten Toast brachte Mohrenheim aus: Auf Carnot und aus Paris. Der Chor sang die Marseillaise. Den 3. Toast brachte Humbert, Präsident des Gemeinderats aus. Er nannte die Russen Freunde, Brüder, und trank auf ganz Rußland, aus seine Söhne und Töchter, aus alles, was den Gästen teuer ist, auf alles, was ihnen Freude macht, auf ihre Liebe und auf ihre Hoffnungen; auf das russ. Vaterland, die Schwester von Frankreich. Avellane feierte Paris als die gastfreundlichste Stadt der Welt.
Paris, 20. Okt. Der Ministerrat beschloß, die Beisetzung Mac Mahon's bereits nächsten Sonntag stattfinden zu lassen, nachdem die russische Regierung den Wunsch ausgedrückt, daß Admiral Avelane und den russischen Offizieren Gelegenheit gegeben werde, den Beisetzungsfeierlichkeiten beizuwohnen.
Paris, 20. Okt. Lockroy beklagt sich heute im „Eclair" bitter darüber, daß die Regierung die Kammer nicht einberufe. Es scheine, daß sie glauben machen wolle, Frankreich sei ebenso absolutistisch regiert wie Rußland und Präsident die treue französische Uebersetzung des russischen Wortes Zar.
Paris, 21. Okt. Der Ball im Hotel de Ville nahm einen glänzenden Verlauf. Wegen des Todes von Mac Mahon tanzten die russischen Gäste nicht. Sie verließen um Mitternacht den Ball, von der Menge lebhaft begrüßt.
An die Veranstaltungen, welche die russischen Schiffe in Frankreich erlebt haben, reicht freilich der Empfang der Engländer in Italien bei weitem nicht heran. Die Anstrengungen, welche von den Franzosen gemacht worden sind, um ihren nordischen Gästen den Aufenthalt so bequem wie nur möglich zu machen, sind außerordentliche, die Begrüßung in Toulon wie in Paris ist geradezu eine rauschend- enthusiastische gewesen. Erfreulicherweise ist zu konstatieren, daß, soweit bisher bekannt geworden, keinerlei Ausschreitungen oder extravagante politische Kundgebungen vorgekommen sind, vielmehr sich alles in den üblichen Grenzen gehalten hat, durch welche keine Ration sich getroffen fühlen kann. Kein Wunder ist es, wenn die Pariser Zeitungen schon von großen Erfolgen zu reden beginnen und von Folgen, welche dieses Ereignis auf politischem Gebiete haben kann. Indessen die Hauptfolge wird wohl nur eine neue russische Anleihe sein. Ein Zwischenfall in den Pariser Festtagen ist der Tod des greisen Marschalls Mac Mahon, des Herzogs von Magenta, der am 6. August 1870 bei Wörth geschlagen und zum Beginn der Schlacht von Sedan verwundet wurde. Nach dem Tode des ersten Präsidenten der gegenwärtigen französischen Republik, Thiers, wurde er bekanntlich zum Nachfolger desselben gewählt, mußte aber am Ende in Folge der wachsenden Macht der Republikaner unter der Führung von Gambetta aus seinem Amte scheiden. In Parts ist er bereits vergessen und seiit Tod wird die Russenfesttage nicht gören. Der Ausstand der Bergarbeiter in Nordfrankreich, Belgien und England giebt noch immer zu vielen Schwierigkeiten Anlaß. Im klebrigen liegt aus den letztgenannten Ländern nichts von größerem Belang vor. Auch im Streit der Spanier mit den Mauren in Nordafrika sind neue Erscheinungen nicht zu verzeichnen.
Marseille, 17. Okt. Es scheint im Auslande nicht bemerkt worden zu sein, daß Franzosen dem russischen Admiral bei seinem Einzüge in Toulon — unglaublich aber wahr — den Saum seines Rockes geküßt haben! Ein Commentar ist wohl überflüssig.
Montcresson, 10. Okt. Bei der Familie des Marschalls Mac Mahon trafen zahlreiche Telegramme aus Frankreich und dem Auslande ein, darunter solche von dem Grafen von Paris, dem Kardinal- Staatssekretär Rampolla und dem Erzherzog Al-
brecht von Oesterreich. Die Leiche wird bis zur Beisetzung im Jnvalidendom in der alten Kirche von Montcresson aufbewahrt. Der König von Italien richtete direkt ein Beileidstelegramm an die Witwe. — Der deutsche Botschafter telegraphierte an Mac Mahons Witwe: „Der deutsche Kaiser hat mich beauftragt, in Gedanken tiefer Sympathie für seinen Namen einen Kranz auf den Sarg des trefflichen, edlen Marschalls niederzulegen. Ich selbst drücke Ihnen mein aufrichtiges Beleid aus."
Als der Kaiser von Rußland die französischen Kriegsschiffe in Kopenhagen besuchte, sandte der Präsident folgendes Telegramm: „Ganz Frankreich wird tief bewegt sein über dieses neue Zeichen der Sympathie. Ich mache mich zu seinem Interpreten, indem ich Ihnen warmen Dank übermittele."
Spanien.
Madrid, 19. Okt. Ein spanisches Kriegsschiff ist nach Hamburg abgegangen zur Uebernahme von 10000 Mausergewehren. 20 Kanonen wurden bereits von Barcelona nach Melilla geschickt.
Aus Biarritz wird gemeldet: Ein Spanier riß die den Empfang der Russen ankündigende Depesche im Kasino in Gegenwart zahlreicher Franzosen und des Großfürsten Alexis herab, spie auf die Depesche und warf dieselbe den dazwischen tretenden Franzosen ins Gesicht. Großfürst Alexis holte persönlich einen Polizeikommissär herbei und forderte ihn auf, ein Protokoll über den Vorfall aufzunehmen.
Italien.
Der König von Italien sandte der Witwe des Marschalls Mac Mahon ein Beileidstelegramm über den Tod des Marschalls, „an dessen ruhmreichen Namen Italien stets mit Liebe und Dankbarkeit zurückdenken wird.
Mit dem Eintreffen des englischen Geschwaders haben auch m Tarent Festtage begonnen. Die englischen Schiffe sind am Montag Mittag, nachdem die Durchfahrt durch den Kanal nach dem Mare Piccolo vorzüglich gelungen war, unter dem Donner der Geschütze von den Forts vor Tarent vor Anker gegangen. Auf dem Quai waren Abteilungen von Infanterie und Marine-Infanterie sowie sämtliche Arbeiter-Vereine ausgestellt, welche das Geschwader mit lebhaften Ovationen begrüßten. Während der Vorbeifahrt der „Jtalia", die sich an der Spitze des Geschwaders befand, spielten die Musikkorps die italienische Hymne und während der Vorbeifahrt jedes einzelnen englischen Schiffes wurde zuerst die englische und dann die italienische Hymne gespielt. Die ungemein zahlreich herbeigeströmte städtische und ländliche Bevölkerung bereitete dem englischen Geschwader einen überaus herzlichen und würdigen Empfang. Die Stadt ist festlich geschmückt. Um 1 Uhr tauschten die Admirale Turi und Corsi und die Chefs ihrer Stäbe mit Admiral Seymour Besuche aus, welche einen sehr herzlichen Charakter trugen.
Tarent, 21. Okt. Die Abfahrt des englischen Geschwaders fand unter großer Beteiligung der Einwohnerschaft statt. Die Truppen hatten am Kanal Aufstellung genommen. Bei der Vorüberfahrt ertönten Salutschüsse auf beiden Seiten. Boote und Schiffe gaben dem Geschwader das Geleit. Die Engländer dankten für die Ovationen herzlich.
Rußland.
St. Petersburg, 18. Okt. Den St. Petersburger Lehranstalten ging eine Masse Postkarten mit Grüßen französischer Schüler an ihre russischen Kameraden zu. In Folge dessen sandte der russische Unterrichtsminister an den französischen Unter- richtsminister ein Telegramm, worin der Dank der russischen Schüler für die Grüße übermittelt wird. Das Telegramm schließt: „Wir Alle senden heiße Gebete zu Gott, daß die Gefühle der Freundschaft und der Friedensliebe, welche die französische und die russische Regierung beseelen, tiefe Wurzel fassen möchten in den Herzen der jungen Generation beider Völker."
Die Petersburger Presse betont einstimmig den friedlichen Charakter des russischen Flottenbesuchs, sowie den Umstand, daß der Flottenbesuch in Toulon wie der in Kronstadt der persönlichen Initiative des Zaren entsprungen sei.
Ein unglaublicher Akt russischer Willkür wird aus Warschau gemeldet. Die russische Regierung hat dem Herausgeber und Redakteur der seit 12 Jahren in Lodz erscheinenden deutschen Zeitung,
Karl Willens, der vor einigen Monaten eine Erholungsreise ins Ausland unternommen hatte, die Rückkehr nach Rußland verboten. In Alexandrowo erklärte ihm ein Gendarm, daß er das russische Gebiet nicht mehr betreten dürfe und daß die Regierung zum Redakteur der „Lodzer Zeitung," eines Privatunternehmens, schon eine andere Persönlichkeit, nämlich den Russen Warikyw, ernannt habe.
Amerika.
Newyork, 20/. Okt. ^Jn Detroit (Michigan) erfolgte ein Zusammenstoß zweier Züge; 2ö Leichen sollen in den Trümmern hervorgezogen sein. Der Zug geriet in Brand und wurde vollständig zerstört.
Washington, 21. Okt. Die Repräfentanten- kaminer nahm eine Resolution an, wonach den Ausstellern von Chicago ein Nachlaß an-den Zöllen- im Betrag bis zu 50 pCt. gewährt wird.
Kleinere Mitteilungen.
Ahldorff, OA. Horb, IN Okt. Daß blinder > Eifer nur schaden kann, durfte man dieser Tage hier ^
erleben. Hat da vor einigen Tagen ein Bürger ^
unserer Gemeinde endlich alles zürn Mosten in Stand gebracht. Als er das Obst an seinen Bestimmungsort gebracht hatte und die Reihe zum Obstmahlen an ihn kam, nimmt er eilig einen seiner Säcke, schüttet auf die Obstmühle und treibt diese mit.löblicher Energie. Nach kurzer Zeit macht, er aber die Wahrnehmung, daß er Kartoffeln aufgeschüttet und gemahlen hatte. Tableau! >
Stuttgart, 17. Okt. Heute morgen sind die Rekruten der beiden hies. Infanterie-Regimenter Nr. 125 und 119 „mit Sack und Pack" eingerückt, was den der Kaserne benachbarten Straßen einen ziemlich lebhafckn Charakter ' verlieh. Daß der militärische Geist bis jetzt nicht so besonders vorwaltet, davon zeugt ein ergötzlicher Zwischenfall. Bei der Gestellungsmusterung siel dem Feldwebel ein ziemlich robuster Bauernknecht in die Augen, der mit großen, bis über die Knie reichenden Stiefeln; sein gewichsten Lederhosen, einem kleinen Sammtwämschen und einem j breitkrempigen Strohhut geschmückt war. Lächelnd ineinte ; der Feldwebels „Du g'fällstm'r jetzt!" wötastf unser Bauern- ' knecht schmunzelnd erwidert: „Du miär MT" "
In Mergentheim wurde von Honsbronn eine ' ledige Frauensperson eingeliesert.. Dieselbe hatte , ihr neugeborenes Kind in ein Tuch gewickelt und ; so lange in einem Schrank verborgen; bis es erstickt war.'-. "Z
In Adolzhausen, OA. Mergentheim, erhängte sich ein 7 Ojähriger Gemeinderat;- weil -er - -wetzen. Ka-. pitalsteuerdefraudation in Untersuchung gezogen worden .ist. ' s
Unterhärmesbäch, 17, Okt. ' Ein Zeller' Wirt lietz bekannt machen, daß man bei ihm für 1 Mk. bares Geld eine Stünde lang nach Lust Neuen trinken kann. Dieses Angebot wurde sehr benützt und es sollen am Montag fürchterliche Kater hier herumgelausey. sein.
Zwischen Appenweier,und Offenburg hat ein Eisenbahnunglück stattgefunden. Dreißig zertrümmerte Wagen sperren die Bahn. Die Personen müssen umsteigen. Der Schaden an Material ist sehr groß.
1000 Mark für einen Kuß. Dieser Tage saßen, wie dem „Wurz. Tgbl." aus dem Dorfe P. bei Brandis geschrieben wird, in einer Restauration des Orts mehrere Radfahrer aus Leipzig mit dem schmucken Wirtshaus-Töch- terlein in lustiger Stimmung beisammen. Unter den fidelen Sportsgenossen befand sich auch ein Rechtsanwalt, dem es das hübsche 19jährige Mädchen so ängethan hatte, daß er ihr 1000 Mk. hot, wenn, sie ihm einen Kuß geben und sein ! liebes Weibchen werden wollte. -Eingedenk des Sprichworts: „Einen Kuß in Ehren, kann Niemand verwehren," besann sich die holde Maid, nicht lange und spendete den verlangten Kuß, worauf denn auch der glückliche Empfänger desselben sofort seiner Verpflichtung nachkam und ühr mit den Worten: „Das Geld ist Dein und Du bist auf ewig mein"
1000 Mk. in Papiergeld in das zarte Händchen drückte. Beide umarmten sich nun und bei dem ersten Kusse ist es natürlich nicht geblieben. Die Verlobung ist geschlossen und nächstens wird fröhliche Hochzeit sein.
Berlin, 20. Okt. Ein besonders krasser Fall unschuldiger Verurteilung wird aus Dresden berichtet. Dort war vor 12 Jahren ein Kassierer , ein jetzt 75jähriger Mann, wegen angeblicher Unterschlagungen zü einem Jahr Gefängnis und 5000 ^ Schadenersatz verurteilt worden. Ein Beamter der Brandkaffe hatte die Bücher revidiert und das Vorhandensein der „Unterschlagung" festgestellt. Nun hat jetzt ein Sekretär des Finanzministeriums eine Nachrevision aufs allergenaueste vorgenommen und gefunden, daß alle Eintragungen von 1869 bis 1881 auf den Pfennig stimmten.. Dieser Fall beweist aufs neue das dringende Bedürfnis nach gesetzlicher Entschädigung für unschuldig Verurteilte. Rätselhaft bleibt allerdings, wie die Verurteilung ohne Nachprüfung der einen Feststellung hat erfolgen können.