zu Grunde gerichtet würde. Einer Reichsregierung, welche die mit Oesterreich und Italien begonnene Vertragspolitik fortsetzt, erteilen wir Bauern un­ser unbegrenztes Mißtrauen und verlangen die Entfernung eines Reichskanzlers, welcher von den Landwirtschaftlichen Verhältnissen nichts versteht und dieselben vollends zu Grunde richtet."

Berlin, 14. Okt. Mn AusruL, unterzeichnet u. a. von Professor Dr. Förster, Dr. Harmening und Spielhagen, fordert zur Bildung einer Friedens­gesellschaft Berlins auf, als Vereinigungspunkt für alle, welche die Lösung internationaler Streitigkeiten auf schiedsrichterlichem Wege wünschen.

Berlin, 14. Okt. Das Grundprinzip des in Vorbereitung befindlichen Gesetzentwurfs über die Entschädigung unschuldig Verurteilter ist nach der Börsenzeitung, daß unschuldig Verurteilten ein Rechts­anspruch auf angemessene Entschädigung gebühren soll. Ueber den erhobenen Anspruch erkennt end­gültig der Justizminifter. Aus schuldlos erlittene Untersuchungshaft findet die Entschädigungspflicht keine Anwendung.

Berlin, 15. Okt. Die Presse betrachtet die Vorgänge von Toulon mit heiterer Ruhe. Besondere Bedeutung wird dem Ereignis durchgängig nicht beigemesfen. Warten wir ab, sagt dieNat.-Ztg.", ob die politische Weltlage anders aussehen wird, wenn die russ. Schiffe aus französ. Häfen wieder abgedampst sind.

Berlin, 17. Okt. DasBerl. Tagebl." mel­det aus Posen: Der Arbeiter Kokociuski, welcher wegen Tötung seiner ersten Frau mit 4 Jahren Zuchtshaus vorbestraft, erwürgte heute seine zweite Ehefrau. .

Frankreich.

Paris, 15. Okt. Das Bankett der Stadt Tou­lon fand heute mittag statt, und zwar in dem mit Platanen bepflanzten Hof des Lyzeums, wo prächtige Zelte gespannt waren. Die Dekoration war präch­tig. Es waren 800 Gäste an 7 Tafeln verteilt; die Ehrentafel war unter einem reichen Baldachin gedeckt. Auch der Bischof von Fröjus wohnte an. Während des Mahles wurden an die Offiziere zum Andenken 130 silberne Pokale ausgeteilt. In sei­nem Toast nannte der Maire Ferrero den Zaren den Vater seiner Völker; die Aufnahme des Toastes war eine begeisterte, frenetische. Avellane trank auf das Wohl Carnots, des französischen Volkes, der Stadt Toulon. Der Bischof von Fröjus trank mit nassen Augen auf das Wohl Rußlands, die Mar­seillaise ertönte. Die Begeisterung erreichte während des Balles ihren Höhepunkt. Die russischen Offiziere tanzten die russische Mazurka; beim Kotillon wurde alles von den Russen gegeben. Die Franzosen san­gen die russische Hymne, die Russen die Marseillaise. Man trug die Russen im Triumph, die Damen küßten dieselben. (Merkwürdig! Hat die Sommer­hitze dort noch nicht nachgelassen?)

Paris, 16. Okt. Havas meldet: Carnot rich­tete bei dem Eintreffen des russischen Geschwaders ein Telegramm an den russischen Kaiser, worauf der Kaiser sofort antwortete. Gestern telegraphierte der Präsident nochmals an den Kaiser gelegentlich dessen Besuches der französischen Schiffe.

Paris, 16. Okt. In Saint Denis zerstörte ein Großfeuer sämtliche Werkstätten der Schlafwagen­kompagnie. Ueber 1000 Arbeiter sind arbeitslos geworden. Der Schaden wird über zwei Millionen Franks geschätzt.

Paris, 16. Okt. Nachts brach ein Feuer aus in den Werkstätten der Schlafwagengesellschaft in Saint Denis. Sechzig Schlafwagen und Restaura­tionswagen sind verbrannt. Der Schaden wird auf zwei Millionen Franken geschätzt.

Paris, 16. Okt. Admiral Avellane teilte dem russischen Botschafter von Mohrenheim mit, daß er am 17. Oktober vormittags mit seinem Generalstab und 50 Offizieren in Paris auf dem Lyoner Bahn­hof eintreffen werde. Nachmittags ist Empfang beim Präsidenten Carnot.

Trotz der Ruffenfeste beginnt man sich in Paris in Folge der Erneuerung der 5 obersten Leiter sich mit der Weltausstellung von 1900 zu beschäftigen. Das Marsfeld ist wieder als Schauplatz gewählt; auf der Seine wird ein schwimmender Palast für die Elektrizitätsausstellung errichtet rc.

Paris, 16. Okt. Bei einem Bankette in Saint Monde hielt der Senator, ehemaliger Ministerprä­

sident Goblet, eine Rede, worin er anläßlich des Besuchs des russischen Geschwaders sagte:Wir ha­ben die russischen Seeleute ausgenommen, wie die unsrigen ausgenommen wurden in Kronstadt und Petersburg: mit offener Herzlichkeit, mit nationalem Stolz, mit Würde. Wir sprechen nur das Bedauern aus, noch nicht zu wissen, ob sie Verbündete oder Freunde find, denen,-wir die Hände drücken, denn diese Zweideutigkeit' und Ungewißheit steht nicht bes­ser der auswärtigen als der inneren Politik aus. Für uns Franzosen' und Patrioten beherrscht die Frage der Unabhängigkeit und Größe des franzö­sischen Vaterlandes alle anderen Fragen."

Paris, 17. Okt. Marfchall Mac Mahon ist heute Vormittag 10 Uhr auf seinem Schlosse Laforete gestorben.

Toulon, 16. Okt. Avellane empfing die toul- neser Abordnung und setzte fest, daß an dem Bankett, während des Aufenthalts Avellanes in Paris, 500 russische und ebensoviel französische Seeleute teilneh­men. Bei dem Bankett auf demFormidable" be­grüßte Admiral de Boissoudy die russischen Gäste und sprach seine Freude aus, dieselben empfangen zu können. Er schloß mit einem Hoch auf das Zarenpaar, Rußlands Größe und Glück und toastete ferner auf die russische Armee und Marine. Admiral Avellane toastete auf den Präsidenten Carnot, so­dann auf die französische Marine und das Heer. Nach dem Diner fand ein Ball im Arsenal statt und eine venetianische Nacht im alten Binnenhafen.

Italien.

Der italienische Ministerrat soll endlich den Beschluß gefaßt haben, dem Räuberunwesen in Si­zilien energisch zu Leibe zu gehen. Zeit wäre es!

Genua, 15. Okt. Heute fand unter großer Beteiligung der Bevölkerung die Enthüllung des Garibaldi-Denkmals statt, der auch Crispi beiwohnte. Hierauf folgte bei Quarto al Mare eine Gedächt­nisfeier zur Erinnerung an die Abfahrt der Tau­send unter Garibaldi nach Sizilien, wobei Crispi eine Rede hielt, worin er versicherte, seine Gedanken seien verraten, feine Ziele gefälscht worden, er sei ein Friedensapostel, verabscheue den Krieg und folge immer noch den Lehren Garibaldis und Mazzinis.

Rumänien.

Die Gemahlin des Thronfolgers von Rumä­nien, die älteste Tochter des Herzogs Alfred von Coburg-Gotha, ist am Sonntag Morgen von einem Prinzen entbunden worden, ein Ereignis, das- im Königreich Rumänien mit großer Freude begrüßt werden wird.

England.

London, 14. Okt. Aus New-Nork wird ge­meldet: Ein schweres Eisenbahnunglück fand bei Jacksow (Mississippi) statt. Zwei' völlig besetzte Vergnügungszüge der Michigan Central Railway stießen infolge falscher Weichenstellung zusammen, zehn Waggons stürzten einen hohen Abhang hinab. Infolge der Explosion einer Maschine gerieten die Trümmer in Brand. Die Zahl der bisher festge­stellten Toten beträgt 21, die der Verwundeten 60.

London, 14. Okt. Die Kohlennot nimmt ab; seit vorgestern ist die Tonne um 5 Shilling im Preise gesunken, und mit Rücksicht auf die täglich wachsende Zufuhr steht ein weiterer Preisfall von 5 Sh. in Aussicht. Wenigstens 60 000 Mann find zu den alten Sätzen an die Arbeit zurückgekehrt. Dem unparteiischen Zuschauer bei diesem Ausstande muß es nachgerade klar werden, daß, wenn man die zeitweilige Not der Grubenarbeiter abrechnet, beide streitenden Teile, Besitzer und Bergleute, bei dem Handel gewonnen haben; diese erreichten schließ­lich die höheren Lohnsätze und jene wurden ihre überreichen Kohlenlager mit einem Gewinn von zuweilen 100 Prozent los. Die Zeche hat aus­schließlich das Publikum zu zahlen, das seine Kohlen zu doppelt hohen Preisen zu beziehen hatte.

Amerika.

New-Iork, 13. Okt. Bei dem furchtbaren Zusammenstöße zweier Eisenbahnzüge bei Jackson in Michigan wurden neun Wagen völlig zertrümmert und die Lokomotive zersprang in Stücke. 12 Per­sonen wurden sofort getötet und 28 verletzt, davon viele lebensgefährlich.

New-Nork, 14. Okt. Nach neueren Meldun­gen sind bei dem gestern erfolgten Husammmenstoß

zweier Vergnügungszüge bei Jackson 12 Personen getötet und etwa 20 verwundet worden. Gestern herrschte hier ein heftiger Sturm, welcher große Störungen in den: Post- und Telegraphenverkehr, besonders zwischen den Städten Philadelphia, New- Nork und Washington, verursachte.

Wann der Bürgerkrieg in Südamerika einmal ein Ende nehmen wird, das mag der Himmel wissen. In Brasilien ist allen Prophez'eihungen zum Trotz der Sieg der einen oder der anderen Partei noch immer nicht abzusehen. Weder die Regierung, noch die Aufständischen sind stark genug, einmal gründlich reine Bahn zu machen. Die Autorität des Präsi­denten Peixoto ist allenthalben gleich Null, aber eine offene Absage scheint man doch noch vermeiden zu wollen, da niemand weiß, wer schließlich in dem Kampfe um die oberste Macht obsiegen wird.

Kleinere Mitteilungen.

Freunde des Sternenhimmels seien darauf aufmerksam gemacht, daß in den Nächten vom 15. bis 26. d. M. Gelegenheit gegeben ist, zahlreiche Sternschnuppenfälle zu beobachten, welche aus den Sternbildern des Stiers und Orions zu entstrahlen scheinen.

Biberach, 16. Okt. Letzte Nacht brannte in Westerflach, Gemeinde Nntersulmentingen, ein Bauern­hof nieder.

Mögglingen, 16. Okt. Gestern Nacht wurde die hiesige Bahnhofkaffe mit ca. 1500 ^ gestohlen. Die Diebe, Handwerksburschen, wovon'einer bereits festgenommen wurde, haben von einem Fenster das Gitter weggeriffen, die Scheiben eingedrückt, und sind dann eingestiegen. Den Stein, am dem die Kasse befestigt war, haben die Einbrecher mit einem Meisel gesprengt, an der Eingangsthüre die Schrau­ben abgerissen und die Kasse auf einem Wägelchen weggeführt.

Gmünd, 13. Okt. Ein ungefähr 48 Jahre alter Stromer, welcher vor einiger,Zell, in hiesiger Stadt wegen Bettels festgenommen wurde, hatte nicht weniger als 147 Vorstrafen.

Saulgau, 13. Okt. Im Kloster Siesten empfingen vorgestern wieder 13 junge Mädchen den Schleier und ge­stern legten 17 Schwestern die Proseß ab.

In Abtsgmünd (Aalen) hatte ein Knabe in der Scheuer des Wirts Hagele den auf einem Wagen befind­lichen Klee aus Mutwillen angezündet, infolge dessen Vas Haus vollständig niederbrannte.

Karlsruhe, 16. Ok. In Amsterdam sind drei junge Mädchen aus Karlsruhe, die unter der falschen Vorspiege­lung , daß sie gute Stellungen au ausländischen Plätzen erhalten sollten, dorthin gelockt worden, und als Opfer eines unsittlichen Handels ausersehen waren, von der Po­lizei aus den Händen des -gewissenlosen Agenten befreit worden. Der Vorgang mag als eine, Mahnung dienen, daß junge Mädchen in dem Abschlüsse von Tienstverträgen nach ausländischen Orten vorsichtig sein mögen.

Wem rote Haare nicht gefallen, dem teilt Pfarrer Kneipp in seinerKinderpflege" ein durchaus unschädliches Haarfärbemittel mit. Es ist dies das gründliche Waschen des Kopfes Neugeborener mit gestockter oder gestandener Milch. Davon bekommen die Kinder, welche Anlage zu roten Haaren zeigten, schöne gelbblonde Haare. (?)

Ein Schneider in Bodzanowitz im Kreis Ro- fenberg in Oüerschlesien, der in einen Bxünnen da­selbst einen schon in Verwesung üb'ergegaügenen Hun­dekadaver geworfen und dadurch das Wasser für die menschliche Gesundheit schädlich gemacht hatte, ist vom Schwurgericht zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt worden.

Der Elektromotorenbetrieb in der- Kirche ist eine Neuerung, mit der Berlin dein übrigen-Deutschland oorangehen will. In der Marienkirche soll, nämlich ein Vreipferdiger Motor zgm Treiben des Orgelgebläses auf­gestellt werden. Die Legung des elektrischen, Kabels nach der Kirche wird demnächst erfolgen; dasselbe soll so be­messen werden, daß es auch für die etwaige elektrische Be­leuchtung, der Kirche verwendbar ist.

Lebendig eingemauert. Aus Angerburg (Ostpreu­ßen) wird berichtet: Die hiesige Kirche soll mit unterirdi­scher Dampfheizeinrichtung versehen werden. 'Neben dem Grabgewölbe stießen die Maurer auf einen kleinen Qua­dratraum von 4 Fuß, in diesem stand ein zerbrochener Stuhl, daneben befand sich auf dem Boden ein menschliches Ge­rippe und Knochen, vier Teile eines Helnts und Neste von Stiefeln. Die Wände waren rund herum wie von Finger­nägeln zerkratzt. Dies Alles läßt . darauf schließen, daß hier jemand lebendig eingemauert gewesen ist.

Einen Taktstock aus lOOOjährigem Holz haben die vereinigten norddeutschen Liedertafeln dem Wiener Männergesangverein zu dessen üOjährigeist Jubelfest am 6. Oktober überreichen lassen. Das Holz stammt von dem 1000jährigen Rosenstock am Dom zu Hildesheim. Tie - bei­den Enden des «tabes sind mit silber-vergötdeten Zwingen versehen, auf denen Widmung rc. eingraviert ist. Das Etui des Stabes trägt die Inschrift:So wie am Dom zu Hil­desheim Der tausendjähr'ge Stock noch blüht. So blüh' bei Euch noch tausend Jahr Der Rose gleich das deutsche,Lied."