Tages-Nenigkeiten.
Deutsches Reich.
Stuttgart, 12. Okt. Gestern abend sind aus das erst kürzlich eröffnete jüdische Cafe in der oberen Schloßstraße aus dem gegenüber ' liegender! Liederballengarten vier Revolverschüsse abgeseuert worden. Eine Kugel hat das Fenster des Cafes durchschlagen und ist dann, an der gegenüber befindlichen Wand abprallend, zu Boden gefallen. Verletzt ist niemand. Der Thäter ist entkommen.
Stuttgart, 13. Okt. Prof. Dr. Immanuel v. Fa ißt, der Vorstand des Konservatoriums für Musik, feiert heute seinen siebzigsten Geburtstag.
Stuttgart, 13. Okt. Die mysteriöse Schieß- afsaire, deren der Polizeibericht in unserem gestrigen Blatte Erwähnung thut, klärt sich nach unseren Erkundigungen sehr harmlos auf. Das Dienstmädchen eines Wirtes in der Nähe der Seidenstraße hatte ihrem Dienstherrn im Lause des Tages die Meldung gemacht, daß sie bestohlen sei. Als sie nun Abends plötzlich wieder zu ihm kam mit der Nachricht, sie habe den Dieb im Garten soeben wieder wahrgenommen, ging der Wirt mit seinem Revolver hinaus und gab einige Schreckschüsse ab. Dabei verirrte sich ein Geschoß in das benachbarte Cafe. Von böswilliger Absicht oder gar einem Attentat kann also nicht die Rede sein. (N. Tgbl.)
Heilbronn, 13. Okt. Nachdem die Regierungsbehörde darauf beharrt, daß O.-B.-M. Hegelmaier infolge eingetretener Schwäche seiner geistigen Kräfte zur Bekleidung eines öffentlichen Amtes dauernd unfähig sei, hat derselbe nunmehr seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bei dem kgl. Landgericht dahier beantragt. Nach den gesetzlichen Bestimmungen kann die beantragte Zulassung wohl nicht versagt werden, eventuell ist Verfolgung bis zum Ehrenge- richtshos des Reichsgerichts in Leipzig zulässig. Es wird aber kaum angängig sein, daß ein bei Gericht zugelassener Rechtsanwalt für untauglich oder unfähig zur Versetzung der Stelle eines Ortsvorstehers erklärt wird. Man sieht, die Sache wird immer verwirrter.
Thalheim (Heilbronn), 9. Okt. Gestern abend hatten zwei 13jährige noch schulpflichtige Knaben mit einander Streit, wobei der eine den andern durch einen Messerstich in die linke Brustseite so schwer verletzte, daß derselbe sofort zu Bett gebracht und in ältliche Behandlung genommen werden mußte. Wenn der Stich nur eine Messerrückenstärke tiefer gewesen wäre, so wäre das Leben des Knaben gefährdet gewesen.
Brandfülle: Den 13. Okt. in Rottenburg 2 kleinere Wohngebäude im Kapuzinergäßchen; den 13. Okt. in Lauchheim die Wirtschaft, Stallung und Holzremise des Wirts Tamasetl.
In Pforzheim kam es gestern abend (8.) zu einer wahren Metzelei in einer Wirtschaft. Drei Taglöhner gerieten in einen Streit, der alsbald in Thätlich- leiten ausartete, wobei sie sich mit Messern gegenseitig so bearbeiteten, daß zwei derselben auf den Tod verletzt ins Krankenhaus verbracht werden mußten. Dem einen wurde der Bauch aufgeschlitzt. Auch der Wirt, welcher den Streit schlichten wollte, erhielt Messerstiche. Schon lange ist eine solche Rohheit hier nicht mehr verübt worden.
Würzburg, 12. Oktbr. Zur Militärbezirks- gerichts-Verhandlung gegen Sekondelieutenant Hofmeister wird der „Augsb. Abdztg." berichtet: Besondere Vorsichtsmaßregeln waren im Hofraum des Militär- l ezirksgerichts getroffen. Man hatte denselben mili- twisch abgesperrt, wahrscheinlich um jeden Lauscher von den Fenstern sernzuhalten. Was die inkrimi- nierten Aeußerungen Hofmeisters anlangt, so soll, wie man hört, Hofmeister bei verschiedenen Soldaten sich u. a. über das „kommandierte Kirchengehen" und über das „kommandierte Christentum" geäußert haben. Das wahre Christentum sei der Sozialismus. Die Aufgabe der Armee sei der Friede, nicht die Leute in den Tod zu treiben. Diese seine Ansicht hätten Feldherren und geachtete Staatsmänner schon ausgesprochen. Das Kriegsühren zwischen Deutschen und Franzosen habe er als Unding erklärt, den riesigen Unterschied zwischen Steinreich und Bettelarm als Ungerechtigkeit verurteilt und einige sozialdemokratische Zeitungsblätter einem Unteroffizier zum Lesen gegeben. Hofmeister soll dies alles in dem Bewußtsein gethan haben, für die Sozialdemokratie zu arbeiten. Die Verhandlung währte von 9 Uhr
morgens bis mittags Itztz Uhr und von 3 Uhr nachmittags bis nachts 11 Uhr. Nach verhältnismäßig kurzer Beratung verneinten die Geschworenen die Schuldfrage, worauf die Freisprechung und sofortige Haftentlassung Hofmeisters erfolgte.
Dresden, 11. Okt. Nach Nr. 9 des vom Jmpf- zwanggegner-Vereins in Dresden herausgegebenen „Jmpfgegner's" haben sich 49 Reichstagsabgeordnete verpflichtet, für Aufhebung des Impfzwangs einzutreten. Die betreffende Nummer berichtet wieder über eine Menge von Gesundheitsschädigungen durch die Impfung.'
Frankfurt a. M., 13. Okt. Die „Fr. Ztg." meldet aus Paris: Der Maire von Toulon erließ eine Proklamation, worin er die Bevölkerung auffordert, durch Akklamation dem russischen Freunde den gemeinsamen Wunsch nach einer Friedensära kundzuthun, Ruhe und würdige Haltung zu bewahren und jede Provokation zu verhindern. — Pariser Händler verkauften Fahnen mit der Inschrift: Es lebe Elsaß-Lothringen: Der Polizeipräfekt untersagte den Verkauf. — Die Regierung kündigt an, daß kein Emblem, das aus 1870 anspiele, geduldet werde. — In Toulon sind bis jetzt 20,000 Personen angekommen.
Bonn, 13. Okt. Der Generalanzeiger meldet: Der nachts um Ihe Uhr von Köln hier eintreffende Personenzug überführ beim Bahnübergang bei Brühl ein Fuhrwerk. Von den Insassen wurden drei getötet, zwei verwundet. Die Verwundeten wurden in die hiesige Klinik überführt.
Die „Kreuzztg." meldet das am Donnerstag erfolgte Ableben des ehemaligen Kriegsministers Kameke.
Bemerkenswert sind einige Zahlenangaben der „Nordd. Mg, Ztg." bezüglich der Tabaksbefteue- rung auf den Kopf der Bevölkerung in verschiedenen Ländern. Danach kamen 1891 in Frankreich auf den Kopf der Bevölkerung Einnahmen aus dem Tabak 7,85 MO Reinertrag 6,47, in Spanien 7,07 MO Reinertrag 4,17 MO in Italien 5,06 resp. 3,86, in Großbritannien 5,51 resp. 5,30, in Oesterreich 5,98 resp. 3,84, in Ungarn 4,83 resp. 3,09. Im Deutschen Reich (mit Luxemburg) betrug zu gleicher Zeit die Einnahme aus dem Tabak auf den Kopf 1,10 und der Reinertrag 1 „O
Berlin, 12. Okt. Die „Nordd. Mg. Ztg." weist in einem Leitartikel über die geplante Tabakfabrikatsteuer statistisch nach, das Geschrei über die drohende Ueberlastung des Tabaks sei ungerechtfertigt, da bisher Deutschland im Gegenteil zu den andern Ländern jährlich die geringste Einnahme aus Tabak ziehe. Das Blatt betont, es handle sich nicht um eine Deckung zukünftiger, sondern um eine solche bereits beschlossener Ausgaben, um Beseitigung der Wirkung von Mindereinnahmen.
Berlin, 12. Okt. Der Kaiser reist mit dem Kronprinzen am 18. Okt. nach Dresden zum fünfzigjährigen Militärjubiläum des Königs von Sachfeü.
Berlin, 12. Okt. Der italienische Botschafter Lanzä reist demnächst nach Stuttgart, um dem König von Württemberg die Insignien des Annunciaten- Ordens im Namen des Königs Humbert zu überreichen.
Frankreich.
Toulon, 13. Okt. Die Stadt ist festlich geschmückt , die Straßen sind sehr belebt. . Die Mitglieder der Pariser russischen Botschaft find an Bord des Kreuzers „Davoust" dem ruffischen Geschwader entgegengefahren. Die französischen Seeleute in den Raaen riefen: „Es lebe Rußland!" Die russischen Seeleute antworteten: „Es lebe Frankreich!" Musikkapellen spielten die russische Hymne. Bei dem Besuche des Stadthauses empfing der Maire den Admiral mit folgender Ansprache: Alle französischen Herzen schlagen Ihnen einmütig entgegen. Die enthusiastischen Hochrufe ganz Frankreichs werden Ihnen beweisen, wie tief die Freundschaft der Franzosen für die Russen ist. Toulon ist stolz, für diesen Besuch auserwählt zu sein, welcher die Freundschaft zweier großen Nationen besiegelt.
Toulon, 14. Okt. Gestern abend bei der Illumination der Stadt wurde Admiral Avellan, als er auf dem Balkon der Seepräfektur erschien, von einer großen Volksmenge lebhaft begrüßt. Der Admiral dankte sich verneigend. Als auf ein gegebenes Zeichen völlige Ruhe eingetreten war, erhoben sämtliche russische Offiziere den Ruf: „Es lebe Frankreich!" Die Russen kehrten um 11 !lhr abends auf
ihre Schiffe zurück, abermals lebhaft begrüßt. Avellan wählte 50 Offiziere aus, die nach Paris mitgehen, die anderen 70 bleiben des Dienstes wegen hier, es ist aber möglich, daß eine Ablösung stattsindet.
Italien.
Das „Tageblatt" meldet aus Rom: Der Luftschiffer Charbonnet, welcher im Ballon seine Hochzeitsreise unternommen hat, stürzte infolge Platzens des Ballons aus bedeutender Höhe mit seiner Frau und seinem Freunde ab. Charbonnet ist tot, der Freund und die Frau sind schwer verwundet.
England.
London, 13. Okt. 52000 Grubenarbeiter nahmen die Arbeit zu den alten Lohnsätzen wieder auf.
Rußland.
Petersburg, 10. Okt. Der Minister des Aeußern, Herr v. Giers, dessen Gesundheit seit langer Zeit keine günstige war, hat einen Rückfall gehabt und er wird immer schwächer.
St. Petersburg, 12. Okt. Professor Jäger in Stuttgart hatte, bei dem hiesigen Bezirksgericht gegen den Professor Manassein, Redakteur einer Fachzeitschrift, Klage wegen Verbalinjurie erhoben, weil letzterer in seiner Fachzeitschrift Jäger „Wratsch" (Charlatan) genannt hatte. In der heutigen Sitzung des Bezirksgerichts wurde Manassein freigesprochen.
Riga, 11. Okt. Am Rigaschen Strande lei dem Badeorte Bilderlingshof wurde am 8 Oktober von Fischern eine verkorkte Flasche gesunden, enthaltend einen Zettel in russischer Sprache: „Nur 9 Uhr 45 Minuten abends ist Ruffalka (das vermißte und bereits für verloren gegebene russische Kriegsschiff) auf den Grund gestoßen. Alles ist verloren. Betet zu Gott für unsere Rettung. Frolow." Die Flasche wurde von den Fischern geöffnet und der Polizei übergeben.
Amerika.
Chicago, 10. Okt. An dem gestrigen großen Festtage war die Ausstellung von einer gewaltigen Menschenmenge besucht. Man schätzt die Anwesenden auf 750000. Der Verkehr war sehr erschwert) an einigen Stellen sogar unmöglich. Viele Frauen und Kinder wurden zu Boden gerissen, drei Personen von Tramwaywagen überfahren und getötet. Die Zahl der Verletzten beträgt etwa 150.
Kleinere Mitteilungen.
Fast durchgehendes macht man Heuer die Erfahrung, daß das Obst ungemein schnell faulig wird. Da nun allenthalben viel Most gemacht wird, dürfte es angezeigt sein, daraus hinzuweisen, daß nicht mit Unrecht zu befürchten'ist, daß auch der Most bei längerem Lagern an Kraft verliert und bald sauer wird oder wie der landläufige Ausdruck heißt — umsteht. Diesem Uebelstand kann aber geholfen werden, wenn demselben chemisch reine Sa- licylsäure und stärkster Weingeist zur Haltbarmachung zugesetzt wird. Der Zweck wird erreicht, wenn inan auf den württembergischen Eimer 15 Gramm Sa- licylsäure und einen Liter Weingeist nimmt. Dieser ganz und gar unschädliche Zusatz geschieht am besten, wenn der Most halbvergoren ist.
Vom Sternenhimmel, Von besonderer Schönheit ist jetzt, worauf wir Freunde des Sternenhimmels aufmerksam machen wollen, in mondfreien Nächten die Milchstraße, welche in hohen, durch den Zenith gehenden Bogen den ganzen Himmel durchzieht.
Ein in New-Uork als Kunstmaler verstorbener Waldseer hat der Stadtgemeinde Waldsee sein gegen 200000 Mki betragendes Vermögen mit der Bestimmung zugewendet, daß aus den Erträgnissen alte bedürftige Bürger unterstützt werden. Die Anverwandten, welche mit kleinen Legaten abgefunden wurden, beabsichtigen aber, die Rechtsgültigkeit des Testaments zu bestreiten, wodurch sich die Auszahlung der Erbschaft verzögern dürfte.
Seit einiger Zeit befinden sich namentlich in Süddeutschland falsche 50-Mark-Scheine im Verkehr.
Kassel, 10. Okt. In dem Torfe Grüßen im Frankenberger Kreise hat ein Jagdpächter, der seine Doppelflinte reinigte, indem er sie zum Fenster hinaushielt, 2 Personen, die im Hofe beschäftigt waren, erschossen.
Wie gewonnen, so zerronnen. Ein Lotteriegeivinn hat in Elberfeld einen Fabrikarbeiter zum Selbstmord getrieben. Derselbe hatte vor etwa zwei Jahren in einer Lotterie 25000 Mk. gewonnen, seitdem die Arbeit anfgege- ben und in Saus und Braus gelebt. Das Gelv schwand hiebei indes derart, daß der „glückliche Gewinner" jetzt über keinen Pfennig mehr verfügt und deshalb die Arbeit wieder ausnehmen mußte. Diese sagte ihm aber so wenig zu, daß er gestern nach nur halbtägiger Thätigkcit zum