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Graf Münster. Die schon wiederholt auf­getauchte Nachricht, daß der Botschafter Graf Mun­ster seinen Pariser Posten zu verlassen gedenke, scheint sich demnächst bestätigen zu sollen. Wie es heißt, soll Gras Münster noch im Lause dieses Jahres sein Amt niederlegen, nur sich ins Privatleben zurückzu- ziehen.

Der kommandierende General des 16. Armee­korps, Graf Hasel er, hat in sämtlichen Kantinen im Bereiche seines Korps den Branntweinverkauf verboten. Die Maßregel soll sich auf Erfahrungen im letzten Manöver stützen.

Der Wohnungsüberfluß in Berlin wird sich, wie dieBaugew.-Ztg." schreibt, bei dem bevor­stehenden Nmzngstermin ganz besonders fühlbarmachen, denn jeder Mieter hofft jetzt eine bessere und billigere Wohnung zu erlangen. Und in der That stehen viele Wohnungen leer, in Berlin selbst, wie in den Vororten. Ursache des Leerstehens ist nicht allein die vorhandene Ueberproduktion an Wohnungen, sondern mehr noch die vorhandene schlimme wirt­schaftliche Lage. Die Arbeiter sind nicht ausreichend beschäftigt, die Unternehmer klagen über Arbeits­mangel und Geldverluste und die Kapitalisten sehen das tägliche Sinken ihrer Wertpapiere. Gegenüber dem Uebersluß an Wohnungen muß man sich wun­dern, wenn in einzelnen Gegenden Berlins, wo schon ganze Häuserreihen leerstehen, immer noch flott ge­baut wird. Es sind dies die Unternehmer, die mit fremdem Gelde und dem Schweiße der kleinen Hand­werker so lange bauen, bis ihnen die Grundstücke subhastiert werden.

DieHamb. Nachr." schreiben:Wir sind heute in der Lage, unseren Lesern die freudige Mitteilung machen zu können, daß Fürst Bismarck wieder her­gestellt ist und bereits in den nächsten Tagen in Friedrichsruh eintresfen dürfte.

Der offiziöse Draht so schreibt uns ein mili­tärischer Mitarbeiter weiß von den Manövern, die sich unter den Augen Wilhelms II, des Kaisers Franz Josef und des Königs von Sachsen vollziehen, viel Rühmliches zu melden.Tadellose Ausführung," große Bravour" sind Kernworte in jenen Berich­ten. Man kann das mit Befriedigung lesen; aber es setzt über die Thatsache nicht hinweg, daß für Oesterreich-Ungarn militärisch noch manches zu thun übrig bleibt, mehr noch als für das überdies finan­ziell ungünstiger gestellte Italien. Deutschland mit einer nur um 7 Millionen stärkeren Bevölkerung hat eine fast doppelt so große Friedensstärke als Oesterreich-Ungarn! Das ist ein gewaltiger Unterschied, abgesehen davon, daß bei uns im ganzen die Qua­lität der Truppen diejenige der verbündeten Macht überragt. Wie sagte doch Graf Caprivi:Kommt der Krieg, so wird die Hauptlast immer auf unse­ren Schultern ruhen.". .

Berlin, 25. Sept. In der Kaserne des Garde- Füsilierregiments erschoß gestern ein Sergeant den ihm Vorgesetzten Feldwebel und beging alsdann Selbstmord.

Berlin, 26. Sept. Die zwischen dem Kaiser und dem Fürsten Bismarck gewechselten Tele­gramme lauten wie folgt:

Güns, 19. Sept. An Fürst Bismarck, Kis- singen. Ich habe zu meinem Bedauern jetzt erst erfahren, daß Euere Durchlaucht eine nicht unerheb­liche Erkrankung durchgemacht haben. Da Mir zu­gleich, Gott sei Dank, Nachrichten über die stetig fortschreitende Besserung zugegangen sind, spreche Ich Meine wärmste Freude hierüber aus. Im Wunsche, Ihre Genesung zu einer recht vollständigen zu gestalten, bitte Ich Euere Durchlaucht, bei der klimatisch wenig günstigen Lage Varzins und Fried- richsruhes für die Winterzeit in einem Meiner in Mitteldeutschland gelegenen Schlösser Quartier auf­zuschlagen. Ich werde nach Rücksprache mit Meinem Hosmarschall das geeignetste Schloß Euerer Durch­laucht namhaft machen. Wilhelm."

Kissingen, 19. Sept. An Se. Majestät den Deutschen Kaiser. Güns. Eurer Majestät danke ich in tiefster Ehrfurcht für deu huldreichen Aus­druck der Teilnahme an meiner Erkrankung und der neuerlich eingetretenen Besserung und nicht minder für die Absicht gnädiger Fürsorge für die Förderung meiner Genesung durch Gewährung eines klimatisch günstigen Wohnsitzes. Meine ehrfurchtsvolle Dank- für die huldreiche Jutenlion wird durch die

- czeugung nicht abgeschwächt, daß ich die Her­stellung, wenn sie mir nach Gottes Willen überhaupt

in Aussicht steht, am wahrscheinlichsten in der alt­gewohnten Häuslichkeit und deren Zubehör an Ein­richtung und Umgebung zu finden glaube. Da mein Leiden nervöser Natur ist, so glaube ich mit meinem Arzte, daß das ruhige Winterleben in den gewohnten Umgebungen und Beschäftigungen das Förderlichste für meine Genesung sein und daß der Uebergang m neue, mir bisher fremde Umgebungen und Ver­kehrskreise, wie es in Folge der Verwirklichung der huldreichen Absicht Eurer Majestät sein würde, in meinem hohen Alter im Interesse der Beseitigung der vorhandenen Störungen meines Nervensystems zu vermeiden sein dürfte. Professor Schweninger behält sich vor, diese meine Ueberzeugung schriftlich zu begründe». Bismarck."

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 26. Sept. Kaiser Wilhelm fuhr mit Kaiser Franz Joseph von Schönbrunn um 3 ein halb Uhr nachmittags nach dem Nordbahnhof, um von da uach Berlin abznreisen. Hier nahmen sie von­einander Abschied durch Umarmung, Kuß und wie­derholten Händedruck. Nach Eintritt in den Wa­gen ließ der deutsche Kaiser die Fenster herab und unterhielt sich mit dem Kaiser von Oesterreich bis zur Abfahrt. Als der Zug sich in Bewegung setzte, rief der deutsche Kaiser:Auf Wiedersehen!" Kaiser Franz Joseph erwiderte:Auf baldiges Wiedersehen!"

Frankreich

Da Rußland dem reklamehaften Betreiben der Festvorbereitungen in Frankreich so wenig Ver­ständnis entgegenbringt, fährt man in Paris mittler­weile fort, abzurüsten. Die Regierung scheint ent­schlossen, die meisten vom Preßausschuß vorgeschla­genen Festlichkeiten abzulehnen. Ueberdies hat die Negierung verfügt, daß außer den hierzu berufenen amtlichen Persönlichkeiten Niemand Ansprachen an die Russen halten dürfe. DerFigaro" spricht offen aus, daß die Gelder zu den Festen doch etwas lang­sam flüssig werden, und sieht darin den Beweis, daß viele verständige Franzosen den Ueberschwang der Begeisterung nicht teilen. Er verkündet auch, daß den bisherigen Bestinunungen entgegen keiner der Großfürsten an den Festen teilnehmen werde.

Spanien.

Die Weinlese fällt in Spanien überall vorzüg­lich aus, trotzdem herrscht eine gedrückte Stimmung, da der Handel gänzlich darniederliegt. Infolge der ungeheuren Ansammlung der Weinbestände stehen die Preise, wie man derK. Volksztg." berichtet, un­erhört niedrig. So kauft man jetzt in Valencia die Cantara (16 Liter) Wein zu 4 Reales (80 Pfg.). Aehnliche Verhältnisse bestehen in andern Provinzen. In der Provinz Valenzia scheint der beteiligten Kreise ein wahrer Galgenhumor sich bemächtigt zu haben. Nicht weit von Liria steht ein Karren, auf dem ein Fuder Wein liegt und dieses trägt eine große Auf­schrift mit folgenden Worten:Wanderer! Hast Du Durst, so trinke herzhaft und vergiß nicht, danach den Krahnen zu schließen." Der Eigentümer des Weines zieht es mit Recht vor, anstatt diesen, wie viele andere es thun, auf die Straße zu schütten, durstige Passanten zu erquicken. 20 Fuder sollen aus diese Weise zum Ausschank gelangen.

England.

London, 27. Sept.Times" meldet aus Ao- kohama vom 15.: Durch starke Ueberschwemmungen wurden in Gifu mehrere tausend Häuser zerstört. Zahlreiche Familien sind obdachlos geworden und 50 Personen beim Einstürzen der Häuser getötet. Der Hongwanje-Tempel ist durch Feuer zerstört.

Rußland.

St. Petersburg, 26. Sept. Die Delegierten sind heute mittag zur Zollkonferenz nach Berlin ab­gereist.

Rußland sucht mit Deutschland in handels­politischer Beziehung wieder auf einen guten Fuß zu kommen. Wie aus St. Petersburg berichtet wird, verlange Rußland nur die Gleichstellung mit seinen Konkurrenten und verzichte sogar auf Erleichterungen bei Einführung des russischen Viehs in Deutschland, welche anderen Ländern gewährt worden seien. Ruß­land habe nie beabsichtigt, die deutsche Einfuhr nach Rußland gegenüber der Einfuhr anderer Länder zu erschweren, und falls derartige Erschwerungen nach­gewiesen werden könnten, sei es zur Abstellung be­reit; ebenso wolle Rußland keinen Prohibitivtarif. Wenn Deutschland die russische Ausfuhr mit der Ausfuhr anderer Länder nur durch Herabsetzung des eigenen Zolltarifs gleichstellen könne, so würden

die russischen Delegierten die deutschen Wünsche be­treffs der Erniedrigung des russischen Tarifs auf­merksam prüfen und solche Erniedrigungen gewähren, welche der deutschen Industrie nützen, ohne die rus­sischen Interessen zu schädigen.

Der Gänsehandel mit Rußland wird durch den Zollkrieg nicht behindert, er steigert sich vielmehr mit jedem Tag. Während in der Woche vom 3. bis 9. September 39 Wagen mit 46 800 zur Wei- terversrachtung nnt der Bahn nach Eydtkuhnen ge­langten, sind in der Woche vom 10 bis 16. Sept. 49 Wagen mit 58800 Stück zur Verladung gekommen. Außerdem sind größere Posten auf der Landstraße weitergegangen.

Amerika.

New-Uork, 26. Sept. Einer Depesche der New-Iorker World" aus Montevideo zufolge er­neuerte das aufständische Geschwader das Bombarde­ment gegen Rio de Janeiro. Die Forts beschossen gestern die Kriegsschiffe, welche sodann das Feuer einstellten. Viele Personen wurden getötet. Der Korrespondent desNew-chorker Herald", welcher die Erneuerung des Bombardements bestätigt, meldet, der angerichtete Schaden übersteige jenen der beiden ersten Bombardements. Mehrere Frauen und Kinder seien getötet worden.

Kleinere Mitteilungen.

Stuttgart, 25. Sept. Am letzten Samstag abend etwa um 7 Uhr wurde ein Fräulein, welches die Calwer- straße heraufging und sodann in die Langestraße einbog, in letzter Straße von einem sie verfolgenden jungen Manne eingeholt und ihr das Portemonnaie mit ca. 2(1 Mk. aus der Tasche gestohlen. Das Fräulein, welches den Diebstahl sofort bemerkte, machte Lärm, worauf der Dieb die Flucht ergriff und die Langestraße hinab bis in die Hirschffraße sprang, wo er durch einen ihn verfolgenden Schutzmann eingeholt und festgenommen wurde. Derselbe hatte das Portemonnaie samt Geld noch im Besitz, dasselbe wurde dem Fräulein zurückgegeben. Gestern früh wurde ein hiesiger Taglöhner in einem Weinberg in der Stäffelssurch beim Stehlen von Trauben betreten. Derselbe ließ die zwei gefüllten Körbe (ca. 4550 Psd.) zurück und ergriff die Flucht. Er wurde jedoch eingeholt und durch einen Schutz­mann festgenommen. Derselbe hatte in letzter Zeit ähn­liche Traubendiebstähle verübt.

Brackenheim, 21. Sept.Da werden Weiber zu Hyänen," konnte man mit Recht sagen, als in Nordheim unlängst zwei Weiber in Streit miteinander gerieten und sich gegenseitig mit Besenstielen so zurichteten, daß beide schwer verwundet, die eine mit abgeschlagenem Arm und die andere mit ausgeschlagenem Auge den Kampfplatz verließen.

Tettnang, 20. Sept. Ein Bäuerlein im nahen K. verkaufte dieser Tage eine Partie Hopfen und mit dem Er­lös derselben ging es in Begleitung eines berüchtigten Frauenzimmers durch, seine Frau und 7 Kinder dem Schick­sal überlassend.

Beim Abräumen des Schuttes auf dem Brandplatze in Besigheim wurde eine eiserne Kugel im Gewicht von 11 ein halb Psd. gefunden, welche ohne Zweifel von der Beschießung der Stadt durch die Franzosen im Jahre 1693 herrührt und seitdem unbemerkt in einem Holzwerk gesteckt ist.

Die 62jährige Frau eines Schreiners aus Bört­lingen wurde, wie derM." berichtet, von einem 3040jährigen Mann angesallen, mit einem starken Stocke auf den Kopf geschlagen und zu Boden, ge­worfen. Der Räuber durchsuchte ihre Rocktaschen und ihren Armkorb, ohne etwas zu finden, was ihm des Mitnehmens wert däuchte. 40 Pfennige, welche die Frau in dem Armkorbe hatte, entgingen seinen Blicken. Bis jetzt ist es der Polizei noch nicht ge­lungen, des Räubers habhaft zu werden.

Mengen, 21. Sept. Dem Gerber Philipp Hepp hier wurde für eine Kuh die Summe von 1300 Alk. geboien. Das Tier ist fünfjährig und mehrfach prämiert; es soll nun Eigentum der fürstlich Fürstendergischen Gutsverwal­tung werden.

Der Zahnkünstlerin Anna K. in Berlin sind am 17. September während ihrer Abwesenheit aus ihrer Wohnung russische und schweizerische Wert­papiere im Betrag von 12,800 Mk., ferner verschie­dene Schmucksachen im Wert von einigen 1000 Mk. und 400 künstliche Zähne gestohlen worden. Die K. hatte kürzlich 20,000 Mk. geerbt und nachdem sie die Summe erhoben, aus der Rückreise uach Ber­lin die Bekanntschaft zweier Männer gemacht, die sie in ihre Vermögensverhältnisse einweihte und de­ren Rat sie sich auch bezüglich des Ankaufs von Wertpapieren erbat. Sie wurde nun von denselben in Hannover zu einem Manne geführt, bei welchem sie die Effekten erstand, weiß aber keine Angaben mehr darüber zu machen, ob dies ein Bankier war, in welcher Straße er wohnte u. s. w.; sie kennt auch nicht die Nummern der abhanden gekommenen Pa­piere, so daß man eine Warnung wegen etwaiger