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Karlsrube, 12. Sept. Bei dem Parade-Diner brachte der Kaiser in Erwiderung aus die Ansprache des Großherzogs einen Trinkspruch aus, worin er nach Worten innigen Gedenkens an seinen Großvater und Vater sagte: Der Großherzog sei nicht nur Landesvater, sondern auch General. Als er, der Kaiser, im Frühjahr nach den herrlichen Tagen in einem schönen südlichen Lande in Karlsruhe einige Stunden der Ruhe gepflogen, habe sich ihnen beiden und manchem guten deutschen Mann der Gedanke ausgcdrängt: Wird unser Volk seiner Aufgabe auch gewachsen bleiben; will es wirklich ablenken von den Wegen, die Kaiser Wilhelm I. ihm vorgezeichnet? will es sich unwürdig erweisen der großen Thaten des Kaisers Friedrich? Und als die Entscheidungsstunde nahte und unser Volk von neuem auf den richtigen Weg gewiesen werden mußte, waren es Euere Königliche Hoheit zuerst, die mit inhaltreichen, goldenen Worten die L-eite anschlugen, die bei unserm Volk immer durchschlägt. Die militärische Ader wurde geweckt, und von Gau zu Gau lebte der neue Gedanke auf, und unser Volk fand sich wieder. Ich danke Euer Königlichen Hoheit und danke meinen Vettern im Deutschen Reich. Jeder Fürst hat das Seinige gethan, uns seine Mannen heranzuführen und neu zu scharen ums Reichspanier, das jetzt dank Ihnen Allen dasteht, neu gerüstet, als schirmende Wehr über das deutsche Volk, wie einst der Götterheld Hekmdol, wachend über den Frieden der Erde. Möge es dem deutschen Volk vergönnt sein, daß es dieser Kulturmission nie untreu werde, mögen ihm stets Fürsten beschieden sein, wie Euere Königliche Hoheit und meine Vettern. Ich trinke auf das Wohl Euer Königlichen Hoheit, aus das Haus Baden und seine schwertbewährten Söhne, alt und jung. Sie leben hoch!
In Nürnberg wurde am Montag die 65. Ver- sammlung deutscher Naturforscher und Aerzte eröffnet. 700 Personen sind anwesend.
Kissingen, 8. Sept. Im Befinden des Fürsten Bismarck ist die Wendung zur Besserung eine so bedeutende, daß der Fürst bereits in acht Tagen nach Varzin übersiedeln kann.
Völlig unzutreffend ist die weitere Meldung, im Reichsschatzamt werde das Projekt einer Verdoppelung der Brausteuer nochmals erwogen. Wozu sollte man denn auch für den Papierkorb arbeiten?
Berlin, 8. Septbr. Der Staatssekretär Graf Posadowsky wurde mit der Stellvertretung des Reichskanzlers in allen finanziellen Angelegenheiten des Reichs beauftragt.
Berlin. 10. Sept. Eine Bestimmung von Wichtigkeit für diejenigen, welche sich zu längerem Aufenthalte nach den Vereinigten Staaten von Amerika begeben, ist von der deutschen Reichsregierung getroffen worden. Bis vor etwa 5 Jahren mußten militärpflichtige Deutsche, welche das Bürgerrecht in der Union nicht erwarben, nach Deutschland zu jeder Gestellung zurückkehren. Thaten sie es nicht, so wurden sie in Strafe genommen. Zahlreiche Deutsche sind auf diese Weise gegen ihre ursprüngliche Absicht durch die Verhältnisse gezwungen worden, sich in Amerika naturalisieren zu lassen und pflegten, nachdem dieser Schritt einmal geschehen war, für Deutschland dauernd verloren zu gehen. Auf fortgesetzte Vorstellungen wurde vor einer Reihe von Jahren dem deutschen General-Konsulat in New-Iork ein Arzt mit den Befugnissen der deutschen Militärärzte beigeordnet. Das Resultat seiner Untersuchung der Militärpflichtigen wurde anerkannt. Auf die Dauer genügte nun bei den gewaltigen Entfernungen in der Union diese eine Untersuchungsstelle den zahlreichen Deutschen, welche sich zu stellen wünschten. nicht. Die Ausstellung in Chicago, welche auch Vertreter unsrer Heeresverwaltung dorthin geführt hat, scheint den äußeren Anlaß dafür gebracht zu haben, daß, den Wünschen der Deutschen in den westlichen Staaten entsprechend, nun auch in Chicago dem deutschen Konsulat das Recht dieser Untersuchung beigelegt worden ist. Zum ärztlichen Vertrauensmann ist Dr. Welcker bestimmt worden.
Berlin, 11. Sept. Aus dem Krankenhause zu Moabit wurden gestern die letzten zur Beobachtung befindlichen Personen als unverdächtig entlassen. Auch die anderen Krankenhäuser sind frei von cholera- verdächtigen Kranken. Die Cholerastarion in Moabit ist aufgelöst.
Tie Kaiserworte, welche von Metz so macht
voll nach Paris hinüberklangen, sind nicht ohne Absicht gesprochen, denn den Franzosen war ihre sprichwörtliche Eitelkeit schon wieder einmal in höchstem Maße zu Kopfe gestiegen. Mehr als zwei Jahre hatten sie vergeblich auf die Erwiderung ihres Flot- tenbesuches in Kronstadt gerechnet, auf Rußland ge- zetert und gezürnt; nun endlich, da der russische Finanzminister dringend eine neue große Anleihe ge- braucht, die er nur jenseits der Vogesen auftreiben kann, jetzt läßt der Zar in Paris amtlich den Besuch eines Geschwaders in Toulon für Mitte Oktober ankündigen. Sofort schlägt die Stimmung in Frankreich um, ^ubellieder ertönen, und den Chauvinisten erscheint der Revanchesieg als etwas ganz Selbstverständliches. Daß Frankreich in der entscheidenden Stunde auf Alexander III. rechnen kann, diese Melodie klingt aus allen Zeitungsspalten mit größtem Nachdruck heraus, und da war es wohl an der Zeit, daß von Metz aus eine Abkühlung erfolgte, zumal die Russen nur immer mehr Oel ins französische Feuer gossen. Zu gleicher Zeit mit der offiziellen Ankündigung vom Russenbesuch ergab sich in Paris auch das Resultat der Stichwahlen zur Deputiertenkammer. Der Sieg der republikanischen Abgeordneten ist ein vollständiger, wenn auch die sozialistischen Ab- geordneten bedeutend zugenommen haben. Einem der Letzteren, dem in Paris gewählten Chauvin, wird jetzt schon von den Blättern die Hölle heiß gemacht, weil er von den deutschen Sozialdemokraten eine Geldsumme zu Wahlzwecken annahm. Die Sache soll sogar in der Kammer zur Sprache gebracht werden. Nicht wiedergewählt sind die einflußreichsten Mitglieder des alten Parlaments, die Abg. Clemenceau und Floquet. Beiden hat der Panamaskandal das Genick gebrochen und man kann nicht eben sagen, daß es um sie Schade ist. Präsident Carnot kränkelt, und einmal wurde er sogar tot gesagt. So bös hat es mit ihm nun nicht ausgesehen, immerhin ist sein Gesundheitszustand ein derartiger, daß er alle Ursache hat, auf sich zu achten.
Das kürzlich aufgetauchte Gerücht von dem bevorstehenden Rücktritt des deutschen Botschafters in Paris, Grasen Münster, wird jetzt auch von der „Nordd. Allg. Ztg." dementiert. Graf Münster, der sich von seiner letzten Erkrankung vollkommen erholt hat und demnächst auf seinen Posten zürück- kehrt, denkt, wie das genannte Blatt hervorhebt, keineswegs an seinen Rücktritt; ebensowenig ist an maßgebender Stelle eine Veränderung in der derzeitigen Besetzung des Pariser Botschafterpostens beabsichtigt.
Von neuen großen Forderungen für die Reichsmarine ist wieder und wieder die Rede; es kann aus bester Quelle versichert werden, daß im Reichsmarineamt von solchen außergewöhnlichen Forderungen auch nicht das Geringste bekannt ist.
Schwei).
Bern, 8. September. In den Bädern von Averdon ist nnerwartet der Genfer Regierungspräsident Nationalrat Dufour gestorben.
Selirrreich-Angarn.
Aus Wien. Die „Neue Fr. Ztg." lenkt die Aufmerksamkeit auf eine Darlegung des „Daily Telegraph," daß England. Angesichts der Möglichkeit einer vereinten Aktion der russischen und französischen Flotte im Zukunftskriege maritim zu schwach sei, daher entweder seine Flotte wesentlich verstärken oder besser den Anschluß an den Dreibund vollziehen sollte. Die „N. Fr. Pr." hält die Entscheidung Englands in letzterem Sinne für nicht unwahrscheinlich u. meint, der Anschluß Englands an den Dreibund würde einer jüngst gethanen geheimnisvollen Aeußerung der „Köln. Ztg." über die Heranziehung neuer Kraftfaktoren in der europäischen Konstellation entsprechen.
Frankreich.
Paris, 9. Sept. Das „Allgemeine Preßkomite" ist anläßlich des Empfanges der russischen Offiziere bemüht, eine Galavorstellung von Glinka's „Das Leben für den Czar" im Opernhause durchzusetzen, um dabei eine Monstrehuldigung zu ermöglichen. Ueberhaupt treibt die Demonstrationssucht tropische Blüten. Deputierter Deloncle richtete namens seiner Wähler den telegraphischen Wunsch an das Ministerium, der Tag der Ankunft der Russen möge für ganz Frankreich als Nationalfest angekündigt werden u. s. w.!
Paris, 10. Sept. Seit der Nachricht von dem Eintreffen eines russischen Geschwaders in Toulon hat sich ein Freudentaumel der Franzosen bemächtigt.
Der Stadtrat von Paris ist zu einer außerordentlichen Sitzung zusammengetreten, um 400000 Fr. zu den den Russen zu veranstaltende» Feste» zu bewil- 'ligen. An den Häusern, welche seinerzeit Zar Peter und Turgenjew bewohnten, werden Marmortafeln angebracht. Ein hervorragender Graveur prägt eine Verbrüverungsmedaille.
Paris, 11. Sept. Die „Tcmps" wirft den Sozialisten Mangel an Patriotismus vor, während Bebel und Liebknecht erklärt hätten, im Falle eines Krieges in der ersten Reihe der Feinde kämpfen zu wollen. (Kaum glaublich).
England.
London, 9. Sept. Die Polizeiwache vor dem Oberhaus wurde verstärkt, da nach der wahrscheinlich heute nacht erfolgenden Verwerfung der Homerule-Bill von den Iren arrangierte Straßenoe- monstrationen erwartet werden.
Rußland.
Das Schicksal der deutschen Schulen in den baltischen Landen ist jetzt endgiltig besiegelt. Die Petersburger Blätter bestätigen, daß für diese Provinzen eine neue Schulordnung erlassen wird. Unterrichtssprache wird ausnahmlos die Russische. Die seit Jahrhunderten von der Ritterschaft unterhaltenen deutschen Gymnasien haben sich unter dem Drucke der Verhältnisse von Jahr zu Jahr vermindert; jetzt werden die deutschen Schulen überhaupt verschwinden. Für die Einrichtung von Privatschulen dürften, wie z. B. in Kongreßpolen, besonders strenge Bestimmungen getroffen werden. Für die Marineschulen der Ostseeprovinzen ist soeben schon Anordnung getroffen worden, daß der Unterricht in Zukunft ausschließlich in russischer Sprache erteilt wird. Ferner müssen sich die Eisenbahnbeamten im Dezember in der russischen Sprache prüfen lassen, wobei diejenigen, welche die Prüfung nicht bestehen, entlassen werden.
Amerika.
New-Aork, 8. Septbr: Nach Meldungen auK Columbia hat der Gouverneur nach den I iseln von Süd-Karolina einen Spezialagenten entsandt, um die Wirkungen des Cyclons zu untersuchen. Der Agent hat berichtet, daß über 20000 Personen, größtenteils Neger. durch Hunger uno Krankheiten dem Tod nahegebracht seien. Der Gouverneur fordert in einem Aufruf zur Unterstützung der Notleidenden auf.
Aus Washington: Die Gemahlin des Präsidenten Cleveland ist von einer Tochter entbunden worden.
Auch in Argentinien dehnt sich der blutige Bürgerkrieg immer weiter aus. Im Lande herrscht vollste Anarchie._
Kleinere Mitteilungen.
Für manchen Rekruten wird es von Wichtig- keit sein, zu erfahren, daß ein solcher, welcher sich in gerichtlicher Untersuchung oder Anklage befindet, nicht eher eingestellt werden kann, bis die Strafsache einschl. Strafvollstreckung, erledigt ist. Viele Rekruten unterlassen es, von einer gegen sie erhobenen Anklage der Militärbehörde sofort Anzeige zu machen, und so kommt es vor, daß solche Leute mit den übrigen am allgemeinen Einstellungstermine zur Einstellung ge- langen. Da jedoch derartige Strafsachen später zur Sprache kommen, werden solche Rekruten behufs Verbüßung ihrer Strafe wieder entlassen, ganz abgesehen davon, wie lange sie schon dienen. Im nächsten Jahre gelangen sie dann neuerdings zur Vorstellung vor die Oberersatzkommission und werden erneut ausgehoben und eingestellt, wobei ihnen die im vorhergegangenen Jahre durch eigenes Verschulden zu früh gediente Zeit nicht im Gevngsten zu Gute kommt oder angerechnet wird. Es liegt somit im Interesse eines jeden Rekruten, welcher sich in gerichtlicher Untersuchung befindet oder noch eine Strafe zu verbüßen hat, daß er in jedem Falle sofort seiner Kon- trolstelle entsprechende Anzeige erstattet.
Liebe muß leiden! Aus Augsburg wird berich- tet: Ein junger Mann sprang vor wenigen Tagen in den Stadtgraben, weil ihn seine Geliebte nicht gegrüßt hatte! Er wurde durch die Polizei herausgezogen, sprang aber sofort wieder ins Wasser, aus dem er dann freiwillig wieder ans Ufer schwamm. Er lief in seine Wohnung, wo er an einen Kutscher das Ansinnen stellte, ihn mit einem zur Verfügung gestellten Beil zu erschlagen. Der Kutscher hieb auch zu, aber mit dem Peitschenstiel, und hatte den Selbstmordkandidaten damit gründlich kuriert. Dieser legte sich hin und schlief seinen Rausch aus.