Der Gesellschafter

Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

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Erscheint wöchentlich 3mal: Dienstag, Donners­tag und Samstag, und kostet vierteljährlich hier (ohne Trägerlohn) 80 4. in dem Bezirk 1 außerhalb des Bezirks 120 4. Monats-Abonnement nach Verhältnis.

Donnerstag 14. Seplbr.

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1893

Die Gcneraldirektion der Staatseisenbahnen hat die er­ledigte Expcdientenstcllc in Wildberg dem Eisenbahngehilfen Hornstein daselbst übertragen.

Infolge der im Monat August mit 44 Kandidatinnen vorgenommcncn Aufnahmeprüfung sind 12 Mädchen in das Lehrerinnenseminar Markgröningen ausgenommen worden, u. a.: Christiane Kaupp von Haiterbach, Marie Schmid von Freudenstadt.

Ucrges- Wenigkeiten.

Deutsches Neich-

Nagold, 13. September. Der gestrige Theaterabend war dem Lustspiel gewidmet. Das bekannte Preislustspiel:Weiberthränen wirken auf Christen, Heiden, Türken" hat in seiner feinen Zu­sammenstellung und im Wortspiel so viel Abwechseln­des und für den Geist fortwährend Anregendes, daß hierin dem Zuschauer eigentlich kein Wort entgehen darf. Die Darsteller bemühten sich, ihre Schuldig­keit zu thun, obwohl einige Szenen mit übertriebener Hast wiedergegeben wurden. Das aus dem Alpen- leben entnommene Genrebild-Ein Berliner Berg­fex oder: Das Versprechen hinterm Herd" verglich mit recht drastischen Wartens die nord- und süddeutsche Lebensart, in der sich manch' trockener Witz cinschlich und auf daS Publikum erheiternd einwirkte. Der Besuch war kein besonders zahlreicher.

/X Simmersfeld, 12. Sept. Gestern lieferte Glockengießer Heinrich Kurtz von Stuttgart zwei neue Glocken zu unserem Kirchengeläute. Da im lcyien Winter die mittlere Glocke zersprungen war. wurde der Beschluß gefaßt, 2 neue Glocken anzuschaffen, um ein harmonisches Geläute (Quart-Sextakkord) zu er­halten. Zu der etwa 900 Jahre alten. 20 Ztr. schweren großen Glocke kamen nun 2 neue, schön dekorierte und in ihrer ganzen Ausführung bestens gelungene Glocken im Gewicht von etwa 7 und 5 Zentnern. Dieselben tragen die Inschriften:Ehre sei Gott in der Höhe!" u.Friede auf Erden!" Tue Glocken, welche wie die Kirche Eigentum des Staates sind, sollen auf 1200 zu stehen kommen. Die Kirchspielsgemeinden haben dazu einen Beitrag von 400 ^ zu leisten. Die durch die Anschaffung von 2 neuen Glocken in den Besitz von Glockengie­ßer Kurtz übergegangene kleine Glocke des alten Ge­läutes im Gewicht von 80 Kg. beabsichtigt die Ge­meinde Beuren für ihr renoviertes Schulhaus zu erwerben.

Am 15. d. Mts. gehen die Gerichtsferien zu Ende und nimmt von diesem Tage ab das gewöhn­liche Gerichtsverfahren in allen Rechtsfällen wieder feinen Anfang.

Stuttgart, 9. Sept. Gutem Vernehmen nach tritt der württembergische Landtag am 15. November zusammen.

Stuttgart, 9. Sept. Heber den Zweck der Reise des Herrn v. Mittnacht nach Kissingen ver­breitet dieFrkf. Ztg." die Version, daß Herr v. Mittnacht sich mit Erfolg bemüht habe, dem Alt- reichskanzler den beabsichtigten Besuch Stuttgarts auszureden, der der württ. Regierung wie dem Hof zumal unmittelbar vor der Anwesenheit des Kaisers anläßlich der Manöver peinlich gewesen wäre. (Wir nehmen von dieser Kombination lediglich zur Ver­vollständigung aller über die Sache angestellten Be­trachtungen Notiz, die weiter zu erörtern wir gegen­wärtig durchaus keine Ursache haben.)

Stuttgart, 11. Sept. Nach den bis jetzt getroffenen Anordnungen sind während der Anwesen­

heit des Kaiserpaares u. a. folgende festliche Veran­staltungen vorgesehen. Wie schon berichtet, erfolgt die Ankunft des Kaisers am 14. Sept. Nachm. 5 Uhr, die der Kaiserin um 5 Uhr 15 Min. Um 7 Uhr ist Familientafel und um 9 Uhr Abends großer Zapfen­streich im Hofe des Residenzschloffes. Die große Parade am 15 beginnt Vorm. 10 Uhr, nach Been­digung derselben ist auf der Billa Berg bei der Her­zogin Wera Frühstückstafel, der das Kaiserpaar bei- wohnt. Um 5 Uhr Abends findet im weißen Saale des Residenzschlosses Paradetaiel statt und um 7^/» Uhr ist Festvorstellung (Falstaff) im Hoftheater. Am 16. Sept. wird nach der Rückkehr der höchsten und hohen Herrschaften vom Kaisermanöver bei dem Prin­zen Hermann zu Sachsen-Weimar ein Frühstück ein­genommen. Um 7 Uhr Abends ist Familientafel und nach 9 Uhr erfolgt die Abreise des Kaiserpaares. Das Paradefeld bei Cannstatt, das von Mannschaf­ten des P onicrbataillons hergerichtet wird , wurde gestern von einem außerordentlich zahlreichen Publi­kum besucht. Die große Zuschauertribüne erregte be­sondere Aufmerksamkeit. Mit den Dekorationen an derselben ist heute begonnen worden. Der Karten­verkauf gehr lebhaft. Bis jetzt ist annähernd die Hälfte der Karten abgesetzt.

Stuttgart, 11. Sept. Gestern Abend ist ein 6 Jahre altes Kind im Hause Rothestraße 39 zwei Stock hoch zum Fenster hinausgesprungen, weil der Vater des Kindes die Mutter desselben thätlich miß­handelt und die Z-mmerthüre abgeschlossen hat. Aeußer- liche Verletzungen waren an dem Kind nicht wahrzu­nehmen; ob dasselbe aber innerliche Verletzungen er­halten hat, konnte der cs untersuchende Arzt vorerst noch nicht konstatieren, da das Kind zu arg aufge­regt war.

Ulm, 10. Sept. (Zur Warnung.) Gestern verunglückte ein elfjähriger Knabe dadurch, daß er eine Zwetschge mit einer Wespe, welch letztere ihn in den Hals stach, infolge dessen die Erstickung eintrat.

Brandfälle: In Liebenzell die Scheuer des Schmicdmeisters Decker sowie die daran angebaute Schmiedewerkstätte; bei Unterweissach (Backnang) die sog. Binsenmühle.

Straßburg, 9. Sept. Unter dem Geläute sämtlicher Glocken und unter brausenden Jubelrufen einer zahllosen Volksmenge erfolgte um l^r Uhr der Einzug des Kaisers in die Stadt. In Begleitung Sr. Mäjestät befanden sich der italienische Kronprinz und der Großherzog von Baden. In der Stadt herrschte eine unbeschreibliche Begeisterung. Auf dem Broglieplatz fand unter einem Baldachin der feier­liche Empfang und die Begrüßung seitens des Bür­germeisters und des Gemeinderats statt. Bürger­meister Back, der bereits 1877 als Polizeidirektor und Bürgermeistereiverwalter die deutschen Kaiser in Straßburg begrüßte, trat vor und hielt eine begeisterte Rede. Sichtlich sehr angenehm berührt, denn seine Miene strahlte und er hatte mehrmals zustimmend mit dem Kopfe genickt, antwortete der Kaffer dann ungefähr folgendes:Mein lieber Herr Bürger­meister! Ich danke Ihnen herzlich für Ihre freund­lichen Worte. Ich bin erfreut, hier Ihren Gemeinde­rat begrüßen zu können, die Vertretung einer Bür­gerschaft, welche Mich heute mit so prächtigem Flaggenschmuck und so warmen Rufen empfangen hat. Es thut Mir sehr leid, daß Mein Aufenthalt in derwunderschönen Stadt" diesmal nur so kurz sein kann; aber durch den Ausfall der württember- gischen Manöver sind die allgemeinen Dispositionen

für Meine Reisen so verändert worden, daß sie Mir hier keine längere Zeit des Verweilens mehr ge­statten. Meiner Anhänglichkeit und Meiner Liebe für Ihre herrliche Stadt, diese Perle der deutschen Lande, hätte eigentlich ein längerer Aufenthalt ent­sprochen. Ich habe als Junge schon, wie jeder Deutsche, oft das LiedO Straßburg, o Straßburg, du wunderschöne Stadt" gesungen und dabei zu Gott gebetet, daß Straßburg, für das ich immer besondere Sympathie empfand, wieder deutsch werden möge. Dieser Wunsch ist ja nun in der Zwischenzeit glück­lich in Erfüllung gegangen, wenn es Mir selbst auch nicht vergönnt war, dabei mitzuwirken. Ich schätze Straßburg als eine der besten deutschen Städte und bin überzeugt, daß auch die Straßburger in der Wiedervereinigung mit dem deutschen Reiche sich wohlfühlen. Ich habe das so recht das letztemal em­pfunden, als Ich ganz unerwartet hieher gekommen war. Als Ich da vom Polygon zurückritt, die Straßen in der kurzen Zeit so schön geschmückt fand und den herzlichen Jubel des Empfanges hörte, da da habe Ich Mich aufrichtig gefreut. Wenn Ich auch jetzt nicht länger bleiben kann, so hoffe Ich, dafür später desto öfter Gelegenheit zu finden, ohne Ueberraschung längere Zeit hier zu weilen. Ich fühle Mich wohl unter Ihrer Bevölkerung; deshalb habe Ich Mir hier in der Nähe auch ein Jagdge­biet eingerichtet, das wird Mich schon wieder hieher führen. Nochmals besten Dank, lieber Herr Bürger­meister, auch dem Gemeinderat und der ganzen Be­völkerung für den schönen Empfang!" Um 2*/» Uhr reisten der Kaiser, der Kronprinz von Italien, der Statthalter von dem reichgeschmückten Hauptbahnhofe unter stürmischen Abschiedsrufen der Bevölkerung nach Metz ab.

Karlsruhe, 11. Sept. Der Kaiser und der Prinz von Neapel sind gestern abends 5 Uhr hier eingetroffen. Sie wurden von dem Großherzog, den Prinzen ves großherzogl. Hauses und dem Prinzen Albrecht von Preußen empfangen. Der Kaiser begrüßte den Großherzoq sehr herzlich mit wiederholter Umarmung und Kuß. Der Kaiser und der Großherzog schritten die Front der Ehrenkom- pagnie ab und fuhren sodann in die prächtig ge­schmückte Stadt. Die Menschenmenge begrüßte den Kaiser enthusiastisch. Auf dem Marktplatze bei dem Kaiserbrunnen bewillkommte der Oberbürgermeister den Kaiser und sagte: Die Stadt begrüße den Kaiser in dem sichern Bewußtsein, daß das scharfe Schwert des Reiches in sicherer Hand ruhe, daß der Kaiser dasselbe niemals unbedacht der Scheide entreißen und im Notfall kraftvoll führen werde für den Bestand und die Ehre des Vaterlandes. Auch gegenüber den im Innern drohenden Gefahren richten sich die Blicke mit ruhiger Zuversicht auf den Lenker der Geschicke des Reiches, der mit klarem Blicke seines Amtes gerecht und gütig walte. Der Kaiser dankte für den feierlichen Empfang und führte aus, daß die Besorg­nis , welche im Frühjahre bei seinem Eintreffen in Karlsruhe herrschte, wieder geschwunden sei. Gott sei Dank, das deutsche Volk hat sich wieder gefunden; es hat fest zusammengestanden und gethan, was seine Pflicht war. Mir und meinen Verbündeten, insbe­sondere dem Großherzog, war dadurch möglich, auch unsere Pflicht zu thun, um den Frieden in Eurova zu wahren. Hierauf begab sich der Kaiser mit dem Kronprinzen von Italien nach dem Sch, woselbst die Begrüßung durch die fürstlichen Dam.-n erio,;te. Abends fand Familientafel und Mars h illiafe. ttacr, um 9 Uhr großer Zapfenstreich.