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spreche vom Frieden nicht mit Begeisterung, sondern ernster Bedächtigkeit und verbürge zwar nickt den Frieden, aber betone, Deutschland wolle den Frieden. Da die deutsche Reichsregierung keine parlamentarische sei, so sei es logisch, das Heer dem Einfluß des Parlaments zu entziehen; da jetzt das Septennat gesichert sei, könne nunmehr gar die Rede sein, daß der Reichstag dasselbe demonstrativ einstimmig bewillige, um der deutschen Kriegsbereitschaft Nachdruck zu geben, denn ein verstärktes deutsches Heer sei eine unangreifbare Friedenssäule umsomehr, als auch die österreichisch-ungarische Heeresmacht eine wichtige Stütze des Friedens sei. „Nemzet" folgert aus dem ruhigen Tone der Thronrede, daß die nervösen Zuckungen in Europa sich jetzt allmählich legen werden und richtet ein ernstes Mahnwort an Frank- reich, welches ja unter der zunehmenden Wucht seiner eigenen Rüstungen früher oder später zusammenbrechen müsse.
Bulgarien.
Rustschuk, 3. März. Heute nacht verhaftete der Kommandant von Rustschuk, Unisow, den Präfekten und viele regentschaftslreue Offiziere der Garnison und versuchte, die zwei noch treu gebliebenen Bataillone des 5. Regiments zu entwaffnen. Dieser Versuch mißglückte; beide Bataillone, meist aus Rekruten bestehend, besetzten unter Befehl des Hauptmanns Vulkow einen Teil der Stadt, die Kasernen, die von 5 Pionierkompagnieen umstellt wurden. Früh 6 Uhr begann ein lebhaftes Gefecht, das bald in der ganzen Stadt wogte und an dem sich nach und nach unaufgefordert mehrere hundert Bürger zugunsten der Regentschaft beteiligten. Der Kampf wurde von diesen mit Erbitterung geführt; an Toten und Verwundeten zählt man auf beiden Seiten 70 bis 80; darunter tot Lieutenant Panew und Unterlieutenant Kaschkavaldschiew von den Aufständischen.
Httges-Werrigkeiten.
Calw, 7. März. Das Geburtsfest Sr. Majestät unseres Königs wurde am gestrigen Sonntag in gewohnter Weise gefeiert. Früh am Morgen schon kündeten Böllerschüsse und Tagwache die hohe Bedeutung des Tages an. Um 9>/e Uhr bewegte sich ein ansehnlicher Zug aus allen Ständen vom Rathaus zur Kirche, woselbst Hr. Dekan Berg über den von Sr. Maj. gewählten Text die Festpredigt hielt. An dem Festesten im „Waldhorn" nahmen 32 Personen teil. Den Toast auf Se. Majestät brachte am Schluffe der fein gewählten Tafel Hr. Oberamtmann Flaxland aus. — Der Veteranen- und Militärverein feierten das Fest gemeinsam im Gasthaus zur Linde.
— (Amtliches.) Seine Königliche Majestät haben durch höchste Entschließung vom 3. d. M. den Revierförstern Theurer in Simmersfeld und Eisenbach in Enzklösterle den Titel eines Oberförsters gnädigst verliehen.
Teinach, 4. März. Trotz noch fußtiefen Schnees und dicker Eis- platten auf den Höhen und auf der Winterseite unseres Thales hat sich der Frühling auch bei uns nunmehr durchgekämpft. Staarengezwitscher und Drosselschlag, einzelne Schmetterlinge und der gestern gefundene erste und einzige blühende Zavelsteiner Oroous voraus, sowie angenehme Mittagstemperaturen (-f- 10,2« C.) bestätigen dies. Warmer Regen wäre allgemein erwünscht. Den zahlreichen Freunden unserer Gegend wird die Nachricht sehr willkommen sein, daß der Staat die vor etwa 40 Jahren Verkauften Wiesflecken innerhalb der Zavelsteiner Schloßruine wieder zurückgekauft und damit jene ärgerliche Belästigung der Besucher, wie sie seither durch Absperrung und Besteuerung seitens des Privatbesitzers bestanden, in dankenswertester Weise für immer beseitigt hat. Schw. M.^
— In Liebenzell wurde heute ein Kind, in der Nähe der „Soflne", von einem aus der Höhe kommenden Stein schwer am Kopfe verletzt. Der Stein kam von einem Sprengschuß aus nächster Nähe.
Biberach, 3. März. Im städtischen Armenhause, im Volksmunde dar „Siechenhaus" genannt, brach gestern abend kurz vor 7 Uhr ein Brand aus, der dasselbe vollständig zerstörte. Das Feuer wütete die ganze
Nacht hindurch und bot der sehr thätigen Feuerwehr bedeutende Schwierigkeiten, weil das zum Löschen nötige Wasser auf große Entfernung herbeigeschafft werden mußte. Das abgebrannte Gebäude diente den armen Einwohnern hier als Unterkunft; dieselben erhielten dort kostenfreie Wohnung und Heizung. 1870—71 war ein Lazareth für verwundete Krieger darin eingerichtet , und mancher Kämpfer aus jener Zeit hat hier seine Gesundheit wiedererlangt. Seine von der Stadt entfernte Lage machte das Haus beim Ausbruch von Epidemien, namentlich für Pockenkranke, sehr geschickt. Am gestrigen Tage war dasselbe wohl von über 40 Personen, jung und alt, bewohnt, deren Unterbringung in der kalten Winternacht der Armenbehörde noch ziemlich zu schaffen machte. Wie es kommen konnte, daß in einem auf das Sorgfältigste gebauten Hause, dessen Räume jeden Tag einer genauen Visitation unterworfen sind, ein so vernichtender Brand entstand, darüber läßt sich vorerst nichts Genaues sagen.
Ravensburg, 3. März. Zur Beratung kam in der gestrigen Sitzung der bürgerlichen Kollegien eine Eingabe der Lokalbahn-Aktiengesellschaft München wegen Angabe einer Dampsstraßenbahn von hier nach Weingarten. Es wurde beschlossen, das hiezu nötige städtische Areal auf die Dauer der Bahnkonzession der Gesellschaft unentgeltlich zu überlassen, auch erforderlichenfalls einen Wartepavillon am Frauenthor zu erstellen. Die Richtung der Bahnlinie zwischen dem genannten Thor und dem hiesigen Bahnhof ist noch nicht festgesetzt, da ein Gartenbesitzer für ein kleines Areal einen zu hohen Preis verlangt und deshalb die Linie eine andere Richtung, als ursprünglich geplant war, erhalten müßte. — In der gleichen Sitzung wurde die Forterhebung der städtischen Konsumsteuer beschlossen.
Pforzheim, 1. März. Nachdem die Reichstagswahl vollzogen, ist wieder Ruhe in die Gemüter eingezogen. Doch nicht ohne Sang und Klang, in Stillvergnügtsein wollten die hiesigen reichstreuen Wähler ihres glänzenden Sieges sich erfreuen. Vielmehr wollten sie ihren Gefühlen lauten Ausdruck geben, was bei einem in der geräumigen Keppel'schen Bierhalle veranstalteten sehr zahlreich besuchten Bankett geschah. — Am letzten Donnerstag war den hiesigen Musikliebhabern ein seltener Genuß geboten. Die berühmte Violinvirtuosin Arma Senkrah veranstaltete nämlich im Museumssaale unter Mitwirkung der Pianistin Frl. Emma Großcurth und des Tenoristen Hm. Werner Alberti ein Konzert. Schw. M.
Wevnrifchtes.
— Ein Geschenk Kaiser Wilhelm's an die Königin Viktoria. Der „Manchester Guardian" erfährt von privater Seite aus Wien, daß dort ein aus dem feinsten, nur zu Geschenken an fürstliche Familien verwandten Dresdener Porzellan bestehendes Tafelservice auf Befehl des Kaisers Wilhelm angefertigt wird, welches derselbe der Königin Viktoria zu ihrem 50jährigen Regierungsjubiläum zu schenken beabsichtigt. Auf jedem Teller sind fünf Medaillons gemalt, die entweder allegorisch die Hauptereignisse der Negierung der Königin oder Portraits der berühmtesten Männer ihrer Zeit darstellen. Das Service besteht aus 288 großen und 120 kleinen Tellern und 72 Speisegeschirren aller Größen, außer Terrinen, Saucen und Fruchtschalen. Die größte Fruchtschale klönt eine Statuette der Königin, während sich ringsherum weiß auf goldenem Grunde die Relief- portrarts aller Mitglieder der englischen Königsfamilie befinden.
— Vom Erdbeben. Aus dem Privatbriefe eines geborenen Württembergers, welcher, seit langen Jahren im Auslande lebend, des Winters eine in Beaulieu unweit Nizza belegene Villa bewohnt, bringt der Schw. Merk, folgende Schilderung des Erdbebens vom 23. Febr.: Beaulieu ist der -einzige Ort an der Riviera, an dem das furchtbare Erdbeben ohne Schaden vorüberging. Am Mittwoch morgens 6 Uhr wurden wir beide schon wach, von einem schrecklichen Geräusch aufgescheucht. Es kam mir vor, als ob 1000 kräftige Fäuste an allen Thüren hämmerten, um einzubrechen. Die Mauern und die Decken zitterten, der Kleiderkasten schwankte und das Bett ging auf und ab. 4 Minuten nachher kam ein zweiter Stoß, aber etwas schwächer, von der entgegengesetzten Richtung her (der erste kam von Osten nach Westen). Eine eigentümliche Erscheinung zeigte sich in der kleinen Bai:
„Ich ermahne Sie nochmals zur Wahrheit", erinnerte der Staatsprokurator; „es liegt in Ihrem eigenen Interesse, mir nichts zu verschweigen."
Nach längerem Zögern sprach die Frau mit ängstlicher Verlegenheit!
„Mein Herr hat es mir verboten, und —"
„Und? Bleiben Sie nur nicht stecken, sagen Sie Alles g'rad heraus. Hat er Ihnen etwa eine Belohnung angeboten?
„Ja, er hat mir zweihundert Francs gegeben."
In diesem Augenblicke trat auch die vorher entsendete Kommission zurück in den Gerichtssaal.
Einer von ihnen tnig einen Korb. In demselben lag eine mit großen Banknoten angefüllte Brieftasche, eine goldene Uhr, ein Etui mit kostbarem Perlen- und Diamantenschmuck und einige Fläschchen, anscheinend mit Medicin. Eines war mit einer Etiquette versehen, auf der ein Wort geschrieben stand, dieses Wort lautete: „Strichnin". Alle diese Dinge waren in einem, im Getäfel der Wand verborgenen Schranke in dem Sterbezimmer des Herrn de Braz aufgefunden worden.
Beim Anblicke dieser niederschmetternden Beweisstücke brach Doktor Henrik laut aufschreiend zusammen.
Vom Gelds fehlten nur 1000 Francs, es waren noch 1,476,000 Francs vorhanden, mit denen der Haushofmeister der Ex-Königin Hortense nach Konstanz zurückreisen konnte.
So hat sich ein gemeiner, erbärmlicher Verbrecher, ein Raubmörder selbst gerichtet, — in dem letzten Augenblicke, da er schon als „Freigesprochener" von der Menge begrüßt wurde. —
Vierzehn Tage nach diesem Vorfälle lebte Doktor Henrik nicht mehr, er erlitt die wohlverdiente Todesstrafe zur Sühne seiner so schlau durchgeführten Verbrechen.
— Vom Exerzierplatz. (Ein Einjährig-Freiwilliger spuckt aus, während er sich in Reih und Glied befindet.) „Zwei Stunden nachexerzierenI" rusl der Sergeant aus, „man spuckt in der Front nicht aus — verstanden? Sie sind hier nicht im Salon!"
— Ueberflüssig. A.: „Wissen Sie, daß Fräulein Käthe Braut ist und nach Amerika heiratet?" — B.: „Jst's möglich? Und wen heiratet sie denn?" — A.: „Einen Herrn Maier!" — B.: „Und deswegen geht sie nach Amerika? Den hätte sie hier auch haben können."
— Nicht geladen. In Königsberg hatte unlängst ein Kaufmann Termin vor Gericht. Nach mehrstündigem Warten bei großer Hitze fragte er den Rechtsanwalt seines Gegners: „Gehts noch nicht bald los?" Hierauf erhielt er die Antwort: „Aber, lieber Herr, wie soll es losgehen, wenn Sie nicht geladen haben?" — Er hatte vergessen, die Ladung dem Gegner zuzustellen.
— Jean Paul fuhr einst auf einer Reise in das Thor einer kleinen Stadt. Der Korporal der Thorwache trat heraus, eine Schreibtafel in der Hand. „Ihren Namen, mein Herr?" — „Ich heiße Richter."- — „Ich bin Autor." — „Autor — Autor?" fragte der Korporal verblüfft, „was heißt das? War verstehe ich darunter?" — „Nun, das heißt, ich mache Bücher." — „Ja so", schmunzelte der Korporal, „das ist mir verständlich. Heut zu Tage giebt man sich allerlei fremde unbekannte Titel. Hier zu Lande nennt man einen Mann, der Bücher macht, einen — Buchbinder."