hier noch aufzutreten. Stöcker sprang bleich und erregt auf: Bodeck sollte vom Podium gerissen werden, er wehrte sich und drang auf Stöcker ein. Alles drängte wirr durcheinander; zahlreiche Rempeleien fanden statt, es war ein Rufen, Heulen, Johlen ohne Ende, bis schließlich die Versammlung geschlossen wurde und die Massen in wildester Erregung auseinander gingen. Polizei war nicht am Platze.
Keine zehntägigen Rückfahrtskarten. Auch die norddeutschen Privatbahnen haben die Einführung zehntägiger Rückfahrkarten abgelehnt; sie sind dem Beispiel der preußischen Eisenbahnverwaltung gefolgt.
Die Nachricht, daß die Regierung eine Wiedereinführung des polnischen Sprachunterrichts in den Volksschulen der polnisch sprechenden prcu- ßischen Landesteile plane, wird jetzt von verschiedenen Seiten bestätigt.
Berlin, 24. Juli. Die ermäßigten Ausnahmetarife für Futter- und Streumittel sind dem „Reichs- Anz." zufolge nunmehr auf die Eisenbahnen des ganzen Reichsgebietes ausgedehnt worden.
Berlin, 25. Juli. Die Morgenblätter melden: Rußland läßt ab 1. August den Maximaltarif allen Staaten gegenüber anwenden, welche ihm Meistbegünstigung nicht gewährt haben.
Nach dem Austritt des Grafen Hoensbroech aus dem Jesuitenorden hat sich dies seither wiederholt; es sind nämlich der Pater Theodor Wolf, ein Professor der Theologie im Kloster Maria-Laach, und Pater Rieth in Bonn aus der Gesellschaft Jesu ausgetreten.
Der akademische Turnbund, die Vereinigung der nicht farbentragenden akademischen Turnvereine Deutschlands, feiert in den Augusttagen sein zehnjähriges Bestehen durch ein großes Turnfest in Neustadt in Thüringen.
Brlterreich-Ungsrn.
Wien, 22. Juli. Der Kriegsminister Bauer ist heute nachts 11 Uhr gestorben.
Wien, 24. Juli. Der deutsche Kaiser ließ der Familie des verstorbenen Reichskriegsministers Frhrn. v. Bauer durch den hiesigen Militärattache Oberstlieutenant v. Deines sein Beileid ausdrücken. — Der Kaiser sprach der Baronin v. Bauer telegraphisch seine innigste Teilnahme aus an dem schweren Verlust, welchen sie erlitten und der für den Monarchen und die Armee unersetzlich sei. Es kondolierten ferner die Kaiserin und sämtliche Erzherzöge. — Der Kaiser unterbricht seinen Sommeraufenthalt in Ischl, um dem Leichenbegängnis des Kriegsmtnisters am Dienstag beizuwohnen.
Frankreich.
Ein wissenschaftlicher Kongreß behandelte dieser Tage in Paris die Frage der „Wiederbevölkerung" Frankreichs. Die Bevölkerungsabnahme ist in Frankreich eine Frage von größter Wichtigkeit geworden; aber ob die von dem Kongreß vorgeschlagenen Mittel helfen werden, muß bezweifelt werden. Alle diese Vorschläge gehören schon in das Gebiet des Krankhast-Phantastischen. Zum Schluß verlangte der Kongreß internationale Abrüstung und internationale Schiedsgerichte.
Paris, 22. Juli. Dem „XIX. Siecle" zufolge leidet der noch immer kranke Präsident der Republik, Carnot. an Darmverstopfung und Verdauungsstörung. Die Aerzte befürchten eine Darmverletzung. Heute ist Ministerrat, am Dienstag begeben sich die Minister nach'Marly zu Carnot.
Paris, 23. Juli. Der wichtigste Streitpunkt der Verhandlungen zwischen Frankreich und Siam ist die von Frankreich geforderte, von Siam hartnäckig verweigerte formelle Anerkennung der Rechte des Kaisertums Annam und des Königreichs Cam- bodscha auf das linke Ufer des Mekong-Stroms. Frankreich verlangt jene Anerkennung als Protektor über Annam und Cambodscha. Siam ist bereit, das User bis zum 18. Grad n. B.. aber nicht weiter nach Norden herauf abzutreten. Frankreich verlangt aber die Abtretung bis zum 23. Grad, d. h. bis zu dem Punkt, wo der Mekong das chinesische Gebiet verläßt. Die beiden Mächte sind also sehr weit auseinander. Siam hat sich an England gewendet und dessen Vermittlung nachgesucht und England scheint nicht abgeneigt, diese Rolle anzunehmen.
Paris, 24. Juli. Die französische Regierung notifizierte heute vormittag den fremden Mächten die Absicht, die Küsten von Siam zu blockieren.
England.
London, 24. Juli. Nach einer Reutermeldung aus Bangkok vom 22. Juli 10 Uhr 40 Min. abends wurde die Antwort der siamesischen Regierung auf das Ultimatum Frankreichs gestern nach Paris abgesandt. Siam will das Gebiet am linken Ufer des Mekong einschließlich Stung Treng Khong abtreten und Schadenersatz zahlen, wofür die im Ultimatum geforderten 3 Millionen hinterlegt werden sollen. Die siamesische Antwort gewähre Hoffnung auf friedlichen Ausgleich.
Der „Times" wird aus Bangkok gemeldet, daß das von Frankreich gesonderte Territorium 95,000 englische mMeilen umfaßt. Thatsächlich verlange Frankreich die Zerstückelung und den Ruin Siams. Frankreichs Handel mit Siam habe sich im Jahre 1892 auf 8 000 Pfd. belaufen, während der Wert der britischen Waren, die sämtlich in britischen Schiffen eingeführt wurden, 2^/s Millionen Pfd. betragen habe. In Siam befänden sich 13,500 britische Unterthanen und nur 250 französische. Frankreichs Angriff auf Siam sei in Wirklichkeit nur gegen England gerichtet.
Klrioere Mitteilungen.
> Besenfeld, 25. Juli. In nnsern Waldungen wurde gestern ein stattlicher Hirsch erlegt, ein Zehnender, der 180 Pfd. wog. Diese Tiere machen in jetziger Zeit auf den Getreidefeldern und in den Krautäckern bedeutend Schaden und leider kann der Geschädigte nach den bestehenden Gesetzen keinen Anspruch auf Schadenersatz machen. — In Röth erhängte sich der 33 Jahre alte, erst seit 6 Wochen verheiratete Bauer S. Man nimmt an, daß bei ihm plötzlich Geistesstörung eingetreten ist.
Wenn man Pech hat. Aus Ludwigshafen 17. Juli meldet der „Mannh. Generalanzeiger:" Bon seiner angeblichen Taubheit wurde heute ein Gestellungspflichtiger in der Generalmusterung rasch geheilt. Der Militärarzt scheint seine „Drückeberger" wohl zu kennen, denn unter Zuhilfenahme eines Spiegels wurde in der Ohrenhöhle eine Dosis Pech entdeckt und bald mit der Sonde ans Tageslicht befördert. Die Taubheit war sofort „geheilt," indessen zur Befreiung von der Militärpflicht hat das Pech nicht im mindesten beigetragen. Das nennt man doppelt Pech.
Der offizielle Saatenstandsbericht für Bayern bezeichnet die Gesamtlage als ungünstig. Winterbrotfrucht und Kartoffeln stehen zwischen gut und mittel, Sommerfrucht meist nicht gut, Futtermittel mittel bis gering, Hopfen steht überall schlecht. In Oberbayern ist Weizen, Spelz, Roggen, Sommergerste, Kartoffeln, Futterrüben, Wiesen zwischen gut und mittel, Win- tergerste gut, Klee, Futterpflanzen zwischen mittel und gering, Hafer unter mittel; in Niederbayern ausgenommen Klee und Hopfen gut, Futter sehr gut; in der Pfalz ausgenommen Kartoffeln und Tabak schlecht; in der Oberpfalz Sommerweizen, Hafer, Klee. Futterpflanzen, Wiesen und Hopfen schlecht; in Oberfranken Hafer, Reps, Hülsenfrüchte, Klee, Futterpflanzen, Wiesen und Hopfen schlecht, sonst gut bis mittel; in Mittelfranken ausgenommen Winterweizen, Winterspelz, Roggen und Kartoffeln schlecht; in Unterfranken ausgenommen Winterspelz und Roggen schlecht, Futtermittel sehr schlecht; in Schwaben ausgenommen Hafer, Hülsenfrüchte, Klee, Wiesen und Hopfen gut bis mittel.
Rheinau, 22. Juli. Seit zwei Tagen werden hier nur noch Staren gegessen. 7000 Stück hat der Fischer Schmutz aus Straßburg in einem Netz auf einmal gefangen. Ungeheure Mengen dieser Vögel bringen die Nacht auf dem Schilf unseres Brunnenwassers zu. Es wird in der Nähe dieser Stelle ein großes Netz angebracht, welches nach hinten und nach den Seiten bis in das Wasser herunter hängt und nach vorn mit hohen Stangen offen gehalten wird. Morgens werden dann die Vögel in das Netz getrieben. Tausende von Vögeln gehen bei Fange neben dem Netze durch. In der „Straßb. Post", die von diesem an italienische Sitten erinnernden Vogelmord berichtet, wird angeführt, daß die Staren an der Ernte großen Schaden anrichten.
Berlin, 21. Juli. Ein hiesiger Kaufmann hatte einem ungetreuen Lehrlinge wider besseres Wissen ein gutes Zeugnis ausgestellt. Der Lehrling bekam darauf hin Anstellung bei einem Bankier, dem er alsbald eine größere Summe veruntreute. Die Folge war, daß der Bankier von dem Kaufmann Schadenersatz forderte. Der Kaufmann weigerte sich, wurde
verklagt und ist jüngst zum Ersatz der vollen, dem Bankier unterschlagenen Summe verurteilt worden. Wir teilen dies mit als Warnung, besonders mancher Hausfrauen, die ihren Dienstboten häufig wider besseres Wissen gute Zeugnisse ausstellen, nur „um keinen Aerger zu haben". Auch sie können später für angerichteten Schaden haftbar gemacht werden.
Einem ruchlosen Verbrechen sind auf dem Dominium Groß-Schönfeld bei Fiddichow (Reg.-Bez. Stettin) vier Menschenleben zum Opfer gefallen, lim sich seiner Frau zu entledigen, steckte ein polnischer Arbeiter ein Familienhaus in Brand. Eine Frau und drei Kinder fanden den Tod in den Flammen. Der Brandstifter hat seine ruchlose That bereits eingestanden.
Auf der Elbe bei Hamburg wurde gestern ein Boot, in welchem 9 Insassen waren, von einem Dampfer derart angerannt, daß es kenterte; 3 ertranken, während die übrigen gerettet wurden.
Ein Landwirt im Jechnitzer Bezirke tötete aus Verzweiflung darüber, daß er in Folge der Futternot keinen anneymbaren Viehpreis erlangen konnte, seine 6 Kühe und erhenkte sich dann im Stalle.
Was ist jetzt unser Silbergeld wert? Bei den jetzigen überaus niedrigen Silberpreisen hat unser Silberthaler, wenn er eingeschmolzen würde, einen Silberwert von etwa W/r Mark, unser Fünfmarkstück einen Metallwert von 2^1 Mark, unser Zweimarkstück von 90, unser Einmarkstück von 45 Pfg.
An der Südseite des Gotthard wurde vor einiger Zeit von einem Arbeiter der Gotthardbefestigung ein prächtig gearbeiteter Dolch mit goldenem Griff gefunden, der wahrscheinlich aus den Kämpfen zwischen Russen und Franzosen stammt. Es werden am Gotthard viele Waffen aus dieser Zeit gefunden.
Ein Fabrikant aus Debschwitz bei Gera hat auf der Chicagoer Weltausstellung recht schlimme Erfahrungen gemacht. Demselben fiel bei einem Gang durch die Straßen plötzlich ein Stück Ziegelstein auf den Kopf, so daß er betäubt niedersiel. Hilfsbereite Männer sprangen sofort hinzu und trugen den Verletzten in ein Krankenhaus. Als derselbe wieder zu sich kam, entdeckte er, daß die Retter ihm alle Wertsachen gestohlen hatten.
Amerikanische Kinder. Bei den Bewohnern der neuen Welt scheint die Fähigkeit, Aemter zu bekleiden und Geschäfte zu leiten, sich weit früher zu entwickeln, als bei denen der alten Welt; und während es bei uns als ein Wunder betrachtet wird, wenn ein Kind sich einer Beschäftigung hingiebt, die gewöhnlich erst älteren und erfahrenen Männern zusteht, wird ein solcher Fall in Amerika als die natürlichste Sache von der Welt betrachtet. Vance Hyelm aus Cotton ist sicherlich der jüngste Telegraphenbeamte der Welt; er ist erst 11 Jahre alt und dennoch weiß er sehr wohl, wie ein Telegramm befördert werden muß, kennt alle Geheimnisse des Apparats und irrt sich nur selten. In South-Atchison (Kansas) leiten zwei Knaben, die noch jünger sind als 11 Jahre, eine ihnen gehörende Milchwirtschaft mit vier oder fünf Kühen, mit einem Wagen und Pferde, und die die Milch den Käufern zuführen. Das Merkwürdigste ist, daß die Kinder mit einer einzigen Kuh angefangen haben; alles andere ist die Frucht ihres Verdienstes und ihrer Ersparnisse. In Demison (Texas) soll sich ein Ojähriges Knäblein befinden, das einen Wagen lenkt wie ein perfekter Fuhrmann, Wisky trinkt, wie ein Ire, mit der Pistole schießt, wie ein Conaboy und fluchen kann, wie ein alter Seemann. In Belfast (Maine) hatten zwei Knaben ein Freudenfeuer angerichtet, das sich rasch ausbreitete, einen Strohschober ergriff und ein in der Nähe befindliches Haus bedrohte. Erschreckt sagte der eine der beiden Knaben zu dem anderen: „Lee, warum bittest Du nicht den Herrn, daß er uns helfe?" —„Weil er," — antwortete Lee — „auch wenn ich ihn bäte, es doch nicht thun würde, es ist deshalb besser, daß ich mir selbst helfe." Sprachs und schickte sich an, mit einigen Eimern Wasser und einigen Schaufeln Erde die Flammen zu ersticken; das gelang so gut, daß mehreren Bauern, die den Feuerschein gesehen hatten und zum Löschen herbeigeeilt waren, nicht mehr viel zu thun übrig blieb.
Einem Spiritualisten.
Macht dich der Gedanke nicht schauernd erheben,
Es könnten dich Geister Verstorb'ner umschweben? Wie stünd's mit der ewigen seligen Ruh,
Säh'n all unserm Leiden sie ohnmächtig zu?