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Calw. Die telegr. Uebermittelung von Depeschen vom hiesigen Postamt zum Telegraphenamt auf dem Bahnhof hier, wird am Dienstag, den 8. Marz für den allgemeinen Verkehr eröffnet werden. Die Telegraphendienstzeit fällt mit derjenigen des Postschalterdiensts zusammen. Die Ver- mittlung des ganzen telegr. Verkehrs liegt außer dieser Zeit wie seither dem , Telegraphenamt auf dem Bahnhof ob. Bei diesem Amt kann auch während ..der ordentlichen Dienstzeit die Aufgabe von Telegrammen in seitheriger Weise erfolgen.
* Neubulach, 1. März. Heute Nachmittag kam im hiesigen Gemeindewald ein Holzfäller 'auf gräßliche Weise ums Leben. Derselbe war mit einem Kameraden eben daran, einen Stamm abzusägen, welcher von einer Anzahl anderer durch die Schneelast gebeugter Stämme überdeckt und dadurch wohl stark seitwärts gebogen worden war. Nach dem letzten Sägenschnitt entwickelte der Stamm eine solche Federkraft, daß dem einen der Holzfäller mit Blitzesschnelle Hirn und Hirnschale separat gelegt wurden. Der Bedauernswerte, ein braver, fleißiger Mann im Alter von 44 Jahren, hinter, läßt eine Frau und 4 Kinder.
Stuttgart, 1. März. Ein unheimlicher Gast. In verflossener Nacht nahm die Frau des Metzgermeisters Herrn Bühler, Rote- straßs Nr. 37, als sie sich zu Bette begeben wollte, in ihrem Schlafzimmer ein unheimliches Geräusch wahr. Sie veranlaßte ihren Mann, mit einem Licht nachzusehen, und dieser fand nun unter dem Bette der Frau versteckt den 21 Jahre alten, wegen Diebstahl schon öfters bestraften Metzgerknecht Paul Wagner von hier. Derselbe war mit einem schweren Handbeil bewaffnet, welches Eigentum des Herrn Buhler, zuvor aber an einem anderen Ort aufbewahrt gewesen war. Herr Bühler eilte nun rasch fort, um die Polizei zu holen, während die Frau bei dem Verbrecher Wache hielt. Bis aber die Polizei kam, war es Wagner gelungen, sich zu flüchten; er hatte sich in einem Holz- und Kohlenschopf des Nachbarhauses versteckt, wo ihn glücklicherweise Polizeiunterosfizier Weiß mit 3 Schutzleuten vorfand und dingfest machte. Der Verbrecher ist auch von der großh. Staatsanwaltschaft Karlsruhe wegen Diebstahls verfolgt. Die in Karlsruhe gestohlenen Kleidungsstücke trug er teilweise auf dem Leibe. Wagner ist des in Karlsruhe verübten Diebstahls, sowie auch des in Stuttgart unternommenen Diebstahlversuchs geständig; er hat früher schon mit seiner Mutter im gleichen Hause bei Herrn Bühler gewohnt.
— Als die Reutlinger den Sieg Bayhas mit 2 Kanonen und 4 Böllern feierten, trat ein Wähler Payers, ein ehemaliger Soldat, an die Kanonen und vernagelte rasch dieselben mit zuvor eigens dazu gemachten Nägeln und einem schweren Hammer, den er in seiner Tasche hatte. Die Kanonen sind nun unbrauchbar. Die Schützengesellschaft wird Klage auf Wiederersatz gerichtlich einreichen.
Reutlingen, 26. Febr. Für Geflügelzüchter und Naturfreunde ist eine Seltenheit zu berichten, die gewiß von wenigen Geflügelzüchtern berichtet werden kann. Ein Reutlinger Bürger, Karl Brucklacher, Messerschmied , hat unter andern eine Gans, welche sich durch ungewöhnliches Eierlegen auszeichnet. Dieselbe fing im September 1886 an zu legen, machte den ganzen Winter regelmäßig fort und brachte es bis Ende Januar 1887 auf 58 Eier. Von da bis Mitte Februar machte sie eine Pause, hat aber bereits vorige Woche wieder begonnen und jeden andern Tag ein Ei gelegt. — Dahier ist dieser Tage ein zuverlässiger Frühlingsbote, der Storch angekommen.
Großbottwar, 27. Febr. Ein gut gekleideter junger Mann mit einem weichen Filshut und dunkler Juppe kam heute in verschiedene Wirtschaften der benachbarten Orte Gronau und Oberstenfeld, ließ jedesmal einen Fünfmarkschein wechseln, trank eine Flasche Bier und ließ sich zwei Cigarren geben. Diese Scheine haben sich nachträglich als falsch erwiesen.
Sie tragen wie die ächten die Ueberschrift: Reichskaffenschein und das Datum: Berlin 10. Januar 1882. Auf der rechten Seite oben befindet sich aber statt einer männlichen Figur eine weibliche mit einem Lorbeerkranz. Landjäger Müller hier war den ganzen Tag auf der Suche, ohne des Betrügers habhaft werden zu können, der sich wahrscheinlich mittelst der Bahn geflüchtet hat. Derselbe wird wahrscheinlich in anderm Gegenden sein Geschäft fortzusetzen suchen, weshalb hier vor ihm gewarnt sein soll.
Künzelsau, 27. Febr. Der uns von Herrn Generalkonsul RohlfS schon auf 30. November v. I. angekündigte Vortrag über Sansibar und Deutsch-Ostafrika fand nun heute Samstag 26. Febr. abends 6 Uhr im hiesigen Gtockensaal unter zahlreicher Beteiligung des Publikums aus Kün« zelsau und Umgegend statt und bildete uns eine angenehme Ueberleitung aus den aufgeregten Debatten des Wahlkampfs auf das stillere Gebiet der Wissenschaft. Dem beredten, in edlem Stil gehaltenen Vortrag folgte allseitiger reicher Beifall.
Langenburg, 28. Febr. Heute vormittag bald nach 9 Uhr brach in dem benachbarten Nesselbach in der zur Hälfte der Realgemeinde und zur Hälfte dem Zimmermann Grund gehörigen großen Doppelscheuer Feuer aus, das in kaum anderthalb Stunden das ganze Gebäude samt den darin aufbewahrten landwirtschaftlichen Gerätschaften und Futtervorräten in einen Aschenhaufen umwandelte. Das Mobiliar war versichert. Ent- stchungsursache unbekannt.
— Der seiner Zeit durch einen unglücklichen Zufall auf der Jagd schwer verwundete Oberförster Müllerin Gernsbach ist der „Bad. Landztg." zufolge so weit wieder hergestellt, daß er an einem Stocke die ersten Gehversuche machen konnte. Der beschädigte Fuß hat eine Verkürzung von wenigen Centimetern erfahren, welche durch Verdickung der Stiefelsohlen ausgeglichen werden muß. Der Patient ist in bester Stimmung und empfindet keinerlei merkbare Beschwerden.
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Calw. 2. März. Der heutige Viehmarkt zeigte wenig Umsatz. Der Handel war selbst in Fettvieh flau. An den Markt gebracht waren 979 Stück Rindvieh und 136 Pferde. In Pferden wurde ebenfalls wenig gehandelt. Der Schweinemarkt zeigte eine Zufuhr von 12 Körben Milchschweinen und 30 Paar Läuferschwsinen. Preis der elfteren pr. Paar 24 -Ml, der Läufer 38—34 pr. Paar.
Künzelsau, 27. Febr. Unser gestriger Viehmarkt war sehr stark befahren; anfänglich wurde weniger gehandelt, später erst kam Leben in die Sache. Zugetrieben wurden 36 Ochsen, 125 Kühe, 245 Stück Schmalvieh. Verkauft wurden 12 Ochsen für 3166 45 Kühe für 8978 und 100
Stück Schmalvieh für 13,400 Der Durchschnittspreis pro Zentner lebend Gewicht stellte sich beim Mastvieh auf 33 beim Arbeitsvieh auf 25 beim Jungvieh aus 25
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— Das Erdbeben vom 23. Febr. ist innerhalb Württembergs außer in Geislingen noch beobachtet worden in Tübingen, Stuttgart und Wildberg. Jede weitere Mitteilung über Beobachtung desselben wird von der Ecdbebenkommission des Vereins für vaterländische Naturkunde (Prof. vr. Eck in Stuttgart) mit Dank entgegengenommen.
— (Eine botanische Reise. Der Privatdozent an der Universität und Assistent an der botanischen Abteilung der forstlichen Versuchsanstalt in München, vr. Heinrich Mayr, ist, wie die Münch. N. N. melden, von seiner wissenschaftlichen Reise vor einigen Tagen nach München zurückgekehrt. Derselbe war von einem Staatsminister der Finanzen, v. Riedel, beauftragt, forstliche und botanische Studien in den Waldungen Nordamerikas auszuführen und reiste im Juli 1885 dorthin. Nachdem er mit größtem
Der Präsident hatte nichts dagegen; ein gewisser Verron aus Delle, der sich von Botendiensten ernährte und deshalb oft spät Nachts von seinen Gängen in die Stadt zurückkehrte, wurde vorgeführt. Derselbe sagte Folgendes aus:
„In der Nacht, in welcher der fremde Reisende starb, ging ich um 2 Uhr früh an dem Hause des Doktor Henrick vorbei. Da ich zu so später Stunde noch Licht darin bemerkte, so blieb ich eine Weile stehen, und sah, wie Jemand mit dem Lichte aus einem Zimmer in das andere ging. Ich konnte aber nicht unterscheiden, ob die Person ein Mann oder eine Frau war. Nach einigen Minuten kamen zwei Personen aus dem einen Zimmer und eine Minute lang stellte sich etwas Breites, wie eine Thür oder ein Schirm zwischen das Licht und das Fenster, so, daß es zwar noch hell im Zimmer blieb, ich aber die Personen nicht mehr sehen konnte. Endlich wurde Alles finster, und ich ging fort. Das ist Alles, was ich habe mitteilen wollen."
„Erinnern Sie sich", fragte darauf der Staatsprokurator den Zeugen, „welche Fenster des Hauses es gewesen, an denen Sie den Lichtschein bemerkten'?"
„Ja; es waren das zweite und dritte Fenster zu meiner Rechten, also nach Morgen zu gelegen."
„Und an diesen Fenstern fand auch die Verdunkelung, wie von einem Schirm oder einer Thüre statt ?"
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Der Staatsprokurator schloß nun seinen Vortrag, indem er sich an die Geschworenen wendete:
„Sie haben soeben die Aussage des Zeugen Verron gehört. Ich habe die Lokalität genau in Augenschein genommen, kann aber die Aussage des Mannes dennoch nicht verstehen, wie ich sie auch früher nicht verstanden habe. Kein Schrank, kein Schirm konnte die Wirkung Hervorbringen, von welcher der Zeuge gesprochen hat, denn im ganzen Hause gibt es keinen Schirm — und in dem Zimmer, welches nach Lage der Fenster bezeichnet worden ist, habe ich keinen Schrank wahrgenommen. Dieses Zimmer des Angeklagten ist dasjenige, in welchem Herr de Braz starb, und
nach Aussage des Bedienten ist dort seit länger als einem Jahre außer einem Bette, einem Sopha, einigen Stühlen und einem Tische kein Möbelstück hineingekommen. Verron hat aber das, was er gesehen hat, beeidigt, — und wir stehen vor einem neuen Rätsel. Aber ich überlasse es der Jury zu beurteilen, ob der Aussage des eben vernommenen Zeugen besonderes Gewicht beizulegen ist."
Der Staatsprokurator fühlte offenbar selbst die Haltlosigkeit der Beschuldigung, die er gegen den Doktor vorgebracht hatte.
Der Präsident schritt nun zur Zeugenvernehmung.
Da aber keiner der Zeugen etwas Neues auszusagen vermochte, so nahm dieser sonst so wichtige Teil eines Prozesses kaum eine halbe Stunde in Anspruch und wurde ebenso bedeutungslos, wie der Anklagevortrag.
Nunmehr trat der gewiß höchst seltene Fall ein, daß der Präsident dem Verteidiger des Angeklagten das Wort erteilte, Letzterer aber einfach erklärte, daß er auf das Wort verzichte, weil gar kein Grund zur Verteidigung vorhanden sei!
Die Geschworenen zogen sich zurück, um nach zehn Minuten zu erscheinen, so lange dauerte das Resumv, und nun forderte der Präsident den Staatsprokurator auf, seinen Antrag zu stellen indem er meinte:
„Ich glaube nicht, daß die von der Anklage erhobenen Beschuldigungen die regelmäßige formelle Begründung derselben nötig machen, nachdem die Verteidigung nichts dagegen einzuwenden gehabt hat."
Der Staatsprokurator war damit einverstanden, und erklärte dann die Anklage, aus Mangel an Beweisen, nicht halten zu können.
Mit dieser Erklärung schien der Prozeß beendet. Schon schrieb der Gerichtsschreiber die Lossprechung nieder, der Staatsprokurator und der Verteidiger nahmen ihre Papiere zusammen und die Geschworenen schickten sich bereits zum Aufbruch an, als der Angeklagte, sich an den Gerichtshof wendend, das Wort ergriff.
(Fortsetzung folgt.)
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