Entschlossenheit zu zeigen gewillt scheint, beabsichtigt, die Truppen während der nächsten Tage auch in Pa­ris zu belassen. Das Hotel Dieu (Krankenhaus) hat während der Unruhen 47 Schwerverwundete des Zivilstandes ausgenommen. Bis zum Mittwoch Abend waren 35 Polizeiagenten verletzt. Am Mittwoch Vor­mittag wurden Hundert Verhaftete in die Corcierge- rie eingelieferl. Einzelne haben beim Verhör gestan­den, Geld erhalten zu haben. Es ist eine Untersu­chung eröffnet, um die Geldverteiler zu ermitteln. Am Donnerstag wurden 75 Manifestanten vor dem Zucht­polizeigericht abgeurtcilt; sie erhielten fast insgesamt mehrtägige Gefängnisstrafen.

Von der Straße dürfte der Kampf nun verschwun­den sein, dafür wird er nun in den Zeitungen, in j der Kammer und besonders im Gemeinderot beginnen. I Fast einstimmig wird von der Presse, den großen Blättern wenigstens, die Energielosigkeit der Regie­rung verurteilt, dabei wird aber auch der Wunsch nach dem Rücktritt des Polizeipräfekten Lozs fast ein­stimmig ausgesprochen, da dieser es gewesen sei, der durch feine verkehrten Maßregeln die ganze Emeute hervorgerufen habe. Der Gemeinderat hat natürlich schon eine Resolution angenommen. in der er den Polizeipräfekten Lozs und den Ministerpräsidenten Dupuy sür das vergossene Blut verantwortlich macht. Außerdem hat der Gemeinderat verschiedenen geschä­digten Personen, so besonders den Inhabern von verbrannten Zeitungs-Verkaufsstellen Pflastergelder bewilligt.

Uages-WeuigkeiLen.

Deutsches Weich.

Nagold, 9. Juli. (Eingesandt.) Heute Nach­mittag versammelte sich der Nagolder Bezirks- Obstdau-Verein imHirsch" zu Jselshausen. Zu­nächst trug der Kassier des Vereins, Gärtner Raaf von Nagold, den Rechenschaftsbericht pro 1892 vor, wonach dem Verein bis jetzt nur sehr bescheidene Mittel zu Gebot stehen. Möchten doch weitere Obst- baumdcsitzer unserem Vereine beitreten. Sie werden den kleinen Jahresbeitrags. 50^snichtzu bereuen haben, zumal ihnen dann die Lektüre der sehr wertvollen Zeitschrift unseres Landesobstbau-Vereins gratis offen steht: Sodann referierte der Vorstand, Oberamts­baumwart Bühler von Walddorf, über die letzte Ver­sammlung des württ. Obstdauvereins in Stuttgart, woran sich eine lebhafte Debatte über die nötige Ausbreitung des Obstbaus durch die Mitwirkung der Staatsdomänen-Verwaltung und der Gemeinden, so­wie über Verbesserung des Feldschutzes (nach dem Muster-Vorgang unsrer Bezirksgemeinde Walddorf) knüpfte. Bei den Neuwahlen auf 3 Jahre wurden gewählt: 1. durch Akklamation zum Vorstand wie-! der Oberamtsbaumwart Bühler von Walddorf; 2. durch Wahlzettel in den Ausschuß: Gärtner Walz von! Walddorf, Baumwart Helber von Haiterbach, Gärt­ner Raaf von Nagold, Fabrikant Seeger jun. von Rohrdorf, Stadtförster Weinland von Nagold, Ger- her Mangold von Wildberg, Schullehrer Bürkle von Jfelshaujen, und Gärtner Walz von Altensteig. Den Schluß bildeten interessante Mitteilungen von Oeko- nom Walz aus Nagold über das besondere Gedeihen der Obstbäume auf aufgefülltem, mit den verschie­densten Nährmitteln vermischten Boden, sowie über eine rationelle Zubereitung des Obst-Mostes vom Pressen bis zur Behandlung im Faß, womit sich nach seiner mehrjährigen Erfahrung mehr und zu­gleich besserer Most bereiten lasse, als nach der bis­her gebräuchlichen Methode. Jedenfalls wäre es Angesichts des vielfachen gedankenlosen Schlendrians in der Landwirtschaft nur zu wünschen, wenn noch mehr Bauern ihre Wirtschaft mit ebensoviel eigenem Nachdenken und eigenen Proben und dann wohl auch mit ebensolchen Erfolgen betreiben würden, wie sie Walz in der That auf seinen Feldern nachzuweisen vermag, und zwar ohne daß er auf Beihilfe mit Waldbodenstreu Anspruch erhebt.

Herrenberg, 8. Juli. Heute fand hier eine staatliche Prämiierung für Pferde des Landschlags statt, zu welcher mit dem Frühzug der Staatsminister des Innern Frhr. v. Schmid mit Oberregierungsrat Schiltenhelm erschienen waren. Die Stadt war fest­lich geschmückt und hatten sich zum Empfang die Behörden und Spitzen der Stadt auf den Bahnhof begeben. Zugefüyrt aus dem Festplatze an der Turn­halle waren 64 Stuten und Saugfohlen und 84 14jährige Fohlen. Zugleich fand an diesem Tag

ein Ankauf von Remonten für die Artillerie statt. 15 Pferde wurden als brauchbar befunden, zu Prei­sen von 950 bis 1225 ---L angekauft und sofort übernommen.

Mössingen, 7. Juli. DemN. A." wird ge- schrieben: Bei uns in der Steinlach sieht man einer netten Zukunft entgegen; schon seit 8 Tagen kaufen wir Rindfleisch zu 18 heute sogar wurde durch die Ortsschelle bekannt gemacht:Rindfleisch 18 ^ und noch eine Wurst umsonst dazu," wie's auch that- sächlich verkauft worden ist. Ein Metzger gab sogar das Pfund Kalbfleisch um 12 und auch eine Wurst dazu. Sind das nicht zum Erbarmen traurige Zustände?

Stuttgart, 8. Juli. Durch den nicht mehr ab-! wendbaren Staatsbankerott von Portugal und Grie­chenland wird auch das württembergische Kapital herbe Verluste erleiden. Die Sucht, das Kapital! in angepriesenen auswärtigen Wertpapieren lieber! anzulegen als in den sicheren einheimischen Papieren wird sich auch bei uns schwer rächen. Was für die Besitzer obiger Papiere herausschaut, außer Aer- ger und Reue, das zu sagen, ist kein Mensch im stände.

Ludwigsburg, 5. Juli. Kürzlich war ein Soldat, der sich aus Furcht vor seinem Unteroffizier einen Finger der linken Hand abhieb, um durch Ver­blutung seinen Tod hcrbeizuführen, zu 1 Jahr Ge- ! fängnis und Versetzung in die 2. Klasse des Sol­datenstandes verurteilt worden, während der Unter­offizier 1 Jahr 3 Monate Festungsgefängnis erhielt und zum Gemeineu degradiert wurde. S. M. der König hat nun lautFr. Z." die Strafe des Sol­daten auf 3 Monate Festungshaft reduziert und die Versetzung in die 2. Klasse des Soldatenstandes aufgehoben.

Der in Genua verstorbene Ad. Gruber, Besitzer des bekanntenLindenhofs" bei Lindau, hat feiner Vaterstadl Lindau a. Bodensee Vermächtnisse im Be­trag von 70,000 Lire zugewendet, und zwar 20,000 Lire der Latein- und Realschule, 10,000 Lire dem Waisenhaus und Kindergarten, 20,000 Lire für Kran-- kenanstalts- und Armenzwecke und die Zinsen aus 20,000 Lire für Verschönerung der Stadr.

Aus Friedrichsruh: Fürst Bismarck empfing am Sonnabens Nachmittag den Huldigungszug von 400 Lipper. Auf die Ansprache des Festredners antwortete der Fürst in halbstündiger Rede. Ec betonte die außerordentliche Wichtigkeit der Klein­staaten durch ihr Stimmverhältnis im Bundesrat, und hoffte, daß sie in Zukunft mehr als bisher vom verfassungsmäßigen Recht Gebrauch machen, im Reichs­tage durch die Bundesratsvertreter ihre Ansicht gel­tend zu machen. Auch die Einzellandtage müßten mehr Reichsangelegenheiten in ihre Beratungen ziehen. Der Fürst sprach sich als ein Gegner des Groß­preußentums aus und schloß mit einem Hoch auf den Fürsten Waldemar. Fürst Bismarck leidet neuerdings wieder an einer Venenentzündung, die ihm die gewohnten Spaziergänge verleidet; doch hält Prof. Schweninger darauf, daß der Fürst seinen Gewohnheiten möglichst treu bleibt, da bei seinen Jahren eine mehrtägige körperliche Unthätigkeit leicht ungünstige Folgen haben könnte. Der Tag der Ab­reise nach Kissingen steht noch nicht fest, sie dürfte wohl in der letzten Juliwoche erfolgen. Ob der Fürst auch Leipzig besuchen wird, gilt noch nicht als feststehend. Das Venenleiden, das sich von Zeit zu Zeit am rechten Beine zeigt, führt der Fürst auf eine Verletzung zurück, die er in seiner Petersburger Zeit sich zugezogen und die damals nicht die entsprechende ärztliche Behandlung fand.

Der Bundesrat wird heute eine Plenarsitzung abhalten. Borgelegt wird ein Antrag Badens, be­treffend Maßnahmen zur Linderung des Futtermangels für den Betrieb landw. Brennereien, ferner eine Vor­lage für Elsaß-Lothringen über die Erhebung der Weinsteuer für Feigen. Johannisbrot und Tamarin­denwein. Der badische Antrag will den Besitzern von landw. Brennereien bis zum 15. Juni 1894 das Recht zuerkennen, von der in ihren Brennereien ge­wonnenen Schlempe bis zu 50 Proz. an andere Land­wirte abzugeben, ohne daß den Brennereien dadurch der landw. Charakter verloren geht, und daß den landwirtschaftl. und gewerblichen Brennereien allge­mein gestattet wird, jene Branntweinmengen, mit de­nen sie in einem der zwei vorausgehenden Betriebs­jahre, 1. Oktober 1890/91 und 1891/92, aus irgend­

welchen Gründen hinter dem bewilligten Jahreskon­tingent zurückgeblieben sind, im laufenden Betriebs­jahr zum niedrigem Verbrauchsabgabesatz herzustellen.

Berlin, 8. Juli. Prinz Eitel Friedrich wurde gestern mit vollendetem zehnten Lebensjahre als Sekondelieutenant feierlich in das erste Garde-Re­giment eingestellt.

Berlin, 10. Juli. Der Kaiser besprach beim Empfang des Reichstagspräfidiums am Sonntag auch die Militärvorlage und wies auf die militärischen j Verstärkungen in den Nachbarreichen hin. Zur Auf- ! rechterhaltung des Friedens sei es notwendig , daß wir gleichen Schritt halten, unsere wirtschaftlichen Verhältnisse erfordern dringendere Beruhigung, welche allein die Annahme der Militärvorlage bieten würde. Der Kaiser betonte, wie schnell in Frankreich das Cadresgesetz alle Stadien durchlaufen habe, lieber die Frage der Futternot sagte der Kaiser, was mög­lich fei, müsse durch die Reichs- und Staatsbehörde» geschehen, um zu helfen und schlimmeren Folgen vor- zubeugcn.

-- v t. vc

Abg. Liebknecht (Soz.) ist gegen die Vorlage, die nur dazu dienen solle, den herrschenden Klassen im Innern die Gewalt zu sichern. (Lebhafter Widerspruch.) Redner glaubt nicht an eine Kriegsgefahr und richtet heftige Angriffe gegen die konservative Partei und wird wegen seiner Behauptungen vom Präsidenten zur Ordnung gerrnfen. Deutschland soll, statt zu rüsten, lieber die Abrüstung beantragen. Die Thron­rede schließe mit der Berufung auf den alten Gott, aber dem neuen Gott des Sozialismus werde doch die Welt gehören. Abg. Frhr. v. Stumm ifreiloiis.) wendet sich gegen die Aus­führungen des Vorredners und betont die Notwendigkeit der neuen Militärvorlage. Auf Frankreichs Friedensliebe zu bauen, sei einfach Thorheit. Deutschland müsse stark sein, wenn es seine Stellung bewahren wolle. Redner bestreitet entschieden, daß die Mehrheit der Wähler gegen die Militär­vorlage sei und fordert zur schnellen Annahme derselben auf, damit endlich Ruhe und Zutrauen wiederkehren. Hierauf wird die Weiterberatung vertagt.

Deutscher Reichstag. In der Sonnabendfitzung wird die erste Beratung der neuen Militärvorlage beendet. Die zweite Beratung wird ohne vorherige Kommissionserör­terung sofort im Plenum des Reichstags statlhaven. Der Beginn der zweiten Lesung ist für nächsten Donnerstag an- gesetzt worden. Abg. Groeber (Ctr) erklärte sich Namens .der Centrumspartei gegen die neue Militärvorlage, von deren unbedingter Notwendigkeit ec sich auch heute noch nicht über­zeugen kann. Er wünscht organische Beziehungen des deut­schen Reiches zu Oesterreich-Ungarn, damit das beiderseitige Bündnis dauernd gewährleistet werde. Redner behauptet, die neue Militärvorlage habe viel Erbitterung in der Bevölkerung hervorgerufen, die mir der bevorstehenden Annahme noch wachsen werde. Abg. v. Bennigsen (natlib.) bestreitet das entschieden. In der Bevölkerung werde man es nicht ver­stehen , wenn der Reichstag die in dem neuen Entwurf ge­borenen Erleichterungen ablehnen sollte. Redner führt des Längeren aus, daß die Militärvorlage wegen des nie schlum­mernden Revanchegefühis in Frankreich angenommen werden müsse. Wir seien ja heute den Franzosen nicht einmal ge­wachsen. Bezüglich der Kostenoecknng werde man sicher in der nächsten Session zu befriedigenden Resultaten kommen. Eine Mehrheit gegen die Militärvorlage bedeuteten die Wah­len nicht, auch die Sozialdemokratie habe keine Ursache, >o besonders zufrieden zu sein. Sie sei auf der Höhe ihres Wachs­tums angekommen. (Großer Widerspruch bei den Sozialisten.) Pflicht des Reichstages sei es, die Regierung hier zu unter­stützen, wo cs die Levensinteressen des Bolkes gelte. Reichs­kanzler Graf Caprivi betont dem Abg. Groeber gegenüber wiederum die Notwendigkeit der Mflitäroorlage, die schlechter­dings nicht zu entbehren sei. Alle militärischen Autoritäten seien darin einig, daß heute Deutschland gegen Frankreich zurückstehe. Abg. Preiß (Elsässer) erklärt sich gegen die Vorlage. Abg. Böckel (Antisemit) wird mit seinen politischen Freunden für die Vorlage stimmen, wenn er Gewißheit hat, daß durch die neuen Steuervorlagen die breiten Bevölkerungs­klassen nicht berührt werden. Er hofft, diese Militärvorlage werde die letzte sein, die an den Reichstag komme. Reichs­kanzler Graf Caprivi verweist auf seine gestrige Erklärung wegen der Kostendeckung und meint, die Regierung werde diese Frage sicher einer gedeihlichen Lösung entgegenführcn. Abg. Richter (freis. Volksp.) ist nach wie vor gegen die Militärvorlage, die nicht begründet sei. Abg. v. Bennigsen habe keine Ursache gehabt, die Wahlerfolge seiner Partei zu rühmen, die Nationalliberalen seien sehr von anderer Seite unterstützt. Redner legt ausführlich dar, warum er nicht die Militärvorlage entnehmen könne und schließt mit der Versi­cherung, seine Partei werde, ob groß oder klein, stets ihre Tradition Hochhalten! Abg. v. Jazdzewski (Pole) erklärt die einmütige Zustimmung seiner politischen Freunde zur Mi­litärvorlage. Abg. Rickert (freis.) wird ebenfalls für den Entwurf stimmen, wenn bezüglich der zweijährigen Dienstzeit bestimmte Garantien gegeben werden. Er erklärt, Militär- vorlagen seien keine Parteiangelegenheiten, eine Zustimmung zu dieser Vorlage stehe auch nicht im Widerspruch zum frei­sinnigen Parteiprogramm. Nach einigen persönlichen Bemer­kungen wird die Sitzung bis Donnerstag Mittag vertagt.

Nach der Erklärung der Polen, daß sie für die Militärvorlage stimmen, unv da auch die Zustimmung der Antisemiten anzunehmen ist, gilt die schließliche Annahme der Militärvorlage mit einer Mehrheit von ca. 30 Stimmen als gesichert.