Amts- und Intelligenz-Blatt für den Oberamts-Bezirk Nagold.

AL 79.

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1893.

L l» N ! L k S.

Bekanntmachung.

Im Stalle des Michael Waidellch in Garrweiler ist die Maut- und Klauenseuche ansgebrochen.

N agoid. 7. Juli 1893.

K. Oberamt.

I. B,:

Stv. Amtw. Widenmann.

UagSS-HleuigkeiLen.

Jeutschss Weich.

Jur Aeichstags-Gröffnung.

(Verspätet.)

Der Zusammentritt des am Todestage Kaiser Friedrichsund am Johannistage neugewählten Reichs­tags steht unmittelbar bevor. Gemäß der Zersplit- ? terung bei Ansstellnng der Wahlkandidaten, von wel-! chen viele Wahlkreise vier bis sechs zählten, ist das Aussehen des Reichstages ein so buntes, wie nie zuvor, seit wir eine aus allgemeinen, direkten und geheimen Wahlen hervorgetiende Volksvertretung ha­ben. Wenn man die verschiedenen Parteien, Frak­tionen und Gruppen aus einer Karte mit bunten Farben darstellen wollte, so würden wir ein Bild erhalten, das etwa der Karte des alten Deutschen Reichs entspricht, von dem wir heute nur sagen können: Daß Gott erbarm! Das alte Reich ist durch die grenzenlose Uneinigkeit, durch inneren Hader und Zwietracht zu Grunde gegangen, und deshalb mag vor allen Dingen Angesichts des Zusammentritts des Reichsparlaments der Wunsch ausgesprochen werden, daß die Fraktionen und Gruppen nicht vergessen mö­gen, wie sie nur des geeinten Reiches Vorteil wahr­zunehmen haben, aber nicht den von so und soviel politischen Parteien. Die letzten Reichstagswahlen haben recht, recht viel zu denken gegeben, und im Reichstage wird gleich in den ersten Sitzungen hier­über noch manches Wort gesprochen werden. Mag das ganze deutsche Volk aufmerken, damit cs immer mehr befähigt wird, bei kommenden Wahlen nach sei­ner eigenen, heiligen Ueberzeugung, unbekümmert von allen fremden Einflüssen, sein Wahlrecht auszuüben.

Der Reichstag von 1893 sieht ganz anders aus, wie der vou 1887, bei welchem ebenfalls eine Milt- tärsrage die Auflösung hervorrief. Damals gingen indessen die Anhänger der Septenatsvorlage in der Form des sog. Kartells geschlossen vor, während heute nicht die geringsten Abmachungen getroffen wurden, und jede Partei auf eigene Faust ihre Kandidaten ausstellte. Daher die Kandidatenaufstellung und da­her dann wieder die buntscheckige Reichstagszusammen- setzung. Die letzten Wahlen haben aber das erge­ben, daß mit Ausnahme der Sozialdemokraten und der süddeutschen Bolkspartei alle Parteien, welche Gegner der Vorlage waren, verloren, während die Anhänger gewannen. Bei der unmittelbar vor den Wahlen gespaltenen freisinnigen Partei sind die Ab­geordneten, welche als Freunde der Militärvorlage galten, besser fortgekommen, als die entschiedenen Gegner. Ein Zufall liegt hier also nicht vor und auf der eben erwähnten Thatsache gründet man in Reichstagskreisen die bestimmte Annahme, daß die Militärvorlage nunmehr angenommen wird. Eine feste Regierungsmehrheit haben die Neuwahlen nicht gebracht, sondern eben nur die etwas krause Mehr­heit für die Militärvorlage. Um diese herbeizuschaf­fen, ist aber der Reichstag gerade aufgelöst worden und die Reichsregierung hat also keinen Anlaß, sich der Mehrheit nicht zu bedienen.

* Nagold, 7. Juli. Bei dem vorgestrigen mit­tägigen Gewitter, das uns sehr erwünschten Regen brachte, schlug der Blitz einer Frau in den auf dem Kops tragenden Bündel Gras und schleuderte die Trägerin selbst auf die Seite, ohne sie aber zu beschädigen.

2 Altcnsteig, 6. Juli. In der letzten Woche waren Wasserbautechniker, Ingenieure u. Geometer an der Nagold mit fachlichen Ausnahmen beschäftigt. Es soll sich um Aufhebung der Flößerei handeln. Zu einer Vorlage darüber an die Kammer sollen Erhebungen gemacht worden sein übers Gefall der Nagold, über die vorhandenen Wasserkräfte, Mühl- und Sägwerke, über die Ufer, über die Massen Holz, die znm Transport kommen, über die vorhandenen Verkehrswege zur Abfuhr und etwaige Neuanlagen solcher. Wahrscheinlich sind ähnliche Arbeiten auch an anderen Wassern des Schwarzwalds, die Floß­recht haben, gemacht worden.

Der frühere preußische Staatsminister Dr. v. Delbrück ist in Witdbad zum Kurgebrauch ein­getroffen.

Metzingen. 2. Juli. Der Schaden, den das am letzten Donnerstag Abends 5 Uhr über einen großen Teil unserer Markung hingegangene, mit Ha- gelschlag und wolkenbruchartigem Regen verbundene Gewitter angerichtet hat. läßt sich erst heute annäh­ernd übersehen. Ein Teil der Getreidefelder muß abgemäht werden, ebenso sind viele Hopfenpslanzun- gen so ruiniert, daß von einem Ertrag keine Rede mehr sein kann. Eine Masse Obst wurde abgeschla­gen und das stehengebliebene hat Flecken und Wun­den. Am bedeutendsten aber ist der Schaden in unseren Heuer so viel versprechenden Weinbergen, in denen Rebstöcke mit 40 prächtig entwickelten Trauben keine Seltenheit waren. Trauben, Triebe nnd Blätter wurden abgeschlagen und dadurch der Ertrag auf mehrere Jahre in Frage gestellt, da viele Stöcke die Fruchthölzer verloren haben. Mit Thränen in den Augen kehrten die Leute von ihren Feldern und Weinbergen nach Haus.

Nürtingen, 5. Juli. Das neue Gebäude der Taubstummenanstalt wurde heute unter Anwesenheit einer größeren Zahl von Gästen feierlich eingeweiht. Es waren anwesend Präl. v. Schmid, O.-Kons.-Rat Krafft und Regierungsrat Wahl aus Stuttgart als Vertreter der Regierung, Bauinspektor Landauer aus Reutlingen als der Erbauer des Hauses u. A.

Brandfälle: In Reutlingen das Wohn- und Fabrikgebäude der Eisengießerei von Ehr. Laißle; in Erlach (Hall) das Scheuergebäude des Joh. Hart­mann nevst Nebenbanten infolge Blitzschlags.

Heidelberg, 4. Juli. Unter dem Protektorat S. K. H. des Großherzogs von Baden wird der Verein deutscher, österreichischer und ungarischer Bie-! nenwirte vom 12. bis 17. August d. I. hier eine Wanderversammlung abhalten und damit eine große I Ausstellung bienenwirtschaftlicher Erzeugnisse. Die! Ausstellung findet in der städtischen Turnhalle statt. - Die Regierungen und Vereine haben bis jetzt zu Auszeichnungen und Ehrenpreisen ca. 2000 Mk. an! barem Gelbe, mehrere goldene und silberne. sowie eine große Anzahl bronzener Medaillen und Diplome zur Verfügung gestellt. Am Schluffe der Ausstellung wird ein Hoaigmarkt^in der Turnhalle veranstaltet. Die Großherzogin von Baden, die in letzter Zeit all­

jährlich auf ihre Kosten in Eberbach am Neckar einen Bienenlehrkurs für Damen veranstalten ließ, hat den Wunsch zum Ausdruck bringen lassen, daß an dieser Ausstellung sich auch weibliche Imker beteiligen möch­ten, in welchem Falle die Großherzogin mehrere Eh­renpreise stiften werde.

Augsburg, 4. Juli. Das 900jährige Jubiläum der Heiligsprechung des hl. Ulrich, des Helden der llngarnschlacht auf dem Lechfelde und Diöcesanpa- trons, wurde heute mit großen kirchlichen Festlichkei­ten begangen. Die St. Utrichskirche, deren Eingang ein Triumphbogen ziert, ist in ihrem Innern präch­tig geschmückt. In derselben hielt heute Stadtpfar­rer Mößmer von Kempten die Festpredigt. Hierauf folgte das Pontifikalamt, celebriert von Bischof v Dinkel.

Straßburg, 1. Juli. Die geplanten großen Cavalleriemanöver werden wegen Futternot wohl unterbleiben.

Hamburg, 6. Juli. Seit gestern abend 8 Uhr wütet in Altona ein großes Feuer. Dasselbe ent­stand in der Caffeesortieranstalt von Stucken und Andrassen, äscherte den Getreidespeicher von Georg Wohnert ein und dehnte sich bis an die Elbe aus. Die Schiffe wurden rechtzeitig weggeholt. Um Mit­ternacht hoffte man die Weiterverbreitung hindern zu können. Der Schaden beträgt mehrere Millionen.

Zu dem Programm, daß die zur Deckung der Kosten der Mititärvortage einzuführenden Steuern keineBelastung der schwächeren Schultern" nach sich ziehen sollen, sagen dieHamb. Nachr.":Es dürfte die Frage gestattet sein: Wo ist die Luxus­steuer, die so große Beträge abwerfen soll, um den militärischen Mehranforderungen Genüge zu leisten? Die Freisinnigen fordern die Beseitigung der nicht existierenden, von ihnen aber auf 40 Mill. geschätz­tenLiebesgabe" an die Brenner. Die Herren auf der äußersten Rechten sehen das finanzpolitische Heil je nachdem in einer starken Erhöhung der Börsen­steuer. in Einführung einer Emissionssteuer, einer Wehrsteuer, einer Schaumweinsteuer n. s. w. Nur vom Tabak spricht kein Mensch."

Auf die Meldung von dem erfolgten Zustande­kommen der Steuerreform in Folge der Annahme derselben im preußischen Landtag hat der Kaiser den Finanzminister Dr. Miguel herzlich beglückwünscht und ihm das Großkreuz des Roten Adlerordens verliehen.

In dem Bortrag, den Professor Koch am Mittwoch voriger Woche vor den Abgeordneten des preußischen Landtags über die Cholera gehalten hat, suchte derselbe nachzuweisen, daß das Wasser der Hauptträger der Verbreitung der Seuche sei. Die Einschränkung des Warenverkehrs sei unnötig, da die Cholerakeime durch die Waren in trockenem Zustand nicht verschleppt werden könnten. Auch sei der Per­sonenverkehr nicht zu beschränken, sondern nur auf eine gewisse Zeit zu überwachen. Da sich die bis­herige Ueberwachung der Flüsse bewährt habe, müsse mit ihr fortgefahren werden; es sei dann Hoffnung vorhanden, daß die Cholera im Winter ganz ver­schwinden werde.

Berlin, 4. Juli. Der Kaiser hat die Verle­sung der Thronrede, die zum Schluß zwei Mal von Beifall unterbrochen wurde, mit folgenden freigespro­chenen Worten beendigt: Gehen Sie hin, meine Herren, unser aller Gott verleihe Ihnen seinen Segen zum Zustandebringen eines ehrenvollen Werkes für das Wohl unseres Vaterlandes, Amen. (Tiefe Be­wegung in der Versammlung.)