nichts wissen wollen, wie sie gleichermaßen keinen Arbeiter ausschließen will, der mit erlaubten Mitteln seinem politischen Standpunkt Ausdruck giebt. Außerdem würde es die Stadtverwaltung lieber sehen, wenn sich die Arbeiter durch Vermittlung der gewählten Arbeiterausschüsse direkt an die Kollegien mit ihrem Anliegen wendeten, statt dieselben durch sozialistische Agitatoren besorgen zu lassen. Um der Leistungs- sähigkeit der städt. Arbeiter endlich möglichst gerecht zu werden, dürfte in Stuttgart nach dem Vorgang anderer Großstädte demnächst die Einteilung aller Bediensteten nach Lohnklassen erfolgen.
Cannstatt, 29. Juni. In Untertürkheim wurde gestern der erste Wagen Roggengarben eingebracht, was um diese Zeit seit Menschengedenken nicht da war. — Unsre Metzger haben wieder einen Fleischaufschlag eintreten lassen, so daß das Rindfleisch wieder 50 kostet.
Untertürkheim, 30. Juni. Infolge der letzttägigen warmen Gewitterregen entwickelt sich die Vegetation prächtig; insbesondere zeigen die Wiesen jetzt üppigen Graswuchs, die Saaten stehen schön, auch die verschiedenen Gemüsearten gedeihen, und den Kartoffeln kam der Regen sehr zu statten. Die Blüte der Trauben ist nahezu vollendet und sehr günstig verlaufen. Trotz der Winter- und Frühjahrsfrostschäden zeigen, dank dem warmen Wetter, die Reben großen Traubenansatz. Man sieht jetzt in den Weinbergen schon erbsengroße Trauben in Menge und wenn keine Störungen dazwischentreten, ist ein guter Herbstertrag in Aussicht.
Pliezhausen, 30. Juni. Gestern zwischen 4 und 5 Uhr zog ein schweres Gewitter mit Hagelschlag über unsere Markung. Die Schlossen waren teilweise von seltener Größe und höchst unregelmäßig gestaltet. Es war ganz deutlich erkenntlich, daß solch große Eiskörper aus mehreren Hagelkörnern gleichsam zusammengebacken waren. Glücklicherweise ist nur ein Teil, etwa bis fts unserer Markung betroffen. -
Von der rauhen Alb, 29. Juni. Gestern Abend halb lO Uhr zogen mehrere heftige Gewitter über unsere Alb hin; dieselben hatten zum Teil wol- kenbruchartigen Regen, zum Teil Hagelschlag im Gefolge. Letzterer richtete insbesondere in den Haberund Roggenfeldern, sowie in den Gärten nicht unwesentlichen Schaden an. — Soeben, Donnerstag mittag, hatten wir schon wieder ein außerordentlich heftiges Gewitter bei sehr starkem Regen.
Brandfall: Den 29. Juni: Die mit dem Wohnhaus? zusammengebaute Scheuer des Kaufmanns Alber in Schwaikheim. Das Wohnhaus ist stark beschädigt.
Pforzheim, 29. Juni. Die hiesige Bijouterie- Fachausstellung neigt sich ihrem Ende zu, indem es nach Ueberwindung verschiedener Schwierigkeiten noch gelungen ist, den Schluß bis zum Montag, 3. Juli hinauszuschieben. Am Sonntag, 2. Juli har die Generaldirektion der badischen Eisenbahnen in zuvorkommender Weise den Besuchern dadurch eine bedeutende Fahrpreisermäßigung eingeräumt, daß die auf badischen Stationen nach Pforzheim gelösten und mit dem Ausstellungsstempel versehenen einfachen Fahrkarten als Rückfahrkarten giltig sind. Der Erfolg der Ausstellung ist infolge der Vielseitigkeit und der außerordentlich geschmackvollen Ausführung der Ausstellungsgegenstände, welche in der letzten Zeit noch durch höchst interessante Schmucksachen Pforzheims aus alter Zeit vermehrt wurden, ein unerwartet großer und das Lob über die Leistungen und das Arrangement in Fach- und Laienkreisen ein ungeteiltes. Besonders ehrend für die Ausstellung war der Besuch des Großherzogs und des Erbgroßherzogs von Baden, welche dieselbe mit großem Interesse einer eingehenden Besichtigung unterzogen und derselben ihre volle Anerkennung zu Teil werden ließen. Ferner wollen wir noch erwähnen den Besuch des Prinzen Hermann von Weimar aus Stuttgart, verschiedener Minister und Ministerialvertreter aus Karlsruhe und Stuttgart, der Vertreter verschiedener höherer Schulbehörden, zahlreicher Kunsigewerbe- vereine und Kunstinstitute u. s. w. Jeder Besucher trug den Eindruck mit sich fort, daß die Ausstellung der Bedeutung der Pforzheimer Bijouterie-Weltindustrie in jeder Weise entsprach.
Der Landwirtschaftsrat des Herzogtums Sachsen-Meinungen hat bei der Regierung beantragt, eine Forderung von 750000 ^ beim Landtag zur Steuerung der Futternot zu bestellen. Den
Gemeinden sollen Vorschüsse zur Beschaffung von Futter gewährt werden.
Hamburg, 29. Juni! Privatnachrichten aus Friedrichsruh melden, der Zustand der Fürstin Bismarck ist besorgniserregend.
Hamburg, 30. Juni. Gegenüber einer Zeitungsnachricht, daß der Zustand der Fürstin Bismarck Besorgnis errege, erfährt der „Hamburg. Corresp.", daß die Fürstin anfangs der Woche allerdings nicht ganz wohl war (sie soll an einem Magenübel leiden). ihr Zustand hat sich jedoch gebessert.
Prinz Eitel Fritz wird am 7. Juli sein zehntes Lebensjahr vollenden und an diesem Tag als jüngster Lieutenant in das erste Garde-Regiment zu Fuß eingestellt werden.
Bei den diesmaligen Wahlen zum Reichstag (Haupt- und Stichwahlen) sind rund 7400000 abgegeben worden, sodaß auf jeden der gewählten 397 Abgeordneten etwa 18 600 Stimmen kommen.
Sensationsgerüchte, daß ein großer Teil der polnischen Reichstagsabgeordneten gegen die neue Militärvorlage stimmen wollten, während sie für die Mehrheitsbildung erforderlich sind, werden jetzt verbreitet. Zu geben ist auf diese Geschichten nichts.
Berlin, 28. Juni. Als nicht mehr gewählte bisherige Reichstagsabgeordnete sind zu nennen: bei den Konservativen die Herren Ackermann, von Friesen, Hahn, Prinz Handjery, Hartmann, v. Helldorf, Graf Udo, Stolberg, v. Henk, Stöcker; bei der Reichspartei die Herren v. Keudell, Graf Behr, Fürst Hatzfeld; beim Zentrum die Herren Graf Adelmann, Graf Ballestrem, Biehl, v. Gagern, v. Huene, von Pfetten, Porsch, die beiden Grafen Preysing, von Schalscha, Stößel, Brücl, bei den Nationalliberalen die Herren Büsing, Buhl. Endemann, Sctpio, Hastedt, Holzmann, o. Hülst, Müllensiefen, Oechelhäu- ser, Pfähler, Schneider, Petri; bei den Freisinnigen die H.H. Bamberger, v. Bar, Baumbach, Bcömel, Dohrn, Eberty. Goldschmidt, Gutfleisch, Hänel, Har- mening, Hinze, Hirsch, Horwitz, Knörcke, Schenck, Schmidt-Elberfeld, Schräder, Seelig, Siemens, v. Stauffenberg, Birchow, Witte, Wöllmer.
Berlin, 29. Juni Es stehen jetzt sämtliche 397 Wahlergebnisse fest. Es sind gewählt 75 Konservative, 23 von der Reichsvartei, 53 Nationalibe- rale, 14 von der freisinnigen Vereinigung, 24 von der freisinnigen Volkspartei, 11 von der süddeutschen Volkspartei, 96 vom Zentrum, 3 vom bayerischen Bauernbund, 7 Welfen, 19 Polen, 1 Däne, 10 Elsässer, 17 Antisemiten und 44 Sozialdemokraten.
Der russische Großfürst-Thronfolger ist am Mittwoch Abend in Berlin eingerroffen, auf dem Bahnhof vom russischen Botschafter empfangen und nach dem Botschaftsgebäude geleitet worden, wo er zu Abend gespeist hat. Gegen 11 Uhr nachts ist der Thronfolger dann über Köln nach London weitergereist. Wie die „Kreuz-Ztg." meldet, war der Großsürst-Thronfolger in Berlin angemeldet und hatte vom Zaren den Auftrag, dem Kaiser einen Besuch abzustatten. Als die Meldung eintraf, war der Kaiser aber bereits in Kiel. Der Kaiser hat seinem Bedauern Ausdruck gegeben, den hohen Gast unter diesen Umständen leider nicht sehen zu können.
Berlin. 30. Juni. Aus Wien wird gemeldet: Es verlautet, daß Rußland ein permanentes Mittelmeergeschwader zu schaffen beabsichtigt. Frankreich und Griechenland sollen sich schriftlich verpflichtet haben, dem Geschwader unter gewissen Bedingungen einen Zufluchtshafen anzuweisen.
Berlin, 30. Juni. Den hiesigen Morgenblättern zufolge wird der Landtag voraussichtlich in feierlicher Weise mit einer Thronrede geschlossen werden. Dafür spreche der Umstand, daß die letzte Session der Legislaturperiode ihrem Ende entgegengehe und daß in derselben ein so großes Werk wie die Steuerreform vollendet worden ist.
Die Beurlaubung von Soldaten ^während der Erntezeit ist eine von der Landwirtschaft in früheren Jahren stets mit Dank empfundene Gepflogenheit der Militärverwaltung gewesen. Auch in diesem Jahre sind die Bataillons- und Regimentskommandeure bereits angewiesen worden, Soldaten zur Unterstützung ihrer Angehörigen bei der Ernte, soweit die dienstlichen Interessen dies gestatten, in die Heimat zu beurlauben.
Frankreich.
Der nach Lourdes beabsichtigte bayerische Pil
gerzug unterbleibt, da wegen der Cholera für dieses Jahr jeder Pilgerzng nach Frankreich untersagt ist.
Italien.
Ju Mondofia (Nord-Italien) hat ein Mann seine Eltern, zwei Brüder und zwei Schwestern umgebracht und ist dann, mit einem falschen Paß versehen, nach dem Ausland geflohen.
Egypten.
Alexandria, 30. Juni. Aus Mekka werden in den letzten zwei Tagen 650 Cholerafälle gemeldet.
England.
Die parlamentarische Lage in England beginnt kritisch zu werden. Gegen dreißig S-tznngen sind der Gladstoneschen Homerule-Vorlage bereits gewidmet und noch sind nicht mehr als vier Paragraphen erledigt. Das ist etwa der zwölfte Teil des ganzen Entwurfs. Zn § 5, der von der Staatsgewalt in Irland handelt, sind ganze 89 Unteranträge gestellt und die Zahl zu den übrigen Paragraphen geht in die Hunderte. Die Hoffnung Gladstonc's, daß seine Gegner bald ermüden würden, hat sich nicht erfüllt, seine eigene Pariei zeigt dagegen bedenkliche Risse und auch die Irländer fangen an, ihm untreu zu werden.
London, 30. Juni. Der Großfürst-Thronfolger von Rußland ist hier eingetroffen.
London, 1. Juli. En Großfeuer zerstörte die erste Spitzeufabrik in Nottingham. Der Verlust beträgt drei Millionen Pfund Sterling. 800 Arbeiter sind brotlos.
Afrika.
Aus Kamerun sind heute schlechte Nachrichten eingegangen. Ein Offizier und ein Feldwebel fielen in Gefangenschaft und wurden von den Eingeborenen ermordet, ehe der zur Hilfe heranrückende Lieutenant v. Stetten Entsatz schaffen konnte. Dieser wurde im Gefecht durch einen Schuß verwundet.
A u ft r a l i e n.
Melbourne, 1. Juli. Ja Folge der Silberbaisse schloß die englische Broken Hill Company ihre Lll- bermt neu. 500 Arbeiter si nd hiedurch beschäftigungslos.
Kleinere MitteUrrngen.
Rottweil, 27. Juni. Vergangene Nacht wurde in Bühlingen von dem dortigen Nachtwächter ein neugeborenes noch lebendes Kind auf einer Dung- stätte gefunden. Das arme Wesen war von seiner bald entdeckten Mutter, einem ledigen Mädchen, alsbald nach der Gehurt auf die angegebene Weise ausgesetzt worden.
Teures Heu. Von dem Jahrgang 1604, der mit der diesjährigen Witterung fast gleiche Verhältnisse aufweist, wird in der wäctt. Chronik von I. ll. Steinhofer folgendes gemeldet: Es entstand ein so großer Mangel an Futter, daß die Wannen Heu 11 Gulden (— 1 Karoline) und ein Sack Spreuec 10 Kreuzer gegolten. Es war sehr dürr, der Honigtau verderbte die Obstblüten. Durch Regen und Sonnenblitz wurde das Laub in den Weinbergen verbrannt, daß es fast alles herabgefallen; derweilen also die Trauben ihren Schirm verloren, war sich schlechte Hoffnung auf den Wein zu machen. Da aber nach dem Johannistage (24. Juni) gleich geschlacht Wetter mit sachtem Regen eingefallen, so gab es wider alles Verhoffen einen vollkommenen Herbst; auch das Korn ist gut geraten. Der Scheffel Dinkel galt 4 fl. 15. kr. Der Eimer Wein kostete zu Stuttgart 5 fl. 55 kr., in Tübingen 6 fl. 11 kr., in Gröningen (Markgröningen) 4 fl. 51 kr.
Ulm, 29. Juni. Ein fremder Kaufmann ließ vor einigen Tagen auf einem Abort des hiesigen Bahnhofs seine Brieftasche mit einem Inhalt von 177 liegen. Trotzdem er dem Finder in einem Ausschreiben in den öffentlichen Blättern eine Belohnung von 50 zusicherte, hat sich derselbe nicht gemeldet.
Von den Ellwanger Bergen, 27. Juni. Ein Wirt verkaufte an einen Metzger eine Kuh um hundert Knackwürste.
Ein neuer Klapphorn-Vers, der einen in Habelschwerdt vorgekommenen Anfall höchst anmutig schildert, finden wir im „Gebirgsbote." Es heißt da unter den Lokalnachrichten:
„Zwei Knaben spielten mit einem Beil,
Der Andere blieb ganz heil;
Dem Einen, der nicht Acht gab,
Hieb er einen Finger sacht' ab."
In Eisleben hat sich kürzlich ein achtzehnjähriger Knecht erschossen, weil er auf seine frei-