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dienen die Gegner, die aus 55 Millionen 100 und 120 machen und von volkswirtschaftlichem Ruin reden, im übrigen sich ganz und gar nicht konsequent geblieben sind, indem sie zuerst die Vorlage ganz und gar verwarfen und jetzt in einem Flugblatt sich rühmen, ein Angebot geleistet zu haben, das wenig von der Forderung der Regierung abweiche. Was de» Vorwurf des Militarismus anbetrifft, so verlange die Regierung lediglich die ehrliche Durchführung der 2jährigen Dienstzeit, was ja schon lange eine demokratische Forderung sei. Wenn man aber unter Militarismus die Mißstände im Heerwesen (un­gleiche Heranziehung zum Dienst, Mißhandlungen, geheimes Strafverfahren rc.) verstehe, so sei zu be­tonen, daß die deutsche Partei schon lange auf deren Beseitigung hingearbcitet habe und daß es ihr Ver­dienst sei, wenn in Bayern das öffentliche und münd- liche Strafverfahren bestehe; übrigens soll man diese Fragen nicht mit der Miiitärvorlage verquicken, bezw. die Zustimmung zu letzterer nicht von der Erledigung der elfteren abhängig machen; denn wenn wir schwach sind, so fallen die Franzosen über uns her, ob wir Mißstände im Heer haben oder nicht. Bezüglich der Kosten» an denen an­geblich Deutschland zugrund gehen soll, beruft sich Redner auf den Gröber'schen Bericht, wonach auf Württemberg etwa 2 Millionen kämen, also durch- schnittlich 1 pro Kopf, aber darum nicht, wie der Beobachter gruselig machen will, auf eine zahl­reiche arme Familie 810 sondern das müßte

auf die Schultern der Leistungsfähigen, der Reichen geladen werden. Bezüglich der Zahl der Mannschaft wurde gesagt, daß es Württemberg 3000 Mann, also eine Gemeinde im Durchschnitt l^/s Mann Mehrforderung treffen würde, was ja gar nichts heißen will. Wozu das Gruseln vor den 2 Millionen! Wenn niemand an den 3 Mill. unsres Eisenbahndefizits und an den 2 Mill. Mehrforderun­gen im Departement des Innern (für Straßen rc.) den volkswirtschaftlichen Ruin sehe, so solle man hier beim Militär nicht am Unrechten Ort sparen, das könnte teuer zu stehen kommen; wenn selbst die Demokratie 19 Millionen für das Heer be­willigen wolle, so sei das der sicherste Beweis, daß es an der Zeit sei zu verstärken. Redner schließt seine mit großem Beifall ausgenommen,:» Ausführungen mit den klassischen Worten:Nichts- würdig die Nation, die nicht ihr alles setzt freudig an ihre Ehre!" Rektor Dr. Brügel richtet einen Appell an den Patriotismus, da es sich um die Erhaltung unsrer Stellung, um die Ehre und das Ansehen, ja um die Existenz des Staates handelt; er weist hin auf den Ju­bel der Franzosen über die Ablehnung der Militärvorlage und auf die dadurch viel näher gerückte Möglichkeit des Kriegs; erwarnt vor der trägen Sicherheit nach unfern gro­ßen Erfolgen im Jahr 1870 und stellt die Folgen eines feindlichen Einfalls in Deutschland vor Augen, der uns ganz anders mitnehmen würde als die Militärvorlage; die Angst der Franzo­sen vor unsrer Stärke sei die beste Frie­densbürgschaft. Indem Redner auf den Ernst der Sachlage hinwetst, ermahnt er die Wähler bei derAbstim- mung ihrer Verantwortung eingedenk zu sein u. unbeirrt von persönlichen Mißstimmungen oder von der augen­blicklichen Notlage, die kein Mensch verschuldet habe und auch kein Mensch heben könne, ihren Wahlzettcl abzugeben, und schließt mit einem begeistert aufge- nommenen Hoch auf das deutsche Vaterland. Oberst von Reinhardt aus Stuttgart spricht als alter Soldat namentlich zu den Kriegskameraden. Er weist auf das römische Sprichwort hin:Willst du den Frieden, so sei gerüstet für den Krieg!" Auf die Friedensverslcherungen dürfe man nichts geben, das habe das Jahr 1870 be­wiesen. Wenn wir allein in Europa wären, da könnte ja das Mllizsystem ja sogar die Bürgergarde genügen; aber wir müssen doch mit den Ver­hältnissen und mit unfern Nachbarn rechnen. Der Bauer versichert sich gegen den Hagel; warum sollen wir es nicht gegen den Krieg? Die 67 Millionen ausgedienter Männer in Deutschland soll­ten doch das höchste Interesse daran haben, daß wir infolge einer Heeresverstärkung die Aussicht haben, zu siegen. Dazu seien aber fest gekittete Kom­pagnien nötig, und Ueberzahl, namentlich bei der heutigen Bewaffnung und neueren Kriegführung. Sollten wir als das zahlreichere Volk nicht'

mehr Soldaten stellen als der Staat, der uns 2 Jahrhunderte hindurch mißhandelt hat? Aber auch sollten wir in militärischen Dingen den berufenen Männern, die Kriegs­erfahrung und technische Ausbildung haben, nicht mehr Urteil zut rauen als den Richter und Haußmann. die nie einen Tornister a uf dem Rücken getragen haben?Mit Gott für König und Vaterland, für Kaiser und Reich!" damit wollen wir an die Wahlurne treten. Stadtschultheiß Brodbeck, den man irrtümlicherweise für einen Gegner der Militärvorlage ausgegeben hat, weil er auf Ansuchen bei der demokratischen Versammlung das unparteiische Präsidium übernahm, spricht über die Unfall- u.Krankenversicherungsgesetze.die so viel Unzufriedenheit hervorgerufen haben, erkennt an, daß sie namentlich bezüglich der Verwaltung Mangel haben und der Verbesserung bedürftig sind; doch wäre von den im Genuß der Rente Befindlichen (in Nagold z. B. 24 Personen mit der Summe von 3000 ^l) zu erwarten, daß sie die Wohlthaten des Gesetzes dankbarer anerkennen würden. Was das ebenfalls unbeliebte So n nt agsrn h egese tz be­treffe, so habe dazu niemand mehr beigetragen als die Demokratie. Dieselbe schwärme auch für die Uebertragung der freiwilligen Gerichtsbarkeit an die Gerichte, die ungeheuer viel kosten würde an Aenderungcn in den Büchern, an Bauten, Beamten und an Advokatenkosten, die erwachsen würden, wenn die Sachen nicht mehr in der seitherigen ruhi­gen Weise von den Gemeindebehörden abgemacht würde. Unzufriedene würde es auch dann geben, wenn die Demokraten ans Ruder kämen; jeder solle zuerst ans Vater­land denken, für alles andere gebe es Be­schwerdewege. Die Wähler mögen am 15. Juni den Mann auf den Wohlzettel schreiben, der es mit dem Vaterland gut meint! Kommerzienrat Sann- wald schließt die Versammlung mit Dank gegen die Redner für ihre patriotischen Worte und hofft, daß sich am 15. Juni eine überwiegende Mehrheit für den Freiherrn von Gültlitt gen ergeben werde, auf welch letzteren er ein Hoch ausbringt.

Nagold. (Einges. A. W.) Dem Wahlkampf der Heimat entrückt, darf ich vielleicht eine Lesefrucht aus demFigar o" den Lesern desGesellschafter" hiemit darbieten. Er schreibt in einem Reisebericht seines Korrespondenten, der Süddeutschland während der Wahlzeit bereist hat:Vielleicht finden die An­wohner des Neckar (,äu ksodart") sogar, daß die Franzosen, indem sie das Schloß (,1o 8ost1o88«) zu Heidelberg anzündeten, dieses dadurch nur malerischer gestaltet und dafür gesorgt haben, daß einige Pfennige mehr pro Jahr eingehen." Sodann werden die Schwaben mit ihrem langsamen aber zähen Verstände, mit ihrem Zug zum mystischen Glauben geschildert, dem auch die sozialdemokratische Lehre folgerichtig zum Gegenstand des Glaubens geworden sei. DieSchwäb. Tagwacht" (la Oärcls äu jour 8vnrbs-) werbe mit Energie für den Sozia­lismus, der in Württembergwie ein Oelfleck sich aus­breite. Interessant sind die Schlußworte des fran­zösischen Politikers:Man weist die Militärvorlage mit Energie zurück und die Württembergischen Internationalisten sagen uns sogar mit ihrem träumerischen Lächeln:Das wird vielleicht ein Mittel sein, um die beiden Völker einander nahe zu bringen. Die Philosophen der schwäbischen Sozial­demokratie fügen sogar hinzu, dergroße Tag" werde erst kommen, wenn der deutsche und der französische Geist sich vereinigt haben werden!"

* Nagold. 12. Juni. Ein recht betrübendes Unglück widerfuhr am letzten Samstag Abend dem verheirateten 31 Jahre alten Fahrknecht des hiesigen Traubenwirts. Derselbe hatte mit noch 2 weiteren Fuhrleuten einen Möbelwagen nach Ebhausen zu führen. Auf der Rückfahrt leitete derselbe den sechs­spännigen Wagen reitend vom hintern Sattelpferd aus. wobei er nicht weit vom Ort entfernt so un­glücklich vom Pferde fiel, daß die kolossalen Räder des schweren Wagens ihm über beide Füße gingen und solche in schrecklicher Weise quetschte und ab­drückte. Die beiden andern Fuhrleute, die im Wagen Platz genommen hatten, bemerkten leider den Unfall nicht und erst einer bald darauf zufällig entgegen­kommenden Chaise war es beschicken, den Unglückli­chen aufzunehmen und nach Hause zu befördern, wo er nach einer halben Stunde unter unsäglichen Schmer­

zen und dem nicht zu beschreibenden Jammer seiner Frau und Kinder verschied.

? Nagold, 12. Juni. Die anhaltende Trocken­heit macht sich in ihren Folgen bei den Biehbesitzern schon sehr schwer fühlbar, und sind einzelne Gemeinden, in welchen das Futter besonders rar ist, dadurch wesentlich betroffen worden, daß sich eine größere Anzahl Viehbesitzer genötigt sah. ihren Biehstand zu verringern und weit unter dem eigentlichen Wert zu verkaufen. Wie der Einsender nun aus^ sicherer Quelle erfahren hat. soll, um der drückendsten Not abzuhelfen, rin größeres Quantum Heu durch Ver­mittlung des landwirtschaftlichen Bezirksvereins aus dem Ausland, wo die Preise sich wesentlich niederer stellen, bezogen werden. Dieser Bezug im Großen wird aber nur dann möglich sein, wenn sich eine größere Anzahl Gemeinden, Molkereigenossenschaften und Darlehenskassenvereine zur Abnahme größerer Mengen Futters herbeilassen und dann im kleineren an ihre Mitglieder wieder ablassen. Nur durch ein­heitliches Zusammenwirken kann etwas ersprießliches geleistet werden.

Berncck, 8. Juni. Unsere Gutsherrschaft, Freiherr von Gültlingen, welche ja im Landtag für die Unterstützung der Bauern in gegenwärtiger Zeit des Futter- und Streumangels so warm eingetrete» ist, geht als Private mir gutem Beispiel voran und verabreicht Streu und Waldgras. Letzteres giebt sie in Losen ad und nur an Bedürftige, d. h. an solche Biehbesitzer. die in Wirklichkeit heulos sind, nicht an solche, die Wässerwicsen besitzen u. inFolge dessen Heuer den andern gegenüber in großem Vorteil sind, lieber die Art und Weise, wie Waldstreu und Wald­gras aus den StaatSwaidnngen verabreicht wird, hört man murren. Es heißt: auch da werden Lose gemacht, dann aber die Versteigerung in mehreren Orten bekannt gegeben, so daß sich zu derselben weit mehr Liebhaber als Lose vorhanden sind, einfinden, was zur Folge hat, daß ein Waldgraslos, das vielleicht zu 4 ^ angeschlagen war. aufs 4° und 5fache gesteigert wird. Ließe sich ein solches LoS nicht um den Anschlag an mehrere zugleich verge­ben? So daß bei 4 Teilhabern, jede 2 Personen zur Ausgrasung schickt, man macht dann 4 gleiche Haufen und diese werden zum Schluß unter die 4 Teil­haber verlost. Wahr ists freilich: Ganz recht wirds man wohl nicht Allen machen können.

Herrenberq, 9. Juni. Seit einigen Tagen bereist Frhr. v. Äültlingen den Bezirk, um sich den Wählern vorzustellen und sein Programm vor­zutragen. Seine Ausführungen wurden überall mit Beifall ausgenommen, namentlich die ländliche Be­völkerung begrüßte die Zusicherung der Beibehaltung der Getreidezölle und der Verbesserung der Versi­cherungsgesetze immer mit Freuden. Nicht so warm stehen viele Wähler der Militärvorlage gegenüber, weil sie nicht an den Krieg glauben wollen und sie eine Mehrbelastung für die breiten Massen befürch­ten, doch hat der Redner durch seine treffliche Schll- deruig unserer politischen Lage und durch seine Ausführungen über die Deckungsfrage manchen über­zeugt, daß dieselbe zur Verteidigung des Vaterlandes und damit auch zur Erhaltung und Hebung unseres Erwerbslebens nötig ist und übelangcbrachte Spar­samkeit der falsche Weg wäre. Man kann sagen, daß die warmen, patriotischen Worte unseres seit­herigen Reichsbotens doch überall durchschlagend waren und nicht daran zu zweifeln ist. daß derselbe auch diesesmal wieder die meisten Stimmen aus sich vereinigen werde.

Rottenburg, 9. Juni. Die Beerdigungsfeier ist großartig verlaufen. Die Menschenmenge war riesig. Beim Totenoffizium erschienen Vertreter des Königs (Frhr. v. Neurath) und der Königin (Frhr. von Raßler-Weitenburg); dieselben legten je einen prachtvollen Kranz am Sarge nieder, ferner Kult- minister v. Sarwey, vom katholischen Kirchenrat Buck und Ehrlenspiel, von der Kammer Präsident v. Hohl und Fürst v. Zeit, dann die Fürsten v. Wolfegg und Hohenlohe-Jagstberg, weitere Adelige und Offi­ziere, Vertreter von der Großfürstin Vera, Herzog Albrecht und Herzog Urach, 150 Geistliche im Chor­rock, ebensoviel weitere, die gesamte Fakultät. Das Requiem hielt Erzbischof Roos von Freiburg unter Assistenz von Bischof Haffner von Mainz und Lrz- abt Wolter von Beuron. Nachher Trauerpredigt im Dom von Bischof Wilhelm v. Reiser. Nach einer herrlichen Einleitung schilderte er den Verstorbenen als Lehrer, Schriftsteller, Priester, Konsultor beim