noch an ihrem guten Willen. Aber Bündnisse sind der Natur der Sache nach vorübergehend, die Wehr. Verfassung soll dauernd sein. Auch kann der Arm unserer Freunde gerade im entscheidenden Augenblicke durch unvorhergesehene Verwicklungen innerer oder äußerer Natur gelähmt sein. Die militärische Orga- nijation eines Landes auf ein zur Zeit bestehendes Bündnis zu basieren, wäre ebenso leichtfertig, als wenn man eine Grenze ungeschützt lassen wollte, weil sie vom Feinde durch ein neutrales Gebiet getrennt ist.
Stehen wir einmal allein zwei großen Mächten gegenüber, so werden wir freilich stets mit bedeutender Ucdermacht zu ringen haben; das ist nicht zu vermeiden . weil bedingt durch die natürlichen Grenzen unserer Kräfte. Wir müssen dann unser Heil in der Größe unserer Anstrengung und der Ausdauer suchen. Aber dazu gehört vor allen Dingen, daß wir zuvor in Friedenszeiten mit der Vorbereitung unserer Streit- mittel bis an jene äußerste natürliche Grenze gegangen sind, d. h. mit schlichten Worten, daß jeder waffenfähige Deutsche hinreichend ausgebildet sein muß, um als Soldat seine Pflicht erfüllen zu können.
Wir hätten in solcher Lage mit einer sehr ungünstigen Bedingung zu rechnen, derjenigen nämlich, daß uns aller Wahrscheinlichkeit nach das Meer im Rücken nicht offen stände. — Sehr wohl kann ein schwächerer Verteidiger durch diejenige Zähigkeit, welche das Bewußtsein der Gefahr für Freiheit und Unabhängigkeil in einem tüchtigen Volke immer erzeugen wird, den überlegenen Angreifer ermüden und zum Lande hinausdrängen. Aber dazu gehört, daß jenem der Seeweg frei bleibt, um den internationalen Markt zur Vermehrung seiner Streit- und Geldmittel ausnützen zu können. Die Südstaaten Amerika's unterlagen im großen SecessionSkriege, trotz tüchtigerer Heere und besserer Feldherren, den Nordstaaten, weil ihnen diese Quelle verschlossen wurde. Der Widerstand Frankreichs nach der Katastrophe von Sedan hätte bei weitem nicht die Bedeutung gewonnen, wenn wir gleichzeitig mit dem Vordringen unserer Heere die französischen Küsten hätten blockieren können. W i r würden uns vermutlich den Seeweg gleichfalls verlegt sehen. Doppelt haben wir uns also anzu- strengen, um unsere Landstreitkräste aufs Aeußerste zu steigern.
Es ist begreiflich, daß es in den ersten Jahren nach dem großen Kriege nicht zu einer allgemeinen Umgestaltung des Heeres kam. Der Entschluß, das Werkzeug zu ändern, das sich eben noch so glänzend bewährte, wäre kaum zu fassen gewesen. Das hohe Lebensalter mag es Kaiser Wilhelm dem Siegreichen zweifelhaft haben erscheinen lassen, ob es ihm noch vergönnt sein würde, eine begonnene zweite Reform zu Ende zu führen. Die Notwendigkeit derselben sprang nicht so in die Augen wie heute. Es wäre noch schwerer gewesen, die Volksvertreter von derselben zu überzeugen. (Schluß folgt.)
Uages-Meuigkeiten.
Deutsches gleich
** Nagold, 14. Mai. Allgemeine Teilnahme erweckt der frühe Tod eines hoffnungsvollen Sohnes des hiesigen Gemeinderats Joh. Schuon. Nachdem derselbe bis vor 10 Tagen mit Freudigkeit seinen Beruf als Lehrer in Schramberg erfüllt hatte, fühlte er sich angegriffen und kehrte in seine Heimat zurück, um sich zu erholen. Trotz der sorgsamsten Pflege und aller ärztlichen Bemühungen ereilte den braven, erst 24 Jahre alten Jüngling schon heute mittag ein sanfter Tod.
Calw, 11. Mai. DaS Gausängerfest des Enz- NagoldgaueS, der eine größere Anzahl von Vereinen mit 337 Sängern umfaßt, wird am 18. Juni in Unterreichenbach bei Calw stattsinden. Zum Preisfragen haben sich 8 Vereine angemeldet. Als Preisrichter sind berufen: Seminarobrrlehrer Hegele in Nagold, Musiklehrer Haasis in Maulbronn und Hauptlehrer Eckert in Brötzingen-Pforzheim. Die drei gemeinschaftlichen Chöre werden von Schullehrer Schramm in Neuenbürg dirigiert.
In Bondorf, OA. Herrenberg, sind seit Anfang dieses Jahres die Opferbüchsen mehrfach bestohlen worden, ohne daß es gelang, den Thäter zu ermit- teln. In der Nacht vom 8. auf 7. d. M. wurden der im Schulhause wohnenden, an diesem Tage abwesenden Kinderlehrcrin auS ihrem Zimmer 6 ^ gestohlen, wozu der Thäter durch ei» an der Rück- feite drS HauseS befindliches Fenster einsteigen mußte.
Diesmal gelang es, den Thäter zu fassen: es ist der 17 Jahre alte Friedrich Werner, Sohn des Schuhmachers und Meßners in Bondorf, welcher nunmehr auch zugab, seit Januar d. I. durch die Fenster in die Kirche eingestiegen zu sein und die Opferbüchsen nach und nach um nicht unerhebliche Beträge bestohlen zu haben, die er teils allein, teils mit Kameraden vertrank. Er wurde an das Amtsgericht abgeliefert.
Stuttgart, 9. Mai. Als Seltenheit darf er- wähnt werden, daß heute die ersten Kirschen aus dem Remsthal eingetroffen sind. Das Datum ist bemerkenswert. Die einheimischen Kirschen erschienen nur 5 Tage nach den italienischen und 4 Wochen vor der Durchschnittszeit (4.—5. Juni) zu welcher sie sonst zu erscheinen pflegen.
Stuttgart, 11. Mai. Der „württembergische evangelische Schullehrerunterstützungsverein" veröffentlichte in dieser Woche seinen Rechenschaftsbericht pro 1892. Derselbe vereinnahmte 12 124 darunter Beiträge von Mitgliedern 2952 «16 60 Gaben und Geschenke 2057 ^ 41 Zinsen 1232 50 -f,
Ueberschuß vom Lehrerkalender 744 u. unterstützte 40 Waisen (mit 870 241 Witwen (4970
45 kranke Lehrer (1505 «M, zusammen mit 7345 Das Grundstocksvermögen konnte des Geschenkes von 2000 , welches dem Verein durch die Zentral
stelle des WohlthätigkeitsvereinS aus dem Vermächtnis Sr. Majestät des Königs Karl zugewendet worden ist, um 3171 33 vermehrt werden
und beträgt jetzt 32,481 32
Stuttgart, 12. Mai. Das Befinden des Präsidenten v. Luz ist in fortschreitender Besserung begriffen. Voraussichtlich wird derselbe aber an den Verhandlungen der gegenwärtigen Kammertagung nicht mehr teilnehmen können.
Stuttgart. 13. Mai. Abgeordnetenkammer. Heute kam die Exigenz kür die zweite Rate von 590 000 ^ für eine neue Neckarbrücke zwischen Berg und Cannstatt zur Beratung. Berichterstatter Sachs beantragte Gencbmigung und hob hervor, datz die Kommission gegen die Konstruktionsänderung um so weniger einzuwenden habe, als es dadurch^ möglich war, die Exigenz nicht zu überschreiten. Minister v. Schmid teilte mit daß sich die Konstruktion in Steinbögen wegen des Untergrundes nicht aussühren ließ und man daher die Konstruktion in Martinstahl wählte. Direktor v. Leibbrand verteidigte die Bauleitung gegen den Vorwurf, daß sie nicht mit der nötigen Umsicht und Vorsicht vorgegangen sei. Eine Steinbogenbrücke herzustellen, wäre unter Aufwendung erheblich größerer Mittel möglich gewesen; allein die Verwaltung habe ihre Ehre und ihren Stolz darein gesetzt, die zur Verfügung gestellten Mittel nicht zu überschreiten. Die Exigenz wurde ohne weitere Debatte genehmigt und hierauf die Petition der Homöopathen in Beratung genommen. Der Inhalt derselben darf als bekannt vorausgesetzt werden. Die Kommission beantragt, die Bitte des homöo- patischen Landesvereins um Berufung von zwei homöopathischen Aerzten in das Medizinalkollegium der Regierung zur Kenntnisnahme zu übergeben und über die inzwischen gegenstandslos gewordene Beschwerde der Homöopathen in den Bezirken Kirchheim und Eßlingen gegen das Vorgehen der Landjäger zur Tagesordnung überzugehen.
Eßlingen, 11. Mai. Die Zahl der Anmel- düngen zum Kriegerbundesfest beträgt jetzt schon über 6000. Seitens der Generaldirektion der Württ. Staatseisenbahnen wird das Fest dadurch unterstützt, daß eine einfache Fahrkarte, die hier von der Em- fangskommission abgestempelt ist, zur freien Rückfahrt berechtigt.
Heilbronn. 9. Mai. Die Gemeinde Thalheim setzt für jedes Simri getöteter Maikäfer 64 ^ aus. Bis jetzt wurden 300 Simri abgeliefert.
Metzingen, 9. Mai. Die rauhe Witterung hat in den Weinbergen, hauptsächlich in den niederen Lagen, sehr geschadet. Viele Augen befinden sich zwar noch in der Wolle, so daß bei günstigem Wetter noch manche Traube Nachkommen könnte. Die Obstbäume. mit Ausnahme der Zwetschgen und Pflau- men, haben von der Kälte weniger gelitten.
Ulm, 11. Mai. Als des Mordes der Klavierlehrerin Selma Reuß verdächtig wird jetzt von der Staatsanwaltschaft Ulm der Gipser Bartholomäus Stier von Eqesheim (Spaichingen), steckbrieflich verfolgt. Ebenso wird nach einem 18jährigen Dienstknecht gefahndet, welcher am 6. d. M. in der Herberge zur Heimat in Ulm erklärte, er wisse, wer den Mord begangen habe, sage eS aber nicht.
Brandfall: Den 8. Mai, in Kuchen (Geislin- gen) das Doppelhaus nebst Scheuer des Bauern Oechsle. Den 10. Mai in Buchau das Wohn- und Oekonomiegebäude des Joseph Zimmerer. Der Abgebrannte ist nicht versichert. Den 11. Mai in Neu kochen (Aalen) das mit Rohmaterial gefüllte Magazin der Papierfabrik von Gebrüder Palm.
Der Gesamtschaden des großen Brandes in Klengen bei Donaueschingen wird amtlich auf 575,000 ^ festgesetzt.
München, 8. Mai. Der hiesige „Verein der Württemberger" hielt gestern im untern Saal des Cafe OaU ^.rmi eine Familienunterhaltung ab. Als Einleitung erklang die bekannte Melodie des König Karl-Marsches. Als dieser verhallt war, ergriff der Vereinsvorstand das Wort, um in einer warm empfundenen Ansprache alle Anwesenden (wir zählten über 150 Personen, worunter viele Damen) willkommen zu heißen. Die Rede gipfelte in einem begeistert ausgenommenen Hoch auf die Heimat, worauf das Lred „Kennt ihr das Land in deutschen Gauen" im Chor gesungen wurde. Sodann folgten in bunter Reihe Musikoorträge, Gesänge und Deklamationen ernsten und heiteren Inhalts. Ein nach Schluß der ersten Abteilung auf Ihre Majestäten von Württemberg ausgebrachtes Hoch erregte großen patriotischen Enthusiasmus. Ein flottes Tänzchen bildete den Schluß des gelungenen Festes.
Mannheim, 9. Mai. Pserdemetzger Stephan schoß in vergangener Nacht seiner 21 Jahre alten Tochter im Streit eine Kugel in den Lew. Das Mädchen ist schwer verletzt, der Vater verhaftet.
Marienbad, 12. Mai. Der Fürst von Waldeck ist heute früh gestorben. Fürst Georg Vcktor war am 14. Januar 1831 geboren. Der Erbprinz Friedrich ist am 20. Januar 1865 geboren.
Der Oberpräsident Dr. v. Bennigsjen hat sich bereit erklärt, ein Mandat zum Reichstag wieder anzunehmen. Auch die meisten anderen bisherigen nationallideralen Abgeordneten werden wieder kandidieren. Am nächsten Sonntag finden in Hannover Magdeburg und Stuttgart nationalliberale Panei- vers ammlungen statt.
Die provisorische „freisinnige Partei" hat einen Wahlaufruf veröffentlicht, der lediglich von Hrn. Eugen Richter und Hrn. Payer, dem Führer der süddeutschen Demokraten, unterzeichnet ist. Durch die Firma Richter-Payer ist der Geist, von dem die neue Partei geleitet sein wird, hinreichend gekennzeichnet.
Dem Wahlaufruf der Nationatliberalen entnehmen wir die wichtigsten Sätze: „Die großen, von den weitesten Kreisen des Volkes lange ersehntem Vorteile der geplanten Heeresreform sind wieder in Frage gestellt. Die zweijährige Dienstzeit sollte die persönliche Militärlast erleichtern, die vollkommenere Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht, dieses ruhmreichen Erdteils der Freiheitskriege, sollte sie gerechter und gleicher verteilen. Im Falle des Krieges sollten die Jüngeren die erste Schlachtlinie bilden, die Aelteren, die verheirateten Mannschaften, den zweiten Wall im llnabhängigkeitskampfe verteidigen. Die Vermehrung unserer Streitkräfte sollte das liebergewicht der großen Militärstaaten gegen uns wndcc well machen, unserem Kuliur- und Wirtschaftsleben das unentbehrliche Gefühl der Sicherheit dauernd erhalten. Das waren die Ziele der von der Reichstagsmehrheit abgelehnten Vorlage! Gewiß, eine solche Reform erheischt bedeutende finanzielle Lasten. Aber es handelt sich um die Ehre und Machtstellung des Reiches, um wirksamere Bürgschaften für den europäischen Frieden und wenn uns der Krieg ausgezwungen wird, für die Erringung des Sieges. Es handelt sich um den Schutz der ehrlichen Arbeit in allen Gewerben. Große Aufgaben sind auch im Innern noch zu vollbringen. .
. . Insbesondere gilt es, die durch die neuere wirtschaftliche Entwickelung vorzugsweise gefährdeten Mittelklassen in Stadt und Land zu stärken, dem Handwerker- und Kaufmannsstand, wie der durch die wachsende auswärtige Konkurrenz bedrängten Landwirtschaft zu Hilfe zu kommen. . . . Wohlan denn, thue Jeder seine Schuldigkeit. Heute handelt es sich nicht um den Vorteil einer Partei. Das Vaterland ruft euch zur treuen Erfüllung eurer Bürgerpflicht. Auf zur Arbeit! Vorwärts zum Siege! Allezeit in unwandelbarer Treue zu Kaiser und Reich!"
Der Wahlaufruf der Deutschkonservativen, zu welchen auch unser Abgeordneter Hr. Landgerichts- rat v. Gültlingen sich bekennt, lautet im wesentlichen: „Die deutsche konservative Partei tritt nach wie vor für die volle Wehrkraft unseres Volkes ein und sieht in derselben eine unerläßliche Bedin-