90

Amerika.

Washington, 18. Febr. Die Vorlage gegen die Vielweiberei wurde vom Kongreß genehmigt. Dieselbe verfügt strenge Maßregeln, um der Vielweiberei unter den Mormonen Einhalt zu thun. Die Gesetzgebung von Kansas nahm einen Entwurf an, welcher Frauen das Stimmrecht bei Gemeinderatswahlen einräumt. Die Vorlagegerhielt die Zustimmung des Gouverneurs des Staates. Johann Most wird am 28. März aus dem Gefängnis entlasten. Die ihm auferlegte Geldbuße ist bezahlt worden. Be­kanntlich wurde Most am 2. Juni v. I. wegen Aufwiegelung zum Aufruhr im Zusammenhangs mit den anarchistischen Ruhestörungen in Chicago und anderwärts zu 12 Monaten Gefängnis und Zahlung einer Geldbuße von 500 Doll verurteilt.

Keitkstagswukiken.

7. Wahlkreis (ßalrv, Kerrenberg, Ilagold, Weuenbürg): Kerr Kommerzienrat Staelin wurde im Hberamt Kalw mit 4095 Stimme» gewählt. Wahlberechtigt sind 5109, abgestimmt habe» 4148. Im GSeramt Kerrenberg haben für Krn. Staelin gestimmt 3628 von 4910 Wahlberechtigten; im Hberamt Aenenbnrg 3872 von 4935 Wahlberechtigten; im Gberamt Wagold 3912 von 4802 Wahlberech­tigte». Gesamtzahl 15,507 Stimmen.

1. Wahlkreis: (Stuttgart, Stadt und Amt): Kommerzienrat Siegle (Deutsch. P.) 18,335 Stimmen; Rechtsanwalt Schott (Demokr.) 4915 St,; C. Kloß (Arb.-P.) 4530 St.

2. Wahlkreis (Cannstatt, Ludwigsburg, Marbach, Waiblingen): Land­richter Veiel (D. P,) gewählt.

3. Wahlkreis (Besigheim, Brackenheim, Heilbronn, Neckarsulm): Frhr. v. Ellr i ch s h a u s e n (D. P.) gegen Gg. Härle (Dem.) mit 5000 Stimmenmehrheit gesiegt.

4. Wahlkreis (Böblingen, Leonberg, Maulbronn, Vaihingen): Frhr. v. Neurath (freikons.) gewählt.

5. Wahlkreis (Eßlingen, Kirchheim, Nürtingen, Urach): vr. Adä (D. P.) gegen Apotheker Lutz (Soz-Dem.) gesiegt.

6. Wahlkreis (Reutlingen, Rottenburg, Tübingen): Lammwirt Bayha (kons.) 16,677 St.; Rechtsanwalt Payer (Volksp.) 7213 St.

8. Wahlkreis (Freudenstadt, Horb, Oberndorf, Sulz): Frhr. v. Ow (freikons.) gewählt.

9. Wahlkreis (Balingen, Rottweil, Spaichingen, Tuttlingen): Oekonomie- rat Burkhardt (D. P.) gegen Conrad Haußmann (Dem.) ca. 1000 St. mehr.

10. Wahlkreis (Gmünd, Göppingen, Schorndorf, Welzheim): Oekonomie- rat Grub (D. P.) gegen Gemeinderat Gabler (Dem.) gesiegt.

11. Wahlkreis (Backnang, Hall, Oehringen, Weinsberg): Landwirt« schaftsinsp. Leemann gewählt.

12. Wahlkreis (Crailsheim, Gerabronn, KünzelSau,' Mergentheim): Oberförster Keller (D. P.) gegen Rechtsanwalt Mayer (Dem.) 3500 St. mehr.

13. Wahlkreis (Aalen, Ellwangen, Gaildorf, NereSheim): Graf Adelmann (septennatsfrdl. Kath ) gewählt.

14. Wahlkreis (Geislingen, Heidenheim, Ulm): Bürgermeister Fischer von Augsburg gewählt.

15. Wahlkreis (Blaubeuren, Ehingen, Laupheim, Münsingen): Staats­anwalt Gröber (Zentr.) gewählt.

16. Wahlkreis (Biberach, Leutkirch, Waldsee, Wangen): Erbgraf v. Neipperg (Zentr.) gegen Regierungsrat Bail er (nat.-lib.) gewählt.

17. Wahlkreis (Ravensburg, Riedlingen, Saulgau, Tettnang): Stadt­pfarrer Göser (Zentr.) gegen Rechtsanwalt Mezler (nat.-lib.) gesiegt.

Die demokr. Candidaten fielen hienach sämtlich durch: Härle,

Mayer, Payer, Haußmann und Gabler. Gewählte Zentrums­kandidaten sind: Graf Adelmann, Graf Neipperg, Stadtpfarrer Göser und Staatsanwalt Gröber.

Pforzheim. Klumpp (nat.-lib.) gewählt.

Heidelberg, 21. Febr. Kartellkandidat Menzer erhielt hier 2443 , Dr. Fischer (ultramontan) 464 und DreeSbach (Sozialist) 140 Stimmen. Menzer hat auch in Eberbach und Mosbach eine große Stimmenmehrheit. Seine Wahl ist gesichert.

Mannheim, 21. Febr. Diffinö (nat.-lib.) erhielt 12,600 Stimmen gegen Dreesbach mit 5154 und Cohn mit 4620 Stimmen.

Frankfurt. Metzler (nat.-lib.) 9614 Stimmen, Sabor (Soz.) 8629, Sonnemann (Dem.) 7079. Stichwahl zwischen Metzler und Sabor.

Köln, 21. Febr. Abgestimmt: 24,464; davon Rennen (nat.-lib.) 8730, Braubach (Zentr.) 10,651 und Bebel 4952 Stimmen. Stich­wahl zwischen Rennen und Braubach.

vr. Miguel ist in seinem Wahlkreis glänzend gewählt.

Chemnitz. Der bisherige Abg. Soz. Geiser ist geschlagen. Gewählt ist der Stadtrat Claus (nat.-lib.).

Hamburg, l. Wahlkreis: Bebel (Soz.) mit 1261 Stimmen Mehrheit gewählt. II. Wahlkreis: Dietz (Soz.) mit 7411 Stimmen Mehr­heit gewählt. HI. Wahlkreis: Heintzel (Soz.) in Stichwahl mit Wör- mann. Altona: Frohme (Soz.) gewählt.

Berlin, 21. Febr. (Privattelegramm des Neuen Tagblatts.) Im ersten Wahlkreis: Stichwahl zwischen Zedlitz (nat.-lib.) und Klotz (d.-fr.); im zweiten desgleichen zwischen Virchow (d.-fr.) und Wolfs (nat.-lib.); im dritten desgleichen zwischen Munkel (d.-fr.) und Christensen (Soz.); im vierten ist gewählt Singer (Soz.); im fünften Stichwahl zwischen Blume (nat.-lib.) und Baumbach (d.-fr.); im sechsten gewählt Hasen­clever (Soz.). Große Volksmassen durchziehen die Straßen; die Ruhe wurde indessen nirgends ernstlich gestört.

Berlin, 22.Febr. (9.30.) Privatdep. d.Calwer Wochenbl." Nach den bis jetzt vorliegenden Wahlresultaten ist der vollständige Sieg der verei­nigten nationalliberalen und konservativen Parteien zweifel­los. Die Sozialdemokratie und der Deutsch-Freisinn kommen meistens in die Stichwahlen. Die süddeutsche Volkspartei ist vollständig aufgerieben. In Elsaß-Lothringen sind sämtliche Protestler jedoch gegen starke Minoritäten gewählt worden.

Berlin, 22. Febr. (1 Uhr.) Telegr. derEur. Korr." Bis jetzt sind über 100 Wahlresultate bekannt. Die größten Verluste zeigt außer der Volkspartei der Deutsch-Freisinn, der bereits nahe an 20 Mandate eingebüßt hat.

Hcrges-Werrigkeiten.

* Calw, 23. Febr. Das gestern abend vomCalwer Lieder­kranz" arrangierte Fa st nachtskränzchen erfreute sich mit vollem Recht eines äußerst zahlreichen Besuches, denn das gut gewählte Programm wurde unter größtem Beifall wirklich gelungen durchgeführt. Von den drei vorgetragenen Chören gefiel besonders die viel Heiterkeit erregende Frosch­kantate. Ebenso wurde das humoristische Duett:Die beiden Ammen" und ein Couplet von Heinze sehr beifällig ausgenommen. Die ungeteilteste An­erkennung fand aber besonders ein Gendarmeriechor von I. Brandl und das Auftreten einer siamesischen Turnergesellschaft. Die vielen Masken brachten ein heiteres, gemütliches Leben in das fröhliche Treiben der Gesellschaft, so daß diese Abendaufführung als äußerst gelungen bezeichnet werden darf.

Feuerbach, 21. Febr. Verflossene Nacht geriet der ledige Kamin­fegergehilfe B. aus Kaltenthal in betrunkenem Zustande auf dem Heimwege in den Feuerbacher Tunnel und wurde durch einen Güterzug schwer ver -

Seit seiner Rückkehr nach Delle hatte er vorwurfsfrei gelebt, aber der jetzige unglückliche Vorfall in seinem Hause weckte die Erinnerung seiner Feinde, die ihn um so weniger schonten, als sein Reichtum ihren Neid erregte und sein tadelloses moralisches Verhalten ihnen keine willkommene Handhabe zu begründeten Angriffen gegen ihn darbot.

All die dumpfen Gerüchte, die sich also gegen ihn erhoben, erschütterten ihn nicht im Geringsten, er blieb ruhig, unbeweglich; kein Wort der Verteidigung kam über seine Lippen, und wenn der Argwohn ihm endlich doch zu nahe trat, setzte er ihn: kaltes Schweigen oder ein verächtliches Lächeln entgegen. Auch schien es ihn nicht im Mindesten zu befremden, daß ein paar Wochen nach dem rätselhaften Todes­fälle seine Haushälterin, sowie sein Diener ihre Entlassung forderten und diese unum­wunden mit der Erklärung motivierten, das Gerede der Leute über ihren Herrn könnte auch ihrem Rufe Schaden bringen.

So war der Stand der Dinge, wie er Herrn Marmold nach seinem Eintreffen in Delle dargestellt wurde. Dieser suchte nun sich so viel als möglich noch weitere Nachrichten zu verschaffen und wendete sich deshalb direkt an Dr. Henric. Von diesem erfuhr er neben Dem, was wir schon wissen, auch noch, daß der Verstorbene außer seiner Kleidung, einer Reisetasche mit Toilettenbedürfniffen und einer wertvollen Schnupftabaksdose nichts hinterlaffen habe, und daß diese Gegenstände von Seiten des Gerichts in Verwahrung genommen worden seien.

Als darauf Herr Marmold die in Händen der Behörde befindlichen Effekten sich vorzeigen ließ, erkannte er sie sofort als Eigentum des Herrn de Braz, und machte Mitteilung von der bedeutenden Geldsumme, die der Verstorbene mit sich geführt haben müsse. Infolge dessen wurde bei Doktor Henric eine Haussuchung vorgenommen, aber nichts Verdächtiges gefunden. Nunmehr wurde der Leichnam ausgegraben. Da die Verwesung noch nicht eingetreten war, so wurde durch Herrn Marmold unter Eid die Identität des bei Dr. Henric übernachteten Reisenden mit Herrn de Braz als unbestritten konstatiert.

Durch diesen Vorgang, besonders aber als es bekannt wurde, daß der ver­

storbene Fremde sich im Besitze von fast zwei Millionen Francs befunden habe, ver­einigten sich die nachteiligen Gerüchte, welche, ohne eine bestimmte Form anzunehmen, so lange gegen Dr. Henric zirkuliert hatten, der Art, daß sie eine imposante Masse bildeten und in hohem Grade die Aufmerksamkeit des Herrn Marmold auf sich zogen. Ja, es kam bald dahin, daß Dr. Henric geradezu als der Mörder des Herrn de Braz bezeichnet wurde.

Obgleich diese Beschuldigung sich noch immer auf keinen offenbaren Beweis stützte, so konnte die Behörde jetzt doch nicht umhin, sich mit der Sache ernstlich zu beschäftigen. Der Doktor Henric wurde verhaftet und verhört, aber es kam dabei nichts heraus, was nicht schon bekannt gewesen wäre.

Die Richter zweifelten nicht, daß der Beschuldigte, wenn eine formelle Anklage gegen ihn erhoben würde, unfehlbar freigesprochen werden müsse. Viele Leute meinten dagegen, er würde für schuldig erklärt werden. Aber diese letzte Meinung stützte sich lediglich auf das allgemeine Uebelwollen gegen den Beschuldigten, während die An­sicht der Richter sich auf das unfruchtbare Verhör des Dr. Henric und auf die Ueber- zeugung gründete, daß es für eine Verurteilung an den nötigen Beweisen mangele.

Aber die Justiz glaubte der öffentlichen Meinung Rechnung tragen zu müssen und die Sache zur richterlichen Entscheidung zu bringen. Auch blieb ja nicht die Möglichkeit ausgeschlossen, daß im Laufe des Prozesses sich gegen den Angeklagten die noch fehlenden Belastungsmomente ganz von selbst ergeben würden. Es gibt ja viele Beispiele, daß ein Angeklagter, dem man bisher nichts hatte beweisen können, vor den Schranken des Gerichts sich in Widersprüche verwickelte, die zur vollständigen Offenbarung seiner Schuld führten.

DerProzeß wurdesomit instruiert und kam zur Verhandlung vor die Geschworenen.

HI.

Der Präsident des Gerichtshofes von Delle war einer von jenen Männern, die durch hohe Rechtschaffenheit und scharfen Verstand sich auszeichnen. Seine Meinung hatte daher ein großes Gewicht; Richter und Geschworene ließen sich von ihm leiten.

Er hatte der Untersuchung dieser wichtigen Sache viel Aufmerksamkeit gewidmet

4 -»