Aro. 23.

62. Jahrgang

Amts- unä

Intelligenzölatt für äen Oezirk.

Erscheint Dienstag, Donnerstag L Kamstag.

Die EinrückungSgebühr beträgt S H p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.

Donnerstag, äen 24. Februar 1887.

Abonnementspreis halbjährlich 180 H, durch die Post bezogen im Bezirk 2 30 H. sonst in

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öie Weöcrlltion.

H'otitische WcrcHvichten.

Deutsches Reich.

Stuttgart. Eine hier eingeleitete Untersuchung gegen hiesige S o- zialdemokraten erfolgte nach derNeckarztg." wegen Verbreitung von Schriften, die einen anarchistischen Charakter tragen. Mehrere Verhaftungen wurden vorgenommen.

Herr Eugen Richter bittet in derFreis. Ztg." um Geld zu den Stichwahlen.

Die diesmaligen Reichstagswählerlisten in Berlin weisen 314,595 Namen auf, 30,777 mehr als im Jahre 1884. An ihrer Herstellung haben 285 Personen gearbeitet.

Darmstadt, 19. Febr. Fürst Alexander von Battenberg ist gestern hier wieder eingetroffen. Durch Rückfall ins Wechfelsieber wurde er zur Rückkehr gezwungen.

In diesen Tagen werden weitere Reservisteneinberufungen zu den Repetiergewehrübungen erfolgen. Aus ElsaffLo'hringen wird gemeldet, daß dort wie überall die sämtlichen einberufenen Reservemannschaften mit großer Pünktlichkeit eingetroffen sind. Vor Ostern kommt auch noch die Landwehr an die Reihe. Daß zum 1. April eine außerordentliche Rekruten-Aushebung für die Armeeverstärkung erfolgt, ist bekannt.

Frankreich.

Paris, 22. Febr. (3 Uhr.) Telegr. derEur. Korr." Die durch Extrablätter bekannt gewordenen Resultate der Reichstagswahlen riefen auf den Boulevards eine gewisse Erregung hervor. Der Sieg des Protestlertums in Elsaß-Lothringen wurde von zahlreichen Gruppen stürmisch begrüßt.

Auf den Boulevards wurde ein Rätselbildchen ausgerusen, betitelt: Bismarcks Verdruß", welches den Reichskanzler und hinter ihm kaum er­

kennbar im Wiederschein einer Kugel den Kopf des Kriegsministers Boulangex darstellt. Wie derTemps" meldet, hat der Polizeipräfekt allen Viertels- kommifsären telegraphiert, daß die Bilder auf Grund des Art. 84 Teil lU. des Strafgesetzbuchs mit Beschlag zu belegen sind. Art. 84 lautet:Wer durch feindselige, von der Regierung nicht genehmigte Handlungen den Staat einer Kriegserklärung aussetzt, wird mit Verbannung, und wenn sie den Krieg zur Folge haben, mit Verschickung bestraft."

Italien.

Rom, 19. Febr. Zur weiteren Verstärkung der Truppen in Maffauah werden zwischen dem 21. und 25. Februar drei Alpen-Kompagnien und eine Abteilung Gebirgsartillerie an Bord derCitta di Genova" in Neapel eingeschifft.

Rußland.

Ueber die Verschwörung in den Petersburger Militärschulen werden noch folgende Einzelheiten gemeldet: Ueber die Verschwörung war den Behörden durch aufgefangene Briefe Petersburger Marineschüler bereits vor einiger Zeit aus dem Innern des Reichs Nachricht zugegangen. In der Marineschule war der Hauptherd der Verschwörung, sie verzweigt sich von dort, angeblich geleitet und geschürt durch junge Marineoffiziere, über anders Petersburger Militärlehranstalten sowie über die Schulen in Charkow, Kiew und Odessa. Nachdem dies sichergestellt war, berief Admiral Arsenjew die Marineschüler zum Appell. Während dieser Zeit wurden in den Stuben der. Schüler die Briefschaften revidiert. Man fand im Pult eines einem fürstlichen Hause entsprossenen Marineschülers die komprimiltierendsten Briefe und namentlich die Liste der Verschwörer. Vom Admiral zur Rede gestellt, lachte der junge Fürst über die Bemerkung: er hätte sich für sein Leben lang unglücklich gemacht. Der junge Mann wurde arretiert und sollte vor Gericht gestellt werden. Kaum abgesührt, zog er einen Revolver und erschoß sich. Eine andere Lesart behauptet, er sei nur schwer verwundet. Aus War­schau wird derPol. Korr." gemeldet, in Podolien und Wolhynien seien in letzter Zeit Proviantartikel in bedeutender Menge und mit so kurzen Liefe­rungsfristen bestellt, daß die Vermutung, es ständen Truppenansammlungen bevor, naheliege. Aus Petersburg wird derRig. Ztg." geschrieben, daß die Frage der Aufhebung der Universität Dorpat neuerdings abermals in Anregung gebracht worden sei. Ferner wird mitqeteilt, daß eine Maßnahme angeregt sei, wonach den Schulen mit deutscher Unterrichtssprache das Recht zur Erteilung von Zeugnissen hinsichtlich des Genusses von Vergünstigungen bei Ableistung der Wehrpflicht entzogen werden soll.

JeuiLteton.

(Widerrechtlicher Nachdruck wird verfolgt.)

Im letzten Augenblicke.

Kriminal-Novelle von Kric d'Hscar.

(Fortsetzung.)

II.

Im Orte war aber damals gerade Jahrmarkt, der Gasthof daher derart über­füllt, daß dem Wunsche des Reisenden nicht entsprochen werden konnte. Da erklärte sich der gegenwärtige Arzt des Ortes, Doktor Henrik, ein äußerst anständiger Mensch, bereit, den Fremden für diese Nacht bei sich aufzunehmen. Dieses liebenswürdige Anerbieten wurde natürlich dankbarst acceptiert.

Der Doktor, ein unverheirateter Mann, und der für enorm reich galt, bewohnte vor der Stadt eine hübsche Villa, in der eine nicht mehr junge Frauensperson ihm die Wirtschaft führte. Der Reisende, dessen Name und Stand Niemanden im Orte bekannt war, folgte sofort dem gastfreundlichen Arzte in dessen Wohnung, woselbst er sich gut und bequem untergebracht fand. Er nahm vorher noch ein leichtes Abend­essen zu sich, bestellte für den andern Morgen Extrapost und bat zu wiederholten Malen, ihn rechtzeitig zu wecken.

Dieser andere Morgen kam aber für ihn nicht mehr. Als der Bediente zur bestimmten Stunde in das Schlafzimmer trat, um ihn zu wecken, war er bereits eine erkaltete Leiche.

Die Bestürzung über diesen jähen Todesfall war allgemein eine große, die des Doktor Henrik aber grenzte an Verzweiflung. Er selbst veranlaßte sofort eine ge­richtliche Kommission, die an dem Verstorbenen nicht die leiseste Spur von Gewalt- thätigkeit fand. Sein Gesicht hatte den Ausdruck eines Schlafenden behalten, und weder Dr. Henrik selb st, noch ein anderer, aus einem benach­barten Orte hinzugezogener Arzt natürlich auf Veranlassung der Be­

hörde vermochten über die Todesursache eine bestimmte Er­klärung abzugeben.

Der Verstorbene wurde nach katholischem Ritus bestattet, und man stellte über ihn die sorgfältigsten Nachforschungen an. Der Doktor Henrik behauptete, daß der Fremde sich ihm als ein Ka ufm an n Charlot aus Paris vorgestellt und geäußert habe, auf einer wichtigen Geschäftsreise nach Deutschland begriffen zu sein. Aber es vergingen mehr denn zwei Monate, und man konnte weder von Paris aus, noch von anderwärts eine Nachricht über den Verstorbenen erhalten. Da somit weder über seine Person, noch über seine Familie sich etwas ermitteln ließ, so wurde ange­nommen, daß der Name, unter welchem er sich dem Doktor vorgestellt, nicht der richtige gewesen und hinter diesem Umstande ein Geheimnis sich verberge.

Und dies trug wesentlich dazu bei, die Sache noch rätselhafter erscheinen zu lassen, als sie an sich schon war.

Man geriet auf allerhand Vermutungen, doch keine von allen ließ sich bis zur Wahrscheinlichkeit begründen.

Das Gerücht sprach von einem Mord, konnte aber nicht den geringsten Beweis dafür erbringen. Ein unbestimmter, allgemeiner Verdacht, besonders in den unteren Klassen der Einwohnerschaft von Delle, schien auf dem Doktor Henrik zu lasten, bei bei dem der Fremde doch übernachtet hatte und gestorben war.

Doktor Henrik war nämlich, obgleich reich und als einziger Arzt im Orte, auch viel beschäftigt, aber nicht beliebt. Er hatte ein barsches, absprechendes, rechthaberisches Benehmen und man erinnerte sich jetzt mit einer gewissen Befriedigung verschiedener Umstände aus seiner Vergangenheit, welche wohl darnach waren, einen ungünstigen Eindruck zurückzulassen. Er war in seiner Jugend verschwenderisch gewesen, hatte Schulden gemacht, seine Vaterstadt Delle verlassen und war erst vor ungefähr zehn Jahren zurückgekehrt.

Ohne Zweifel konnte man vernünftigerweise den Verdacht, der sich gegen den Doktor dunkel und beweislos erhob, nicht aus die Fehler seiner Jugend stützen, selbst nicht darauf, daß er damals nicht sehr bedenklich gewesen wegen der Mittel, sich Geld zu verschaffen, dessen er bei seiner leichten Lebensweise beständig bedurfte.