wicht; diese Tiere verarbeiten sodann das Futter bei hoher Verwertung in kurzer Zeit. Mit Einführung dieses in jeder Beziehung zu empfehlenden Viehschlags soll man aber langsam Vorgehen, man solle mit einer gewissen Zeit rechnen. Der einzelne Landwirt müsse sich bei Einführung dieses Schlags vorher über seine eigenen Verhältnisse Klarheit verschaffen. Größere Landwirte, die über großes Kapital verfügen, können mit der Einführung der Simmenthaler Rasse rascher vorwärts gehen, kleine Landwirte, die mit bestimmten Einnahmen zu rechnen haben, sollen langsam thun und bedenken, daß wer seither knapp drei Kühe kleineren Schlags durchgebracht, nicht für diese drei des größeren Schlags halten könne, es lassen sich auch die kleinen Muttertiere nicht mit den schweren, männlichen Simmenthaler Tieren paaren; da müsse ein Uebergang geschaffen werden. — Die Kälber seien mit Muttermilch auszuziehen, wie es die Natur verlange. Die sog. Priestermilch schade dem frisch geworfenen Kalb nicht, sondern sei ganz geeignet, aus demselben das Darmpech zu entfernen. Bei Tieren, wie Pferde und Schafe im Trieb genieße das Junge möglichst lang die Muttermilch, dieser Weg sei von der Schweiz und von Baden auch bei der Rindviehzucht schon längst eingehalten worden. Die Schweizer lassen ihre Kälber 10—12 Wochen, ja echte Rassekälber bis zu 16 Wochen lang saugen, und diese Art Milchverwertung sei besser als jede andre. Für uns sollte wenigstens Regel sein, die Kälber 4 Wochen lang saugen zu lassen, pro Tag 10 Ltr. Von der 4. Woche an könne man zu anderer Fütterung übergehen u. Kraftsuttermittel verabreichen. Geschrotete Körner, Vi T pro Tag, später mehr bis zu 1*/» T, bei älteren Tieren bis zu 5—6 T, seien das beste. Dieses Futter vermittle den Uebergang von der Milch- zur Heu- u. Strohfütterung am besten. Mit Heu und Stroh dürfe man nicht zu früh anfangen, weil die Magenverhältnisse des Kalbes dies nicht gestatten, denn beim Kälbermagen sei der Hauptmagen noch zu klein, der letzte Teil des Magens zu groß; später gestalte sich dies umgekehrt. Diese Umgestaltung des Magens müsse abgewartet werden, denn der kleine Teil des Magens könne kein Heu und Stroh verarbeiten , weshalb durch baldige Heufütterung beim Kalbe Durchfall u. a. Krankheiten sich zeigen, es bilden sich auch herabhängende Bäuche, struppige Haare und die Wirbelsäule pocke sich. Außer guter Fütterung sei guter Stall mit viel Luft und Licht nötig. Wie sich bei guter Fütterung und Wart und Pflege der Kälber die Milchverwertung gestalte, weist Redner in Berechnungen nach. Man gebe einem Kalbe drei Wochen lang pro Tag 10 Liter Milch, so hat man eine tägliche Gewichtszunahme beim Kalb von 2 T, also eine Zunahme nach 3 Wochen von 42 T. bei einem Aufwand von 210 Liter Milch. Man erhält vom Metzger 40 -4L; hat das Kalb bei der Geburt den Wert von 15-4L, so verbleiben für 210 Liter Milch 25 -/A, etwa 10—l l pro Liter. Dieser Wert lasse sich bei
längerer Milchsütterung und bei Rassetieren auf 50 Pfg. und darüber steigern. Wenn das Kalb täglich nicht 2 K zunehme, komme für die Milchverwertung die Molkerei in Betracht. Diese zahle pro Liter 7 und gebe die Magermilch zurück, so daß der Landmann 9—10 für 1 Liter Milch erhalte. Molkereibetrieb und Milchsütterung könne aber auch neben einander hergehen, indem die Magermilch für das Kalb noch alle nährende Stoffe habe und das entnommene Fett durch Oel-, Lein-, Palm- und Rapskuchen ersetzt werden könne. Redner berechnet weiter, wie durch die Milchverwertung in der Molkerei von einer Kuh 70—8-> pro Jahr mehr
erzielt werden könne als seither. Die Magermilch werde in Großstädten zu 4—5 an Leute verkauft.
Redner verbreitet sich nun über die Wichtigkeit der Farrenhaltung; nur durch eine richtige Farrenhal- tung sei rasche Hebung der Viehzucht möglich. Notwendig sei Abänderung unseres württ. Farrengesetzes von 1882 nach dem badischen. Diese sei in der Kammer bereits angeregt. Nur die Haltung der Farren durch die Gemeinden selbst sei das richtige; dies lasse der Bezirk Balingen deutlich erkennen. Durch Berechnung weist nun Redner nach, wie ein Farrenhalrer bei 120—200 Wartgeld unmöglich gute Farren kaufen und gut, auch mit Haber füttern könne. Bei der Farrenhaltung müssen alle soge- «annte „Vetterlesgeschichten" aufhören. Dem Farren gehöre außer kräftiger Fütterung und ge-;
räuiniger Stallung auch Bewegung im Freien. Am Schluffe kam Redner auch noch auf die neuesten Bewegungen in den landwirsch. Kreisen zu sprechen, auf den Zusammenschluß der Landwirte zu einem Verband und sagt unter anderem: Die Industrie soll wohl blühen und leben, aber auch blühen und leben lassen; wie für die Industrie durch Handelsverträge gesorgt werde, so sei dies auch für die Landwirtschaft nötig. Vorerst soll aber der Landmann sich bestreben, seine Viehzucht besser zu gestalten, so könne er der Zukunft besser entgegen gehen. H. Oberamtmann Vogt sprach dem Redner den Dank der Versammlung aus für den klaren überzeugenden Vortrag. Vom Ausschußmitglied Ru eff wurde noch die Gründung von Ortsviehweiden warm empfohlen.
Calw. Die bürgerl. Kollegien haben auf den Bericht des Herrn Fabrikanten Zöppritz über den in Nagold eingeführten Handfertigkeitsunterricht für Knaben einstimmig beschlossen, diese nachahmungswerte Einrichtung auch hier einzuführen. Im neuen Schulhaus soll eine besondere, aufs vollständigste eingerichtete Schulwerkstättej hergerichtet und der Unterricht dem hiefür in Nagold ausgebildeten Lehrer Bachteler übertragen werden.
Stuttgart, 1. Mai. Die Maifeier war tagsüber kaum bemerkbar. Gegen Abend fand eine große Feier im Crrkusgebäude statt, wo 4000 Personen, darunter 900 Sänger, anwesend waren. Die Versammlung nahm nach der Festrede einstimmig Resolutionen zu Gunsten des Achtstundentages an. Die Ruhe wurde nicht gestört.
Stuttgart, 1. Mai. Bei einem Teil der hiesigen Jnfanterietruppen finden gegenwärtig Anpassungen der neuen einreihigen Uniformröcke statt. Dieselben sollen im Herbste bei der zu erwartenden Kaiserparade getragen werden. So viel man hört, wird die Kaiferparade bei Ludwigsburg stattfinden. Ebenso werden auch die Kaisermanöver ungefähr in derselben Gegend abgehalten werden, für welche dieselben im letzten Jahre bestimmt waren. (Von anderer Seite verlautet allerdings, daß man, um eben diesen Landesteilen die vermehrten Quartierlasten zu ersparen, die Kaisermanöver an der badischen Grenze arrangieren werde.)
Heilbronn, 28. April. Durch die anhaltend warme Witterung ist der Wasserverbrauch so ins Ungeheure gestiegen, daß der Wasserzufluß der Bi- beracher Quellen nicht mehr ausreicht, das Reservoir genügend zu füllen. Die Untersuchungen haben ergeben, daß um nachts 11 Uhr bis morgens 4 Uhr ein Abgang von 6-—700 Cbm. stattfindet — 25°/o des Tagesverbrauchs. Der Gemeinderat hat deshalb beschlossen, bis auf weiteres die Leitung bei Nacht abzusperren.
Der bisherige Oberbürgermeister Hegelmaier ist laut Neckarzeitung nunmehr zur Beobachtung in Jllenau eingetroffen.
Hohenheim, 28. April. Die Akademie Hohenheim begeht am 5. und 6. Juni d. I. die Feier ihres 75jährigen Bestehens.
Brandfall: In Cleebronn das Wohnhaus der Witwe Arnold.
König Otto von Bayern ist am 27. April 45 Jahre alt geworden. Sein Befinden hat sich, wie aus München berichtet wird, nach keiner Rich- tung hin geändert. Es wechselt oft lange andauernde Narrheit mit Phasen heftiger Erregung. Lichte Mo- mente sollen ab und zu, allerdings nur selten zu beobachten sein, und blitzartig kurze Dauer haben.
Durch den großen Waldbrand bei Rhaune (Rheinprovinz) sind 1200 Morgen Kiefern- und Fichtenbestände zerstört worden. Der Schaden be- läuft sich aus über 100.000 -/A. Es liegt Brandstiftung vor. Eine große Anzahl Hochwild und Waldvögel sind in den Flammen umgekommen.
S. M. der Kaiser wird laut einer offiziellen Meldung „mit Rücksicht auf den Ernst der Lage und die folgenschweren Beschlüsse, welche in der nächsten Woche im Reichstag zu erwarten stehen, den Besuch in Karlsruhe abkürzen und den im Anschluß daran geplanten Ausflug nach Schlitz ganz aufgeben."
Der „Köln. Volkszeitung" wird aus Berlin geschrieben: „Dem Orden der Weißen Väter ist die Genehmigung zur Niederlassung in Preußen erteilt worden. Es handelt sich um die Gründung einer Anstalt zur Erziehung von Missionaren deutscher Staatsangehörigkeit für unsere Kolonien, namentlich
Ostafrika. Der Orden hat vorläufig die Erlaubnis zur Niederlassung nur im Prinzip; will er zur Errichtung der Niederlassung schreiten, so hat er dazu noch eine besondere Erlaubnis nachzusuchen, auch darf er seine Ordensthätigkeit nicht frei entfalten, sondern hat sich lediglich auf die Erziehung von Missionaren zu beschränken."
Es stellt sich jetzt heraus, daß die Nachricht von einer Reise unseres Kaiserpaares im Laufe des Sommers nach Spanien nur müßiges Geschwätz gewesen ist. Niemand denkt daran im Ernst. Ebensowenig wird der Schwager des Kaisers, der Herzog Günther von Schleswig-Holstein, die Weltausstellung in Chicago besuchen, was zu wiederholten Malen angekündigt war.
Der Abg. Ahlwardt über seine Erfahrungen im Reichstage. In einer großen antisemitischen Versammlung, die am Mittwoch Abend in Berlin stattfand, sprach der Abg. Ahlwardt über seine Erfahrungen im Reichstage. Er führte zunächst aus, wie ihm Treue und Glauben an die Menschheit nach seinen Erfahrungen im Reichstage auf ein betrübendes Minimum gesunken, kam dann auf die vielberufenen 20 Entree zu den Versammlungen zu sprechen und hielt es, was seine Personale beträfe, für kein Unglück, wenn auch für ihn dabei etwas abfiele. Wenn seine Gegner in die Versammlungen kämen, um ihn wie ein wildes Tier zu begaffen, wenn ihm Titel beigelegt würden, wie Lump, Lügner, Verläumder, so hätten die Leute ja keine Ahnung, wie unempfindlich er dagegen wäre, solche kleinen Nadelstiche wären für ihn wie nichts. Ueber die Akten wolle er nun schon gar nicht mehr sprechen, das wäre gegenwärtig eine Taktlosigkeit gegen die Kommission, aber seine Behauptungen über den Jn- validenfonds halte er trotz aller Gegenrede voll und ganz aufrecht. Der Reichstag verurteile ihn schon, ehe er ihn gehört, deshalb appelliere er vom Reichstag an das Volk, das Volksgericht allein erkenne er für kompetent an.
Der deutsche Bauernbund hält in Berlin am 13. Mai eine außerordentliche Generalversammlung ab, in welcher über seine Auflösung und Ueber- führung in den Bund der Landwirte formeller Beschluß gefaßt werden soll. Ein dahingehender materieller Beschluß wurde bereits in der gleich auf die Tivoliversammlungen folgenden ordentlichen Ge-^ neralversammlung des Bauernbundes gefaßt.
Die Kommission zur Prüfung derAhlwardt- Akten hat ihre Thätigkeit beendet. Sie schlägt dein Plenum vor, in einer Resolution zu erklären, daß die Akten keinerlei Beweis für die Ahlwardts Anschuldigungen enthalten. Vorher kam es zu einer stürmischen Szene, als ein Mitglied von dem physischen Eckel sprach, den Ahlwardt verursache. Ahlwardt erwiderte, diese Aeußerung beziehe sich offenbar auf das Vorkommnis mit seinem Anzuge, an welchem eine Naht geplatzt sei; darin liege eine Infamie. Der Vorsitzende ruft Ahlwardt deshalb zur Ordnung. Nach sehr erregter Geschäftsordnungs- oebatte, in der Ahlwardt den Ausdruck wiederholt, verläßt Ahlwardt die Sitzung mit der Erklärung, er thue das, weil er von der Kommission so behandelt werde.
Berlin, 29. April. Bei Besichtigung des endlich von Ahlwardt eingereichten Briefes stellte es sich heraus, daß die Unterschrift demselben durch Aufkleben zugefügt ist. Ahlwardt behauptete gestern abend in einer Versammlung, seine Akten seien durcheinander geworfen worden nach der Einlieferung im Reichstage. Er habe das mit Befremden bemerkt, wolle aber vorläufig niemand einen Vorwurf machen.
Berlin, 29. April. Aus einem Berichte der Handels- und Gewerbekammer Stuttgart über den Hausierbetrieb, sowie aus Petitionen, die gerade in Oberfchwaben und dort, wo das Einödsystem eingeführt ist, am meisten Unterschriften erhielten, folgert die „Konservative Korrespondenz", dies sei ein unwiderleglicher Beweis gegen die Behauptung, als ob das Hausieren in verkehrsarmen Gegenden heute noch eine unentbehrliche oder willkommene Erscheinung sei.
Berlin, 29. April, v. Huenes (Centrum) Angebot zur Militärvorlage geht, wie lt. „M." sich bestätigt, beträchtlich über dasjenige Bennigsens hinaus. Es nähert sich der Vorlage fast ganz, setzt aber die staffelweise Durchführung fest, so daß der Beharrungszustand erst in drei Jahren erreicht würde. Der Reichskanzler Caprivi ist damit einverstanden. Die