die ihre antirepublikanische Gesinnung bei den Wahlen kundgaben, sondern auch alle diejenigen Beamten, die überhaupt einer antirepublikanischen Gesinnung verdächtig waren, und unter diesen sogar die Richter, einfach absetzte, bevor es überhaupt zu den Wahlen kam. und man darf fest überzeugt sein, daß, wenn in Deutschland einmal eine Republik errichtet würde, kein einziger monarchisch gesinnter Beamte im Amte bleiben dürste und wenn er sich noch so sehr bei den Wahlen der Zurückhaltung befleißigen würde.
Stuttgart, l. Febr. In einer gestern abgehaltenen antisemitischen Versammlung kam der bekannte Herr Welker zu der grotesken Behauptung, daß bei der nächsten Wahl zum Landtag auf dem Lande kein Kandidat durchdringen werde, der nicht auf das antisemitische Programm eingeschworen sei. Als einen der ersten, die dies begriffen haben, be- zeichnete Welker den Haug, dessen Austritt aus der Deutschen Partei mit seinen antisemitischen Tendenzen zusammenhänge.
Stuttgart, 1. Febr. Der Stadtschultheiß von Stuttgart hat von Seiten der sozialdemokratischen Presse für seine Weigerung, an Kaisers Geburtstag dem veranstalteten Bankett zu präsidieren, so lebhaften Beifall gefunden, daß er sich ohne Zweifel gedacht hat: „Gott schütze mich vor meinen Freunden." — In der Angelegenheit Essich gegen Kon- rad Hanßmann ist vorläufig ein Stillstand einge- trcten. Der Abgeordnete von Balingen hat sich, wie die Blätter melden, zunächst geweigert, die schweren Beleidigungen gegen Herrn Essich zurückzunehmen und erhielt daraus von letzterem eine Forderung, welche aber der Abgeordnete von Balingen unter Berufung auf seine Straffreiheit als Abgeordneter ablchnte. Einer Andeutung des „Schw. Merkur" zufolge wird aber die Sache alsbald nach dem Wie- derzusammentritt des Abgeordnetenhauses ein Nachspiel in der Richtung finden, daß die Geschäftsordnung einige verschärfte Paragraphen erhalten dürfte. Es wäre auch zu eigentümlich, wenn die Immunität eines Abgeordneten diesem das Recht verliehen würde, andere Abgeordnete oder auch Nichtabgeordnete nach Belieben zu kränken und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen.
Stuttgart, 2. Febr. Nach den nunmehr ange- stellten Untersuchungen in verschiedenen Weinbergen des Landes hat sich die traurige Thatsache ergeben, daß ungefähr ^/s aller Weinstöcke bis ins Mark hinein erfroren sind, so daß unsere Weingärtner nicht nur für nächsten Herbst, sondern auf einige Jahre hinaus auf eine Ernte nicht wehr rechnen können, bis die neubestockten Weinberge wieder ertragssähig sind. Unsere armen Weingärtner empfinden das Unglück um so schwerer, als im vorigen Herbst das Rebenholz so gut und kräftig ausgewachsen und entwickelt war, wie seit Jahren nicht mehr. Der Wintersaat scheint die Kälte nicht geschadet zu haben, da die Felder eine ziemlich gute Schneedecke hatten.
München, 30. Jan. Der Haupttreffer „Frauenverein Arbeiterinnenheim" mit 20000 ^ fiel nach Straßburg i. E., der zweite Treffer mit 10000 ^ fiel nach Augsburg. Ein glücklicher Zufall wollte es, daß ein Münchener Packträger am vergangenen Dienstag abends, als er, ohne Geld, sein Los der Arbeiterinnenheim-Lotterie um 50 verkaufen wollte, keinen Käufer fand: andern Tages wurde das Los mit einem Gewinnste von 200 gezogen.
Recklinghausen, 2. Febr. Eine Explosion schlagender Wetter auf der Zeche „General Blumenthal" tödtete 19 Bergleute und verletzte 17 schwer.
Bochum, 3. Febr. Eine allgemeine Bergarbeiterversammlung. die von etwa 3000 Personen besucht war, beschloß, die früheren Forderungen dem bergbaulichen Verein nochmals zu unterbreiten und bis zum 10. Februar Antwort zu verlangen. Am 12. Febr. soll abermals eine Versammlung stattfinden, um über die nach dem Ausfall der Antwort zu unternehmenden Schritte zu beschließen.
Dem Vernehmen nach hätte der Großfürst-Thronfolger die Versicherung nach Berlin überbracht, daß ein Bündnis zwischen Rußland und Frankreich nicht bestehe.
In den „Hamb. Nachr.". die bekanntlich die Ansichten des Fürsten Bismarck vertreten, findet sich nachstehende charakteristische Auslassung: „Der Toast, den der Kaiser bei dem Frühstück zu Ehren des Zarewitsch aus den Kaiser von Rußland ausgebracht hat, ist ohne Zweifel das wichtigste politische Ereig
nis der jüngsten Vergangenheit. Die Thatjache, daß der Großfürst-Thronfolger überhaupt nach Berlin gekommen ist, und noch mehr die, daß der Kaiser ihn so freundlich und in Erinnerung an die alten Verhältnisse begrüßt hat, ist für uns im höchsten Maße erfreulich. Wenn die zerrissenen Drähte, die Berlin und Petersburg verbanden, jetzt wieder angeknüpft werden, so wollen wir uns im Interesse ihrer neuen Befestigung für alle Zukunft gern jeder Kritik der Vorgänge enthalten, welche die Ursachen ihres Ab- reißens gewesen sind. Wir haben uns über die 'Ernennung eines in Rußland willkommenen Botschafters in der Person des Generals von Werder gefreut, und wir freuen uns noch mehr über dm Auffassungen, welche Se. Majestät der Kaiser nach den vorliegenden Berichten dem russischen Thronfolger gegenüber zum Ausdruck gebracht hat."
Bei der Abstimmung stellte sich die Beschluß- unfähigkeit des Reichstags heraus, so schließt seit Wochen und Monaten regelmäßig der Bericht über eine Reichstagssitzung, wenn überhaupt eine Auszählung stattgefunden hat und die Augen nicht über die fast vollkommen leeren Bänke gnädig zugedrückt werden. Der Anblick einer Reichstagssitzung gehört gegenwärtig zu den trübseligsten Schauspielen, die man sich denken kann. Von den überhaupt anwesenden etwa 150 Mitgliedern ist höchstens ein Drittel im Saal zugegen, die anderen müssen bei einer Auszählung erst mühsam von allerwärts her zusammengerufen werden. Kopfschüttelnd wird sich mancher Reichsbürger, der ehrfurchtsvoll das Haus betreten und auf diesen gähnend leeren Saal herabblickt, fragen: „Das soll unsere nationale Vertretung sein und darum kämpfen wir bei den Wahlen einen Kampf auf Tod und Leben?" In der Reichsoer- fassung heißt es: „Zur Gültigkeit der Beschlußfassung ist die Anwesenheit der Mehrheit der gesetzlichen Anzahl der Mitglieder erforderlich." Thai- sächlich sind seit Jahren dreiviertel aller Reichstagsbeschlüsse verfassungswidrig und ungiltig. So kann es nicht weiter gehen, das Ansehen einer unserer wichtigsten nationalen Einrichtungen leidet darunter schweren Schaden. Und so schlimm, wie in dem gegenwärtigen Antikartell-Reichstag, der mit so viel übermütigen Prahlereien ins Leben trat, ist es noch nie gewesen.
Deutscher Reichstag. Am Mittwoch verhandelte der Reichstag über die Anträge der Konservativen und der Centrumspartei auf Einschränkung der Abzahlungsgeschäfte, Verbot der Warenlager und Wanderauktionen, Einschränkung des Hausierhandels und Untersagung des Hansierens durch Detailreisende. Abgg. Ackermann (kons.s und Schäd- ler (Ctr.) befürworten die Anträge im Interesse einer Förderung des Handwerks und der Kleingewerbetreibenden. Abg. Schneider (fceis.) ist dagegen, weil er sich von diesen Vorschriften für das seßhafte Gewerbe nichts verspricht, wohl aber eine Schädigung vieler kleiner Leute. Abg. v. Strombeck (Ctr.) meint, der Zweck, die Auswüchse des Hausierhandels zu bekämpfen, sei gut, aber die Detailbestimmungen gingen doch etwas zu weit. Abg Hol zman n (natlib.) hätte es am liebsten gesehen, wenn diese Debatte dem Reichstage erspart geblieben wäre. Herauskommen werde dabei schwerlich etwas. In vorliegender Form sind ihm die Anträge unannehmbar. Man soll doch leben und leben lassen. Abg. Bock (Soz.) meint, das seßhafte Gewerbe werde durch große Versandtgeschäfte vielmehr geschädigt, als durch kleine Hausierer. Abg. Clemm (natlib.) ist gegen die Anträge in vorliegender Form. Abgg. Böckel (Antis.) und Biehl (Ctr.) sind für die Anträge, Stolle (Soz.) und Schräder (freis.) dagegen. Der konservative Antrag wird abgelehnt, der Centrumsantrag der Gewerbekommission überwiesen. Dann ergiebt sich Beschlußunfähig^ des Hauses. Nächste Sitzung: Freitag.
Die Unterschrift, die der Kaiser unter sein dem Justizminister Frieöberg zu dessen 80. Geburtstag übersandtes Bild gesetzt hat, giebt der Presse zn allerhand Kommentaren und Betrachtungen Anlaß. Inzwischen erfährt die „Post" von wohlunterrichteter Seite, daß diese Unterschrift einemZufall ihren Ursprung verdankt. Der Kaiser hat erst an dem Tag, an weichem Minister Friedberg sein 80. Jahr vollendete, von dessen Geburtstag erfahren. Als er ihn desselben Tages bei eineM Hoffest antraf, redete er ihn darauf an und sagte zu ihm: „Was? das sagen Sie mir nicht einmal? Das muß ich so zufällig erfahren?" und fügte dann, mit dem Finger drohend, hinzu: „Das darf nicht ungestraft bleiben!" Die Strafe war die noch an demselbeu Tag erfolgende Uebersendung des Bildes mit der Unterschrift: „Niemand reizt mich ungestraft!"
Berlin, 3l. Jan. Ein Glückwunschtelegramm haben die beiden neuen deutschen Kardinäle Erz- bischof Krementz von Köln und Fürstbischof Kopp
von Breslau von Rom aus an den Kaiser zum Geburtstag gesandt. Außerdem haben die beiden Kardinäle ihre Ernennung zu der höchsten kirchlichen Würde dem Kaiser angezeigt.
Berlin, l. Febr. Der Staatssekretär des Aeußern Frhr. v. Marschall hat dem russischen Botschafter sein Bedauern über den gestrigen Unfug mit einem Extrablatt über ein Attentat auf den Zaren ausgedrückt.
Berlin, 2. Febr. Den Blättern wird aus Bromberg gemeldet: Hier hat sich ein Komitee von Großgrundbesitzern und Finanzmännern gebildet mit 15 Milk. Kapital, behufs des Baues und Betriebes von Kleinbahnen in den ostdeutschen Gebieten.
Berlin, 2. Febr. Zur Feier des Geburtstages des Kaisers hat auch beim Fürsten Bismarck in Friedrichsruh am Freitag ein Essen stattgefunden. Das Hoch auf den Kaffer brachte der Fürst aus. Die Gesellschaft blieb bis gegen 12 Uhr in der fröhlichsten Stimmung beieinander.
Berlin, 3. Febr. Der Großfürst-Thronfolger richtete am 31. v. M. aus Petersburg an den Oberst des 8. westfälischen Husarenregiments ein Telegramm, worin er für den freundlichen Willkommgruß dankt und fortsährt: „Nach Hause zurückgekehrt, bin ich tief durchdrungen von dem Gefühl aufrichtiger Dankbarkeit für die mir von Sr. Majestät erwiesene, mir so teure, wohlwollende Aufmerksamkeit.
Besterreich-Ullgarn.
Pest, 3. Febr. Der Direktor der Gewehrfabrik empfing eine Deputation, welche erklärte, ein großer Teil der Streikenden wolle die Arbeit wieder aufnehmen. Der Direktor antwortete, die schmiede und Mechaniker könnten am 6. Februar, die übrigen am 9. Februar wieder eintreten.
Frankreich.
In Paris ist man über den Besuch des russischen Thronfolgers in Berlin noch immer recht wehmütig gestimmt. Der „Gaulois" sucht nun seine Leser zu trösten, indem er ihnen vorlügt, im nächsten Frühjahre werde der Thronfolger auch nach Paris kommen und dann — viel länger dort bleiben, als in Berlin.
Die Pariser „Curiosits Universelle" schreibt: Der König der Pelze für diesen Winter ist der „Schwarze Fuchs", der in Kamtschatka zu Hause ist. Sein Fell gilt zwischen 2000 und 8000 Frks., also kostet ein mit Schwarffnchs gefütterter Mantel die Kleinigkeit von 50 000 Frks. Nach dem Schwarzfuchs kommt der Blaufuchs, dessen Fell von 500 bis 2500 Frks. im Preis schwankt. Ein ganzer Mantel kommt auf etwa 25 000 Frks. Das Fell des sibirischen Bibers kostet wieder zwischen 2000 und 6000 Frks., ein Mantel 30 000 bis 40 000 Frks. Vom schwarzen Zobel kostet der Besatz eines Mantels etwa 25—30 000 Frks. Zu den billigsten Pelzen gehört noch die sibirische Otter, von der man einen einfachen Pelzrock schon um 6000 Frks. bekommt. Interessieren mag auch die Bemerkung des gleichen Blattes, daß der Muff, heute ausschließlich zur Ausrüstung der Frauen gehörig, am Ende des 17. und am Anfang des 18. Jahrhunderts von den Männern getragen wurde. Die Mode kam aus Italien und aus dem italienischen Wort „Nancüg.« stammt auch das Wort „manobou", womit die Franzosen den Muff bezeichnen. Besonders die Größe der Muffe war damals sehr dem Wechsel der Mode unterworfen, bald trug man sie ganz groß, bald winzig klein. Ein Pelzhändler in Caen, den die Mode der kleinen Muffe begreiflicherweise sehr verdroß, kam auf ein originelles Mittel, die großen wieder in Aufnahme zu bringen. Er schenkte dem Scharfrichter einen Louisd'or und einen kleinen Muff, den jener am Tag einer Hinrichtung tragen mußte. Der Henker erschien richtig mit einem kleinen Muff auf dem Schaffst. Sofort kamen die kleinen Muffe ab. Aber der Polizeioffizier hatte ebenfalls einen kleinen Muff bei der Hinrichtung getragen, ließ den Henker kommen und dieser gestand, wie er in den Besitz des Pelzwerks gelangt war. Schließlich wurde der Pelzhändler ins Gefängnis geworfen, trotzdem er betonte, daß er seine Ware verschenken könne, wie er wollte. Das Parlament zu Rouen gab ihm auch Recht und zuletzt wurde der Polizeioffizier verklagt und verurteilt, den Kaufmann reichlich zu entschädigen.
Paris. Einen sehr schroffen Artikel gegen Rußland bringt das Journal Evenement." Es