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— Die „Köln. Ztg." schreibt als Redaktionsanmerkung zu einem Artikel aus Rom: „Ultramontane Preßartikel über das Jakobinische Schreiben sowohl wie die in der Versammlung der rheinischen Zentrumpartei angenommenen Beschlüsse deuten an , daß das Zentrum nach der Erledigung seiner angeblichen nächsten Aufgabe, der Wiederherstellung des kirchlichen Friedens in Deutschland, in dem Ziele der Wiederaufrichtung der weltlichen Macht des Papstes eine neue Daseinsberechtigung und Grundlage suchen wird. Schon jetzt ist darauf aufmerksam zu machen, daß die offene Aufstellung dieser Forderung von seiten des Zentrums nur dazu beitragen kann und soll, der auswärtigen Politik des Fürsten Bismarck Schwierigkeiten, dem deutschen Reiche Verwicklungen mit dem Königreich Italien zu erwecken. Zwar redet der Kardinal-Staatssekretär in seinem Schreiben von der Gelegenheit, durch welche der heilige Stuhl für die „Verbesserung seiner Lage das mächtige deutsche Reich sich günstig stimmen könnte", ohne indessen die Art und Weise dieser Verbesserung näher anzugeben. Es ist eine Pflicht der geschichtlichen Wahrheit, sestzustellen, daß Deutschland eine etwanige Hoffnung des Papstes auf Wiederherstellung seiner weltlichen Macht nicht zu nähren vermag, daß es aber an einer Verbesserung seiner Lage, sofern dieselbe durch eine Verständigung mit dem König von Italien erzielt werden kann, gern Mitarbeiten wird.
Straßburg, 10. Febr. Bei dem Diner, welches der Statthalter Fürst v. Hohenlohe dem Landesausschusse gab, sagte elfterer, die Zeiten würden, ohne daß gerade der Krieg bevor st ehe, ernst bleiben, solange die allgemeine Stimmung in Frankreich nicht derart werde, daß man daselbst rücksichtslos die durch internationale Verträge geschaffene Lage anerkenne. Auf den Frieden hinzuwirken habe die elsaßlothringische Bevölkerung gegenwärtig durch die Wahlen die beste Gelegenheit. Solange bei den verbündeten Negierungen und dem deutschen Volke die Ueberzeugung nicht durchgedrungen sei, daß Elsaß-Lothringen die Wirkung des Frankfurter Vertrages voll anerkenne, könne das Land nicht hoffen, den anderen deutschen Staaten gleichgestellt zu werden.
— Der Staatsanz. bringt folgende bemerkenswerte Reminiszenz: Herr Eugen Richter hielt im Mai 1877, als zum erstenmal in Berlin ein Sozialdemokrat gewählt worden war, vor der Nachwahl eine Rede, in welcher er sagte: „Meine Herren! Lassen Sie uns den Kampf der Fortschrittspartei mit den anderen politischen Parteien nach Rechts hin immer als Nebensache betrachten, und verweisen wir unsere Freunde, wie andere politische Parteien, darauf, daß es unsere Hauptaufgabe ist, den uns allen gemeinsamen Gegner, die Sozialdemokratie zu besiegen. (Bravo!) Darum sage ich, alles, was durch Bildung, alles, was durch seine Stellung im Leben, durch sein öffentliches Vertrauen, durch seinen Beruf Einfluß hat in diesem Wahlkreis, das möge jetzt diesen Einfluß erproben, um eine Wahl durchzusetzen , die das Gegenteil ist von demjenigen, was die Rohheit, die Unwissenheit und blinde Leidenschaft vertritt. Meine Herren! Im Namen der parlamentarischen Partei glaube ich Ihnen unseren Standpunkt hiermit klargelegt zu haben. Wir haben unsere Schuldigkeit gethan, jetzt ist es an Ihnen, meine Herren, Ihre Schuldigkeit zu thun!" (Lebhafter Beifall.) So Herr E. Richter 1877! Jetzt geht Herr Richter mit Bebel-Hasenclever durch Dick und Dünn.
Frankreich.
Lyon, 9. Febr. Gestern abend platzten hinter dem Justizpalast "zwei gegen das Gitter des benachbarten Polizeikommissariats geschleuderte Bomben. Der Polizeikommissar und zwei Polizisten, welche nach der Explosion der ersten Bombe aus dem Hause eilten, wurden durch die zweite leicht verwundet. Es wurden acht Verhaftungen vorgenommen.
Bulgarien.
— Wie die „N. Pr. Ztg." erfährt, ist es nicht unwahrscheinlich', daß General v. Kaulbars binnen Kurzem nach Bulgarien zurückkehrt, und zwar dürfte er das keineswegs so ungern thun, als man nach dem negativen Ergebnis seines Herbstaufenthalts daselbst annehmen sollte.
Er scheint dieses „negative Ergebnis" lediglich mangelnder Unterstützung zuzuschreiben und ist, wie man sagt, der Meinung, daß die Ausweisung von sechs uud die zeitweilige Gefangennahme von zwölf Personen in Sofia genügen würde, um die öffentliche Meinung des Landes in russische Bahnen zu lenken. Eine bewaffnete Besetzung tauge seiner Meinung nach, zu diesem Zwecke nicht.
^ Hlcrges-WeurgkeiLerr.
Calw, 10. Febr. Den hiesigen Einwohnern können wir die sehr erfreuliche Mitteilung machen, daß Seine Kön. Hoheit der Prinz Wilhelm im Vollmachtsnamen Seiner Majestät des Königs die Einrichtung einer Telegraphenanstalt mit Morse-Betrieb bei dem K. Postamt Calw in Folge einer von dem hiesigen Gemeinderat gestellten Bitte gnädigst genehmigt haben. Die Verlegung des Telegraphenbureaus von dem Bahnhof in das in der Milte der Stadt gelegene Postgebäude ist ein großer Gewinn, für welchen die hiesige Einwohnerschaft sehr dankbar ist.
Gechingen. Die Einführung der Polland.China-Schweine verdanken wir der Unterstützung von Seiten des landw. Vereins und erlaubt sich der Einsender dieß die Landwirte auf diese vortreffliche Rasse aufmerksam zu machen. Ein wolliger unscheinbarer Ferkel wurde im vorigen Jahre von der Reinzucht des Kaufmanns Schüz in Weilderstadt angeschafft, der zusehends gedieh. Als die ersten Nachkommen von ihm zu Markt gebracht wurden, konnten die Eigentümer nicht oder nur wohlfeil verkaufen, weil die dichte Behaarung der Kleinen auf den Nichtkenner den Eindruck machten, als seien sie zu „dickhaarig", welche nicht gerne gekauft werden. Die meisten mußten hierorts abgesetzt werden, jedoch nicht zum Schaden der Eigentümer, denn die Tiere gediehen vortrefflich und wurden einzelne Exemplare mit 16 Wochen im Gewicht von 160 Pfd. an den Metzger verkauft. Dies änderte das anfängliche Vorurteil und bereits kommen Bestellungen von auswärts hier ein, die wieder von dieser Kreuzung ihren Bedarf befriedigt wünschen. Die geeignetste Kreuzung ist wohl mit einem möglichst lang gestreckten Mutterschwein und ergiebt sich dann ein Produkt, das allen Anforderungen entspricht, namentlich was den Widerstand gegen Rotlauf, ihre Mastfähigkeit und zarten Körperbau betrifft. Schweinebesitzer find eingeladen, sich selbst hievon zu überzeugen und wäre die allgemeine Verbreitung dieser Rasse sehr im Interesse des Bezirks. 2.
Stuttgart, 10. Febr. Gestern mittag zwischen 11 und 12 Uhr ist Herr Tierarzt Eberhardt dadurch verunglückt, daß seine Pferde in der Bahnhofstraße an einem Straßenbahnwagen scheuten und mit dem Gefährt seitwärts rannten, wodurch zuerst der Kutscher aus dem Gefährt geschleudert wurde und einen Arm brach. Es gelang Herrn Eberhardt, der die Zügel ergreifen wollte, nicht mehr, die Pferde zum Stehen zu bringen» sie rannten auf und davor, wobei Herr Eberhardt herausgeschleudert wurde und bei dem Sturz tätliche Verletzungen erhielt. Bewußtlos wurde er in eine benachbarte Wohnung verbracht, woselbst er nach einer Stunde den Geist aufgab. Die Teilnahme an diesem Unglück ist eine allgemeine. Herr Eberhardt war ein vortrefflicher Charakter, um seiner Gefälligkeit willen beliebt und um seiner Tüchtigkeit willen hochgeschätzt.
— Kandidaten der Volkspartei. In Württemberg sind folgende Kandidaten ausgestellt: 1. Wahlkreis: Sigm. Schott; 3. Gg. Härle; 6. Fr. Payer; 9. Konrad Haußmann; 10. Ingenieur Gabler; 11. Hofrat Bühl er; 12. Karl Mayer. In Baden: Mannheim-Schwetzingen: Rechtsanwalt K o h n ; Karlsruhe-Bruchsal: Franz Lipp; Pforzheim-Durlach: Adolf Dillinger. In Bayern: Ansbach- Schwabach: Adolf Gröber; in Würzburg: Privatdozent Neudecker; in Bamberg: Gemeinderat Ultsch; in Fürth-Erlangen: Rechtsanwalt Heigl; in Neustadt-Kissingen: Lehrer Horbelt; in Kaiserslautern-Kirchheimbolanden:
Was wollen Sie haben für die unächten Steine?
Aber mein Herr!
Werd' ich Ihnen geben 120 Thaler!
Herr sind Sie verrückt?
Bin ich verrückt, werd' ich geben 130 Thaler, sagte Salomon Neuburger und zwinkerte dem händereibenden Nickelberger verständlich mit den Augen zu.
Herr begreifen Sie denn nicht, rief Fuchs, ich sage Ihnen doch, die Steine find nicht acht!
Nun, lächelte Herr Neuburger verschmitzt, was thut's wenn ich nun geben will 140 Thaler? Ich bin mal ein Freund von solchen unächten Sächelchen!
Machen Sie doch dem braven Mann das Vergnügen! bat Nickelberger, dessen Augen glänzten, als er von 140 Thalern hörte, und rieb sich leidenschaftlich die Hände.
Fuchs antwortete nicht. —
Ah, ich verstehe, sprach Neuburger, es ist Ihnen nicht genug. Gut, hören Sie mein letztes Wort — 150 Thaler — na, soll ich's dafür haben? — Mehr kann ich nicht geben — bei Gott nicht!
Der Kerl ist toll, flüsterte Fuchs seinem Vetter zu, die Nadel ist keine 5 Thaler wert. Soll ich zuschlagen.
Hahn, dem die ganze Geschichte nicht geheuer erschien, zuckte schweigend die Achseln.
Der kluge Sohn Israels hatte die Brieftasche herausgenommen und das Geld in Kassenscheinen aus den Tisch gelegt.
Er kannte seine Pappenheimer und hatte richtig gerechnet. Der längst entwöhnte Anblick des „Mooses" wirke mächtig auf den mammondürstenden Studio. Ihm war ungefähr wie dem Fisch, den der Fischer eine Weile in dein Netz über das Wasser gehalten und dem es im rechten Augenblick noch gelingt, in das nasse Element zurückzuspringen.
Fuchs sah sich die Tresorscheine an — sie lockten unwiderstehlich.
Meinetweger, sagte er entschlossen, hier ist die Nadel, doch unter einer Bedingung! Sie bezeugen mir jederzeit sämtlich, daß ich die Steine beim Verkauf für unächt erklärt habe.
Gewiß! lächelte vergnügt Herr Neuburger, nahm die Radel und überlieferte das Geld. Wenn Sie wieder so'n Geschäftchen haben sollten, steht Salomon Neuburger stets zu Diensten.
Und er empfahl sich.
Herr Nickelberger aber war die Liebenswürdigkeit selbst. Er strich seine 55 Thaler ein und meinte, wenn die Herren einen Monat pränumerando bezahlen wollten, käme es ihm nicht daraus an, das Geld anzunehmen.
Als dies jedoch entschieden abgelehnt wurde, rieb er sich krampfhaft die Hände, lächelte wie immer höchst freundlich und ging äußerst zufrieden mit dem Erfolg seiner energischen Bemühungen, zu seinem Gelde zu gelangen, weg.
Herr Nickelberger hatte sein Ziel abermals ohne gerichtliche Klage, Pfändung und Exmission erreicht, was ihm durchaus nicht unlieb war. Er hatte nicht gerne mit den Herren vom Gericht zu thun.
* ch *
Als gegen 10 Uhr aber Keppel, der Wichsier erschien, war er sehr erstaunt, als ihm Herr Nickelberger unten an der Thür einen freundlichen guten Morgen bot.
Die oben hatten also berappt — das Geldschiff war angekommen, soviel war dem Wichsier klar. Er war schlau, kannte Welt und Menschen und wußte ganz genau- daß das Gesicht des Zimmerrinaldini's anders aussähe, wenn er nicht Moos besehen hätte.
Lon! dachte er und stieg hinauf!
Keppel's Gedanken drückten sich immer in dem Wörtchen Lou! aus. Es war die einzige Kenntnis, die er von der französischen Sprache hatte, aber er war bis jetzt immer damit ausgekommen.
Er traf die Beiden nicht gerade in heiterster Stimmung. Das machte ihn wieder stutzig. Sollte das Schiff nicht angekommen sein?
(Fortsetzung folgt.)