früher dem Hause angehörte. Nach der Vornahme der Wahlen rc., die etwa zehn Tage in Anspruch nehmen, soll der Landtag sich bis Mitte, resp Ende Februar vertagen. Bon da ab wird seine Tätig­keit etwa bis in den Juni hinein dauern. WaS die Hauptwahlen anbelangt, so ist nicht zu bezweifeln, daß der der Landespartei angehörende Herr v. Hohl wieder zum Präsidenten und der deutschparteiliche Herr v. Göz zum Vizepräsidenten der Zweiten Kam­mer gewählt wird. Zum Vizepräsidenten der ersten Kammer wird voraussichtlich wieder der Fürst von Hohenlohe-Langenburg gewählt. Zum Präsidenten derselben hat Seine Majestät der König bekanntlich wiederum den Fürsten von Waldburg-Zeil ernannt.

Stuttgart, 10. Jan. Die heutige Thronrede ist wesentlich umfangreicher ausgefallen, als die früh­eren, und bietet auch inhaltlich viel Wichtiges und Bedeutendes dar. Diese eingehende Behandlung aller das Land berührenden Fragen zeigt, daß der König und seine Regierung allen Zweigen der Ver­waltung und des öffentlichen Lebens große Auf- merksamkeit entgegen bringen. Unter diesem Ge­sichtspunkt hat die Rede einen günstigen Eindruck gemacht, wenn auch die Bemerkungen über die all- gemeine Finanzlage nicht besonders rosig lauten. . . . Befriedigt hat insbesondere, daß die Regierung eine Reihe von Gesetzentwürfen in Aussicht stellt, auf welche man große Hoffnungen für die Ent­wickelung von Handel, Industrie und Landwirtschaft setzt. Hierbei ist vornehmlich die Regelung des landwirschaftlichen Nachbarrechts und die Verwertung der Wasserkräfte von Wichtigkeit. Durch die Ver­kündigung des Gesetzes btr. die Pensionierung lebens­länglicher Gemeindebeamter zeigt die Regierung, daß sie gewissen Mißständen auf diesem Gebiete ein Ende machen will. In den weinbautreibenden Gegenden wird man besonders erfreut sein über die einzubrin­genden Gesetze betr. die Steuerbefreiung neubestockter Weinberge und die Besteuerung der Kunstweinfabri­kation. Wenn auch die Eisenbahnerträgniffe als keineswegs günstig geschildert werden, so scheint doch die Regierung den Bau neuer Nebenbahnen keines­wegs ganz außer Augen lassen zu wollen. Schließ­lich ist auch noch, wie schon in mehreren Thronreden, die Einleitung der Verfassungsrevision in Aussicht gestellt worden und es deuten verschiedene Anzeichen darauf hin, daß diese sich schon so lange hinziehende Angelegenheit noch in dem Landtag zum Abschluß kommen wird. Für morgen hat der Alterspräsident Dentler die Präsidentenwahl in der zweiten Kammer angesetzt, desgleichen die Wahl der Schriftführer. Auch die Legitimation der neu eingetretenen Hart- man und Commerell soll zur Sprache kommen.

Stuttgart, 10. Jan. Die israelitische Ein­wohnerschaft der Stadt Ulm hatte vor einiger Zeit eine Eingabe an das Justizministerium gemacht, worin um Schutz gegen die Beschimpfungen in der UlmerSchnellpost" ersucht wurde. Diese Eingabe ist jedoch in den letzten Tagen abschlägig beschieden worden, da sich das kgl. Ministerium nach Lage der Sache nicht zu außerordentlichen Maßregeln bezw. Weisungen an die Staatsanwaltschaft Ulm veran­laßt sehe.

Stuttgart, 11. Jan. Außer dem Abgeordne­ten Bueble-Tettnang hat nun auch der Abg. Probst- Biberach seinen Austritt aus der Fraktion der Linken erklärt.

Eingabe der Volksschullehrer. Nachdem der württ. Volksschullehrerverein schon vor einiger Zeit eine Eingabe um Revision des Volksschulge­setzes an die K. Regierung hatte abgehen lassen, wird auch der katholische Volksschulleyrerverein in den nächsten Tagen ein Bittgesuch zu gleichem Zwecke der Kgl. Regierung einreichen. Die letztere Eingabe wirb sich im wesentlichen an jene der evangelischen Kollegen anschließcn, will jedoch den konfessionellen Charakier der Volksschule und der Oberschulbehörde in der bisherigen Weise gewahrt wissen.

Sigmariugen, 10. Jan. Heute vormittag von 10 bis 12 Uhr fand Gratulationskour bei dem Brautpaar, sowie der Empfang vieler Deputationen stall. Um 12'/, Uhr war Dejeuner für die fürst­liche Familie und Marschallstafel, um 2 Uhr voll­zog der Minister des königl. Hauses, v. Wedel, den Akt der Ziviltrauung in Gegenwart der Eltern des hohen Paares, des Kaisers, des Königs Karl und des rumänischen Ministerpräsidenten. Die Trau­ung fand heute nachmittag 4 Uhr in der katholischen

Kirche in Anwesenheit des Kaisers und der fürst­lichen Gäste statt. Den Trauakt vollzog der Orts­pfarrer. Die Weiherede hielt Erzabt Placidus vom Kloster Beuron. Der Kaiser verlieh dem Prinzen Ferdinand, dem Thronfolger von Rumänien, den Schwarzen Adlerorden und ernannte den Herzog von Edinburg zum Admiral.

Sigmaringen, 11. Jan. Bei dem Galadiner brachte der Fürst von Hohenzollern den ersten Toast aus und dankte dem Kaiser, der als erster Chef des Hauses Hohenzollern der Feier durch sein Er­scheinen die höchste Weihe verliehen habe; er dankte sodann den Vertretern der Königin von England und des Kaisers von Rußland und allen Repräsen- tanten und brachte sein Hoch dem Kaiser und den übrigen hochfürstlichen Vertretern. König Karl be­tonte. daß das Volk von Rumänien diesen Tag freudigst begehe, als Dolmetscher des Herzens und der Gefühle seines Volkes lasse er das Brautpaar hochleben.

Würzburg, 11. Jan. Gestern abend ist der größte Teil des Schullehrerseminars ein Raub der Flammen geworden. Die Orgeln, der Musiksaal, die Direktorwohnung und die Hauskapelle sind ver­loren. 100 obdachlose Seminaristen, welche in den Hotels untergebracht wurden, sind heute früh in die Heimat entlassen worden. Ein Neubau muß errich­tet werden. Ein Dienstmädchen wird vermißt.

Straßburg, 11. Jan. Der Kaiser traf heute kurz nach Mittag hier ein und ließ die Garnison alarmieren.

DieKölnische Zeitung" bringt einen Artikel betitelt:Der Druck der Militärausgaben." Derselbe giebt eine vergleichende Uebersicht der Lasten der einzelnen Länder. Unter anderem betragen da­nach die Kosten der Landesverteidigung für Armee und Marine zusammen im Jahr 1892/93: in Eng­land 36,9, Rußland 28,7, Frankreich 27,1, Italien

22.4, Deutsches Reich 17,8, Oesterreich-Ungarn 17,6 pCt. des Gesamtbudgets. Die Ausgaben für Ver­zinsung, Tilgung rc. der Staatsschuld erforderte in Italien 43,8, Oesterreich-Ungarn 29,3, Frankreich

23.4, England 27,9 Rußland 25,7, Deutsches Reich 12,9 pCt. des Gesamtbudgets. Deutschlands günstige Stellung sei umso bemerkenswerter, weil die Schul­den für den Eisenbahnkauf und für andere Anlagen, welche Einnahmen bringe» und eigentlich nicht im Budget zu erscheinen brauchten, nicht ausgeschieden sind. Die Kosten der Landesverteidigung betragen pro 1882/93 pro Kopf der Bevölkerung: in Frank­reich 21,1, in England 17,4, im Deutschen Reiche 13,9, in Italien 9 und in Oesterreich-Ungarn 7,6 Die Steuern pro Kopf betragen: in Frankreich 58,l, in England 39, in Italien 32,3, in Oesterreich-Un­garn 28,2 und im Deutschen Reiche 20,6 Das Ergebnis der Darstellung sei daher, daß der Steuer­druck im ganzen Deutschen Reiche der geringste und die Schuldenstatistik die günstigste ist. Die Behaup­tung sei unrichtig, daß das Deutsche Reich an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit angelangt sei. Möge man gegen die Militärvorlage welche Gründe immer anführen, diese müsse ausgeschieden werden. Wenn die neu geforderten Millionen zu Unrecht abgelehnt würden, so sei die Gefahr vorhanden, daß die bis­her für die Landesverteidigung auch bei uns aus­gegebenen Milliarden vergebens vergeudet wurden.

Der Schwindel mit den Welfenfond-Quittun- gen. Die Reichsregierung kommt dem mehrfach ge­äußerten Wunsche nach einer autoritativen Kund­gebung , in Sachen der angeblichen Welfenfond- Quittungen, jetzt nach, indem der Reichsanzeiger eine Reihe darauf bezüglicher Schriftstücke publiziert, aus welchen hervorgeht, daß Quittungsformulare der bezeichneten Art niemals existiert haben.

Mit der Gründung einer neuen deutschen poli­tischen Partei soll es nun wirklich Ernst werden. Wie der Voss. Ztg. mitgeteilt wird, steht die Grün­dung der neuen Nationalpartei unmittelbar bevor. Sie soll in den nächsten Tagen in Berlin statt- sinden.

Hochbedauerlich ist es, daß die Bergarbeiterbe­wegung nun auch zu Gewaltakten Anlaß giebt. Nach­dem am Samstag Abend schon auf dem Bahnhofe Castrop versucht war, einen Eisenbahnzug durch eine Dynamitpatrone zum Entgleisen zu bringen, wobei glücklicherweise Menschen nicht verletzt worden sind, ist nun auch ein Attentat gegen zwei Hotels in Gelsenkirchen versucht, vor denen Dynamitpa­

tronen zur Explosion gebracht wurden. Mensche» sind auch hier nicht beschädigt, doch haben die Häu­ser arg gelitten. Selbstverständlich können solche Streiche in der Bevölkerung keine Sympathie für die Bergleute erwecken, und sie müssen die Behörden nur zu energische» Maßregeln veranlassen.

Berlin, 10. Jan. Redakteur Mayer von der Kreuzzeitung" wurde heute früh aus dem Wege seiner Wohnung nach der Redaktion von dem ihm feindlich gesinnten Journalisten Dr. Berendt mit einem Revolver überfallen. Berendt feuerte auf Mayer sechs Schüsse ab. welche sämtlich trafen. Der Angefallene ist leicht verletzt. Berendt wurde wegen Mordversuch verhaftet.

Deutscher Reichstag. Der Reichstag, welcher eben­falls seine Sitzungen am Dienstag wieder aufnahm, beriet die neue Brausteuervorlage. Staatssekretär v. Maltzahn legt dar, daß die Kosten der Militärvorlagc nur durch Eröffnung neuer Einnahmequellen zu decken seien! Redner bestritt unter Hinweis auf Bayern, wo die Brausteuer noch viel höher sei, daß durch diese Vorlage daS Bier verteuert würde. Abg. Goldschmidt (freis.) bekämpft die Vorlage und betont, daß dieselbe dem Brauereigewerbe verderbenbringend sein werde. Auch in Bayern sei nach der letzten Brausteuererhöhung der Bierkonsum zurückgegangcn. Der bayerische Finanzminister erwidert dem Abg. Goldschmidt, daß seine Angaben unzutref­fend seien. Der Bierkonsum sei in Bayern nicht geringer, da­gegen das Bier besser geworden. Abg. Hug (Ctr.) wünscht Ablehnung der Vorlage, während Abg. Kamp (freikons.) min­destens eine weitgehende Abänderung für nötig erachtete. Abg. Rösickc (natlib.) bezeichnet die Vorlage als unheilvoll für die kleineren Brauereien und erbat deren Ablehnung. Darauf wird die Wciterberatung vertagt.

Berlin, 1l. Jan. Das Defizit des preußi- scheu Etats beläuft sich angeblich auf 53 Millionen Mark.

DieUnteroffizier-Ztg." schreibt gelegentlich der Besprechung eines Buches folgendes:Ja, leset es, Ihr Unteroffiziere, der geringe Preis ermöglicht die Anschaffung. Leset es und teilt daraus auf der Wache, auf den Korporalschaftsstuben Euren Leuten mit, denn Ihr seid und müßt es in der heutigen Zeit sein die eigentlichen Lehrer der heutigen Jugend! Wahrhaft erschreckend ist es, wie auf Schu­len so gar nicht für die Vaterlandsliebe gesorgt und für die Verehrung gegen unser erhabenes Kaiserhaus gewirkt wird. Kaum drei oder vier unter den neu eintretenden Rekruten haben eine Ahnung von der glorreichen Geschichte der Hohenzollern. deren Na­men den Meisten noch fremd sind! Da ist es unsere Pflicht, das Versäumte nachzuholen und die Liebe zum Königshause in der Soldaten Herzen hinein- zupflanzeu, damit sie die Wahrheit kennen lernen und nach ihrer Entlassung dem Gifte der Demokra­ten entgegenarbeiten können, welche Ordnung, Ge­sittung. Religion und Wohlfahrt untergräbt." Wer das geschrieben hat, scheint aus seiner eigenen Schulzeit recht wenig behalten zu haben! Für die würktemvergischen Schulen muß der oben erhobene Vorwurf scharf zurückgewiesen werden.

Berliu, 12. Jan. In der heutigen ersten Sitzung der Militärkommission des Reichstags er- örterte der Reichskanzler in 2stündiger Rede ein­gehend die politische Lage, Feindseligkeiten bestünden weder zwischen den Monarchen noch zwischen den Regierungen. Der Reichskanzler vergleicht die Mili- tärmacht Deutschlands mit derjenigen Frankreichs und Rußlands. Erfahrungsgemäß sei für Deutsch­land die Offensive geboten, diese erfordere eine stär­kere Aktion Deutschlands, welches den Hauptstoß der Gegner des Dreibundes vornehmlich auszuhalteu haben werde. Die bisherigen Streitmittel genügen nicht mehr. Die verbündeten Regierungen konnten daher die Verantwortung mit der bisherigen Rüstung nicht übernehmen. Nach demSchw. Merk." hätte der Reichskanzler hinzugefügt: Ein Defensivkrieg müßte im eigenen Land geführt werden; der Schutz Süddeutschlands wäre dabei unmöglich.

Schwei).

Die großen französischen Firmen, die rege Geschäftsbeziehungen mit der Schweiz unterhalten, erklärten in einem Zirkular, daß sie seit dem 1. Jan. gütigen Zölle nach der Schweiz selbst tragen wollen.

Besterreich-Ungarn.

Linz, 12. Jan. Unter den Arbeitern einer Gasfabrik ist die Genickstarre aufgetreten; drei Per­sonen sind ihr bereits erlegen.

Frankreich.

Paris, 11. Jan. Die Erklärungen von Lesseps, daß Minister, Deputierte, Senatoren und Männer der Hochfinanz wie gemeine Wegelagerer ungeniert jPanamagelder erpreßt, daß Baihaut als Minister