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Gages-Weuigksiten.
— (Amtliches.) Im Vollmachtsnamen Seiner Majestät des Königs haben Seine Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm am 10. Januar d. I. auf die erledigte Postmeistersstelle in Nagold den Postsekretär Ziegler in Calw gnädigst befördert.
Nagold, 9. Jan. Heute hielt Herr Dekan Kemmler vor zahl- reich versammelter Gemeinde die Abschiedsrede. Derselbe bezieht am Mittwoch seine neue Stelle in Herrenberg. Sein Wegzug wird allgemein bedauert. Heute brachten ihm der Seminar- und der Kirchenchor ein Abendständchen; morgen findet in der Post ein Bankett statt. — Bei gegenwärtiger harter Jahreszeit verdient die vom hiesigen Seminar geübte planmäßige Fütterung der Singvögel gewiß Nachahmung. Oberlehrer Schwarzmayer läßt sich Abfälle und Unkrautsamen liefern, welche dann von Seminaristen an verschiedenen günstigen Plätzen ausgestreut werden. — Die Schlittenbahn ist ausgezeichnet und wird sehr häufig benützt; letzten Sonntag waren 13 Schlitten mit Musik in Pfalzgrafenweiler. N. Tgbl.
Stuttgart, 10. Jan. Ministerpräsident v. Mittnacht ist heute nach Berlin abgereist, um an den Verhandlungen des Bundesrates teilzunehmen. — Die verstorbene Prinzessin Marie von Württemberg vermachte dem Prinzen Wilhelm von Württemberg ihr Palais samt einer Million, die Prinzessin Charlotte erhält einen sehr wertvollen Schmuck (Erbteil der Königin Katharina), die Familie des Prinzen von Weimar etwa 300,000 v-L nebst einem zweiten Schmuck und Herzog Alexander von Oldenburg zwei Millionen Mark. Verschiedene wohlthätige Anstalten sind mit 1,200,000 bedacht. Fr. I.
Stuttgart, 11. Jan. Seit heute ist der obere Anlagensee, nachdem er mit dem frühesten Morgen wiederum gekehrt worden, den bei Hof angestellten Personen geöffnet. Auf der weiten Fläche ist nur eine kleine Stelle, die so lange als möglich für die Enten und Schwäne offen gehalten worden war, nunmehr zur Warnung mit Stangen und Tannenreisern eingefaßt worden. — Aus dem Feuersee wogte gestern den ganzen Tag über eine sich fröhlich tummelnde Menschenmenge. Die Eisbahn ist auch heute (Dienstag) wieder seit vormittags 9 Uhr geöffnet.
Tübingen, 5. Jan. In den letzten Tagen ist aus der Mitte der Bonner Studentengesellschaft ein Aufruf ergangen „an die Studenten der evangelischen Theologie in Deutschland zu einer Petition an den Reichstag in Sachen der Dispensation der Theologen von der allgemeinen Wehrpflicht." Der Wortlaut des Ausrufs wurde an sämtliche Universitäten Deutschlands versandt und überall die Anregung zur Sammlung von Unterschriften für folgende Petition gegeben: „Der hohe Reichstag des Deutschen Reichs wolle hochgeneiglest dahin wirken, daß das einstimmig verlangte Recht auf Teilnahme an der allgemeinen Wehrpflicht den Studenten der evangelischen Theologie bewahrt bleibe. Der Aufruf begründet in sehr ausführlicher Weise diese Petition und macht unter anderem geltend, es handle sich darum, Elemente fernzuhalten, die aus verwerflichen Gründen kommen. Notwendigerweise werde der Feigheit, Trägheit und bloß materiellen Rücksicht eine bequeme und sichere Zuflucht unter den Theologen bereitet, wenn ihnen die allgemeine Wehrpflicht genommen werde. Heute fand um 1 Uhr mittags eine Versammlung sämtlicher Studenten der Theologie zu Tübingen statt, von welcher Inhalt und Wortlaut der von den Bonnern vorgeschlagenen Petition gutgeheißen und die Sammlung der Unterschriften einstimmig beschlossen wurde.
Neckargröningen, 7. Jan. Heute hielt die Jagdgesellschaft der Offiziere der Garnison Luvwigsburg mit Gästen auf hiesiger Markung und einem Teil der Markungen Aldingen und Oßweil eine große Treibjagd. Etwa 60 Treiber brachten die Opfer in Schußnähe. Es wurden 251 Stück Hasen geschossen. Die Jagdgesellschaft nahm im Freien ein einfaches, mär- irrendes Mäht ein und auch die Treiber wurden bewirtet. In der letzten Zeit war bei Meister Lampe der Hunger scheinis größer als seine Furcht
samkeit, denn er kam nicht selten in größerer Gesellschaft in unsere Gemüsegärtchen , um sich karge Kost zu holen. Die Rinde der vom Schnee abgefallenen Aeste ist fast durchgehends von den hungrigen Nagern abgenagt worden.
Hemmingen, 8. Jan. Wie auch in weiteren Kreisen unseres Schwabenlandes bekannt ist, gibt es zwischen Hemmingen und Hochdorf einen vielgenannten Punkt, welcher durch eine Naturseltenheit bemerkenswert ist, genannt „zu den sieben Buchen". Es sind dies wirklich sieben aus einer Wurzel entsproßte. kerzengerade und fast mannsdicke, gleich hohe Buchen, die wie sieben Riesen in dichter Reihe beieinander stehen und an keiner Stelle eine Lücke lassen. Leider hat ein sonst so unschuldig um sich Schauender dieses Rund durchbrochen. Dies war kein anderer, als der gewaltige Schnee, der durch seine Schwere eine der 7 Buchen
aus dem Kreise drückte. Eigentümlich ist der Eindruck, den nun die 6 noch
stehenden machen; fast glaubt man, ihnen eine Trauer um die Langverbündete anzusehen. Ob wohl nun auch der Bann gebrochen sein wird, den die Sage an jene Waldecke knüpft, welche die 7 Buchen bilden? Allabendlich soll dort ein Ritter erscheinen in Panzer und Harnisch um das Burgfräulein zu treffen, das ihn lange dort vergebens erwartete.
Weinsberg, 10. Jan. Gegenwärtig macht ein Weinsberger Kind viel von sich reden. Ein hiesiges Mädchen wandelte vor einigen Jahren
nach Amerika aus, um dort als Dienstmagd ihr Brot zu verdienen. Es
wollte ihr nicht recht glücken, da sie sehr rasch in die Höhe gewachsen, etwas schwerfällig und unbehilflich war. Da machte man ihr eines Tages den Vorschlag, sich als Riesendame in BarnumS Museum aufnehmen zu lassen. Sie ging darauf ein und war bald eine beliebte Sehenswürdigkeit, die von den neugierigen Amerikanern hoch angestaunt wurde. Sie verheiratete sich später standesgemäß mit einem irischen Riesen O'Brien, der in demselben Museum sich befand. Mit diesem lebt sie in glücklicher Ehe als Mutter eines Kindes, welches der Eltern würdig sein soll. Sie befindet sich gegenwärtig in London.
Bietigheim, 8. Jan. In der vergangenen Nacht kurz vor 2 Uhr ertönten die Feuerzeichen und die Rathausglocke rief unsere Feuerwehr zu Hilfe. Schnell sammelte sich die Feuerwehr und eilte in das nur Vs Stunde entfernte Nachbarort Metterzimmern, wo ein Brand ausgebrochen war, der mitten im Dorf ein Doppelhaus in Asche legte. Es bedurfte großer Anstrengung, das Feuer zu bewältigen und auf seinen Herd zu beschränken, da ganz nahe an dem vom Feuer zerstörten Hause ein Holzschuppen, eine mit Heu gefüllte Scheune, sowie Wohnhäuser stehen. Das Haus brannte von 1 Uhr bis 6 Uhr morgens. Ein günstiger Umstand war, daß Windstille herrschte, und daß noch Schnee, auf den Dächern lag. Die Ursache der Entstehung des Brandes ist unbekannt.
Ebingen, 5. Jan. Der strenge Winter, den uns die zweite Dezemberhälfte gebracht, beginnt bereits merklichen Einfluß auf unsere Trikot- und Winterwarengeschäfte auszuüben. Die Nachfragen mehren sich täglich und manche Vorräte, die man nach dem „saisonwidrig" milden Oktober und November schon für kommenden Herbst festgelegt glaubte, finden jetzt noch den Weg zur Kundschaft. Wenn der gestrenge Patron, der sich namentlich seit Neujahr ziemlich rauh geberdet, das Regiment noch eine Zeitlang weiter behauptet, so werden diese Industriezweige keine Ursache haben, damit unzufrieden zu sein. — Von den Samt- und Manchesterfabrikaten läßt sich gleich Günstiges auch heute nicht sagen; es scheint darin vielmehr fast ein förmlicher Stillstand eingetreten zu sein, so daß der Geschäftsgang in diesem Zweig, in welchem periodische Stockungen wie plötzlicher Aufschwung gerade keine ungewohnten Erscheinungen sind, seit langen Jahren nicht so anhaltend und tief flau war wie diesen Winter; die bedeutendste Firma des Platzes z. B. läßt glaubhafter Versicherung zufolge hauptsächlich nur aus Rücksicht für ihr zahlreiches Personal noch ziemlich uneingeschränkt fortarbeilen. Bei den sonstigen namhafteren Industriezweigen hat sich dagegen das neue Jahr nicht übel angelaffen; bei einzelnen macht sich in letzter Zeit wieder eine erfreuliche Steigerung der Ausfuhr, insbesondere nach Nordamerika, bemerklich. Auch den Lokalgewerben fehlt es nicht an Beschäftigung.
that die Dienste einer Kammerfrau, nachdem bis jetzt drei oder vier Domestiken meinen eigenen Hofstaat ausgemacht hatten, ich wählte Farben und Stoffe für Andere. Ich erlebte es, daß mir Geldgeschenke angeboten wurden. Was ich litt, das mag dem gereiften, denkenden Menschen, der schon wirkliches Unglück kennen lernte, als ein Nichts erscheinen, aber — was wußte ich danials von anderem als nur den äußeren Freuden des Daseins? Was wußte ich, durch einen verblendeten Vater mißgeleitetes, völlig unreifes Kind von anderem als nur meiner Abhängigkeit entspringendem Kummer? — das moralische Elend, in welchem ich dahinlebte, war grenzenlos.
Selbstverständlich erfolgte bereits am ersten Quartalstage die Kündigung eines so vollständig unbrauchbaren Dienstboten, wie ich es war. Der Vormund schrieb mir einen sehr ärgerlichen, mit Zwangsmaßregeln drohenden Brief — ich wußte, daß wieder ein anderes Haus mich aufnehmen, wieder andere Leiden mir bevorstehen würden, aber es ließ mich jetzt schon Alles gleichgültig. Kleine Nadelstiche, um meinen Ouülerinnen freigebig zu vergelten, standen mir immer zu Gebote. Ich übte mich in der Erfindung neuer Malicen, ich verlor mehr und immer mehr jenen inneren sittlichen Halt, den vielleicht bei besseren Charaktern gerade das Unglück verleiht und befestigt, aber ich war noch nicht gefallen, es gab keine Stunde, in deren Andenken ich hätte erröten müssen. Da erschien Viktor. Er war erst kürzlich nach Wien gekommen, trug einen altadeligen Namen, wußte sich durch sein gefälliges Aeußere und und durch tadellos elegante Manieren überall bei der guten Gesellschaft einzuführen und galt bald als der beliebteste Gast jenes Hauses, in welchem ich lebte. Nicht umsonst sogar! Die ältere, ziemlich unbedeutende und keineswegs schöne Tochter der Gräfin begann den Fremden ihrer besonderen Gunst zu würdigen; ich erfuhr, daß sie sich bei der ersten Vorstellung schon auf das Leidenschaftlichste verliebt hatte und daß es schien, als teile der interessante Kavalier trotz ihres wenig gewinnenden Aeußercn diese Neigung. Ich sah ihn täglich in's Haus kommen. Comtesse Amalie sang und spielte mit ihm, sie ritt an seiner Seite durch den Prater, ja es war schon von einer Herbstreise durch Italien die Rede, einer Tour, bei welcher auch er nicht fehlen durfte
— Grund genug für mich, dies werdende, knospende Glück aus reiner Lust am Bösen, aus Rachsucht gegen die, welche meine Herrin war, mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln zu Hintertreiben. Ich bildete mir, ohne bis jetzt den Fremden mit anderen als den gleichgültigsten Blicken zu betrachten, doch einen Plan, durch dessen consequente Befolgung ich das Paar zu trennen hoffte, und der mich auch wirklich den Erfolg gar bald erkennen ließ.
Die junge Frau fuhr in ihren Bekenntnissen fort:
War Herr von Holling zugegen, so sah er gewiß bei jeder Gelegenheit neben seiner kleinen, blonden, ein wenig von Sommersprossen geplagten Comtesse mich selbst in sorgfältig gewähltem Anzuge und mit der kühl vornehmen Haltung, die ich ihm gegenüber weniger als sonst irgendwo zu bewahren vermochte. Hatte sie mit ihrer schwächlichen Stimme am Piano gesungen, dann hörte er bald darauf dieselbe Komposition von mir, ja, ich wußte sogar unter der Hand ein Reitkleid zu erreichen und tummelte einst auf dem Schloßhofe einen prachtvollen Schimmel, den der Stallmeister für die Komtesse dressierte, und den sie selbst noch nicht zu besteigen gewagt hatte — natürlich gerade dann, als Herr von Holling zufällig oben im Salon am Fenster stand.
„Kein Blick von mir flog zu ihm hinauf, ich fühlte nichts, als das prickelnde Vergnügen, denen im Schloß die verwegene, lang geschulte Reiterin zu zeigen, ich wollte brillieren und wußte, daß es mir gelingen müsse. Gerade der beispiellose Zorn der Gräfin verriet meinen Sieg. Ich glaube, hätte mich die in allen ihren Hoffnungen bedrohte alte Dame für das dreiste Verbrechen dieses Tages hinrichten lassen können, so würde sie es sofort gethan haben. Mindestens sollte ich noch vor Abend fort aus dem Hause. — Die Komtesse war fassungslos genug, vor Aerger zu weinen, und nur Herr von Holling wagte es, für mich zu bitten.
„Was ist es den weiter, gnädigste Gräfin?" sagte er lächelnd. „Ein gestohlenes Viertelstündchen! Die junge Dame muß sich, da sie offenbar für den Salon und nicht für die Kinderstube erzogen wurde, als Dienerin sehr unglücklich fühlen. Verzeihen Sie ihr diesmal um meinetwillen!"