Bremen, 22. Febr. Einem Privattelegramm zufolge ist der Lloyddampfer „Kaiser Wilhelm" auf der Schelde bei Antwerpen auf den Grund geraten. (Bereits wieder flott gemacht.)
Die preußischen Lehrer haben in jüngster Zeit die Strenge und Strammheit des Kultusministers am eigenen Leibe erfahren; es liegen für dieselben eine Reihe von Verfügungen als klassische Zeugen vor. Zunächst hat die Regierung in Frankfurt a. O. eine Verfügung erlassen, welche den Lehrern Disziplinarstrafen androht, wenn sie Stellung gegen den Schulgesetzentwurf nehmen würden. Sodann ist den Lehrern in Posen verboten worden, sich an Diskussionen und Abstimmungen über den Entwurf zu beteiligen. Jetzt berichtet die „Köln. Ztg." über eine weitere Verfügung an die Kreisschulinspektoren, die von der K. Regierung zu Arnsbrrg ergangen ist. Die Verfügung betrifft die fortlaufende Mitwirkung der Lehrer an der Tagespreise. Die Verfügung erinnert an die Allerhöchste Kabinettsordre vom 13. Juli 1839 und an den Ministerialerlaß vom 31. .Oktober 1841, welche besagen, daß den Lehrern nur die Uebernahme solcher Nebenbeschäftigungen gestattet werden soll, deren Verrichtung dem Amte und der Würde eines Lehrers keinen Eintrag thut und ihn seinem nächsten Berufe nicht entfremdet.
Fast die Hälfte, nicht etwa blos ein Drittel, wie es dieser Tage hieß, wird in Folge der neuen Selbsteinschätzung in Preußen an direkten Steuern mehr einkommen, also etwa 40—45 Millionen. Diese Beträge fließen aber, wie in dem Steuergesetz von vornherein festgesetzt worden, nicht der Staatskasse zu, sollen vielmehr zur Erleichterung der Gemeindelasten verwendet werden.
Der Handwerkertag, welcher in der Vorwoche in Berlin unter sehr'zahlreicher Beteiligung tagte, hat bekanntlich erneut die Wiedereinführung des Befähigungsnachweises bei der Eröffnung des Gewerbebetriebes gefordert. Wie verlautet, hält die Reichsregierung an ihrer ablehnenden Haltung gegenüber diesem Verlangen unbedingt fest, will aber dem Handwerk in dem neuen Gesetzentwurf, betr. die Errichtung von Gcwerbekammern thunlichst entgegenkommen. Der Hauptgrund, weshalb der Befähigungsnachweis verworfen ist, ist der, daß nach dem amtlichen Material nur ein Fünftel der deutschen Handwerker etwa in Innungen vertreten sind und die Forderung nach dem Befähigungsnachweis erheben, während vier Fünftel den Innungen, wie dem Befähigungsnachweise fernstehen.
Der in Berlin abgehaltene Handwerkertag hat auch der dortigen Sozialdemokratie Anlaß zu einer großen Versammlung gegeben, in welcher der Abg. Bebel über die Lage von Handwerk und Kleingewerbe sprach. Die Versammlung nahm die übliche Resolution an. daß nur die Verwirklichung des sozialdemokratischen Zukunstsstaates eine Besserung zu schaffen vermöge.
Die Frage, ob Fürst Bismarck in das Herrenhaus gehen werde, beginnt die Presse lebhaft zu beschäftigen. Die „Frkf. Ztg." glaubt, daß Bismarck, wenn er als Gegner des Volksfchulgesetzes erschiene, einen Triumphzug vom Bahnhof bis nach dem Herrenhaus feiern könnte.
Berlin, 2l. Febr. Der Gesetzentwurf betreffend den Verrat militärischer Geheimnisse wird dem Reichstag in den nächsten Tagen zugehen. Er enthält sehr strenge Strafbestimmungen, auch für den nicht vorsätzlichen Verrat militärischer Geheimnisse, ferner gegen das Ausspionieren solcher, und bedroht auch mit Strafe Denjenigen, der von der Absicht des Verrats und Spionierens Kenntnis hat und die Anzeige unterläßt. — Auch der Gesetzentwurf, der die Befugnis zur Verhängung des Belagerungszustandes in den Reichslanden regelt, wird bald ein- gchen.
Berlin, 22. Febr. In Paris dürfte Constans mit der Kabinettsbildung betraut werden und den Auftrag annehmen. Ribot soll bereits abgelehnt haben. Frcycinets Bleiben als Kriegsminister ist entschieden. Der Widerstand der Radikalen gegen Constans ist so groß, daß derselbe ohne bestimmte bindende Abmachungen mit den Konservativen die Kabinettsbildung nicht hätte übernehmen können.
Deutscher Reichstag. Am Freitag hielt der Reichstag nur eine kurze Sitzung ab. Der Gesetzentwurf betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung fand in erster Lesung allgemeine Zustimmung und wurde einer Kommission von 14 Mitgliedern zur Spezialprüfung überwiesen. Es folgt die
Beratung der außerordentlichen Ausgaben des Militärctats. Nachdem Abg. Richter (freis.) erklärt, keine weiteren Abänderungen beantragen zu wollen, weil die betr. Anträge bei der Stimmung des Hauses doch aussichtslos sein würden, werden alle Forderungen nach den Kommissionsanträgen bewilligt. (Zweite Beratung des Telegraphengesetzcs, Wahlprüflingen.)
Bochum, 19. Febr. Das Strafverfahren gegen den Bochumer Verein wegen Zollhinterziehung wurde eingestellt.
In Folge von Getreidespekulationen ist inDit- tersbach a. d. E. ein Getreidehändler derartig in Bedrängnis geraten, daß er zahlreiche Wechselfälschungen vornahm und unter Zurücklassung von Vr Millionen Mark Passiven flüchtig wurde.
Bekerrrick-Angsrn.
Wien. 23. Febr. Die gestrigen neuerlichen Demonstrationen der Arbeitslosen waren weit ernster als letzthin. Tausende zogen nach dem Vorort Hernals mit gedruckten Zetteln „Brot!" an den Hüten. Die nacheilenden Wachen gerieten mit den Demonstranten ins Handgemenge. Zahlreiche Verhaftungen erfolgten. Die Arbeiter suchten die verhafteten Genossen zu befreien, weshalb es abermals zum Handgemenge mit der Wache kam. Zahlreiche Personen sperrten die Geschäftsladen und erst bei Einbruch der Dunkelheit wurde die unaufhörlich nach Brot schreiende Menge zerstreut.
Frankreich.
Paris, 18. Febr. Die Aufklärung über die brave Firma, die den hungernden Russen Sand und llnkrautsamen für Getreide verkauft hat, hat nicht lange auf sich warten lassen. Sie ist, wie nicht allzusehr überraschen wird, jüdisch und führt den im Pariser Börsentreiben wohlbekannten Namen Drey- fuß. Ein Sohn des Firmeninhabers ist nach Rußland gereist, um die Angelegenheit bei der „russischen Regierung" zu ordnen. — Man wird es sich etwas kosten lassen, um die allmächtigen Taschen in Rußland zu stopfen. Denn die Sache ist auch nach jedem Bezüge skandalös.
Paris 18. Febr. Alle Blätter besprechen heute eingehend die Tharfache, daß sich der Papst mit großer Entschiedenheit gegen die Politik der französ. Bischöfe und gegen die Bestrebungen der monarchistischen Partei erhoben habe. Der Temps ermahnt die Republikaner, den Wert einer solchen Kundgebung des Papstes nicht gering zu achten und nicht etwa durch unkluge Anfechtungen ihren Eindruck abzuschwächen.
In der Pariser Vorstadt La Villete hat sich eine Witwe, die keine Arbeit finden konnte, mit ihren zwei Kindern durch Kohlendunst erstickc.
In Frankreich findet eine große Agitation der Arbeiter gegen die neuen Lcbensmittclzölle statt. Es wird darüber aus Lyon berichtet: Die hier ihren Sitz habende Union der Vereine des Volkes fordert alle Arbeiter Frankreichs aus, sich am 6. Marz zu den Trägern und Vertretern der öffentlichen Gewalten zu begeben und von denselben die sofortige Aufhebung der Zölle auf Lebensmittel zu verlangen.
Das Ministerium Frey ein et hat die in Frankreich kolossale Lebensdauer von 2 Jahren gehabt. Sein Sturz kam unvermutet. Das Kabinet hatte eine Gesetzvorlage über das Vereinswesen eingebracht, welche der Regierung weitgehende Rechte gegenüber den Vereinen einräumt und namentlich Bestand und Vermögen der religiösen Genossenschaften und Stiftungen einfach in die Hand der Minister legt. Dieser Gesetzesvorschlag wurde in der französischen Presse scharf kritisiert, aber von den Radikalen als die Einleitung einer Trennung von Kirche und Staat überhaupt. sowie als Antwort auf die Kundgebung der französischen Kardinalerzbischöfe begrüßt. Ans diesen Gründen beantragte nun der Abgeoronete Hubbard im Namen seiner radikalen Kollegen, daß die bezeichnete Vorlage für dringlich erklärt, also ihre Beratung und Erhebung zum Gesetz schleunigst bewerkstelligt werde. So hatte es aber die Regierung nicht gemeint; sie erklärte durch den Konseilspräsidenten ausdrücklich, daß sie die Vorlage nicht als den Beginn der Trennung von Kirche und Staat betrachte. Freycinet rühmte zugleich den versöhnlichen Geist des Papstes Leo XIII. und meinte, daß erst die weitere Entwicklung der Dinge und die Stimme des Landes über Pie schließliche Gestaltung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat entscheiden dürf- ten. Er verlangte schließlich die Annahme einer Tagesordnung, welche Vertrauen zu der Politik der Regierung aussprechen, beziehungsweise der Negierung zunächst die Regelung dieser wichtigen Frage
überlassen sollte. Die Kammer lehnte jedoch die in diesem Sinne beantragte Tagesordnung, wie schon mitgeteilt, mit 304 gegen 202 Stimmen ab.
Italien.
Wie aus Rom gemeldet wird, sollen im nächsten Konsistorium der Fürstbischof Dr. Kopp von Breslau und der Erzbischof von Posen, Dr. v. Stablewski, zu Kardinälen ernannt werden.
Vrlgir n-H o l l » n d.
Brüssel, 22. Febr. Auf dem Arbeiterkongreß waren gestern 382 Delegierte anwesend. Unter großer Begeisterung wurde einstimmig beschlossen, den 1. Mai als internationalen Arbciterfeiertag zu begehen, Demonstrationen für den Achtstundentag und Massen- manifestationcn in allen Provinzzentren für das all- gemeine Wahlrecht zu jveranstalten. Am Tage vor den Wahlen zur Konstituante soll die Arbeit allgemein niedergelegt und Massenmanifcstationen veranstaltet werden. Falls die Revision abgelchnt oder die Konstituante das allgemeine Wahlrecht verweigert oder zu verweigern droht, bricht sofort ein allgemeiner Ansstand aus und dauert so lange, bis das Wahlrecht erkämpft ist. Die Redner drohen, falls innerhalb dreier Tage der Ausstaud nicht zum Ziele geführt hat, die Republik zu reklamieren und den gesetzlichen Weg zu verlassen. Der Kongreß that vor seinem Auseinandergehcn erneuert den Schwur, nicht zu rasten, bis das allgemeine Wahlrecht erkämpft ist. — Trotz des Polizeiverbots wurde gestern nach dem Schluß des Kongresses ein Massenmeeting unter freiem Himmel vor dem Volksh >use abgehalten. Es waren dabei 5090 Personen anwesend, welche die Polizei verhinderten, bis zu den Rednern vorzudringen.
England.
London, 18. Febr. Die engl. Eisenbahnen haben sich erboten, alle für die Chicigoer Weltausstellung bestimmten Gegenstände zur Hälfte der üblichen Fracht nach und von de» Verschiffungshäfen zu befördern. Die amerikanischen Bahnen berechnen ihren ständigen Saz, befördern die Gegenstände indes nach Schluß der Äusstelläng frei zurück. D e meisten DampfschifffahrtsgescUfchaften haben ihre Fcachtsüze gleichfalls bedeutend herabgesetzt. Aussteller und ihre Angestellten werden eine nicht unbedeutende Ermäßigung des Üebcrfahrtsprciscs erhallen.
Amerika.
In Argentinien sind in den inneren Provinzen fast überall anarchistische Zustände eiugetreten. In Folge des herrschenden Geldmangels har weder den Beamten, noch den Soldaten Gehalt, resp. Sold gezahlt werden können, und Jeder sucht sich nun nach besten Kräften bezahlt zu machen und thut was er will. Die Bevölkerung steht dem Allem ziemlich tcilnahmlos gegenüber und die unehrlichen Elemente, welche im Trüben fischen, haben die Oberha nd. _
Me Influenza?)
Vortrag, gehalten am W. November 1891 durch H. Pfarrer Kneipp in Wörishosen.
Bor zwei Jahren ist auf einmal ein neuer Name unter den Krankheiten aufgetaucht, der Name „Influenza" , den man früher nie gehört hatte. Wie aber aus dem Saulus ein Paulus geworden ist, so ist auch hier von einer Krankheit nur der Name gewechselt worden, denn man hat diese Krankheit schon längst gekannt unter dem Namen Grippe.
Vor zwei Jahren nun war es, da machte die Influenza großes Aufsehen, mit ungeheurer Schnelligkeit hat sie sich über alle Länder verbreitet, Tausende sind ihr zum Opfer gefallen, eine große Zahl hat sie unglücklich gemacht, so daß noch Heuer Leute gekommen sind, die damals die Influenza gehabt und seit dieser Zeit nicht mehr gesund geworden sind, sondern an den letzten Dingen mehr zu leiden hatten, als an den ersten. Weil nun aber das Wasser diese letzten Dinge so prächtig geheilt und vertrieben hat, so wird man doch nicht zweifeln, daß es die Krankheit im ersten Keime desto trefflicher überwinden wird!
Was ist denn die Influenza eigentlich? Nichts als die bekannte Grippe. Und wenn einer diese bekommen hat, so sagt man: „Es ist kein gewöhnlicher Katarrh, sondern die Grippe, und da muß man vorsichtig sein, sonst könnte'inan lange krank bleiben."
*) Auf Wunsch mehrerer Freunde der Kneipp'schcn Wasserkur zum Abdruck gebracht.