ten öffentlichen Versammlung machte Ingenieur Oskar v. Miller aus München gestern nähere Mitteilungen über das nach seinen Entwürfen hier auszuführende Elektrizitätswerk. Aus den Wasserkräften des Neckars bei Marbach stehen der Stadt zunächs 600 Pferdekräfte zur Verfügung, doch sind noch weitere bis zu 2000 Pferdekräften der Stadt angebo- ten, wenn hiefür ein Bedürfnis eintreten sollte. Die elektrische Kraft wird der Beleuchtung und dem Gewerbebetriebe dienen. Die größte Konsumentin wird die Straßenbahngesellschaft sein, welche beabsichtigt, den Pferde- in Elektromotorcnbetrieb umzuwandeln. Der Preis für das Glühlicht stellt sich um '/ö teurer als der hiesige Gaspreis. Für den Gewerbebetrieb werden kleine Elektromotoren von 1 — 6 Pferdekräfte geliefert. Er schloß mit dem Wunsche, daß Stuttgart die erste deutsche Stadt sein möge, welche die elektrische Kraft zum Wohl der Gewerbetreibenden ausnützt. Reicher Beifall lohnte den Redner für seine interessanten Ausführungen.
Stuttgart, 15. Febr. Der Name Degerloch soll verschwinden. Von den bürgerlichen Kollegien Degerlochs ist nämlich mit allen gegen eine Stimme beschlossen worden, vom 25. d. M. ab Degerloch in „Wilhelmshöhe" umzutaufen.
Stuttgart, 16. Febr. Auf Veranlassung des Volksvereins Stuttgart hielt gestern abend Redakteur Dornbusch aus Nürnberg einen Bortrag über „das Recht des Soldaten" mit besonderer Berücksichtigung der Soldatenmißhandlungen und des bayerischen Militärprozesses. Wie sich erwarten ließ, war der Saal überfüllt, die Sozialdemokraten fehlten natürlich nicht. Redner knüpfte an den Erlaß des Prinzen Georg von Sachsen an, und erzählte die bekannten Vorgänge, machte den deutschen Fürsten den Vorwurf, die Erwartungen des deutschen Volkes vom Jahre 1870/71 nicht erfüllt zu haben. Er wies auf die Opfer hin, welche der Frieden Deutschland koste und stellte die bekannte Forderung auf, daß über Krieg und Frieden nicht die Fürsten, sondern die Parlamente entscheiden sollten. Die Mißhandlungen des nicht als Staatsbürger angesehenen, sondern als willenloses Werkzeug behandelten Soldaten und die Abhilfe dagegen bildeten alsdann den Gegenstand der Ausführung, namentlich das Beschwerderecht und die Forderungen an den Reichstag zur Abhilfe wurden betont. Zum Schluß wurde eine Resolution angenommen folgenden Inhalts: Die Versammlung erachtet die Mißhandlungen der wehrpflichtigen Söhne des Vaterlandes als eine Schmack für das deutsche Volk, die Reichs-Regierung wird aufgefordert, eingedenk ihrer Pflicht als Hüterin der nationalen Würde wirksamere Maßregeln hicgegen zu ergreifen.
Stuttgart, 17. Febr. Bezüglich der Nachricht, über Oberbürgermeister Hegelmaier in Heilbronn fei von der K. Kreisregierung in Ludwigsburg die Suspendierung von seinem Amt ausgesprochen worden, geht dem „Schw. M." heute von Heilbronn die Mitteilung zu, daß die Nachricht unrichtig sei.
Stuttgart, 18. Febr. Wie sehr es zurzeit an Arbeitsgelegenheit mangelt, geht daraus hervor, daß man gegenwärtig in der Frühe Dutzende von Personen, den verschiedensten Berufsklassen angehörend, vor dem Rathause erblicken kann, welche den städtischen Straßcmnspektor schon auf dem Wege „abpassen" in der Hoffnung. Arbeit als Schneeschaufler zu finden.
Bezüglich einer Vergütung für die Einziehung der Alters- und Jnvaliditäts-Versicherungsgebühren verfügt das württembergifche Ministerium des Innern in einer soeben an die untergebenen Behörden erlassenen und mildem 1. März 1892 in Kraft tretenden Verfügung, daß die Versicherungsanstalt den Orts-, Jnnungs- und Gemeindeversicherungen, sowie den Ortsbchörden für den Einzug und die dadurch entstandenen Unkosten 4"/» der eingezogenen Beiträge als Verfügung zu gewähren hat. Diese Vergütungen fallen je nach Umständen entweder der Amtskörper- fchaft oder den einzelnen Gemeinden zu.
Laut Trauerbrief im „Schwäb. Merkur" ist Haupt- mann Krenzler, Chef in der ostafrikanischen Schutztruppe, am Montag im Lazaret von Bagamoyo am Malariafieber gestorben. Krenzler war am 3. Ja». 1856 in Seebronn geboren, trat am 1. Okt. 1873 als Einjährig-Freiwilliger in den württ. Militärdienst ein, und wurde 1875 zum Leutenant im 1. Feldartillerieregiment Nr. 13 ernannt. Am 6. April 1889 erhielt er seinen Abschied, um als erster württ. Osfizier in die Schutztruppe des Reichskommissars in Ostafrika einzutreten.
Untertürkheim, 15. Febr. Mit der Herrichtung des Exerzierplatzes scheint es nun rasch voran zu gehen; die Arbeiten werden derzeit vergeben und stellt sich der Überschlag für Erdarbeiten, Herstellung von Entwässerungsanlagen und Feldwegen auf 41 219
Heilbronn, 16. Febr. Die „Neckarztg." meldet, daß die Bestrebungen bezüglich einer liberalen Reform der „Deutschen Partei" vermutlich zu einer Parteikrisis führen werden. Der engere Ausschuß faßte mit 7 gegen 6, der weitere mit 16 gegen 11 Stimmen liberale Beschlüsse, betreffend die Verfas- sungs- und Verwaltungsreform. Laut „Neckarztg." seien indes weder die Kammerfraktion, noch die ländlichen Parteikreise geneigt, den Mehrheitsbeschlüssen beizutreten; für den linken Flügel bleibe dann nur die Bildung einer neuen Partei oder der Anschluß an die Demokratie übrig. Vor letzterem Schritt sagt Abgeordneter Siegle von Berlin aus, auf Bennigsens Rat dringend gewarnt haben.
Heilbronn, 16. Febr. Die Suspendierung des Oberbürgermeisters Hegelmaier bildet, so schreibt man der „Frkf. Ztg.", selbstverständlich überall das Tagesgespräch und erregt in allen Kreisen und Parteien Befriedigung. Die Zustände waren derart unleidlich geworden, daß die Suspendierung wie ein Erlösungsakt auf die Bürgerschaft wirkte, (s. oben.)
Die Gemeinde Gemmrigheim bewilligte einen Beitrag von 100000 Mk. zu den Kosten einer eisernen Neckarbrücke zum Kirchheimer Bahnhof.
Die elektrische Kraftübertragung, welche die Spinnfabrik Gebrüder Zöppritz in Mergelstetten einrichten ließ, ist dieser Tage in Betrieb gesetzt worden und funktioniert vortrefflich; es wird dazu die Wasserkraft einer 1,4 Kilometer von der Fabrik entfernt stehenden Mühle benützt.
Vom Fränkischen, 11. Febr. In Ermetzhofen im Gäu ist die Scheuer des Viehhändlers Mann niedergebrannt; dabei sind 8 Rinder, 3 Ochsen, l Kuh und 8 Kalbeln erstickt.
Aus Baden, 12. Fedr. In Marzell bei Kan- dern ist ein Kohlenlager entdeckt worden. Mit der Ausbeutung befassen sich vorerst die Bürger aw eigene Reichnung.
Metz, 16. Febr. Ein Unglücksfall ereignete sich heute morgen in der Kaiser-Wilhelm-Kaserne. Rekruten des 130. Regiments hatten in einem Zimmer der Kaserne Exerzierübungen unter der Leitung des Sergeanten Jäntzsch vorzunehmen. Ein Rekrut, Namens Müngersdorf, lud auf einen Befehl sein Gewehr unvorsichtiger Weise statt mit Exerzierpatronen mit scharfen Patronen, von welchen er ein Packet bei sich führte. Der Sergeant, welcher die Verwechselung nicht bemerkt hatte, ließ den Rekruten auf sein rechtes Auge zielen. Der Schuß krachte und der Sergeant iag leblos in seinem Blute. Der Rekrut wurde so- ort verhaftet.
Brandenburg a. H., l2. Febr. Zur Empfeh- ung seines Omnibus publiziert hier ein Fuhrmann Folgendes: „Da meine Konkurrenz jetzt billiger fährt, zeige an, daß ich jetzt auch billiger fahre. Außerdem erhält jeder Fahrgast ein Glas Punsch und einen Pfannkuchen gratis."
Die preußische Militärverwaltung errichtet in Spandau eine Konservenfabrik mit 500 Arbeitern.
An merkwürdigen Beurteilungen der politischen Lage ist noch immer kein Mangel. Die interessanteste hiervon ist die, daß der künftige Reichskanzler, wenn einmal Graf Caprivi in den Ruhestand sollte treten wollen, in dem heutigen Kultusminister Grafen Zedlitz-Trütschler erblickt wird. Thatsache ist nun allerdings, daß Graf Caprivi heute weniger als je an seinen Rücktritt denkt und ferner Thatsache, daß heute keine Partei im Reichstage diesen Rücktritt irgendwie wünscht. Richtiger ist nun wohl schon die Annahme, daß im preußischen Sraatsministerium nicht daran gedacht ist, daß das preußische Volksschulgesetz eine solche Erregung der Geister und Bewegung der Gemüter, wie sie thatsächlich eingetreten ist, Hervorrufen würde. Indessen geschehen ist geschehen, und davon ist nichts weiter rückgängig zu machen.
Berlin, 16. Febr. Der wegen Störung des kaiserlichen Gottesdienstes gestern im Dom festgenommene Pastor Schlinke wurde der Irrenanstalt überwiesen.
Berlin, 16. Febr. In der Bolksschulkommission des Abg.Hauses erklärten heute Friedberg (nat.lib.) und v. Zedlitz-Neukirch (freikons.) in entschiedenster Weise, daß die Haltung der Konservativen, wie sie
jetzt deutlich hervorgetreten sei, jede Verständigung über das Gesetz mit den Nationalliberalen und Freikonservativen ausschließe, was auf'die Parteiverhältnisse im allgemeinen nicht ohne Wirkung bleiben werde. — Im Reichstag scharfe Debatte. Richter (d.fr.) und Haußmann sprechen gegen Caprivi, dessen Abwehr wenig Anklang findet.
Berlin, 17. Febr. In der Gesamtsitzung des Reichspostamts teilte Stephan mit, daß das finanzielle Ergebnis des laufenden Etatsjahres den Voranschlag nicht erreicht habe. Die Einnahmen bis Ende November seien um 4 720 000 der Ueber- schuß um 1 576 000 zurückgeblieben. Ursachen seien die üblen Nachwirkungen der Arbeiterausstände, die Börsenvorgänge, die politischen Wirren, besonders aber die amerikanische Zollgesetzgebung.
Berlin, 17. Febr. In Vertretung des Reichskanzlers hat Staatssekretär v. Bötticher an den Abgeordnete» Bebel das schriftliche Ersuchen gerichtet, die Namen der Gewährsmänner zu nennen, denen er die Kenntnis der von ihm vorgetragenen Fälle von Soldatenmißhandlungen verdankt. Bebel ist nach dem „Berl. Tagebl." bereit, dem Wunsche nachzukommen. Diejenigen Personen, welche er namhaft zu machen bereit ist, brauchen indes; die Untersuchung nicht zu scheuett, aktive Militärpersonen sind nicht darunter.
Berlin, 17. Febr. Auf dem Handwerkertag sprachen sich die meisten Redner gegen die Auflösung der Innungen aus unter stürmischem Beifall. Faßhauer (Köln) empfahl für den Fall, daß eine Denk- schrift an den Kaiser gerichtet werde, hervorzuheben, daß die Handwerker an ihren Forderungen, insbesondere au dem Befähigungsnachweis, festhalten müssen, um mcht rechtlich im Gegensatz und Nachteil zu anderen Berufen zu stehn. Die Anträge auf Auf- Auflösung der Innungen wurden fast einstimmig abgelehnt. Der Antrag des Zentcal-Ausschusses der vereinigten deutschen Jnnungsverbände auf allmäh- lige Fortbildung der Jnnungsgesetzgsbnng wurde angenommen und der Vorstand beauftragt, beim Kaiser eine Audienz nachzusuchen, zur Ueberreichnng des Protokolls des Jnnungstages und dabei den Wünschen der Handwerker erneuten Ausdruck zu geben; ferner wurde ein Antrag angenommen, daß den Innungen die polizeiliche Anmeldung zu Versammlun- lungen überall gleichmäßig erlassen werde. Geheim- r«t Broich aus dem Handelsministerium trat wärm- stens für die Errichtung von Genossenschaften ein, an Staatshilfe werde es nicht fehlen. Das Handwerk müsse wieder auf den Standpunkt des 14. Jahrhunderts (!) gebracht werden.
Der deutsche Handwerkertag, welcher seine Verhandlungen soeben in Berlin abgehalten hat, hatte zu derselben einen Heerbann von Delegierten aus Handwerkerkceisen aufgeboten, wie er auf keiner bisherigen Versammlung dieser Art vorhanden gewesen ist. Mag man die wiederholt und mit größtem Nachdruck vorgebrachte Forderung der Einführung des Befähigungsnachweises bei Eröffnung des Gewerbebetriebes nun für durchführbar halten oder nicht, unanfechtbar ist die Thatsache, daß sie von einer starken Partei im Handwerk vertreten wird. Es ist auch nicht zu leugnen, daß die Sprache der Handwerkervertreter eine recht energische geworden ist, man sagte der Reichsregierung nicht bloS unverblümt ins Gesicht, daß sie von Handwerkerfrage wenig Kenntnis habe, man ging auch noch einen Schritt weiter und betonte, von dem schlecht unterrichteten Kaiser an den besser unterrichteten Monarchen appellieren zu wollen. Am schlimmsten erging es dem llnter- staatssekretär von Rottenburg, weil derselbe auf der letzten Handwerkerkonferenz in Köln auf die Bemer- kung „viele Handwerker möchten zur Sozialdemokratie übergehen, wenn auf sie so gar keine Rücksicht genommen werde", mit der Antwort herausfuhr, davon werde das deutsche Reich auch noch nicht untergehen. Wenn die bekannte Sache von dem Ohrenklingen auf Wahrheit beruht, so müssen Herrn von Rottenburg bei den „Pfuirufen" aus Anlaß der Mitteilung seiner Aeußerung die Ohren sehr geklungen haben. Die Versammlung erachtete die Einführung des Befähigungsnachweises für die Förderung und die Organisation des Handwerkes als unerläßlich. Es kann nach den bekannten Erklärungen der Reichsregierung, indessen keinem Zweifel unterliegen, daß die verbündeten Regierungen durch die Einführung von Handwerkerkammern eine bessere Organisation des Handwerks zu erreichen hoffen, als durch