Stuttgart, 2. Febr. In den letzten Tagen der vorigen Woche ist in der Garnison Ulm bei dem auf der Wilhelmsburg liegenden Grenadier-Regiment König Karl Nr. 123 die Grippe in erheblichem Umfang mit gutartigem Verlauf aufgetreten. Erkrankt sind laut „St.-Anz." im ganzen gegen 100 Leute, von welchen inzwischen wieder eine Anzahl genesen ist.
Stuttgart, 2. Febr. Nach der „Köln. Ztg." ist in ganz Württemberg die Erregung über den preußischen Schulkampf im Steigen begriffen. Im Hofthealer zu Stuttgart wurde am Freitag Abend „Don Carlos" gegeben. Bei den Worten: „Sire geben Sie Gedankenfreiheit!" durchbrauste stürmischer Beifall das Haue-.
Stuttgart, 2. Febr. Die heutige Generalversammlung der Bolkspartei bot ein besonders actuelles Interesse, da sich dieselbe mit einer Vergleichung der so viel umstrittenen Vorlage des preuß. Volksschul- gesetzcs mit dem württembergischen Volksschutgesetz befaßte. Redakteur Schmid vom „Beobachter" kam hierbei zu dem Schluffe, daß, so verfehlt auch der preuß. Entwurf sei, insofern er die staatsbürgerlichen Rechte zu Gunsten der Kirche knechten wolle, er doch ganz bedeutende Fortschritte gegenüber dem in Württemberg zu Recht bestehenden Volksschulgesetze aufweise. Die Versammlung war mit dessen Ausführungen einverstanden und Reichstagsabg. Payer fügte nur noch bei, daß es unter diesen Umständen in Württemberg namentlich geboten sei, der Volksschul- gesetzgeduug eine erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken.
Stuttgart. Am letzten Montag abend hatte ein junger Bursche eine Begegnung mit einem andern jungen Mann in der Wagnerstraße. Letzterer hat elfteren nach der Zeit gefragt und als derselbe seine Uhr herausnahm, wurde sie ihm durch den fragenden Mann entrissen. Der Thäter ergriff mit der Uhr die Flucht, wurde aber durch den Beraubten verfolgt und in der Charlotrcnstraße mit Hilfe mehrerer Herren festgehalten und der Polizei übergeben. Der Thäter ist der ledige Sattler Wilhelm Gölten bodt von Unterschwandors, O.-A. Nagold. Derselbe ist auch zweier Diebstähle beschuldigt, welche in letzter Woche hier verübt wurden.
Aalen, 31. Jan. Auf der Brandstätte im K. Hüttenwerk Wasseralfingen werden die Abräumungsarbeiten eifrig betrieben. Wie es sich nun zeigt, sind die Maschinen (Dreh- und Hobelbänke, Bohrmaschinen u. s. w.) nicht ur dem Maß beschädigt, als man anfangs glaubte. Die Arbeit in den verschiedenen Betrieben (Dreherei, Schlosserei. Schreinerei) wird in Bälde in Jnterimswerkstätten wieder ausgenommen.
Möckmühl, 3l. Jan. Vor einigen Tagen verunglückte in der Zuckerfabrik in Zärtlingen ein von Ruchsen gebürtiger Arbeiter auf gräßliche Weise, lieber denselben ergoß sich eine siedende Zuckermasse, die ihn vom Kopf bis zu den Füßen auf die schauderhafteste Weise verbrannte. Der Bedauernswerte wurde in das hiesige Krankenhaus gebracht. An seinem Auskommen wird gezweisclt.
Karlsruhe, 2. Febr. Nach einer Meldung der „Bad. Corrcsp." unterhandelt die russische Regierung mit badischen Firmen wegen Lieferung von drei Millionen Gewehrschäften.
Friedrichsruh, 31. Januar. Zur Feier von Kaisers Geburtstag fand am 27. Januar bei dem Fürsten Bismarck ein Diner statt, zu dem viele Einladungen ergangen waren. Namentlich hatte der Fürst, wie im vergangenen Jahre, seine Beamten, ferner Post- und Eisenbahnbeamte eingeladen. Der Fürst brachte das Wohl des Kaisers aus; er trug zur Feier des Tages die Kürassieruniform und hatte feine Ordcnsdekorationen angelegt.
Bremen, 29. Jan. Im verflossenen Kalenderjahr sind über Bremen 138 457 Personen ausgewandert gegen 140 410 im Jahre 1890. Die geringere Auswanderung nach Brasilien verursachte den Ausfall. Nach Brasilien gingen nämlich nur 11254 gegen 3l 984 Personen un Vorjahre. Unter den Auswanderern befanden sich 59 079 Deutsche gegen 47 681 im Jahre 1890. Der Zug nach den Vereinigten Staaten ist noch immer der stärkste; von 107 156 im Jahre 1890 wuchs die Zahl der dorthin Auswandernden im Jahre 1891 auf 125 790.
Bremen, 1. Feb. Die letzten Nachrichten über den Lloyddampfer „Eider" sind widersprechend. Man fürchtet hier für das Schiff das Schlimmste. Die „Eider" mit 4719 Registertons faßte 1360 Passa
giere. An Bord waren jetzt 210 Passagiere. Das Schiff kostete fast 4 Millionen.
Berlin, 31. Jan. Die Sozialdemokraten haben den Volksschulgesetzentwurf zum Anlaß genommen, um eine lebhafte Agitation zum Austritt aus der Landeskirche zu entfalten. Der Stadtverordnete Vogtherr, welcher in einer Versammlung über diesen Gesetzentwurf referierte, erklärte, daß durch denselben Schule und Haus in einen unversöhnlichen Gegensatz geraten würden, fast alle Redner forderten zum Austritt aus der Landeskirche auf und folgende Resolution gelangte zur Annahme: „Die Versammlung protestiert gegen den durch den neuen Schulgesetzentwurf gemachten Versuch, die Schule gänzlich dem Einfluß und der Willkür der herrschenden Konfessionen auszuliefern. Die Versammlung ist überzeugt, daß die Schule durch Annahme jenes Entwurfes aus ein noch niedrigeres Niveau herabgedrückt und ihren kultursördernden Aufgaben nicht mehr gewachsen sein würde. Die Versammlung protestiert ferner gegen den Erlaß des Kultusministers, betr. den Religionsunterricht dissidentischer Kinder als ein verfassungswidriges, Volks- und freiheitsschädliches Vorgehen. Sie hebt hervor, daß die gänzliche Entfernung des Religionsunterrichts aus unseren Schulen anzustreben ist."
Berlin, 1. Febr. Die Budgetcommission des Reichstags bewilligte das Ordinarium des Militär- etats für Preußen, Sachsen und Württemberg, lieber Veränderung der Ausrüstung und Uniformierung teilte Generalmajor v. Funck mit, die Militärverwaltung sei aus wirtschaftlichen Gründen gegen eine radikale Umgestaltung.
Berlin, 1. Febr. Die „Nordd. Mg. Ztg." schließt einen Artikel über das Inkrafttreten der neuen Handelsverträge mit folgenden Worten: „Die verbündeten Regierungen selbst erachten sich mit den bisherigen Erfolgen nicht am Ziele, im Gegenteil sind begründete Aussichten vorhanden, daß die wirtschaftliche Tendenz unserer Reichspolitik noch im Laufe dieses Jahres fernere Vereinbarungen mit verschiedenen Ländern zeitigt, welche die fruchtbringenden Wirkungen der mit dem heutigen Tage eröffneten Bahn in noch viel weiterem Umfange zur Geltung bringen.
Berlin, 2. Febr. Der Raubmörder Wetzcl, welcher den Kaufmann Hirschfeld in Spandau ermordete, beraubte und sich mehrere Monate hindurch den polizeilichen Nachforschungen zu entziehen wußte, wurde heute vom Schwurgericht zum Tode verurteilt.
Berlin, 3. Febr. Auf dem parlamentarischen Diner beim Reichskanzler Grafen Caprivi erschien der Kaiser Punkt 6 Uhr und bewegte sich bis gegen Mitternacht in leutseligster Weise in der aus 54 Personen, darunter 25 Mitglieder des Reichstags, bestehenden Gesellschaft. Der Kaiser unterhielt sich eine halbe Stunde mit Herrn v. Bennigsen. Von den preußischen Ministern war nur Herr v. Bötticher anwesend. Der allgemeine Eindruck ist, daß die Krisis völlig beigelegt ist.
Berlin, 3. Febr. Das Zentrum beobachtet die Entwicklung der Frage des Schulgesetzes mit unverhehltem Uebelwollen. Man ist von Caprivis Haltung enttäuscht und argwöhnt, das Gesetz werde im Herrenhaus stecken bleiben.
Einzelne konservative Blätter weisen darauf hin, daß die Nationallieberalen Württembergs keinen Anlaß hätten, sich über den preußischen Schulgesetzentwurf zu ereifern, da ähnliche Bestimmungen auch für die württemb. Volksschule gälten. Aber darum handelt es sich gar nicht, sondern es sind, wie die „Köln. Ztg." treffend bemerkt, für den Süden nicht die einzelnen Paragraphen die Hauptsache, sondern die allgemeine Erwägung, daß das Gesetz an sich ein neues Zurückweichen Preußens vor Rom bedeutet und daß. wenn der preuß. Landtag sein Siegel darunter drückt, der Ultramontanismus daraus Kraft und Lust schöpfen wird, die Ministerien vollends niederzurennen, welche ihm in Stuttgart und Karlsruhe noch widerstreben. Dieser Erwägung sollten unsere Konservativen aus naheliegenden Gründen alles andere unterordnen.
Das Organ der Sozialdemokratie, der „Vorwärts" veröffentlicht einen Erlaß des Kommandierenden des XII. (sächf.) Armeekorps Prinzen Georg zu Sachsen, der — die Echtheit des Aktenstücks vorausgesetzt — das größte Aufsehen machen muß. Der Erlaß betrifft nämlich Soldatcnmißhandlungen,
die namentlich beim sächsischen Fuß-Artillerie-Regi- ment Nr. 12 in Metz und beim 6. sächsischen Infanterie-Regiment Nr. 105 in Straßburg vorgekommen sind. Nicht Ausbrüche der Leidenschaft, Handlungen im Affekt, wie sie wohl Vorkommen können, und zwar nicht entschuldbar, aber doch erklärlich sind, werden hier in grellen Farben geschildert. Der König (von Sachsen) habe deshalb ungeordnet, daß vollständiger Wandel in dieser Beziehung geschaffen werde und Grundsätze aufgestellt, die von sämtlichen Truppenteilen als unverbrüchlich zu beobachten seien.
Einen reichen Fund hat am jüngsten Sonntag nachmittag in Berlin der Pierdebahnschaffnec Schulz in dem von ihm geführten Wagen gemacht. Er fand nämlich aus der Endstation eine Brieftasche, die nicht weniger als 2l,000 Rubel in Banknoten enthielt. Der Verlierer hat sich dis gestern noch nicht gemeldet.
Frankreich.
Paris, 30. Jan. Augenblicklich wird die Bierfrage hier in sämtlichen Zeitungen mit einem Ernst und einer Sorgfalt studiert, als ob wir uns in Bayern befänden und vor einem Bierkcicge ständen. Der beabsichtigte Preisaufschlag der Schoppen stößt überall auf Opposition, doch wird es ernsthaft nirgends zu einem Ausstande der Biertrinker kommen, da man diesen als unausführbar anerkennt, indem das deutsche Bier sich hier zu fest eingebürgert hat. Einige Blätter machen den verschämten Vorschlag, man solle das unbesteuerte patriotische französische Bier trinken, finden damit aber selbst bei offenkundigen Patrioten keinen Beifall. Einige große Bierhäuser wollen sich aber der Preissteigerung, die thatsächlich ganz ungerechtfertigt ist, nicht anschließen und wenn sie ber diesem Entschlüsse beharren, so wird ihnen zweifelsohne die gesamte Kundschaft der andern zufallen.
Paris, 2. Febr. Im Import von Hämmeln und der Pariser Schlächterei sind durch die Zolländerungenbedeutende Störungen vorgekommen. Paris verzehrt wöchentlich 38000 Hämmel, darunter 20 000 geschlachtete, die vom Ausland in Eiswagen kommen. Bisher zahlte dieses geschlachtete Fleisch 3 Franks per 100 Klg. (60 Cts. auf den Hammel); neuerdings zahlt es 32 Frks. (6 Frks. 40 Cts. per Hammel). Das Fleisch ist also um 29 Cts. per Klg. verteuert. Man erwartet ein weiteres bedeutendes Steigen des Hammelfleisches, denn die Konsumenten müssen schließlich doch den ganzen Zoll bezahlen.
Paris, 3. Febr. Zwei deutsche Soldaten der Fremdenlegion wurden wegen Fahnenflucht und angeblich auch wegen Straßenraubes gestern in Ger- ville hinaerichter.
Italien.
Nom, 2. Febr. 300 Arbeiter zogen vor das Ministerium des Innern, um Arbeit zu fordern. Als sie nicht empfangen wurden, wendeten sie sich zum Königsschlosse und wollten den König sprechen, die Polizei hat sie aber in Güte davon abgehalten.
Belgie n-H o l l s n d.
Eine Feuersbrunst in Chimay (Belgien) bedrohte die halbe Stadt. Es gelang mit Beihülfe der Feuerwehren von Charleroi und Binche Mons, deren Bemühungen durch starken Regen unterstützt wurden, dem Feuer Einhalt zu thun. Ein ganzes Stadtviertel wurde indes ein Raub der Flammen.
England.
London, 2. Febr. Nach einer Reutermeldung wurde die gesamte Mannschaft der „Eider" heut? Abend 7 Uhr gerettet.
London, 4. Febr. Der bekannte Arzt Sir Morell Mackenzie (von welchem Kaiser Friederich in seiner letzten Krankheit behandelt worden ist. D. R.), eine vielgenannte, verhängnisvolle Persönlichkeit, ist gestern infolge von Influenza gestorben.
Rußland.
Nach einem Telegramm des Bureau Rentier aus Petersburg beabsichtigt die russische Regierung die WiedereinführungderLeibeigenschaft unterden Bauern. In dieser Form ist die Nachricht unbedingt falsch. Offen wird sich der Czar nicht getrauen, eine solche Maßregel anzuordnen, obwohl sie nur eine logische Folge der meisten Regierungshandlungen des dritten Alexander wäre. Rußland ist soweit zurückgeschritten, daß es sich auch nicht mehr davor zu scheuen braucht, die große That des „Zarbefreiers" aufzuheben. Nur würden sich die Bauern heute nicht mehr wil- lenlos unter das alte Joch fügen und darum ver-