Freudig und erheiternd wurden die nachfolgen­den poetischen Ergüsse mit Beifall ausgenommen:

Man hat mich heute schon gefragt:

.Har denn dein Pegasus versagt,

Jil er denn ganz vcrkrattclt Und diesmal nicht gesattelt?"

Darauf muß ich erwidern:

Gern sing' ich einem biedern Und ziclbewutzten Streben,

Das laß ich freudig leben."

Ihr Männer ans dem Tannwald Hoch lebe unser Sannwald ü!

Ein selten Fest ist's, das wir heut' begehen,

Denn wenig Männern mag vergönnt es sein.

Wie es bei unserem Jubilar geschehen,

Zu leiten 2b Jahre den Gewerbverein.

Der Dank, der ihm dafür gebühret,

Der wurde heut' ihm dargebrachl,

Daß bestens hat den Vorsitz er geführet Und alles auf's Vorzüglichste gemacht.

Ich möchte nun mit wenig Worten sagen,

Was er als Vorstand alles mußte thun Und was als solcher er hat müssen tragen,

Er durfte wahrlich nicht auf Lorbeer ruhu:

Was kommen nicht am Sitzungsabend Für Dinge, die gar wenig labend Und angenehm zu hören sind Für ein geduldig Menschenkind!

Da heißt's: Der Vorstand solle sorgen,

Daß schleunigst höre auf das Borgen;

Der andere spricht vom Steuerzahlen,

Ein dritter von den Landtagswahlen.

Dort jammern die vom Wollgewcrde,

Bei ihnen geh's seit Jahren herbe;

Die Schreiner vegetieren nur,

Von Vorwärlskommcn sei keine Spur.

Die Herren von der Handelswclt Sind gar am schlechtesten gestellt,

Die leidige Hausiererei

Das ist ihr steter Schmerzensschrei.

Hiezu komm' noch das Wandcrlagcr,

Das mache den Profit sehr mager;

Auch Mcy und Eolich spüre man Und sei kurzum sehr übel d'ran.

Ter Müller haßt die Flößerei,

Die gar mehr zeitgemäß mehr sei,

Und mancher hat sonst 'was zu sagen,

Womit er kann dein Vorstand klagen.

Dies Jammern über schlechte Zeiten,

Das viele Jahre er mußt' leiden,

Macht', daß ihm sul vor lauter Graus So manches seiner Haare aus!

Ein ander Bild! Es möcht ihn sonst verdrießen,

Wenn ich ihn lasse bloß genieße»,

Was selber ihn nicht ;ehr erfreute,

Drum greife ich jetzt eine andere Saite:

Was that er nicht zu heben den Verein,

Den er ja hat ms Herz geschlossen ein,

Es war ihm keine Mühe je zuviel Um zu erreichen dieses schöne Ziel.

Das werden alle zu bestätigen sich beeilen,

Die er zu einem Vortrag wußt' zu keilen,

Denn Keinem, dem die Gab' der Rede war verliehen, Ist es gelungen, seinen Drängen zu entfliehen.

Ich wüßte noch verschiedenes beizufügen,

Doch denk' ich, das Gesagte werd' genügen Zu zeigen unseren hochverehrten Gästen,

Daß er als Vorstand nicht ist zu ersetzen!

Drum wünsche ich, es mög' der Jubilar,

Dem hicmit ich ein dreifach Hoch bring dar,

Als Vorstand noch Jahrzehnte thätig sein Für das Gedeihen des Gewerbverein!

* Nagold, 3. Febr. Gestern abend zwischen 9 und 10 ll.hr beobachtete man hier in nördlicher Richtung einen hochauflodernden Feuerschein, der einen nicht unbedeutenden Brand in Gültiingen oder Holz­bronn vermuten ließ. Näheres können wir zur Stunde nicht mitteilen.

Freudenstadt, 3l. Jan. Das 10jährige Töch- terchen des Kaminsegermeisiers Christian Geißler kam von emem Ausgang, auf den es nachm. 2 Uhr von den Eltern geschickt worden» nicht mehr zurück. Nach langem Suchen fand man das Kind endlich abends 9 Upr ln einem schmalen zwischen zwei Häusern hin- sührenden Durchgang von Schnee verschüttet und r o r. Eine vom Dach abstürzende Schneemasse hatte es völlig begraben und viele Leute waren ahnungs­los darüber weggegangen so tief war die Schnee­des dis jemand auf den Gedanken kam, hier uachzugraden.

Stuttgart, 31. Jan. Wie schon der Tele- graph gemeldet hat, ist das Königspaar bei der gestern abend erfolgten Rückkehr mit lebhaften Hoch, rufen empfangen worden. Die meisten Blätter brach­

ten besondere Begrüßungsartikel, welche neben dem Willkommen in der Heimat Worte des Dankes für die Pflege der Beziehungen zu Kaiser und Reich enthielten. Andererseits verurteilen die hiesigen Blätter aller Parteien mit Ausnahme der ultramon­tanen einmütig das preußische Volksschulgcsetz deS Herrn v. Zedlitz; bemerkenswert ist, daß selbst das hiesige deutsch-konservative Parteiorgan dagegen Stellung nimmt.

Stuttgart, 31. Jan. Der Entwurf der ba­dischen Regierung, betr. Besteuerung des Kunstweins, findet bei unseren weinbautreibenden Kreisen großen Anklang. Nach diesem Entwurf soll auf den Hekto­liter Kunstwein eine Fabrikatssteuer von 6 vlL ge­legt werden Weniger sympatisch ist dagegen unfern Weingärtnern die Bestimmung, wonach der Deklara­tionszwang bei einfacher Weinverbesserung durch Zu­satz von Zucker wegfallen soll.

Stuttgart. Die durch einige Blätter verbreitete Nachricht, der Ministerrat habe sich kürzlich mit der Frage der Zulassung der Männerorden in Württem­berg beschäftigt, ist eine durchaus ungegründete Er­findung. (Staatsanz.)

Pforzheim, 28. Jan. Gegenwärtig geht man hier allen Ernstes damit um, ein schon vielfach be­sprochenes Unternehmen zu verwirklichen. Es betrifft dies die Herstellung eines geräumigen Saalbaus, der für Aufführungen aller Art, für Vorträge und Versammlungen rc. geeignet ist. Der Saalbau soll mit dem Stadtgarten verbunden werden. Für die Herstellung desselben wird eine Summe von 250 000 Mark angenommen.

Kaiserslautern, 1. Febr. 4 Eisenbahnwerk- stätten-Arbeiter, davon 2 katholisch, welche wegen Beschimpfung der katholischen Kirche (Verspottung des heiligen Rockes in Trier durch Nachahmung einer Prozession) angeklagt waren, wurden heute von der Strafkammer kostenlos freigesprochen, weil die Verspottung in der Werkstätte geschehen sei und deshalb der Begriff der Oeffentlickkeit fehle.

Spandau, 31. Jan. In den Spandauer Militärwerkstätten sind 100 Arbeiter entlassen und 150 gekündigt worden.

Der Geburtstag unseres Kaisers ist auch in diesem Jahre im Reiche, wie im Anslande, wo grö­ßere deutsche Kolonien bestehen, einmütig in übsicher Weise gefeiert worden. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß in Paris, wo sonst die Journale immer viel Lärm erhoben, wenn die dortigen Deut­schen sich am Wiegenfeste des Reichsoberhauptes ver­sammelten, keinerlei papieren Demonstration diesmal laut geworden ist. In dem Punkte scheint man doch nun endlich vernünftig werden zu wollen. Hoffent­lich ist es auch für die Dauer. In Deutschland konzentrierte sich das Hauptinteresse für die Feier selbstverständlich in Berlin und wenn die Berliner Bevölkerung auch einen etwaslosen" Mund hat, bei dieser Gelegenheit sieht man doch, wie es ihr ums Herz ist. Trotz des schlechten Wetters durch­wogte eine ganz gewaltige Menschenmaffe die festlich geschmückten Straßen im Zentrum der Stadt; stellen­weise war das Gewühl ein derartiges, daß es zu recht unbehaglichen Szenen kam. Eröffnet wurde der Tag durch eine militärische Morgenmusik. Das Zentrum der Stadt bot eine sehr effektvolle Illumi­nation, zu welcher besonders elektrisches Glühiicht verwendet war. Die fürstlichen Gäste zur Geburts­tagsfeier haben Berlin am folgenden Tage wieder verlassen.

Der Kaiser hat bezüglich der Anerkennung hervorragender Leistungen in der Ausbildung der Truppen im Schießen folgende Ordre erlassen: Ich will zur Hebung des Interesses für den Schießdienst hervorragende Leistungen in der Ausbildung der Truppen im Schießen besonders anerkennen und bestimmen, daß mir die kommandierenden Generale, die General-Inspekteure der Fußartillerie nnd der Pioniere, die Inspekteure der Jäger und Schützen und der Jnfanterieschulen, sowie der Chef des Ge­neralstabes der Armee alljährlich zum 30. Novem­ber, beziehungsweise bei Vorlage der Schießberichte diejenigen Kompagnie-, Eskadrons- und Batterie- Chefs unter besonderer Begründung namhaft machen, welche sich durch außergewöhnliche Leistungen in der Ausbildung ihrer Kompagnien, Eskadrons und Bat­terien im Schießen ausgezeichnet haben. Ich behalte mir vor, die Art und den Umfang dieser Anerken­nungen festzusetzen, und will Ihren bezüglichen Vor­

schlägen diescrhalb entgegensetzen. Sie haben hier­nach das Weitere zu veranlassen.

Unser Kaiser hatte am Freitag einer größeren Artillerieschießübung bei Jüterbog beigewohnt und hatte nach der Rückkehr eine längere Konferenz mit dem Staatssekretär von Bötticher. Am Sonnabend Vormittag unternahm der Kaiser eine längere Spa­zierfahrt und hörte nach der Rückkehr von derselben den Vortrag des Staatssekretärs von Marschall. Nachmittags wohnte der Hof dem Trauergottesdienst für den verstorbenen Großfürsten Konstantin von Rußland in der russischen Boischaftskapelle bei. Am Abend fand wieder eine Besprechung wegen des neuen Schulgesetzes statt, an weicher der Finanz- minister vr. Miquel, der Kultusminister Graf Zed­litz, die Abgg. Frhr. v. Manteuffel, v. Helldorf und andere Herren teilnahmen. Am Sonnrag wohnten die kaiserlichen Majestäten der Taufe des Sohnes des Prinzen Friedrich Leopold von Preußen, des Schwagers des Kaisers, im Potsdamer Stadt- schlosse bei.

Im preußischen Abgeordnctenhanse hat eine versöhnlichere Stimmung Platz gegriffen. Graf Ca- privi hat seine Rede vom Freitag nachträglich in einem Sinne gedeutet, welche die Aussicht auf Ver­ständigung eröffnet. Man mag über das Auftreten des preußischen Ministerpräsidenten vom Freitag denken, was und wie man will, darüber, was eigent­lich seine Absicht war, ist er selbst der alleinige Richter. Der Minister sagte nun vorgestern u. a.:Ich glaube, die Verstimmung, die ich hier wahrgenommen habe und die mir leid thut denn es hat der Negierung nichts ferner gelegen, als sich mit der nativnallibe- ralcn Partei bei diesem Anlaß, wenn ich den Aus­druck gebrauchen soll, zu Überwerfen, hat ganz andere Ursachen. Sie haben durch Zurufe und in der Presse der Regierung den Vorwurf gemacht, sie hätte keine Voraussicht, wenn sie nicht kommen sehe, was hier vor sich gegangen ist. Aber die Voraus­sicht habe ich doch, daß das Schicksal dieses Ent­wurfs noch lange nicht entschieden ist. Ein Gesetz von 200 Paragraphen wird so viel Widerspruch im einzelnen herausfordern, daß ich heute noch nicht wissen kann, was ans dem Gesetzentwurf wird. Er­innern Sie sich doch an das Geschick, welches die Landgemeindeordnung und das Einkommensteuergesetz gehabt haben." Und am Schluffe seiner zweiten Rede sagte der Graf: . . .Ich bin gestern zu diesem (nämlich dem schroffen) Ton vielfach durch die stim­men auf dieser Seite des Hauses gebracht worden, denn bei einem wesentlichen Teil meiner Erörterun­gen tönte mir wiederholt der Ruf entgegen:Uner­hört!" Ja, ich bin so etwas noch nicht gewöhnt, und es ist ja möglich, daß ich mir das mehr zu Herzen nahm, als vielleicht nötig wäre. Geändert ist meine Stellung zwischen gestern und heute nur insofern, als ich heute gelernt habe, daß es mit der großen liberalen Partei, die, wie ich nun sehe, eigentlich ein Werk des Abg. Rickert sein sollte, nichts ist. Meine Stellung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf ist heute genau dieselbe, wie sie gestern gewesen ist und wie sie morgen sein wird.

Mie dieFrcis. Ztg." meldet, trat am gestrigen Namittag die nat.-lib. Partei zu einer vertraulichen Besprechung über die Frage des Rücktrittes der Herren Miquel und v. Bennigsen von ihren Staats­ämtern zusammen. Nach der augenblicklichen Sach­lage ist der Rücktritt wohl unmittelbar nicht in Aus­sicht zu nehmen.

Berlin, 30. Jan. Der Krankheitsanfall des Kriegsministers, General von Kaltenborn-Stachau, ereignete sich während des Gottesdienstes in der Schloßkapelle, wo der Kriegsminister zu Boden fiel. Möglicherweise wird der Kriegsminister dadurch ge­hindert, den Militäretat im Reichstag zu vertreten.

Deutscher Reichstag. Der Reichstag genehmigte in seiner Freitagsfitzung den Gesetzentwurf betr. die Anwen­dung der vertragsmäßigen Zollsätze auf Getreide, Holz und Wein in der Gesamtabstimmung mit 124 gegen 107 Stimmen, sodann in dritter Lesung den Gesetzentwurf betr. die Anwen­dung der für die Einfuhr nach Deutschland vertragsmäßig bestehenden Zollerleichterungen und Zollermäßigungen gegen­über den nicht meistbegünstigten Staaten. Endlich wurde der Gesetzentwurf betr. die Einziehung der österreichischen Vercins- thaler einer Kommission überwiesen. Nach Erledigung meh­rerer Lokalpetitionen vertagte sich der Reichstag ans Sonn­abend 2 Uhr. Sonnabcndsitzung. Genehmigt wurde zu­nächst in zweiter Beratung der zweite Nachtragsetat für 189092. 8764923 Mark für Naturalverpflegung im Militär­etat wurden debattclos bewilligt. Die Ncuforderung ist durch die allgemeine Preissteigerung der landwirtschaftlichen Pro-