6
nicht blos vorübergehende Aufenthalt zu verstehen, ohne Rücksicht darauf, ob er von bestimmter oder unbestimmter Dauer ist. (S. Amtsbl. d. M. d. I. 1875 S. 493.)
3) Trotz der ausdrücklich ertheilten Weisung wurde schon mehrfach versäumt, nachzusorschen, ob alle Pflichtigen sich gemeldet haben und Säumige hiezu anzuhalten. Es wird daher auch diese Vorschrift ganz besonders eingeschärft. Die Unterlassung der vorgeschriebenen Meldungen zu den Stammrollen kann nach Art. 10, Ziff. 10, Gesetzes vom 12. Aug. 1879, Reg.-Bl. Seite 157 im Wege der polizeilichen Strafverfügung von dem Ortsvorsteher abgerügt werden.
4) Sämmtliche Anmeldungen sind genau in die betreffenden Listen ihrer Jahrgänge einzutragen. In der neuen Liste pro 1887 ist die alphabetische Reihenfolge streng einzuhalten, und ist, wie das letzte Mal hinter den letzten Namen eines jeden Buchstaben nicht aber zwischen den Namen desselben Anfangsbuch st abens genügender Raum zu Nachträgen zu lasten. Da wo von mehreren Buchstaben keine Namen Vorkommen, ist selbstredend ein größerer freier Raum zu lassen. In den Stammrollen von 1885 und 1886 sind neu Anmeldende je hinter den letzten Namen mit dem gleichen Anfangsbuchstaben zu setzen. Hiebei wird wiederholt darauf aufmerksam gemacht, daß die Pflichtigen nicht mehr durchlaufend, sondern nur diejenigen mit gleichen Anfangsbuchstaben unter sich zu nummeriren sind.
Etwaige Nachträge in die früheren Stammrollen haben wie bisher zu erfolgen.
5) Die Rubriken 1—10 der Stammrollen sind genau, deutlich und sauber auszufüllen. Zweifelhafte Angaben sind überhaupt nicht aufzunehmen, sondern die bezüglichen Rubriken sind leer zu lassen.
In Rubrik 8 ist Stand oder Gewerbe genau anzugeben. Es genügt also z. B. die Bezeichnung: Bauer, Knecht und ähnl. nicht, sondern es ist anzugeben, ob Pferde-, Ochsen-Bauer oder -Knecht.
6) Bei Pflichtigen mit mehreren Vornamen ist der Rufname zu unterstreichen.
7) In der Rubrik „Bemerkungen" sind etwaige Notizen aus ber Geburtsliste, Strafen, Aufenthaltsort und sonst Bemerkenswerthes beizufügen. Bei Ausgewanderten ist stets das Datum der Entlaffungsurkunde anzugeben. Diese Einträge sind übrigens so zu machen, daß womöglich auch noch Raum für Einträge in den zwei späteren Jahren bleibt. Bei den Strafen ist stets der Tag des Erkenntnisses, oie erkennende Behörde, die abgerügte Verfehlung, sowie die Art und Größe der Strafe genau anzugeben.
8) Bei neu sich anmeldenden Pflichtigen früherer Altersklassen sind die Loosungsscheine abzuverlangen und wie bisher der Stammrolle beizulegen.
9) Von jeder im Laufe des Jahres erfolgenden Aufnahme eines Militärpflichtigen in die Stammrolle, von jeder Veränderung, Strafe rc. ist dem Oberamt sofort Nachricht zu geben.
10) Die Streichung eines Mannes in der Stammrolle darf wie bisher nur mit Genehmigung des Unterzeichneten Zivilvorsitzenden der Ersatzkommission geschehen.
II. Die Ortsvorsteher werden angewiesen, ungesäumt auf die ortsübliche Weise die nach § 23 der Erfatzordnung in die Stammrolle aufzunehmenden Militärpflichtigen, sowie deren Eltern, Vormünder, Lehr-, Dienst-, Brot- und Fabrikherrn zu Befolgung der oben erwähnten Bestimmungen aufzufordern, auch darüber, daß dies geschehen, bis zum 15. d. M. Anzeige hierher zu er st alten.
Hl. Auf den 15. Februar d. I. — nicht früher und nicht später — sind die Stammrollen an das Oberamt einzusenden.
Den 5. Januar 1887. K. Oberamt.
F l a x l a n o.
„Was geht hier vor?" fragte er, die unglückliche Elisabeth vollständig ignorierend. „Wer sind Sie? Wer gab Ihnen das Recht, hier einzudringen?"
Auch der herzzerreißende Schrei von den Lippen der jungen Frau verhallte un- gehört; erst als sich Elisabeth ihm zu nähern versuchte, als sie flehend die Hände gegen ihn ausstreckte, da erinnerte er sich ihrer.
„Geh hinaus", sagte er kalt. „Wir sprechen uns später."
„Julius", stammelte sie zitternd, blaß wie ein Schatten, „Julius ich —"
„Geh' hinaus!"
Er öffnete selbst die Thür und schloß sie hinter der Unglücklichen, ohne von ihr die geringste Notiz zu nehmen.
Noch lagen auf dem Tisch jene vierzig Thaler, die der Elende vorhin nicht haben wollte, und die einzustecken er jetzt zähneknirschend aufgeben mußte. Sein Spiel, dem entschlossenen Benehmen des Doktors gegenüber, schien doch weniger leicht als er bisher angenommen; vielleicht war sogar sein Gesicht blaß vor innerer Unruhe.
„Mer sind Sie?" wiederholte Julius.
„Bitte, mein Herr", war die Antwort, „befleißigen Sie sich etwas mehr jenes Tones, den gebildete Leute einander gegenüber zur Anwendung zu bringen pflegen. Ich bin nicht daran gewöhnt, mich wie einen Bedienten behandeln zu lassen."
„Desto besser verstehen Sie es, wehrlose Frauen zu überfallen. Ich werde Sie von hier in das Gefängnis bringen lassen."
Der Fremde lächelte ironisch.
„DaS glaube ich nicht, verehrter Herr Doktor, Sie werden vielmehr bemüht sein, mich bestmöglichst vor aller Verfolgung zu schützen, und zwar im wohlverstandenen eigenen Interesse. Mein Sturz wäre zugleich auch der Ihrer Frau Gemahlin."
Julius konnte sich nicht verhehlen, daß ein heimliches Erschrecken ihn erfaßt hielt. Sein schnelles Kombinationsvermögen ließ ihn die Verhältnisse jetzt schon fast ganz klar durchschauen — er bewahrte nur sehr schwer das äußere Gleichgewicht.
„Wie es fmeiner reizenden Geliebtm gelungen ist, sich mit Erfolg aus der
-AoNtifche Nachrichten.
Deutsches Reich.
— Bezüglich des Empfanges der kommandierenden Generale durch den Kaiser geht der „Nat.-Z." folgende weitere Mitteilung zu: Der Kaiser befand sich in trefflichem Wohlsein, er sprach durchaus frei und mit großem Nachdruck. Seit achtzig Jahren sagte er u. A., lebe er für die Armee, wie er sie liebe, hoffe er auch ihre Liebe gewonnen zu haben. Sein Wunsch zu dem Allmächtigen sei, daß es ihm vergönnt sein möge, die Anwesenden am nächsten ersten Januar und seine braven Truppen auf den Manövern des Herbstes wiederzusehen. In seiner Anrede an die Generale, sowie in den Worten, die er an Einzelne richtete, vermied der Kaiser jede Berührung der Tagesfragen.
— Der Papst hat, wie man der „Schles. Z." berichtet, an den Kaiser Wilhelm einen eigenhändigen Neujahrsgratulationsbrief gerichtet und demselben eine Abschrift der Rede beifügen lassen, mit welcher er die Glückwünsche des Kardinal-Kollegiums beantwortete.
Berlin, 4. Jan. Die konservative Ostpreußische Zeitung berichtet von größeren Truppenbewegungen in Rußland nach der preußischen Grenze und von einer auffallenden russischen Grenzbesetzung.
Kiel, 3. Jan. Eine von Berliner Blättern vertriebene Nachricht, der zufolge in Jütland, auf Fühnen und Seeland Pferde für die französische Armee aufgekauft wurden, erweist sich als eitel Erfindung. Seit zwanzig Jahren werden in Dänemark kurz vor Neujahr Droschkenpferde für Paris angekauft, so auch jetzt. Die Pferde eignen sich durchaus nicht für die Cavallerie.
Lübeck, 3. Jan. Auf Grund eines Senatsdekrets fanden heute zahlreiche Haussuchungen bei Sozialdemokraten hier statt. Die Anregung dazu soll von außen ergangen sein.
Frankreich.
Paris, 2. Jan. Der deutsche Botschafter Graf Münster, welcher wegen seines kranken Arms noch keine Uniform anlegen kann, mußte dem Neujahrs-Empfang bei dem Präsidenten der Republik fern bleiben. Der Botschafter hatte sich Tags zuvor brieflich beim Präsidenten Grevy entschuldigt und ließ sich durch den Sekretär Grafen Leyden vertreten. Herr Grevy sprach beim Empfang des Letzteren, der in Begleitung des dritten Sekretärs Godeffroy und des Mllitär-Attachös Freiherrn von Huene erschienen war, sein lebhaftes Bedauern aus, daß die völlige Genesung des Botschafters so lange dauere.
England.
London, 3. Jan. Der Pariser „Times"-Korrespondent, Herr v. Blowitz, wiederholt die Nachricht vom Abschlüsse eines direkten deutsch-russischen Bündnisses, wonach Deutschland sich verpflichte, sich nicht in einen österreichisch-russischen, Rußland nicht in einen französisch-deutschen Krieg einzumischen (?)
Gages-Werrigkeiten.
* Calw. Eisenbahnfahrplan betrfd. Auf eine Bitte des Gemeinderats Calw hat die Kgl. Generaldirektion der württemb. Staats- Eisenbahnen die Verfügung getroffen, daß der morgens 6 Uhr 35 Min. in Calw, morgens 6 Uhr 41 Min. in Hirsau abgehende sogenannte Arbeiterzug vom 3. ds. ab, an Werktagen in NI. Wagenklasse auch von Calw und Hirsau aus Personen befördert, was inzwischen nur von Liebenzell aus der Fall war. Vom 1. März bis 30. April 1887 geht dieser Zug in Calw morgens 5 Uhr 55 Min., in Hirsau morgens 6 Uhr 1 Min. ab.
Stuttgart, 4. Jan. Heute nacht kurz vor 2 Uhr ist Ihre König!- Hoheit die Frau Prinzessin Marie von Württemberg in Ihrem Palais dahier sanft verschieden, nachdem ein schon seit Jahren bestehendes
Emilie Bredow in eine Elisabeth Herbst zu verwandeln und als solche gar Frau Doktor Hartmann zu werden, mögen die Götter wissen", fuhr jener fort. „Schlau freilich und entschlossen war sie immer, trotzig wie Lucifer. Ich habe sie damals sehr geliebt — man ist sterblich diesen holden Quälerinnen gegenüber, nicht wahr, Doktor?
— Doch das bei Seite! Ohne Zweifel erinnern Sie sich, daß ich vorhin kein Wort sprach, welches Ihren persönlichen Rechten in dieser Beziehung zu nahe getreten wäre."
Julius würdigte ihn keiner Beachtung. Es schmerzte ihn nicht mehr, die Unglückliche als frühere Geliebte eines Anderen bezeichnen zu hören, aber desto sehnlicher wünschte er zu erfahren, wer im Grunde dieser Andere sei.
„Sie sind mir die Antwort auf meine erste Frage bis jetzt schuldig geblieben", sagte er mit gleicher äußerer Kälte. „Weshalb sollte ich zögern. Sie verhaften zu lassen?"
Der Edelmann lächelte.
„Doch nicht aus Schonung für mich, Doktor? Ich wage kaum, das zu beanspruchen. Desto entschiedener freilich fürchte ich, daß es den Behörden mißfällig werden könnte, die Emilie Bredow im guten Glauben als Elisabeth Herbst bettachtet zu haben, namentlich da Jene in Hamburg soeben erst aus dem Zuchthause entlassen worden war."
Das Wort traf gleich einem Keulenschlage; Julius taumelte beinahe.
„Aus dem Zuchthause?" wiederholte er.
„Leider! — Die Geschworenen sind durchaus nicht immer intelligent genug, der Sache wirklich auf den Grund sehen zu können. Wechselangelegenheiten, Doktor
— Nichts, durch dessen Berührung ein Gentleman seine Finger besudelt!"
Julius sah aus dem Fenster. Der dreiste Spitzbube hatte Recht — ein öffentlicher Eklat mußte unter allen Umständen vermieden werden. Sein Blut kochte, seine Nägel gruben sich in das eigene Fleisch, bis sie schmerzende Spuren hinterließen.
(Fortsetzung folgt.)