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haben sie keine Ursache Krieg zu verlangen. Wenn ihnen aber der Krieg aufgedrungen wird, dann sind sie auf denselben mehr als vorbereitet, und derselbe wird nur eine Wiederholung des früheren sein."
Berlin, 27. Dez. Der in Karlsruhe unter dem Verdacht des Landesverrats verhaftete französische Lieutenant Le Tellier wurde gestern freigelassen.
O e st e r r e i ch.
Pest, 27. Dez. Ueber die russischen Pressemanöver, welche Oesterreich und Deutschland als isoliert erscheinen lasten, schreibt der „Pester Lloyd": „Wir misten, bis zu welchem Grad wir, falls infolge der Verhältnisse im Orient ein Konflikt entsteht, von Seiten Deutschlands auf Unterstützung rechnen können und sind überzeugt, Bismarck werde nie unsere Bundesgenossenschaft kompromittieren.
Rußland.
— Ein Befehl des Zaren ordnet an, daß die russischen Offiziere und Beamten, welchen bulgarische Orden verliehen worden sind, dieselben niederlegen.
— Die „Kreuzztg." schreibt, in den jüngsten Tagen seien wieder Berichte über die erhöhte russische Rüsiungsthätigkeit, namentlich über maritime Vorkehrungen eingelaufen. An anderer Stelle bringt dassBlatt einen Petersburger Brief über die russischen Landrüstungen. Danach bereitet man sich in Südrußland auf einen Frühjahrsfeldzug vor. In Odessa, in der Krim, in Bessarabien und Tranzkaukasien sollen Munition und Lebensmittel angehäuft werden; desgleichen sorge man für die Bespannung der Artillerie und des Trains. In Polen und Littauen betreibe man die Rüstungen minder ausfallend, weil die dortige Armee von 150000 Mann, welche durch Heranziehung von Reserven in sechs Tagen auf 300000 Mann gebracht werden könne, als Deckmantel für Rüstungen im Innern angesehen werde. In Warschau steht jetzt eine Division der Garde nebst Linieninfanterie und Kavallerie, rund 25000 Mann.
Hcrges-Weuigkeiterr.
* Calw, 27. Dezbr. „Das ist der Tag des Herrn" erklang es in jubelnden Accorden am Abend des Stephanusfeiertages, als die Mitglieder des „Calw er Lied erkranzes" in ihrem Versammlungslokal sich vereint hatten, um wie alljährlich eine Weihnachtsfeier abzuhalten und sich um den hell leuchtenden Christbaum zu scharen. Ist ja doch das Weihnachtsfest unzweifelhaft das schönste und herrlichste unter allen Kirchenfesten und der Weihnachtsbaum das uralte Symbol der Lichtfreude unserer germanischen Vorfahren. Als noch undurchdringliche Wälder den Boden unseres Vaterlandes bedeckten und dichte Nebel den ganzen Winter hindurch auf den Lichtungen, in welchen unsere Voreltern ihre Wohnsitze aufgeschlagen, lagerten, da erfüllte nur ein Gedanke die Herzen — der Wunsch nach Licht! Und weil mit der Ueberwindung der längsten Nacht am 21. Dez. die Tageslänge fortwährend zunimmt, so feierten unsere Vorfahren diese Wiederkehr des wohlthätigen Sonnenlichts dadurch, daß sie die dunkeln Wohnräume mit brennenden Kienfackeln erhellten und zur Ausschmückung der Wohnung Tannenbäume, deren immergrüne Nadeln Sinnbild der Hoffnung waren, verwendeten. Kinder und Erwachsene wurden mit Geschenken erfreut. Unsere Missionare gaben diesem Lichtfest die Bedeutung eines solchen in des Wortes innerster Bedeutung, indem sie es in das Geburtsfest des Heilandes, des Lichtes der ganzen Welt, verwandelten. Und Licht drang hinein in die Herzen unserer Vorfahren durch das Evangelium, und unsere Festgaben sollen uns an die große Liebesgabe Gottes, die er uns in seinem Sohn geschenkt hat, erinnern. Wie hellleuchtende Sterne, zu schönem Kranze vereint, strahlen die Weihnachtskerzen in Palästen und Hütten; Liebe, Friede und Freude durchziehen alle Herzen und ein Vorzug des deutschen Gemüts ist es, die Bedeutung des WeihnachtSsesteS tief zu erfassen und an der Verwirklichung des Lobgesangs der Engel teilzunehmen. Wer in der Ferne weilt und von Geschäften irgendwie abkommen kann, eilt heim ins Elternhaus und zu lieben Verwandten, und
nicht nur Jüngere, sondern auch die Alten freuen sich dieses Wiedersehens und die ganze glückliche Jugendzeit entsteigt dem Schoße längstvergangener Tage. — Das sehr reichhaltige, aus 15 Nummern bestehende Programm wurde eröffnet mit dem stimmungsvollen, ernsten und feurigen Chor „Das ist der Tag des Herrn" von C. Kreutzer. Diese Komposition, wie auch der nächste, innige und ausgezeichnete Chor „Die Sonne zeigte golden sich", ebenfalls von Kreutzer, wurden natürlich und verständig wiedergegeben und verfehlten eines günstigen Eindrucks nicht. Von weiteren Chören kamen zur Ausführung: „Zu Straßburg auf der Schanz" und „Am Brunnen vor dem Thors" von Silcher (die Melodie von dem „Lindenbaum" soll von Fr. Schubert sein); „Im Wald bin i g'sessen" von Renner (ein Volkslied, von dem wir wegen seines eigentümlich süßlichen und weichlichen Textes und der nicht wirksamen Komposition wünschen, es möge aus dem Repertoir des Liederkranzes allmählich verschwinden) und Wanderlust: „Früh morgens zieh ich aus dem Thor" von Fr. Jötze. Letzterer Chor, zum ersten Male vom Liederkranze vorgetragen, ist sehr frisch, froh, heiter und dankbar gehalten. Mit natürlicher Leichtigkeit und zweckentsprechender Steigerung kamen die charakteristischen Stellen zu wirksamer Geltung. In diesen Volksliedern zeigt sich das starke und lebendige Heimatsgefühl des Deutschen; das Wandern ist seine Lust und wenn „der Mai ist gekommen, die Bäume schlagen aus", zieht der freie Bursch jubilierend in die weite Welt, um sein Glück in der Fremde zu versuchen; aber in der Fremde gedenkt der Deutsche der Heimat mit sehnsüchtiger Liebe und ein deutsches Lied, das in solchen melancholischen Stunden, wo das „Heimweh" ihn (wie den „Schweizer") beschleicht, zufällig an sein Ohr dringt, zieht ihn unwiderstehlich an. Wir freuen uns, daß vom Liederkranz besonders das „Volkslied", in dem der herrlichste Schatz und die innersten natürlichen Gefühle des deutschen Volkes in wirklich eindrucksvoller und überzeugender Treue wiedergegeben sind, hochgehalten und gepflegt wird; das Volkslied wird hineindringen in die Herzen und zu den heiligsten Erbteilen eines Volkes gehören. Gleichsam zur Erinnerung an den 100. Geburtstag (18. Dezbr. 1786) des großen Pianisten und genialen Komponisten, des Karl Maria von Weber, der mit seinen Freiheitsliedern mächtig und nachhaltend für den deutschen Männergesangverein gewirkt und dessen Gedenktag in einer des herrlichen Sängers würdigen Weise von allen bedeutenden Vereinen gefeiert wurde, kam aus der Oper „Preciosa" ein Violinsolo mit Klavierbegleitung und aus „Euryanthe" der lustig dahinbrausende Jägerchor „Die Thals dampfen, die Höhen glühn" mit Klavierbegleitung zum Vortrag, dieser Chor ließ übrigens an genauem Einfallen zu wünschen übrig. Ein Doppelquartett von Seifert „Ich möchte sie wohl sehen" war recht ansprechend und wirkungsvoll. Von den Solisten sind zu erwähnen die Herren Rau und Schwämmle, welche ein Duett aus „Der Minnesänger von Engelmann": „Nachtigall, Waldvögelein", von Wilh. Weber, eine sehr liebliche Komposition, wohl zum Ausdruck brachten und recht befriedigend ihre Aufgabe lösten; ein Baritonsolo „Mein Sohn, was ist so müd dein Gang?" von Krug-Waldsee, von Hrn. Rau allein gesungen, wurde ebenfalls dankbar ausgenommen. Beide Lieder, altdeutsche Volkslieder, mit neuen Weisen versehen, sind von einfacher, zum Herzen dringender Frische und reizender Klangfarbe." Haben die anwesenden Frauen und Mädchen, die ja gegenwärtig für „altdeutschen" Schmuck und für alles, was überhaupt unter „altdeutsch" in in den Handel kommt, ein besonderes Interesse zeigen, wohl geahnt, daß auch in den Liederkranz „altdeutsche" Lieder eingedrungen sind? Hr. Speidel erfreute die Versammlung wieder durch sein wie bekannt vorzügliches Violin- spiel in 2 reizvollen Stücken „Ein aoldner Hoffnungsstern" von Kühle und ein Solo aus der schon erwähnten Oper „Preciosa". Reichsten Beifall ernteten die 2 Vorträge des Zithervereins unter Frl. Mayer. Bei dem Vortrag von „Schon die Abendglocken klangen" von Kreutzer, konnten wir uns des Gedankens nicht erwehren, es müßte mit Begleitung einer Singstimme das schöne, ruhig erhabene und seelenvolle Lied von ausgezeichneter Wirkung sein. Endlich haben wir noch zu erwähnen ein vierhändiges Klavierstück, „Septett" (I.Satz), von Beethoven, das von den Hrn. Müller und Vinyon
familie in's Garn zu locken wußtest! — Gib mir also etliche Steine oder was sich ^ sonst leicht transportieren läßt, ich muß^das verlangen, meiner augenblicklichen Lage wegen."
Elisabeth's Augen funkelten.
„Elender!" rief sie außer sich. „Ich sollte stehlen, wie Du es gethan hast?"
„Hüte Dich!" zischte er. „War es ein Diebstahl, daß Du als Elisabeth Herbst in dieses Haus kamst und Dir als solche Geschenke machen ließest, oder nicht?
Und da senkte sie wieder machtlos, wie gebrochen, den Kopf.
„Ich kann Dir das Silberzeug nicht geben, Viktor — ich kann es nicht!"
„Du mußt!" sagte er kalt. „Und nun höre, weshalb ich eigentlich zu Dir kam, Schatz! Es ist richtig, daß ich meine Freiheit stahl — ein Gefängniswärter brach dabei das Genick, weil er unklug genug war, sich mir in den Weg zu stellen. Das verschärft noch die Gefahr, in welcher ich schwebe. Nimm heute Abend alles Silber und folge mir nach Paris oder London -- wir können dort das fürstliche Leben, welches Tri in Wien an meiner Seite führtest, ohne Zweifel wieder fortsetzen, namentlich seck Du die ehemaligen tugendhaften Grillen so vollständig überwunden hast.
„Glaube, die Menschheit ist es nicht wert, sie zu achten. Die Verteilung der irdischen Güter ist eine so himmelschreiend ungerechte, daß nur ein Tropf sich derselben ohne Wiederspruch fügen könnte."
Ein Grauen schlich durch alle Adern der jungen Frau.
„Mt Dir gehen ?" stammelte sie. „Wieder die Namenszüge Anderer fälschen? Und jetzt wissentlich sogar? Jetzt als Mittel zum Diebstahl?"
„Als Mittel zur angenehmen, mühelosen Existenz, meine vortreffliche Emilie! Gegenwärtig kochst Du vielleicht das tägliche Mittagessen selbst, und hast, wie Du sagst, zwölf bis sechszehn Thaler im Besitz. — Dein Haus ist erbärmlich, eines Schuhflickers würdig — solltest Tu es daher nicht vorziehen, in Paris Equipage und Dienerschaft zu besitzen, wieder wie in Wien die Gefeiertste der Gefeierten zu sein?
Ein schönes Rot färbte die Wangen der unglücklichen jungen Frau.
„Mit Dir, Viktor? — Lieber an der Seite meines Mannes zu Grund gehen, als mit Dir Schätze besitzen. Geh', Viktor, geh', ich verachte Dich vollkommen."
Der Ausdruck in den Zügen des Aristokraten ging, während sie sprach, von der lebhaften Spannung allmählich über zum Haß. Die Hoffnung, welche er ursprünglich gehegt, war verloren; seine Macht, dies leidenschaftliche Herz zu beherrschen, war dahin. Er sah sich in allen seinen Erwartungen getäuscht. Seit Monaten suchte er die Spur der einst Geliebten, immer fest überzeugt, daß sein bloßes Erscheinen genügen werde, sie abermals an sich zu fesseln — jetzt mußte er zähneknirschend erkennen, daß ihm ein Anderer geraubt hatte, was früher sein Eigentum gewesen. Emilie verachtete ihn; jedes Wort was sie sprach, war eine Abweisung.
„Gut!" sagte er achselzuckend, fast tückisch. „Da Du auf keinen Vergleich Angehen willst, so bin ich genötigt, Deinen Mann zu erwarten."
Das Herz der jungen Frau zog sich krampfhaft zusammen; verworrene Vorstellungen kreuzten ihr Bewußtsein, sie mußte Zeit gewinnen, sonst war Alles verloren.
Einen Schlüssel aus der Tasche ziehend, legte sie denselben auf den Tisch.
„Dort steht der Silberschrank, Viftor — nimm, was Du willst, stiehl Alles, nur verlange nicht, daß ich Dir dabei helfe."
Herr von Holling rührte dabei keine Hand.
.Du bist gar zu gütig. Teuerste, aber ich möchte doch lieber den Herrn Doktor erwarten. Vielleicht bezahlt er mir zum Beispiel dieses Billet von Deiner schönen Hand mit mehr als bloßen Grobheiten."
Er zog aus der Tasche einen Brief und las spöttisch die ersten Zeilen desselben seiner entsetzten Zuhörerin laut vor:
„Heute Abend triffst Du mich an der bewußten Stelle mein geliebter Viktor! Ich folge Dir, wohin Du willst, und wäre es bis an das andere Ende der Welt! Was kümmern uns die Menschen, was ihre Gesetze? Ich liebe Dich — das sagt Alles — Du bist meine Sonne, mein Glück und meine Hoffnung —"
Elisabeth unterbrach mit einem verzweifelten Aufschrei seine Worte.
(Fortsetzung folgt.)