Mo. 152

61. Jahrgang

IntelligeaMatt für äen Zezirß.

Erscheint Atenalag, Z»»n«erit«g L Samrtag.

Die Einrückungsgebühr beträgt d H p. Zeile im Bezirk, sonst 12 H.

Mittwock», äea 29. Dezember 1886.

Abonnementspreis halbjährlich 1 -a> 80 durch die Post bezogen im Bezirk 2 30 H, sonst in

ganz Württemberg 2 »iL 70

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Wir bitten unsere verehrt. Leser um Erneuerung Ihrer Abonnements noch vor dem Jahreswechsel, damit in der Zusendung teme Unterbrechung stattfindet.

Das Wochenblatt hat auch in diesem Jahre wieder eine wesentliche Zunahme der Zahl seiner Leser zu verzeichnen und bietet die bedeutende Auflage bei Bekanntmachungen jeder Art Garantie weitgehendster Verbreitung. Auch im nächsten Jahre werden wir fortsahren unsere Leser über alle Interesse verdienenden Vorkommnisse auf dem Laufenden zu erhalten und laden zum Abonnement wiederholt freundlichst ein. Die Redaktion und Expedition des Caiwer Wochenblatts.

Haitische WcrchvicHterr.

Leutsches Reich.

Dem Stuttgarter N. Tgbl. wird geschrieben: Die Agitation zur Sammlung von Unterschriften für die Petition an den Reichstag um An» nähme der Militärvorlage ist in vollem Gange. Nachdem in den letzten Tagen eine große Anzahl gedruckter Exemplare der Petition in dem ganzen Lande verbreitet wurden aus einem Oberamte wurden 30 Exemplare für sämtliche Gemeinden des Bezirks verlangt, ist gestern die Zustimmungs­adresse mit ca. 50 Unterschriften aus einer Gemeinde des Oberamts Eßlingen eingelaufen; weitere sind angemeldet. In Stuttgart selbst beginyen sich die zur Unterzeichnung aufgelegten Listen mit Unterschriften zu füllen.' Bis zum 5. Jan. nächsten Jahres und insbesondere in der Woche zwischen Weihnachten und Neujahr ist jeder national gesinnte Mann dringend aufgefordert, sich der Petition anzuschließen.

DieNordd. Allg. Ztg." schreibt:Verschiedene Blätter haben in den letzten Tagen die vollständig aus der Luft gegriffene Nachricht verbreitet, daß der deutsche Militärbevollmächtigte in Petersburg dort erschossen worden sei (und zwar, wie diese Blätter angeben, von einer hohen Person). DieFreisinnige Zeitung" hat es sogar für nötig befunden, diese Nachricht mit den abenteuerlichsten Ausschmückungen durch ein Extrablatt kolportieren zu lassen. Wir haben bisher diesem un qualifizierbaren Verhalten keine Be­achtung geschenkt. Nachdem aber in der heutigen Morgennummer eines fort­schrittlichen Blattes der Versuch gemacht worden ist, das Stillschweigen der Offiziösen in frivolster Weise zu Gunsten jenes Gerüchtes auszulegen, können wir nicht umhin, unsere Auffassung zur Sache dahin auszusprechen, daß die

Stellungnahme der Offiziösen zur Sache wohl nur in der Zuversicht sich aus- drücken konnte, daß sich Wege finden werden, um der Erfindung und frivolen Aeußerung solcher sensationellen Märchen nachdrücklich und wirksam zu steuern.

Von der Stimmung in Deutschland und Frankreich entwirft ein bekannter amerikanischer Schriftsteller, der Redakteur Henry Watterson vomLouisville Courier", welcher kürzlich von einer längeren Reise in Europa nach den Vereinigten Staaten zurückgekehrt ist, folgendes Bild:In Frankreich herrscht eine tiefe und allgemeine Bitterkeit gegen Deutschland, die sich fast zum Fanatismus versteigt, aber es ist ein hoffnungs­loser Fanatismus. In einem Kampfe mit Deutschland würden die Aussichten heute noch günstiger für Deutschland sein, als dem letzten deutsch-französischen Kriege. Deutschland mit seiner gewaltigen Kraft und Tüchtigkeit liegt un­mittelbar neben Frankreich und würde in einem Kampfe Mann gegen Mann jeden Vorteil auf seiner Seite haben. Die Franzosen sind ein tapferes und sehr erregbares Volk, aber das Herz läuft ihnen mit dem Kopf davon. Das Verhältnis Frankreichs zu Deutschland ist ungefähr dasselbe wie dasjenige des Südens zur Union im Jahr 1861, aber mit dem Unterschied, daß der Süden 1861 eine Anzahl tüchtiger Heerführer besaß, während Frankreich heute keinen Feldherrn von Ruf oder Genie hat. Boulanger ist ein kühner, bestechender, halb militärischer, halb politischer Volkstribun, von dem man zwar nicht weiß, wie er sich in einem großen Kriege bewähren würde, von dem ich aber nicht viel erwarte. In Deutschland fand ich ein absolutes Vertrauen in die eigene Kraft und die größte Gleichgültigkeit gegenüber Frankreich. Deutsch­land hat bereits von Frankreich Alles erhalten, was es will. Die Deutschen chegen nicht den mindesten Zweifel an der Stabilität ihrer Eroberungen. Sie wollen keinen Krieg mit Frankreich. Da sie Alles besitzen, was Sie wünschen,

JeuicceLon.

Verlorene Ehre.

Roman von W. Köffer.

(Fortsetzung.)

Anstatt «inzusehen, was die Herren Geschworenen mit ihren dicken Spieß­bürgerschädeln nicht durchschauen konnten daß ich das Opfer fremder Wortbrüchig­keit wurde ziehst Du es vor, mich als einen Verbrecher hinzustellen und von gestohlener Freiheit zu sprechen, Emilie. Das klingt mindestens seltsam, nachdem man seinerseits es verstanden hat, sich unter falschem Namen in eine anständige Familie einzuheiraten und sogar den Namen einer Längstverstorbenen bestens für sich auszu­beuten. Oder glaubst Du, ich allein hätte von der stattbekannten Affaire Nichts ver­nommen ?"

Ich will Dir darauf nicht antworten, Viktor", hörte er es von den zuckenden, schmerzlich bewegten Lippen der Unglücklichen.Ich will mich auch nicht zu ver­teidigen suchen was nützt es auch? Der Betrug ist Thatsache auf die Motive kommt es nicht an. Sag' mir nur, ob du beabsichtigst, meinem Manne heute Abend Alles zu hinterbringen?"

Das hängt ganz von Dir ab, Emilie! Mit dieser TugenLmiene imponierst Du mir sehr wenig davon sei überzeugt!"

Sie sah auf, angstvoll und hoffend zugleich.

Was kann ich thun, um mich von Dir loszukaufen, Viktor? Sprich um Gottes Willen rasch, die Zeit drängt!"

Er blieb bei seiner spöttischen Kälte.

Für mich nicht, Teuerste! Vielleicht wäre es mir sogar nützlicher, den Herrn Doktor hier zu erwarten und mit ihm zu unterhandeln. Wenn ich vor seiner Ankunft dieses Haus verlasse, so geschieht es lediglich aus Rücksicht für Dich falls Du Dich nämlich derselben würdig zeigen solltest."

So sprich doch!" rief sie schaudernd.Was muß ich thun?"

Er zog die Handschuhe durch die Finger.

Ich bin ffn Augenblick ohne Geld Du könntest mir sicherlich mit einigen hundert Thalern aus der Verlegenheit helfen, für heute wäre das genug."

Elisabeth's eben noch so blasses Gesicht überzog sich mit flammender Röte:

Diesen Ällanu Hatto einst ihr junges, unerfahrenes Herz geliebt!

Ich habe kem Geld", versetzte sie angstvoll.Mein Mann ist nichts weniger als «eich er verdient achthundert Thaler im ganzen Jahr."

Herr von Holling lachte.

Bei so ausgedehnter Praxis, Emilie? Hoffst Du, daß ich dieses Märchen glaube werde?"

Elisabeth barg das Gesicht in beiden Händen. Mt einem Manne wie Viktor über den Geliebten überhaupt zu sprechen, that ihr schmerzlich weh.

Julius nimmt nur von seinen wirklich wohlhabenden Patienteil Bezahlung" preßte sie mühsam hervor. '

Ah! das ist neu!"

Der Aristokrat lachte.

Herr Doktor Hartmann wäre also Volksbeglücker aus Neigung? Aber schade ich kann mich dieser philanthropischen Richtung nicht anschließen. Du mußt Dir dock etwas Geld geben lassen. Teuerste."

Etwas!" wiederholte sie.Ja Etwas! Es mögen zwölf oder sechzehn Thaler sein, die ich besitze."

Und die mir doch nicht ganz genügen würden", lächelte er.Ist es Dir wirk­lich daruin zu thun. Deinen Mann über gewisse Details der Vergangenheit in Un­kenntnis zu erhalten, so mußt Du schon ein Opfer bringen, Emilie. Dein Silber­schrank ist, wie ich weiß, verschwenderisch ausgestattet. Die alte Schachtel hat Dir alle diese Reliquien im Glauben gespendet ha, ha, ha! Ich möchte jetzt noch lachen, wenn ich bedenke, mit welcher Schlauheit Du diese tugendstolze Spießbürger-