Sommertages brachte viele Festgäste nicht nur aus unsrem Bezirke, sondern auch aus den benachbarten Bezirken hieher, so daß unsre schöne, geräumige Kirche sich beinahe ganz füllte. Nachdem die Festgemeinde ein Lied aus den 33 Calwer Missionsliedern gesungen hatte, hielt Stadtpfarrer Dieterle von hier die einleitende Rede, an welche sich der kurze Bericht anschloß. Er gab seiner Freude Ausdruck, daß das Missionsinteresse noch immer vorhanden sei in einer Zeit, in welcher der Unglaube und Weltsinn sich immer breiter mache. Obgleich manchmal der Vorwurf zu vernehmen sei, die Mission habe wenig Erfolge aufzuweisen, dürfe man sich picht mutlos machen lassen, sondern sich bemühen, immer mehr ein wahrer Missionsfreund zu werden. Was hiezu gehöre, wurde sodann näher ausgeführt und der Wunsch ausgesprochen, auch das heutige Fest möge dazu beitragen, daß wir alle recht entschiedene Missionsfreunde werden. Was die Thätigkeit für die Mission im Bezirke betrifft, so beliefen sich die Einnahmen an Geld im letzten Jahre mit den in Altensteig und Umgebung gesammelten Gaben auf 5100 ^ Darunter sind die Sammlungen des Kollektevereins im Betrag von 3112 ^ Die für die Mission ins Leben getretenen Arbeitsvereine hatten ihren erfreulichen Fortgang. Es wurde in den einzelnen Vereinen (Nagold, Altensteig, Bösingen, Egenhausen, Hochdorf, Sulz, Ueberberg) für die Mission gesponnen, gestrickt und genäht. Näheres hierüber, wie auch über die Geldbeiträge, wird der im Dezember erscheinende Jahresbericht enthalten. Schließlich dankt der Berichterstatter allen Gebern und wünscht, daß aus den Gaben eine bleibende Frucht für die Mission erwachsen möge. Missionar Kopp wandte das Gleichnis vom Sauerteig (Matth. 13,33) auf die Mission an und zeigte, daß das Reich Gottes auch in der Heidenwelt im Verborgenen anfangen, so, daß man es oft kaum wahrnehme, daß es aber doch nach und nach alles durchdringe. Dies wurde näher ausgeführt und von der Missionsarbeit unter den Kroboern in Westasrika manche Mitteilungen gemacht und gezeigt, wie das Wort Gottes als ein durchdringender Sauerteig immer noch kräftig unter diesem zwar begabten, fleißigen, sehr patriotisch gesinnten, aber auch rachsüchtigen, streitlustigen und überaus lügnerischen und unsittlichen Volksstamm wirke. Schließlich schildert Redner noch speziell seine Station Odumasse mit ihren gegenwärtig 579 (von Anfang an 1000) Christen. Vor 30 Jahren sei diese Gegend noch in dicker Finsternis gewesen, nach und nach sei aber ein herrliches Werk begonnen und bis heute im Segen fortgeführt worden, so daß der ganze Stamm, besonders auch durch Schulen, mit dem Evangelium bekannt geworden sei. Dem thörichten, früher allgemein verbreiteten Fetischdienst geschehe immer mehr Abbruch. Redner schloß mit den Worten Dr. Bahnmaiers: „Des Negers Sklavenkette bricht, der Inseln Menge jauchzt dem Licht, das alle Völker einet; falscher Götter Tempelhallen sind zerfallen, auf den Trümmern siehst man das Kreuz nun schimmern." Missionar Digel, auch cm Würltemberger. der 26 Jahre lang in Indien stand, sprach über Römer 1,16. Die Wahrheit dieses Wortes habe nicht nur Paulus erfahren; sie bestätige sich heute noch unter Weißen und Schwarzen. Damit aber letztere, sowie die Heiden überhaupt, zum Glauben an dieses Wort kommen, müsse es ihnen verkündigt werden. Daß dem Evangelium die Kraft innewohne. Hindus aus dem Götzendienst herauszureißen, wird durch mehrere Beispiele erläutert. Er ermahnte die Mlfsionsgemeinde dringend zum ferneren Mithelfen in der Missionssache und versichert, daß diese Arbeit gewiß nicht vergeblich sei, sondern einen gesegneten Erfolg habe. Missionar Friz, früher in Afrika, jetzt in Stuttgart als Missionsprediger, wandte das Wort: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage rc." in manchfacher Weise auf die Mission an. Er wies nach, daß es sich nicht nur in dem Werk, das wir treiben, sondern auch in Not und Tod, die so oft in der Mission eintretcn, beweise. Er erzählte vom seligen Tod mehrerer älterer Missionare in der Heimat. Dann teilte er mit, daß im letzten Jahre durch die Basler Mission sich im ganzen 1100 Seelen in den Heidenländern bekehrt haben (über 600 in Afrika, über 200 in China, über 200 in Indien). Daß in den letzten 5 Jahren 200 Neger in Afrika den Märtyrertob um ihres Glaubens willen erduldet, also ihr Leben nicht geliebt haben bis in den Tod, sei ein
erfreulicher Beweis von der Kraft des Evangeliums. Redner schloß um 4 Uhr die schöne Feier mit herzlichem Gebet. In die Opferbecken floß an diesem Tage eine der Mission zu gut kommende Gabe von 326 Mark.
Herrenberg, 21. Sept. Heute Nachmittag fand im Gasthof z. Post dahier eine von Stadt und Land zahlreich besuchte Versammlung der deutschen Partei statt. Dr. Grundier hieß die Erschienenen herzlich willkommen» stellte der Versammlung Hrn. Rechtsanwalt Dr. Stockmayer von Stuttgart vor und erteilte demselben das Wort zu einem Vortrag über die gegenwärtige politische Lage. Die Anwesenden waren sehr befriedigt von den maßvollen, klaren und überzeugenden Worten des Redners, die vorteilhaft abstachen von den gewöhnlichen Phrasen und Stichwörtern, die man sonst in andern Parteiversammlungen zur Genüge zu hören bekommt, und applaudierte dem Redner lebhaft. Stadtschultheiß Sauter dankte dem Redner für seinen Vortrag, welcher geeignet war, wieder Fluß ins politische Leben des Bezirks zu bringen und den nationalen Sinn zu stärken, und toastierte auf das deutsche Vaterland.
Nebringen, 20. Sept. Wie die Voruntersuchung unzweifelhaft festgestellt hat, wurde der Ausbruch des Feuers in Nebringen am 17. d. Mts. nicht durch Zertrümmerung einer Petroleum-, sondern einer gewöhnlichen Laterne mit Stearinlicht herbeigeführt.
Rexingen, 21. Sept. Gestern wurde Schreiner Dettling von hier verhaftet und an das Königs. Amtsgericht abgeliefert. Derselbe gestand, daß er an dem Tage des großen Brandes in seinem Stalle mit einem brennenden Strohwisch das Ungeziefer hatte vertreiben wollen. Das herumliegende Stroh fing aber dabei Feuer, infolge dessen der so furchtbare Brand entstand, welcher 12 Häuser und eine Scheuer verzehrte.
Bebenhausen, 20. Sept. Seine Königliche Majestät sind gestern abend 6.15 glücklich hier angekommen.
Tuttlingen, 18. Sept. Das Defizit der Stadtkasse soll sich auf 100 000 belaufen. Die Bürger werden aufgefordert, die Steuerquittungen vorzuzeigen. Wer keine hat, — darf nochmals zahlen.
Stuttgart, 21. Sept. Die deutsche Volkspartei hält ihren diesjährigen Parteitag am 4. Okt. in Pforzheim ab. — Heute ging von hier ein mit über 3000 Personen besetzter Pilger-Sonderzug nach Trier. — Bürgermeister Hegelmaier ist gestern in Heilbronn eingetroffen und hat heute sein Amt wieder angetreten.
Die Ausstellung des Landes-Bienenzüchtervereins in Kirchheim ward von weit mehr als hundert Ausstellern besucht, war vorzüglich arrangiert und zerfiel in fünf genau abgegrenzte Gruppen.
Aus dem Bezirk Oehringen, 18. Sept. Einer Bäuerin in Stolzeneck wurden vor 14 Tagen von der Dreschmaschine Haarzopf und Kopfhaut bis zu den Augenbrauen weggerissen. Die Verletzte befindet sich noch am Leben und kann sogar das Bett verlassen. In einigen Tagen soll dieselbe nach Tübingen reifen, um dort vollends geheilt zu werden.
Ein heute früh am Landgericht München II als Zeuge vernommener Bauernbursche war derart betrunken, daß er die Eidesformel nicht nachsprechen konnte. Als er deshalb eine Ordnungsstrafe erhielt, erklärte er mit lallender Stimme, daß er heute nacht in die Traun geraten sei und beinahe ertrunken wäre. Deshalb habe er sich so früh „restauriert".
Frau Cosima Wagner erhält von den erzielten Bruttoeinnahmen der Bayreuther Festspiele 10 Prozent. Da die diesjährigen Einnahmen sich auf 800 000 belaufen, so entfallen 80 000 ^ auf den Anteil der Frau Cosima Wagner.
Trier, 14. Sept. Sehr schlecht ist die Wallfahrt zum „heiligen Rock" Herrn Peter Hein aus Chicago bekommen. Als am 20. Aug. die Ausstellung des heiligen Rockes eröffnet wurde, herrschte am Eingang zum Dom ein fürchterliches Gedränge. Dabei geschah es, daß Herr Hein mit dem schweren gvldenen Armband einer hiesigen Schlächterstochter in Berührung kam. Er wurde als vermeintlicher Taschendieb verhaftet und von dem Schutzmann zur Wache geführt, wo man ihn zunächst visitierte. Man fand bei ihm eine beträchtliche Summe Geldes. Taschendiebe pflegen mit Geldmitteln gut versehen zu sein. Man fand ferner bei ihm verschiedene Schmucksachen.
Der Ausrede des Verhafteten, daß er diese Schmuck» > fachen auf seiner Reise gekauft habe, um sie als Andenken mit nach Amerika zu nehmen, wurde kein Glauben beigemessen. Offenbar hatte man es mit gestohlenen Gegenständen zu thun. Die Polizei begab sich jetzt in das Hotel, wo Herr Heim abgestiegen war, und revidierte die Koffer des Verhafteten. Da kamen nun ganz schwerwiegende Verdachtsmomente zu Tage. Man fand allerlei höchst seltsam geformte Instrumente, augenscheinlich Diebeshandwerkszeug. Der Verhaftete erklärte, es seien Instrumente zum — Orgelstimmen, die er stets bei sich führe, da er Vertreter einer amerikanischen Orgelfabrik sei. Auch diese Ausflucht fand, wie die „N. Z." schreibt, vor den Augen unserer Polizei ^ keine Gnade. Herr Peter Hein mußte in das Gefängnis und durfte sich die Zeit mit Dütenkleben ! vertreiben. Inzwischen gelangte der Herr Untersuchungsrichter bald zu der Erkenntnis, daß Herr Peter Hein nichts weniger sei als ein Taschendieb. Es stellte sich heraus, daß die Schmucksachen, die man bei dem Verhafteten vorgefunden hatte, dessen ehrlich erkauftes Eigentum und die „Diebcshandwerkszeuge" wurden von Sachverständigen als thatsächlich als Instrumente zum Orgelstimmen rekognosziert und gestern früh benachrichtigte das auswärtige Amt die hiesige Staatsanwaltschaft, daß die Angaben, die der Verhaftete über seine Person gemacht hatte, vollständig zuträfen. Darauf hin wurde Herr Peter Hein seiner Haft sofort entlassen, worauf er. ohne , den „heiligen" Rock gesehen zu haben, von Trier wieder abreiste.
Trier, 19. Sept. Die Ausstellung des hl.
Rockes wird am 3. Oktober geschlossen. Am Sonntag wird der Rock in die Domschatzkammer zurückgcbracht und die Schlußfeier durch Bischof Korum abgehalten werden.
Die Kaiser rede in Erfurt ruft die Erinnerung an den großen Fürstentag wieder wach, der am 27. Sept. 1808 daselbst stattfand. Napoleon und Alexander I. erschienen damals, „vor einem Parterre von Königen" d. h. begleitet von einer Gefolgschaft von 4 Königen und 34 deutschen Fürsten, und der Zweck des Ganzen war, die Herrschaft Europas zwischen Frankreich und Rußland zu teilen. In . einem geheimen Vertrage vom 12. Okt. wurden auch ^ die beiderseitigen Eroberungen förmlich bekräftigt und der gegenseitige Beistand gewährleistet. Der russische Kaiser war damals so von Napoleon eingenommen, daß er ihn, den korsischen Parvenü, „für mehr als seinen Bundesgenossen, für seinen innigsten Freund und sein Muster" erklärte. Die deutschen Fürste« traten in Erfurt ganz als Vasallen auf und wurden auch als Vasallen behandelt. In der gegenwärtigen Zeit, nach den Kronstadter Demonstrationen, lag es nahe, daß bei unserem Kaiser diese Erinnerungen wieder wach wurden. Wie damals die französisch-russische Allianz in Trümmer ging, so wird hoffentlich auch diesmal Deutschland triumphieren.
Die Zahl der Krankheits-- und Unglücksfälle während der diesjährigen Kaisermanöver soll eine «. ganz erhebliche sein, und leider sind auch mehrere Todesfälle zu beklagen, deren Ursachen zumeist der bis vor einigen Tagen herrschenden tropischen Hitze zugeschrieben werden.
Berlin, 19. Sept. Der König von Schweden verlieh dem Präsidenten Carnot den Seraphinen- Orden, seinen höchsten Orden; Carnot dem jüngsten Sohne des Königs das Großkreuz der Ehrenlegion.
Berlin, 21. Sept. Mehrere Abendblätter enthalten aus Straßburg datierte, offenbar offiziöse Meldungen, wonach der Paßzwang für Elsaß-Lothringen prinzipiell aufgehoben werden soll.
Entgegen anderen Mitteilungen wird der „Köln.
Ztg." gemeldet, von einer Begegnung des russischen Zaren mit dem deutschen Kaiser könne ^ keine Rede sein. Die Annahme, daß der Zar auf der Rückreise von Kopenhagen einen Besuch in Deutschland machen werde, sei grundlos. Hingegen wird von anderer Seite nach wie vor daran festgehalteu, daß die Begegnung der beiden Monarchen höchstwahrscheinlich sei. Als Beweis dafür wird auch die Verleihung eines hohen russischen Ordens an den Botschafter Grafen Schuwalow in Berlin angesehen, dem auch der Zar für seine Dienste zugleich ein schmeichelhaftes Anerkennungsschreiben übermittelt hat.
Die Geschäftskrisis in der deutschen In- dustrie. Nach übereinstimmenden Berichten aus