Mülhausen, Kalmar, dem Gebweilcr-, Münster- und Markircher Tyal, steht dem Hauptzweig der ober- ctsäßischen Industrie, nämlich der Textil-Jndustrie, eine allem Anscheine nach bedenkliche Geschäftskrisis bevor. Seit einer Reihe von Jahren war diese Industrie in stetigem Aufschwung begriffen; bis vor Kurzem waren zahlreiche Fabriken gezwungen, auch nachts arbeiten zu lassen, um die massenhaft ein­lausenden Bestellungen ausführen zu können. Nun sind mit einem Mate die großen Herbstbestellungen aus Nordamerika, wohl msolge der Mac-Kinley-Bill, ausgeblieben und die meisten Fabriken sind deshalb genötigt, auf Lager arbeiten zu lassen und bis auf weiteres den Betrieb einzuschränken. Die nächste Folge werden, wenn die Stockung längere Zeit an­dauert, Arbeitsentlassungen in größerem Maßstabe bilden. Die Aussichten, an Stelle des anscheinend dauernd unterbrochenen nordamerikanischen Absatz­gebietes anderweitigen Ersatz zu finden, sind zur Zeit nicht günstig. In derDeutschen Tabak-Ztg." lesen wir:Es gehen uns aus verschiedenen Teilen Deutschlands ans Fabrikantenkreisen Mitteilungen zu, welche die Annahme bestätigen, daß seit einiger Zeit eine sehr merkbare Abnahme in dem Konsum von Tabakfabrikaten, besonders von Zigarren, einge- tretcu ist. Da anscheinend die Gründe dieser Ab­nahme des Konsums die hohen Preise der Lebens­mittel in der nächsten Zeit nicht verschwinden werden, so werden vorsichtige Fabrikanten gut thun, sich rechtzeitig auf einen verminderten Absatz vorzu­bereiten, damit sie nicht später in Folge von Anhäufung der Lagerbestände gezwungen sind, zu Verlust brin­genden Preisen zu verkaufen". Im August wurden aus dem Chemnitzer Konsulatsbezirk nach Amerika nur für ca. 900 000 Textilwaren exportiert gegen nahezu 2 Millionen Mark im August 1890.

Belt erreich-Ungarn.

Wien. Der K aiser erließ einen Armeebefehl, gegeben zu Bistritz den 15. Sept., worin hervorgehoben wird, daß die Kriegstüchtigkeit des Heeres und der beiden Landwehren in den diesjährigen, umfassender angelegten Manövern besonders hcrvorgetreten sei. Die Kriegstüchtigkeit, verbunden mit dem Geiste echter Kameradschaft, verbürge, daß die Wehrmacht ihre Aufgaben erfüllen werde im Frieden und in Tagen der Gefahr. Der Kaiser dankt allen Teilen der Armee.

Schwei?.

Aus Lausanne meldet man derN. Zür. Ztg.": Vor zehn Tagen schlachtete ein Bauer in Ferreyres bei La Sarraz eine kranke Kuh und verkaufte das Fleisch, nachdem er eine tierärztliche Bewilligung ein­geholt hatte. Etwa hundert Personen, welche von diesem Fleisch genossen, sind nunmehr schwer erkrankt. Es sind also Anzeichen einer Vergiftung mit hoch­gradigem Fieber vorhanden. Einige schweben in Todesgefahr, die meisten sind aber auf dem Wege der Besserung. Die Bevölkerung ist sehr aufgeregt.

Italien. ,

Rom. Der Papst las heute morgen für die französischen Pilger im Peters-Dom eine stille Messe, > welcher 1800 Pilger beiwohnten. Die Pilger zogen mit wehenden Bannern ein. Der Papst erteilte mit ziemlich kräftiger Stimme den Segen und kehrte so-, dann unter andauernden Zurufen nach dem Vatikan i zurück.

Frankreich.

Eine neue Modethorheit hat sich der Pari­ser Damenwelt bemächtigt. Die Damen parfümieren jetzt nämlich nicht nur ihre Kleider, ihr Haar oder die Haut, sondern sogar ihr Fleisch und Blut, und zwar durch Einspritzen der stärksten Essenzen unter die Haut. Indessen ist diese Mode gefährlich, well durch chemisch nicht reine Parfüms das Blut ver­giftet wird, während gewisse Extrakte an und für sich giftig sind. Mehrere Damen sind schon erheb­lich erkrankt und die Aerzte wollen auf dem Wege der Gesetzgebung diesem Unsinn steuern.

Spanien.

Bei den großen Ueberschwemmungen in Spa­nien sind in der Provinz Zoledo 2300, in den übrigen Provinzen zusammen 500 Menschen ertrunken. Hundertweise werden die Leichen in Massengräbern bestattet. Im Schauplatze der Ueberschwemmung herrscht bittere Not, da alles vernichtet ist. Zahlreiches Gesindel', welches die Leichen zu berauben, und die cingestürzten Gebäude zu plündern versuchte, treibt

sich umher. Einige dreißig dieser Hyänen der Ueber­schwemmung sind schon verhaftet.

Rußland.

Selbstverstümmelung in Rußland, lieber die in Rußland von jungen Leuten vielfach geübte Praxis, sich durch Selbstverstümmelung dem Militär- dienu zu entziehen, berichtet der Spezialkorrespondent desBureau Reuter" aus Odessa nachstehende Einzelheiten:Die hiesigen Lokalgerichte haben sich dieser Tage mit einem außergewöhnlichen Fall zu beschäftigen gehabt. Eine Anzahl Personen war unter der Anklage verhaftet worden, junge militär­pflichtige Leute, wie aktive Soldaten durch Verstüm­melung von dem Dienst in der Armee befreit zu haben. Die betreffende Operation führte nicht mehr und nicht weniger als dieses Resultat herbei und hinderte die von ihr betroffenen Personen durchaus nicht, ihrer gewöhnlichen Beschäftigung im privaten Leben nachzugehen. Die angewandten Methoden waren sehr verschiedener Art. Bald wurde eine künstliche Augenentzündung hervorgerufen, bald eine Anzahl gewisser Zähne ausgezogen, deren Mangel vom Dienst entband, und bald auch, was zumeist vorkam, ein Knie- oder Hüftenleideu hervorgerufcn, wozu man sich der Einspritzungen von schwer analysirbaren, schädlichen Stoffen bediente. Wie es scheint, sind diese ungesetzlichen Operationen in ausgedehntem Maßstabe in ganz Südrußland zur Anwendung ge­langt, wobei es von Nutzen war, daß die betreffenden Quacksalber" Verbindungen über das ganze Reich besaßen. Der schändliche Handel hat über 8 Jahre hindurch stattgefunden, wobei die an ihm beteiligten Personen ein hübsches Sümmchen in's Trockene gebracht hatten. Es sind Tausende von Beispielen nachgewiesen, in denen junge Männer sich durch diese Operationen von dem Militärdienst befreien ließen."

Amerika.

Der gestürzte Präsident von Chile, Balmaceda, hat sich in dem Moment erschossen, als er in der Hauptstadt Sanjago, wo er sich bisher verborgen gehalten, verhaftet werden sollte. Die Meldungen von seiner Flucht waren also falsch. Da seine Ver­urteilung vor einem Kriegsgericht zweifellos auf den Tod gelautet hätte, so war der Selbstmord das Beste. Balmaceda ist wenigstens entschlossen ge­storben.

Afrika.

Dar-es-Salam, 20. Sept. Die Expedition ist zurückgekehrt, alles ist ruhig. Der Tod Schmidts und Tiedemanns ist durch Augenzeugen festgestellt. Der Tod der übrigen ist aber zweifellos. Gouver­neur Fhr. v. Soden.

Kleiurrr Mitteilllugeu.

Die Henne als Hungerkünstlerin. Bei einen Besitzer in Z. wurde unlängst, so schreibt die Ludw. Ztg.", in einem Pferdestall ein dichter hoher Bretterverschlag ausgeräumt, der während der Ernte und beim Dreschen des Getreides zur Aufbewahrung von altem Haber- und Gerstenstroh gedient hatte. Nachdem man den letzten Bund hinausgetragen hatte, (sah man hinten in der Ecke eine Henne sitzen, die damals, als das Stroh hineingebracht wurde, nicht bemerkt worden war. Anfangs schien es, als wenn dieselbe nicht mehr gehen könnte, doch erholte sie sich nach kurzer Zeit wieder und ist auch jetzt vollstän­dig gesund. Beinahe 28 Tage (?) hatte die Henne unter dem Stroh zugebracht.

Die Pflegekinder des Papstes. Seit kurzem hat Leo XIII. einige Wegekinder, denen er täglich morgens die Nahrung bringt und sie dann eigen­händig speist. Es sind dies einige afrikanische Dam­hirsche und Gazellen, die ihm Kardinal Lavigerie zum Geschenke gemacht hat und die nun in einem Gehege in den vatikanischen Gärten untergebracht wurden. Täglich um 7 Uhr morgens der gewal­tigen Hitze wegen macht der Papst jetzt schon zeitlich morgens seinen Spaziergang in den vatikanischen Gärten findet sich Leo XIII. bei seinen afrika­nischen Pflegekindern ein und reicht ihnen aus einem Korbe, den ein Diener ihm nachträgt, das für sie zubereitete Futter. Rührend ist es, zu sehen, wie die Tiere beim Anblicke des Greises sich an ihn herandrängen, ihm die Hände ablecken, aus denselben ruhig ihr Futter fressen und sich dann nach beendigter Mahlzeit zu feinen Füßen traut niederkauern.

Erstens, zweitens . Bischof Eylert

erzählt in der Biographie Friedrich Wilhelms III., folgende Geschichte von dem berühmten Arzt Heim. Tie Prinzessin Ferdinand hatte einen vortrefflichen, gutmütigen, biederen Charakter; sie und ibr Hof halten aber noch die Art von Friedrich dem Großen, der alle Leute Er nannte. Einmal spielte sich folgender Auftritt ab: Die Prinzessin sitzt in einem prächtigen Andienzsaal auf einem Sopha und besieht durch ein Lorgnon von den Fußsohlen bis zum Scheitel den geforderten, vorgelassenen und eingeführten Heim. Trct' Er näher!" spricht sie und fährt dann fort: Ich höre von Seiner Geschicklichkeit und von Seiner großen und glücklichen Praxis viel Rühmliches. Ich bin darum entschlossen, Ihn zu meinem Leibarzt zu ernennen, und solches habe ich Ihm kund thun wollen."Eurer Königlichen Hoheit danke ich für Ihr Vertrauen, aber die Ehre, Ihr Leibarzt zu sein, kann ich nur unter Bedingungen annehmcn", antwortete Heim, nach seiner Gewohnheit im heitern Tone. Lachend erwiderte die Prinzessin:Bedin­gungen? Die hat mir in meinem ganzen Leben noch Niemand gemacht."Nicht?" antwortete Heim? dann ist es hohe Zeit, daß Sie das lernen." Nun, so laß Er hören."Die erste Bedingung ist", antwortete Heim,daß Euere Königliche Hoheit mich niemals Er nennen; das ist nicht mehr an der Zeit; der König thut das nicht; selbst meinen Be­dienten nenne ich nicht Er. Die zweite Bedingung ist, daß Sie mich dann nicht, wie soeben geschehen, so lange antichambriren lassen; ich habe keine Zeit zu verlieren und der längste Tag wird mir stets zu kurz. Die dritte ist, daß Euere Königliche Hoheit mir nicht so nach den Füßen sehen; ich kann nicht eu ssoarpius, sondern nur in Stiefeln und im be­quemen Oberrocke kommen. Die vierte ist, daß Sie nicht verlangen, ich solle zuerst zu Ihnen kommen; ich komme nach Beschaffenheit der Krankheit, nach Lage der Straßen und Häuser. Die fünfte ist, daß Sie mich nicht zu lauge aufhalten und nicht von mir verlangen, ich solle Ihnen von der wetterwen­dischen Politik und von Stadtneuigkeiten schwatzen; dazu habe ich keine Zeit. Endlich die sechste, daß Sie mich, weil Sie eine Königliche Hoheit sind, königlich honorireu." Seine Bedingungen wurden mit großer Bereitwilligkeit erfüllt.

Ein Tunnel ist auf einer Privateisenbahnlinie bei T r i e st eingestürzt. 50 Menschen sind umge­kommen.

Handel L Berlehr

Herreiibcrg, 21. Sept. Die Hopfenernte ist im Be­zirk nahezu beendet. Käufe wurden abgeschlossen von Bam- berger und Nürnberger Händlern zu 7580 -4t nebst Trink­geld. Die Stimmung ist fest.

Rottenburg, 18. Sept. (Hopfen.) Es wird ge­kauft zu 50, 55-60 nebst Leihkauf.

Rottenbürg, 21. Sept. Heute war lebhafter Handel in Hopfen. Es wurde von 6070 -4t per Ztr. mit Trink­geld gekauft.

Tübingen, 21. Sept. (Ob st mar kt.) Auf dem heutigen Obstmarkt betrug die Zufuhr ca. 2i Säcke, welche zu 8 .6 50 0 pro Sack verkauft wurden.

Reutlingen, 19. Sept. Der Obstmarkt war mit 70 -80 Sack einheimischem Obst, zumeist Aepfel, befahren, das zu 811 der Sack je nach Qualität abgegeben wurde. Birnen kosteten 12 -4L. Von Zufuhren fremden Obstes auf dem Bahnhof ist bis jetzt noch nichts bekannt.

Stuttgart, 21. Sept. (Hopfenmarkt.) Wir no­tieren heute für 1a. 80 bis 90 -4t, Mittelware 7075 ^t, geringe Ware 60 bis 65 -4t.

Stuttgart, 21. Sept. (Mehlbörse.) SuppengrieS ^ 40, Mehl Stro. 0 ^t 39.50 bis -4t 40.50, Nro. 1 -4t 87 50 bis ^t 38.50, Nro. 2 -4t 35.50 bis -4l 36.50, Nro. 3 °4t 33.50 bis ^t 34.50, Nro. 4 -4t 29.50 bis -4t 30, Kleie mit Sack 10.40 per 100 Kilo je nach Qualität.

Stuttgart, 21. Sept. (Landesproduktcnbörse.) Wir notieren per 100 Kilo: Weizen neufränk.-4t 24.15, azima -4t 25.75, Nikolaiff -4t 24.50, Redwinter -4! 25.50, Dinkel -4t 15.50, Gerste bayerisch -4t 19.20, württ. -4t 18, fränkische 18.50, Haber -4t 13-14, Mais -4t 17.

Stuttgart, 22. Sept. (Kartofselmarkt.) Zufuhr 300 Ztr. Preis per Ztr. 4 -4t bis 5 -4t. (Kr aut markt.) Zufuhr 4500 Stück Filderkraut. Preis per 100 Stück 14 bis 16 -4t. (Obstmark t.) Zufuhr 7t 0 Ztr. württ., bayer. und österr. Mostobst. Preis per Ztr. 4 -4t 40 -4 bis 4 -4t 80 -4.

Nürnberg, 19. Sept. (Offizieller Marktbericht des Hopfen.) Heutiger Gesamtumsatz ca. 1000 Ballen. Preise am 17. Sept.: Marktware prima -4t 7075, mittel 6268, Württcmberger prima 80 85, mittel 7075, Ba­discher prima 8085, mittel 7075, Elsätzer prima 7075, 1890er 4055. Vorstehende Preise verstehen sich nur für geschlossene Partien, während Auslese einzelner Ballen jeder­zeit 35 -4t mehr erzielt.

Verantwortlicher Redakteur Steinwandel in Nagold. Druck und Verlag der G- W. Zaiser'scheu Buchdruckerei