det worden. Wie man jetzt erfährt, hat derselbe seinem Leben freiwillig ein Ende gemacht. Schon längere Zeit hatte er an Melancholie gelitten und sollte einer Irrenanstalt übergeben werden.

Trier, 8. Juni. Am letzten Sonntag wurde in den Kirchen ein Hirtenschreiben verlesen, welches die Ausstellung des heiligen Rockes in diesem Sommer ankündigt.

Pirmasens, 3. Juni. Die Krisis in der hiesigen Schuhwarenindustrie wird immer bedenklicher. In den letzten Tagen sind zwei neue Konkurse ein­getreten. Die Zahl der Bankerotte beträgt bis jetzt 34, darunter sind 27 Schuhfabriken. Die Reihe ist noch nicht geschlossen und die betriebsame Stadt wird langer Zeit bedürfen, um das Verlorene langsam wieder einzuholen.

Essen, 2. Juni. Die Redakteure der klerikalen Westfälischen Volksztg." in Bochum, Fusangel und Lunemann, hatten in einer Anzahl Artikeln eine ganze Reihe von Personen benannt, die ein weit höheres Einkommen, als das eingeschätzte, besäßen. Die Nationalliberalen antworteten mit einer Nam­haftmachung von Personen der Gegenpartei, die zu niedrig geschätzt seien und gegen Fusangel und Lune­mann stellten einige Beamte, die von jenen der Par­teilichkeit bezichtigt worden, Strafantrag. Der Pro­zeß hat nun begonnen und trat heute der erste Teil desChores der Unterschätzten" auf: Der erste war Herr Bergassessor Hoffmann, den Herr Fusangel zu 54 bis 60 000 eingeschätzt hatte, der aber in den letzten Jahren nur von einem Einkommen von 80009600 ^ besteuert worden war. Herr Hoff­mann beschwor, daß sein Einkommen nicht die Hälfte jener Summe betrage. Jetzt ist derselbe um 4 Stu­fen erhöht worden. Herr Dr. Nieden steuerte von einem Einkommen von 12 000 Herr Fusangel hatte ausgeführt, er könne gut das doppelte vertra­gen. Herr Dr. Nieden, der übrigens früher mehr- fach reklamiert hat, gab zu, daß sein Einkommen 24 000 ^ betrage. Der Kaufmann Tegeler ist mit 4 bis 5000 Einkommen eingeschätzt gewesen, er hat aber, wie er unler dem Eid zugab, 15 000 ^ Einkommen, zu dem ihn Herr Fusangel eingeschätzt hatte. In Betreff des Generaldirektors Herrn Frie- linghaus hatte sich Herr Fusangel geirrt. Diesem hatte er ein Einkommen von 120 000 nachge­rechnet. Herr Frielingshaus hat aber höchstens 14 000 Einkommen und zwar erst seit 1890, als er für Lösung seines Kontraktes mit der Gewerk­schaft Dannenbaum 45 000 ^ und für Gutachten 5000 ^ erhielt. Herr Fr. ist annähernd richtig eingeschätzt gewesen. Der Vorsitzende des Gerichts­hofes hatte den Zeugen mitgeteilt, daß sie kein Recht hätten, die Aussage bezüglich ihres Einkommens zu verweigern. Nur derjenige könne sein Zeugnis ver­weigern, der sich durch die Aussage einer strafrecht­lichen Verfolgung aussetze. Das Gericht habe Mit­tel, die Zeugen zur Abgabe des Zeugnisses zu zwin­gen. Wie lange die Verhandlung dauern wird, läßt sich noch nicht übersehen.

Im landwirtschaftlichen Verein für den Kreis Stolz in Pommern hat eine Aufsehen erregende Ver­handlung über die Kornfrage stattgefunden. Von verschiedenen Herren, Rittergutsbesitzern, wurde be­hauptet, daß heute bereits eine Notlage infolge Korn­mangels herrsche. Den Bauern fange es bereits an Korn zu fehlen an. Viele Aecker seien gar nicht mehr bestellt worden. Hingegen wird derKöln. Ztg." aus Rußland gemeldet, 'daß von dort große Getreidetransporte nach Deutschland unterwegs seien.

Aus Hamburg meldet man den M. N. N.: Bei der Borschußanstalt Ratzeburg wurden etwa 180 000 Unterschlagungen entdeckt. Der Kassier in flüchtig.

Berlin, 3. Juni. AuS Rußland kann eigent­lich nichts mehr kommen, was noch Erstaunen zu er­regen vermöchte, und so wird auch das Neueste, das aus diesem unseligen Lande gemeldet wird, nur ein­fach registriert und zum übrigen Sündenregister ge­schrieben werden. Die lutherischen Geistlichen in den Ostseeprovinzen sollen aufgefordert werden, ein Freu­denmanifest des Zaren über den Abfall der Groß­fürstin Elisabeth von ihrem evangelischen Glauben von den Kanzeln der evangelischen Kirchen herab zu verlesen. Die meisten sind, nach der Kreuzzeitung, entschlossen, dem Befehle nicht Folge zu leisten und Amtsenlsetzung, Gefängnis und Verbannung nach Sibirien wird ihre Strafe sein. Wenn man die

Wirtschaft, wie sie jetzt in Rußland herrscht, näher ansieht, so möchte man wirklich glauben, daß der re- ligiöse Wahnsinn das Regiment ergriffen habe. So betrübend das Bild ist, das Rußland darbietet, so ist es aber doch noch schlimmer, daß sich immer noch ein Volk in Europa befindet, das vor dieser Regie­rung seine devoten Verbeugungen macht, nämlich das französische.

Berlin, 3. Juni. DieKreuzztg." sagt, daß nach den übereinstimmenden Angaben Wiener Blät­ter sich gegenwärtig in Qesterreich-Uugarn ein Ueber- schuß an Getreide in Höhe von 15 Millionen Hek­tolitern befindet, welche für die Ausfuhr verfügbar sind. Nach den Berechnungen eines Berliner radi­kalen Börsenblattes aber werden in Berlin demnächst allwöchentlich 150 Personen 1 auf 10 000 den Hungertod zu erleiden haben.

Berlin, 4. Juni. Vor Kurzem haben hier Revisionen der Fabriken und Werkstätten stattge­funden in Bezug auf die Ausführung der durch das Alters- und Jnvaliditätsversicherungsgcsetz erlassenen Vorschriften. Es ist infolge der Revision zunächst eine nicht kleine Zahl von Arbeitgebern wegen Un­terlassung des Marken-Einklebens in Geldstrafe (12 Mark und dergl.) genommen worden. Eine vorher­gehende Warnung hat man nicht beliebt, allerdings haben die Betroffenen ja auch fünf Monate Zeit gehabt, um sich über ihre Obliegenheiten zu unter­richten. Bei Gelegenheit der Revisionen sind ferner viele Fälle zur Anzeige gekommen, in welchen die eingeklebten Marken mit Fabrikstempel oder anderen Zeichen versehen worden waren. Hier hat zunächst eine Verwarnung stattgefunden. Es zeigt sich also, daß sogar die einfachsten und klarsten Bestimmungen des Gesetzes noch nicht allenthalben beachtet werden; doch will es immerhin nicht viel sagen, daß sich unter Tausenden von Arbeitgebern auch einige Dutzend Schwerfällige oder Renitente befinden.

Zirkusdirektor Carrs ist hier angekommen, um seine Schadenersatzansprüche an die Eisenbahnverwal­tung geltend zu machen.

In der nächsten Session des Reichstages ist eine Vorlage, betr. die Vermehrung der Fußar­tillerie um drei neue Bataillone und mehrere Regi- gimentsstäbe zu erwarten. Die Regierung hatte diese Vermehrung bereits im vorigen Sommer in Aussicht genommen, schließlich aber von der Einbringung einer diesbezüglichen Vorlage im Reichstag abgesehen.

Einreicher" Besuch steht unserer Reichshaupt­stadt demnächst bevor. Cornelius Vanderbilt, der bekannte amerikanische Millionär, ist mit Gattin, vier Kindern und fünf Bedienten mit dem Dampfer Etruria in London eingetroffen und gedenkt auf einer Reise durch den Continent auch Berlin zu besuchen. Der Besuch Europas von Amerikanern ist überhaupt augenblicklich so stark, wie nie zuvor. Es sind in der vergangenen Woche auf den Dampfern des Norddeutschen Lloyd fast 700 erste Cajütspassagiere angelangt. Ueber Hamburg, Liverpool und Havre sind in der vergangenen Woche nur auf Schnell­dampfern beinahe 2400 erste Cajütspassagiere ge­landet, so daß eine einzige Woche uns 3000 Ameri­kaner brachte, die den wohlhabendsten Klassen an­gehören und eine große Summe Geldes auszugeben gewohnt sind.

ImReichsanzeiger" wird für die Entdeckung der Verfertiger oder Verbreiter der in neuerer Zeit zirkulierenden falschen Reichskassenscheine zu 50 und 5 ^ eine Belohnung bis zu 2000 ausgesetzt.

Im preußischen Abgeordnetenhause besteht die Ansicht, daß der von der freisinnigen Partei einge- brachte Antrag, die Staarsregierung wolle dem Hause die Resultate ihrer Erhebungen in der Getreidefrage vorlegen, keine praktischen Folgen haben wird. Der Hauptzweck des Antrages ist auch wohl nur, eine parlamentarische Erörterung der neulichen Erklärun­gen des Reichskanzlers von Caprivi zu veranlassen. Die Debatte wird wohl im Laufe der kommenden Woche stattfinden und recht ausführlich werden.

Der preußische Minister des Innern hat sich im Einverständnis mit dem preußischen Kriegsminister mit dem von dem Vorstande des deutschen Krieger­bundes aufgestellten Normalstatut für Kriegervereine im Allgemeinen einverstanden erklärt.

Die Erklärungen v. Böttichers über die viel­leicht mögliche Herabsetzung der Getreidezölle hatten die Russen renommistisch und hochmütig gemacht, be­sonders auch gegenüber den Verhandlungen zu einem

etwaigen deutsch-russischen Handelsverträge. Dem­gemäß bereiteten ihnen jetzt des Reichskanzler Caprivi Erklärungen eine furchtbare Enttäuschung. Die rus­sischen Händler hatten ihr Getreide zurückgehalten in der Hoffnung, die Preise zu steigern, sobald Deutsch­land die Getreidezölle ermäßigt. Daraus ist ersicht­lich, daß ein etwaiger Zollerlaß wesentlich Rußland und nicht den deutschen Verbrauchern zugute gekom­men wäre.

Eine offiziöse Berliner Zuschrift in derPol. Korr." versichert auf das Allerbestimmteste, daß die deutsche Regierung fest entschlossen sei, bezüglich der Getreidezölle auf dem vom Reichskanzler un­zweideutig gekennzeichneten Standpunkte zu verhar­ren. Weder von einer Herabsetzung, noch von einer Suspendierung der Getreidezölle werde in absehba­rer Zeit, soweit menschliches Ermessen geht, die Rede sein, und jeder Hinweis aufMöglichkeit" oder Wahrscheinlichkeit" dürfe von vornherein als Ver­such bezeichnet werden, die öffentliche Meinung irre zu führen.

Es verlautet, per Reichskanzler v. Caprivi habe Bürgschaft dafür, daß das Zentrum mit wenigen Ausnahmen für den deutsch österreichischen Handels Vertrag stimmen werde.

Die ZeitungDeutschland" weist auf die Unbil­ligkeit und die Inkonsequenz in der Preisbestimmung seitens unserer Fleischer hin, indem sie konstatiert, daß früher, als die Schweine 48 bis 50 ^ pro Zentner kosteten, die Fleischer sich das Pfund mit 60 ^ bezahlen ließen, während sie heute wo die Schweine höchstens 43 bis 45 ^ pro Zentner kosten, sogar 65 bis 75 für das Pfund fordern. (In Nagold kostet solches 3436/60 Es ist dies ein wertvoller Beitrag zu dem Kapitel von derVer­teuerung der Lebensmittel durch die Zölle"!

Beltrrreich-Ungarn.

Wien, 4. Juni. Aus der Provinz treffen sehr betrübende Gerüchte über die Schäden ein, welche das gestrige Unwetter daselbst angerichtct hat. Eine große Anzahl Menschen ist vom Blitze getötet wor­den und viele Feuersbrünste sind ausgcbrochen.

Wien, 5. Juni. Der in Gefangenschaft der türkischen Räuber gewesene Koch Kiak ist heute Abend hier angelangt. Er erzählt, die Räuber haben zu­nächst die Gefangenen 2^/s Stunden weit durch den ^ Wald geführt. Kiak, der leidend war, erklärte, nicht weiter zu können, worauf der Räuberhauptmann sagte:Dann schneiden wir ihm unterwegs den Hals ab." Nach einiger Zeit jedoch erfolgte eine Rast und dann wurde weiter marschiert bis auf die Höhe eines Berges. Hier wurde gelagert. Die Räuber unter­breiteten den Gefangenen, da der Boden naß war, ihre Mäntel. Gegen Morgen trat der Hauptmann auf Kiak zu und sagte:Du gefällst mir, dich lasse ich los, das Lösegeld zu holen." Israel bat, ihn mitzuschicken, er habe einen sehr reichen Freund in Konstantinopel, der das Geld geben könne. Der Hauptmann führte dann Beide, während die Zurück­gebliebenen jämmerlich weinten und baten, das Löse­geld zu bringen, aus dem Wald und zeigte ihnen den Weg zum Bahndamm. Nach dreistündigem Laufen waren sie in der Ebene. Kiak fuhr nach Konstantinopel, wo er auch vom Großvezier em­pfangen wurde, der die größten Zusicherungen machte. Kiak befürchtete, daß die Gefangenen nicht freigelassen seien, da entgegen der Verabredung Militär Israel begleitete. Andererseits wird aus Adrianopel abends gemeldet, die Gefangenen seien frei.

Im österreichischen Budgetausschuß wurde bei Verhandlung über die Regelung der Valuta von dem Abg. Mauthner bemerkt:Eine Menge Getreide liegt bei uns, und niemand will es uns abkaufen, weil einerseits eine Herabsetzung des Zolls in Deutsch­land erwartet wird und well man sich andererseits kein Bild von der Wirkung der in Aussicht genom- menen Valuta-Regulierung machen kann." Der eine Grund von der Hoffnung auf eine Herabsetzung des Zolls in Deutschland ist nunmehr hinfällig geworden, so daß die Menge Getreide, die in Oesterreich liegt, wohl alsbald Käufer in Deutschland finden wird.

Frankreich.

Ueber den französischen Melinit-Handel ver­nimmt man nur wenig bestimmtes, da die eingeleitete Untersuchung unter dem Siegel des Geheimnisses ge­führt wird. Allem Anschein nach wird die Haupt­anklage sich gegen den Erfinder Turpin richten, wel­cher aus Verdruß über zerschlagene Hoffnungen die