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folgte den Vorführungen mit vielem Interesse, da dieselben in Bezug auf I Mannigfaltigkeit, Sicherheit und Präzision nichts zu wünschen übrig ließen. Etwas neues in der Zauberei war das Erscheinen des Teufels und Todes aus einem leeren Fasse, sowie das Schulpferd Blondin, welches auf einem in Zimmerhöhe angebrachten, allerdings sehr starken Seile einen Spaziergang macht. Enttäuscht wurden viele dadurch, daß das Verschwinden einer Dame, welches wir früher bereits ausführlich nach einem Berliner Berichte schilderten, nicht stattfand, doch soll diese Programmnummer in der heutigen Vorstellung vorgeführt werden. Nach allem können wir den Besuch der heutigen letzten Vorstellung empfehlen, wir möchten nur gewissen Leuten bemerken, daß derartige Veranstaltungen sich am wenigsten eignen, um Skandal und Lärm zu machen; das sollte mit Rücksicht auf die übrigen Besucher unter- -leiben. Schm. Lds.-Anz.
Reutlingen, 6. Dezbr. Heute mittag 1 Uhr geschah hier in der Gartenstraße ein Unglücksfall, dessen schlimme Folgen noch nicht abzusehen sind. Herr Landgerichtsrat Gmelin wollte nach Tisch einen Spazierritt machen, wobei er seine Enkelin, ein Mädchen von 9 Jahren, mit auf sein Pferd nahm. Aber schon in der Nähe des Amtsgerichts entfiel dem alten Manne der Zügel. Das Pferd rannte davon und warf Großvater und Kind ab. Beide lagen bewußtlos auf dem Boden. Das Mädchen, das eine schwere Kopfwunde hat, wurde nach Hause getragen und der Hr. Landgerichtsrat in das Nächstliegende Haus. Als er wieder zur Besinnung kam, führte man ihn in seine Wohnung. Die Aerzte konstatieren einen doppelten Rippenbruch.
Biberach, 6. Dezbr. Zu den schönsten Festlichkeiten, die hier bedangen werden, gehört unbedingt die Feier der Siege der Württemberger -ei Champigny. Dieselbe fand, veranstaltet vom hiesigen Veteranenverein, gestern Abend in den prächtig geschmückten Sälen des Gasthauses zum Biber statt und war von den Staats- und städtischen Beamten und der Bürgerschaft so zahlreich besucht, daß die Räume kaum ausreichten. Der Vorsitzende des Vereins, Carl Langer, ein Freiwilliger von 1870, hielt die Festrede, welche, sinnig durchwebt von den herrlichsten Poesien deutscher Dichter, einen förmlichen Beifallssturm hervorrief, als sein Hurrah auf Kaiser und Reich dieselbe schloß. Unter voller Orchesterbegleitung wurde die Wacht am Rhein gesungen und stehend angehört. Dem gewandten Redner wurden von allen Seiten freundliche Glückwünsche entgegengebracht. Gerbermeister Rupp toastirte auf Württembergs verehrten Herrscher, Natschreiber Rau auf dessen hohe Gemahlin Königin Olga. Wieder erhob sich nach begeistertem Hoch auf die Majestäten die Versammlung und hörte stehend die Königshymne -an. Aus der reichen Fülle patriotischer Gedichte, welche von Veteranen zum gelungendsten Vortrag gebracht wurden, gehört unbedingt „das Jahr 1870", Gedicht von Lieut. Petermann beim Landwehrkommando hier. Der Dichter hat in seinem Werke einen Blütenkranz vaterländischer Liebe und Begeisterung gewunden, welches, von dem Veteranen Hermann Langer kräftig vorgetragen, dem Verfasser wohlverdienten reichen Beifall erwarb. Vaterländische Gesänge, Soldatenlieder und die schönen Vorträge der Musikgesellschaft Union hielten die zahlreiche Versammlung bis lange nach Mitternacht beisammen, freudig gehoben durch das stolze Bewußtsein, daß ein Vaterland, ein Kaiser, ein Reichsheer, nach langer Trübsal entstanden, nun weltgebietend sein schwarz-weiß-rotes Banner entfaltet.
Friedrichshafen, 5. Dezbr. In vergangener Nacht wurde in der dem Oberbürgermeister von Heim in Ulm gehörenden Villa in Manzell eingebrochen und aus derselben Gegenstände im Werte von ca. 1000 gestohlen; den im Schnee Vorgefundenen Spuren nach zu schließen, haben sich drei Personen am Raub beteiligt; dieselben haben sodann den Weg Schnezenhausen zu eingeschlagen. Selbst ein wertvolles Oelgemälde und ein schöner Spiegel hatten das Gefallen der Diebe gefunden. Die Ausführung des Einbruchs ist ähnlich wie bei dem im Laufe dieses Jahres in der Villa Dortenmann vorgekommenen.
Mannheim, 4. Dezbr. Ein heute mittag 2 Uhr vollfüh rter M o r d « versuch und Selbstmord versetzt unsere Stadt in lebhafteste Aufregung. Der Arbeiter Bechtold ausGötzingenhat einem Mädchen wegen verschmähter Liebe mittels eines Rasiermessers einen tödtlichen Schnitt am Halse beigebracht und sich selbst durch Durchschneiden der Luftröhre entleibt. Das schwerverwundete Mädchen wurde nach dem allgemeinen Krankenhause verbracht und ist trotz der sofortigen Hilfe gleichfalls verschieden.
Wiesbaden, 6. Dezbr. In verflossener Nacht wurde in der Schie ß - Halle des hiesigen Schützenvereins eingebrochen und zehn Büchs en- schränke ihres Inhaltes beraubt. Der daselbst seither stationirte Wirt Berges verläßt am 1. Januar seine seitherige Stelle, hatte sich infolge dessen an der Pltaterstraße (?) ein eigenes Haus gekauft, worin er gestern seine neue Wirtschaft eröffnete. Dadurch blieb die Halle unbewacht, welche Zeit die Spitzbuben benützten, den Diebstahl auszuführen. Der gestohlene Wert ist zwar noch nicht genau festgestellt, dürfte aber immerhin schon ein ganz bedeutender sein.
B e r lin, 6. Dezbr. Der gestrigen Festvorstellung im k. Schauspielhause anläßlich der 100jährigen Jubelfeier der königlichen Theater wohnten der Kaiser und die Kaiserin, sowie sämtliche hier anwesende Mitglieder des königl. Hauses bei. Nach der Ouvertüre zu Titus und dem von Puttlitz gedichteten Festspiel: „Die Unterschrift des Königs" fand die Aufführung des Lustspiels von Jünger „Verstand und Leichtsinn" statt, mit welchem am 5. Dez. 1786 das Theater eröffnet worden war. Hierauf folgte das Tanzspiel „Alte und neue Zeit", woran sich ein gleichfalls von Puttlitz verfaßter Epilog anschloß. Während der letzten Worte des Epilogs erschien im Hintergründe der Bühne die Riesenbüste des Kaisers, dazu ertönte das gedämpfte Jnstrumentalspiel der Nationalhymne, die nach dem Schluß vom Publikum, zum Kaiser hingewendet, ausgenommen wurde; ein dreimaliges begeistertes Hoch auf den Kaiser beschloß die Feier. Außer dem gesamten Theaterpersonal und auswärtigen Intendanten waren die Hofstaaten, das Diplomatenkorps, hohe Militärpersonen, Koryphäen der Kunst und Wissenschaft anwesend.
WevmifcHtes.
— Ein Zeitgenosse Schillers. In Forst starb jüngst der fast 99jährige Stadtälteste und Ehrenbürger Jacob Zipffler. Er hat als Knabe in Jena, wohin er von den Eltern zu einem Schulmeister in Wohnung und Kost gebracht war, für den Herrn „Professor Schiller" ab und zu Botendienste verrichtet. Zipffler wußte die Güte des Dichters gegen ihn nicht genug zu rühmen, und er hat es auch im Jahre 1802, als er in Weimar zu einem ehrsamen Schneidermeister in die Lehre kam, erfahren. »Ja, ja, Jacob, ich kenne Dich noch", sagte ihm Schiller, als er ihm einmal ein Paar — Hosen aus der Schneiderwerkstatt abliefern kam. „Da, nimm dies zur Auffrischung unserer Bekanntschaft." Und hier reichte ihm der Dichter ein nobles Trinkgeld.
— Folgende geheimnißvolle Geschichte bringt der „W. L." aus der Schweiz: Im Bezirk Dielsdorf wurde ein Frauenzimmer aufgegriffen und nach Zürich gebracht, wo sich dann nach oberflächlicher Untersuchung zeigte, daß sie an epileptischen Zufällen leide, geistig auf dem Standpunkte eines Kindes stehe, aber keine gewöhnliche Landstreicherin, vielmehr das Opfer eines Verbrechens ist. Man brachte sie nach Burghölzli ins Spital, wo sich nach der Beobachtung mehrerer Wochen ergab, daß sie sich nicht verstellt und auch nicht von Geburt blödsinnig gewesen ist. Ihre Anfälle verloren sich etwas und gewisse Fähigkeiten erwachten, obwohl der cretinartige Ausdruck des Gesichtes blieb. Sie ist gegen 20 Jahre alt, hat ein Kind geboren, über dessen Herkunft sie ängstlich schweigt. Der Bruder habe es getödtet und würde alle umbringen, die von seinem Vater etwas verrieten. Man habe sie lange in einen Keller eingesperrt und furchtbar mißhandelt. Auch von einer Stiefmutter weiß sie voller Furcht zu erzählen.
die Vorboten des Blitzes nennen könnte; der Wind schwieg völlig, und am Himmel hingen bleifarbige Wolken. Die junge Frau träumte sich hinein in einen Alles beherrschenden, schmeichelnden Traum.
Wenn jetzt der jüngste Tag käme und die Erde würde zerrissen und zersplittert bis in ihre tiefsten Tiefen hinein, dann begrub mit allen andern die Zerstörung auch ihr schreckliches, tötendes Geheimnis, dann könnte sie dahingehen, bevor auf ihrer Stirn die Verachtung des geliebten Mannes gleich einem Brandmal haftete.
Blitz um Blitz fuhr zischend herab, der Donner krachte und der Regen floß in Strömen — Julius kam zurück und sprach von gleichgültigen Dingen, er war weder freundlich noch kalt, nur ganz gelassen, als sei Nichts geschehen, während doch die Kluft unausgefüllt gähnte. Das Schlimmste von Allem, der quälendste, trostloseste Zustand!
Kaum acht Tage verheiratet und schon ein Zwist!
Elisabeth fing an zu überlegen, ob nicht die Entdeckung eine Wohlthat mit sich bringen würde. Es war dann wenigstens Alles entschieden und das Aergste Wirklichkeit.
Am folgenden Tage führte die Eisenbahn ihn und sie nach Hause. In einiger Entfernung von M. mußten die Waggons gewechselt werden, und hier war es, wo Julius zum ersten Male wieder auf den Gegenstand ihres Streites zurückkam.
„Wir befinden uns jetzt kaum eine Stunde vor K., mein Herz", sagte er mit dem sanftesten Tonfall seiner Stimme. „Geh' mit mir, und laß uns heute Abend zusammen nach M. fahren!"
Sie zitterte vor Schreck.
„Also Du bist entschlossen mich im andern Falle allein reisen zu lassm, Julius?"
»Ja", sagte er. „Wir müssen zur Ruhe kommen, meiner Patientin wegen. Ich kann nicht fortwährend unterwegs sein, Kind, und wenn Du daher eigensinnig bleibst, so sind wir genötigt, uns für die nächsten Stunden hier einstweilen zu trennen. Aber ich bitte Dich, geh' mit mir nach K. und schenke mir als esiten Gruß für die Häuslichkeit das Eingeständnis eines Irrtums. Bedenke doch, Schatz — ich versprach
der Blinden, sie demnächst bei Dir einzuführen. Du selbst gabst mir dazu das Recht, Du willigtest ein, sie als unfern Gast, als unsere Schwester aufzunehmen."
Er hielt zwischen seinen beiden Händen die ihrige; er lächelte freundlich, als wollte er sagen: „Weshalb vertraust Du mir nicht mehr?"
Elisabeth wandte den Blick; ihre Selbstbeherrschung fing an sie zu verlassen.
„Ich wußte damals nicht, um wen es sich handelte, Julius. Vergib mir, daß ich Dich vielleicht in Verlegenheit stürzte, aber glaub' mir, ich habe Recht. Es ist mir unmöglich. Dich nach K. zu begleiten, es ist auch unmöglich, die Fremde in unser Haus aufzunehmen. Wenn sie käme, dann würde ich gezwungen sein, zu gehen. Dies Mädchen bringt uns Unglück."
Er ließ mutlos die Hand sinken. War das eine beginnende fixe Idee?
„Dann bleibt Dir nur übrig, diesen Zug zu nehmen und einstweilen nach Hause zu fahren, Lisa," sagte er mehr traurig als entrüstet. „Gott gebe, daß dieser unbegreifliche Starrsinn nicht für unser beiderseitiges Leben zur Klippe werde — lebe wohl!"
„Und Du hast kein gutes Wort für mich, Julius?"
Sein Blick voll ehrlichen Ernstes verwirrte sie.
„Nein," antwortete er. „Aus Herzensgrund wenigstens nicht, Lisa. Schreibe es Dir selbst zu, wenn Du leidest."
Und dann nahm er das Billet zur Fahrt nach M. und öffnete für seine Frau die Thür des Coupes.
„Ich komme heute Abend mit dem Siebenuhrzuge, Lisa — grüße einstweilen die Unsrigen."
Er verabschiedete sich von draußen, wie er es auch bei anderen fremden Damen gethan haben würde, und eine Minute später hatte ihn das auf- und abfluthende Gedränge des Bahnhofes ihren Blicken entzogen. Es war der Unglückseligen, als. gingen die rollenden Räder geradewegs über ihr zuckendes Herz — sie schloß die Augm, um nichts mehr zu sehen.
(Fortsetzung folgt.)