Frage betrachten. — Die ..Times" meldet, der Zar habe den General Kaulbars auffallend kühl empfangen.
Hcrges-Weuigkeilen.
— (Amtliches.) Im Vollmachtsnamen Seiner Majestät des Königs haben Seine Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm am 6. ds. Mts. das erledigte Umgeldskommissariat Calw dem Verweser der Stelle, Kameralamtsbuchhalter Staig er, gnädigst übertragen.
Calw. Im Aufträge des deutschen Kolonialvereins wird am Donnerstag, den 9. Dezember der Afrikareisende Herr Andreas Küntzel aus Eppenreuth in Bayern in unserer Stadt einen Vortrag halten. Herr Küntzel hat Sansibar und einen großen Teil des deutschen Schutzgebietes in Ostafrika durchstreift und ist demnach in der Lage, über diese heutzutage ein so hervorragendes Interesse beanspruchenden Gegenden aus eigener Anschauung zu berichten. Zweimal führte ihn das Geschick nach Witu, einmal als Teilnehmer an der gefahrvollen Expedition des Regierungs-Baumeisters Hörnecke, das zweite Mal als Begleiter des Kapitäns zur See, Valois, Kommandant S. M. S. „Gneisenau", auf dessen Besuchsreise an den Hof des Sultans Achmed. Redner wird ein Bild entrollen von dem eigenartigen Leben und Treiben des Volkes zu Sansibar, dem großen Emporium Ost- afrika's. er wird seine auf mehrjährige Erfahrungen in den Tropen gegründeten Ansichten darlegen über den Werth und die Zukunft unserer ostafrika- ruschen Besitzungen, insbesondere aber wird er eine eingehende Schilderung geben von dem jetzt so vielfach genannten Witureiche und dem Hofe des treuen Bundesgenossen Deutschlands, des Suahelisultans Achmed, welcher einer der ältesten Herrscherfamilien des Landes entsprossen ist; der Sultan Achmed von Witu, von den Arabern wegen seiner von ihnen so gefürchteten Tapferkeit mit dem Ehrennahmen Simba, d. h. der Löwe, belegt, ist jedenfalls eine der interessantesten Erscheinungen unter den eingeborenen Herrschern Afrikas. Nach Küntzel ist das Klima Witu's im Gegensatz zu so vielen anderen Gegenden der Ostküste für den Europäer durchaus zuträglich, der Boden außerordentlich fruchtbar, die Bevölkerung besteht aus harmlosen, gutwilligen Leuten. Bekanntlich ist es eines der vielen großen Verdienste, die sich der deutsche Kolonialverein erworben hat, daß er durch Ankauf der von den Gebrüdern Denhardt erworbenen Küstenstrecke den Zugang zu diesem von der Natur so reich gesegneten Lande, welches mit seinen Hinterländern nach Küntzel ein zweites Indien werden kann, für Deutschland sicherte und die wirtschaftliche Ausbeutung desselben energisch in die Hand nahm. Wir dürfen demnach wohl hoffen, daß der Vortrag auch in unserer Stadt dem deutschen Kolonialverein recht viele neue Mitglieder und Freunde zusühren wird.
Calw, 8. Dez. (Viehmarkt.) Heute waren an den Markt gebracht 906 Stück Vieh und 44 Pferde. In fetter Ware ging der Handel sehr gut, in Schmalvieh dagegen flau. Höchster Preis für 1 Paar fette Ochsen 1000 -/tL Auf den Schweinemarkt waren 70 Körbe Milchschweine zugeführt. Preis pr. Paar 18—25 Handel ziemlich belebt. Auf dem Pferdemarkt wurde wenig gehandelt.
— Dem „Staats-Anz." schreibt man aus Nizza, daß das Befinden Ihrer Majestäten des Königs und der Königin befriedigend ist, wenn auch beide Majestäten noch sehr der Ruhe bedürfen. Die Lebensweise am Hofe ist eine durchaus regelmäßige, den auf die Gesundheit zu nehmenden Rücksichten angepaßt. Bis jetzt findet noch wenig geselliger Empfang statt, einige Bekannte ausgenommen, zu welchen die Majestäten in näheren Beziehungen stehen. Seine Majestät der König hat zwar noch über etwas angegriffene Nerven und unruhige Nächte zu klagen, fühlt sich aber in dem milden Klima wohler; in den Athmungsbeschwerden, welche sich sehr bemerklich gemacht hatten, ist Erleichterung eingetreten. Seine Majestät machen sich möglichst viele Bewegung, zeigen sich, gefolgt von einem Wagen, in den Morgenstunden in den Straßen der Stadt und fahren in den Nachwerten jungen Mädchen in K. nicht zu sprechen", fuhr Julius in verändertem, weniger freundlichem Tone fort, „aber heute muß ich dessenungeachtet auf die Sache zurückkommen. Ist es möglich, daß Du im vollsten Ernst thöricht genug wärest. Dich selbst und mich mit krankhafter Eifersüchtelei fortwährend zu quälen?"
„Dich?" fragte sie kaum hörbar, kaum fähig zu sprechen. „Dich ? — ich schwieg, Julius, bis Du mich auffordetest, Dir Alles zu sagen.
Er sah ihre furchtbare Erregung und legte gutmütig den Arm um die schlanke, nicht widerstrebende Gestalt.
„Das ist wahr, Lisa, aber — mit welchen Eiden soll ich Dir beschwören, daß Du Nichts, auch nicht das Geringste zu befürchten hast?"
Sie lächte traurig.
„Schwöre nicht, Julius! Ich glaube auch Deinem einfachen Worte. Du bist gut und treu — würde ich Dich sonst so grenzenlos lieben? Aber sie, sie, die Unselige — gib Acht — sie bringt uns Unglück!"
Der Doktor schüttelte den Kopf.
„Nur weil sie Herbst heißt, Lisa?"
„Weil sie so zu heißen vorgibt, Julius. Ihre ganze Erzählung ist ein Märchen, ersonnen im Hinblick auf mich. Sie will Dich für ihre Zwecke gewinnen, sie wird uns zu entzweien, zu trennen suchen — eine unabweisliche Ahnung sagt es mir."
Julius ging ärgerlich auf und ab.
„Dagegen gibt es kein Mittel", sagte er seufzend. „Dergleichen ist, das nimm mir nicht übel — vollständiger Unsinn. Wenn Du doch das arme Geschöpf kennen lernen wolltest, Lisa."
Die junge Frau wandte sich ab.
„Nie!" versetzte sie. „Nie, Julius! Es ist nicht freundlich von Dir, meine dringende, ja freundliche Bitte an Dich ohne Grund abzuschlagen!
„Daß ich nämlich die arme Blinde ihrem Schicksal überlasten sollte, Lisa?"
Sie errötete leicht.
„Daß Du gerade diese Kur aufgebest, Julius!" Und sei es Grille — immerhin — Du müßtest meinem Wunsche Rechnung tragen."
Mittagsstunden bis 4 Uhr meist auf die Höhe, wo der König aussteigt und See- und Tannen «Luft athmet.
Stuttgart, 6. Dezember. Gestern nachmittags 3 Uhr fand wieder eines jener Regimentsfeste statt, die den Zweck haben, den kameradschaftlichen Geist, die Anhänglichkeit an das Regiment und die Liebe und Verehrung für König, Kaiser und Vaterland zu nähren und zu befestigen. Gestern war es das Ulanenregiment (König Wilhelm) Nr. 120 (früher 3. württ. Reiterregiment), das seine Kameraden von jetzt und früher unter seinen gegenwärtigen und ehemaligen Offizieren beisammen sah. Aber auch höhere und höchste Personen waren der Einladung gefolgt, so Seine Kgl. Hoheit Prinz Wilhelm von Württemberg, Se. Hoheit Prinz Herrmann zu Sachsen- Weimar, Seine Exzell, der komm. General der Kavallerie von Alvensleben, die Regimentskommandeure Oberst Frhr. v. Röder, Major v. Müller, Oberst Graf Normann, die Grafen von Dillen und v. Wolfegg und viele andere. Der große Saal von Paul Weiß war schön dekoriert mit den Büsten der Könige Wilhelm und Karl, Fahnen, Ulanenlanzen, Säbeln und einem Schilde, das die Worte „Mont Mesly, 30. Novbr. 1870" trug, ein glorreicher Tag des Regiments. Das erste Hoch galt S. M. dem Könige, Höchstwelcher zum Feste ein huldvolles Kabinetsschreiben gesandt hatte. Ein Huldigungs- Telegramm ging an Seine Majestät ab. Alsdann galten die Hochrufe S. K. H. dem Prinzen Wilhelm, ferner dem kommandierenden General, welche beide in warmer Weise dankten und auf das Wohl des Regiments toasteten. Das Fest verlief in durchaus gehobener Stimmung.
(Strafkammer.) Stuttgart, 3. Dez. Drei Männer von Weil i. Schönbuch, der 26jährige Taglöhner Wilhelm Eberhardt, dessen Bruder. Friedr. Eberhardt, 27 Jahre alt, Müller, und der Bäcker Gottl. Preisendanz. 26 Jahre alt, hatten im Sept. d. I. bei einer Hochzeit im Gasthause zur Rose nachts 10 Uhr mit einem guten Bekannten des Wilhelm Eberhardt Händel angefangen, die in eine Schlägerei zwischen Drei gegen Einen ausarteten. Der Vierte, Namens Dieter, erhielt 5 Stich- und 14 Quetschwunden am Kopfe; keiner der 3 Angeklagten will ein Messer gebraucht haben. Allein Wilhelm Eberhardt wurde dessen überführt und zu 6 Mon. Gef., dessen Bruder zu 1 Mon. und Preisendanz zu l'/s Mon. Gef. verurteilt. — Der led. 19jähr. Metzger Jos. Eisele hatte am Sonntag, 8. Aug., nachts nach 10 Uhr in der Weberstraße in betrunkenem Zustande Lärm gemacht und war zur Ruhe gewiesen worden. Das machte ihn aber so wütend, daß er sein Messer zog und auf einen der Umstehenden, Schlosser Schwab, zustach, der eine schwere Armverletzung davontrug. Eisele wurde dafür zu 5 Mon. Gef. verurteilt. — Am 8. v. M. wurde bekanntlich ein in einer Magdkammer der Eßlingerstraße Nro. 55 ertappter Dieb, der entfliehen wollte, von dem Hauseigentümer durch einen Revolverschuß am Arme verletzt. Gestern stand derselbe vor der Strafkammer und gestand 2 vollendete Diebstähle in 2 Kammern ein; es waren 2 Uhren im Wert von 30 Vom 3. Diebstahl in der 3. Kammer, wobei es sich um einen Sparkastenschein von über 600 handelte, will er freiwillig zurückgetreten sein, allein das wurde ihm nicht geglaubt, da er erst durch die Dazwischenkunft des Mädchens daran gehindert wurde. Er erhielt eine 2jähr. Zuchthausstrafe und verliert die Ehrenrechte auf die Dauer von 5 Jahren, auch wird er unter Polizeiaufsicht gestellt. — Wegen versuchten Hundediebstahls erhielt der Taglöhner G. Fr. Kull von Degerloch 4 Mon. Gef. Kull hatte einen Rattenfänger im Wert von 70 in der Färberstraße durch Riechen an Fleischstückchen an sich gelockt und denselben bis nach der Sonnenbergstraße gelockt, wo er ihn an eine Schnur binden wollte. Das bemerkten 2 Schutzmänner und nahmen ihn fest, obgleich er leugnete, daß er den Hund stehlen wollte.
Eßlingen, 6. Dezbr. Die gestrige Vorstellung des Direktor Merelli im Saale des Württemberger Hofes wurde im Anfang durch Herabfallen von Petroleumlampen, die einen kleinen Brand verursachten, gestört, doch wurde die dadurch hervorgerufene Panik sowie jede Gefahr schnell durch Ersticken des Feuers beseitigt. Das bis auf den letzten Platz gefüllte Haus,
Julius sah aus dem Fenster.
„Es gibt doch einen Punkt, worin Du mich bisher noch nicht kennen lerntest, Lisa", versetzte er nach einer langen Pause. „Irgend einer „Grille" Rechnung zu tragen, bin ich überhaupt nicht der Mann — wer aber gar einer solchen seine Pflicht opfern wollte, den würde ich für einen Schurken halten."
Elisabeth fühlte, wie sehr sie seine Worte verletzten.
„Das ist auch meine Ansicht", klang es beinahe bitter zurück; „nun fragt sich's wohl noch, welche Pflicht die erste und Nächstliegende genannt werden muß. Die gegen Deine Frau oder gegen eine landfremde, unbekannte Persönlichkeit."
„In jedem andern Fall jene gegen die erstere", sagte er ausdrücklich. „Aber ich habe im kritischen Augenblick die halbverlorene Sache übernommen, habe einer arg Heimgesuchten die letzte, auf meine Wissenschaft, meine Pflichttreue gegründete Hoffnung in's Herz gelegt; ja, ich bin der Einzige, welcher hier am Ort überhaupt Hülfe zu bringen vermag — sollte ich jetzt eines bloßen Hirngespinnstes wegen die Unglückliche aufgeben?"
Elisabeth empfand eine Qual, die an Verzweiflung grenzte. Jedes seiner Worte war von Ehre und Redlichkeit diktiert, in jedem einzelnen hatte er vollkommen Recht, und doch mußte sie ihm, scheinbar von kindlichem Eigensinn erfüllt, widersprechen.
„Wenn diese Unglückliche eine Betrügerin ist, ja Julius!"
Und da wandte er sich ab; was er sagte, war ein böses, bitteres Wort, das erste schlimme ihrer jungen Ehe:
„Lächerlich!"
Sie hörte es immer noch, auch nachdem Julius das Zimmer bereits verkästen hatte, aber ihm Nacheilen und ihn um Frieden bitten, konnte sie ja nicht — ihr eigenes Verbrechen hinderte sie daran.
Stunden vergingen; er hatte allein einen wetten Spaziergang unternommen und während dieser ganzen, trostlos öden Zeit saß Elisabeth am Fenster, die Regentropfen zählend, die vor dem Ausbruch des Gewitters schwer herabfielen. Auf der ganzen ländlich einsamen Umgebung lag jene eigentümliche Beleuchtung, welche man