nur dem Gegner, sondern auch den eigenen Partei­genossen gegenüber. Sein schwierigstes Stück hat er noch in der letzten Zeit vollbracht, als er wiederholt das Zentrum auf die Seite der Regierung hinüber­zog. Er hat freilich sich seinen Lohn davon zu holen gewußt. Wer weiß, ob nicht der letzter Tage ge­stürzte Kultusminister von Goßler heute noch Mi- nister wäre, wenn Windthorst einige Tage früher aufs Krankenlager geworfen worden wäre. Der Rücktritt Goßlers war sein letzter Sieg. Er hat ihn wahrscheinlich nicht einmal mehr erfahren. Das Zentrum steht verwaist. Es hat keinen zweiten Mann wie ihn. Wer wird sein Erbe sein? Wohl keiner. Im Zentrum wie in allen Parteien sind verschiedene Strömungen. Noch dieser Tage klagte Windthorst, es sei ihm schwer geworden, seine Leute znsammen- zuhalten. Die Ansicht ist stark verbreitet, daß das Zentrum in einen konservativen Flügel mit Herrn v. Hüne und Graf Preysing und einen demokrati­schen mit Lieber und Gröber in absehbarer Zeit aus- cinanderfallen werde. Darauf deutet auch die ge­drückte Stimmung im Zentrumslager hin.

Hcrges-WeuigkeiLen.

Deutsches Weich.

ä. Nagold, 16. März. Gestern wurde im Gasthof z.Hirsch" die jährliche ordentliche General­versammlung der Handwerkerbank Nagold e. G. m. u. H. abgehalten, dieselbe war jedoch schwach besucht. Der 26. Rechenschaftsbericht verzeichnete bei einem Umsatz von über 5 Millionen Mark einen Reinge­winn von 6313.57, so daß nach statutengemäßer Datierung des Reservefonds, welcher nunmehr ein­schließlich des Hilfsreservefonds über 42 000.. beträgt und nach Zuweisung von über 1000..

zum Effektenconto, eine Dividende von 5'/,°/o zur Verteilung kommt. Bei der Ergänzungswahl des Auffichtsrats wurden die ausgetretenen Mitglieder wieder- und an Stelle des verstorbenen Herrn G. F. Acker in der Person des Herrn Stephan Schaible ein Ersatzmann gewählt. In der Kontrole- Kommission verblieben durch die Neuwahl die seit­herigen Persönlichkeiten.

Jufluenzad er Pferde. Nicht selten herr­schen zu gewissen Zeiten Bronchialkatarrhe, acute Magen- und Darmkatarrhe, Brustfell- und Lungen­entzündungen und Rotlaufentzündungen seuchenartig unter den Pferden. Diese an und für sich verschie­denen Krankheitsformen kommen aber zu solchen Zei­ten darin überein, daß die erkrankten Tiere eine durch­aus nicht im Verhältnis zum Lokalleiden stehende enorme Hinfälligkeit und Betäubung zeigen. Man hat sich gewöhnt, solche Seucheninversionen mit den Namen der Influenza zu belegen: ein Name, welcher nicht eine bestimmte Form der Erkrankung, sondern eine gewisse gemeinsame Schädlichkeit bezeichnen soll. Den ursächlichen Faktor dieser Seuche bilden Bak­terien, welche in den Körper einwandern und sich hier vermehren. Die Ansteckungsfähigkeit dieser Krankheit ist hiemit nachgewiesen. Aus diesem Grund wurde zur möglichsten Verhütung der Verbreitung dieser Seuche vom Königl. Ministerium des Innern die Anzeigepflicht für dieselbe angeordnet. Zur An­zeige verpflichtet sind die Tierärzte und die Orts­polizeibehörden und zwar von jedem ihnen bekannt gewordenen Ausbruch der Krankheit. Mit dem Na­men Influenza wird nun jede Erkrankung der Pferde benannt, wenn unter einem Bestand oder in einem Orte mehrere Stücke an einer der oben genannten Krankheitsformen zu gleicher Zeit oder in einer raschen Aufeinanderfolge erkranken. Für jede einzelne Form wird eine besondere Bezeichnung gebraucht und ist für Lungen- und Brustfellentzündung die Bezeichnung Brustseuche", für Rotlaufentzündungen (schnell auf­tretende ausgebreitete Geschwülste an den Gliedmaßen oder um Kopfe)Pserdestaupe" und für Katarrh der Luftwege (Strenge!) die BezeichnungSlralma" im Gebrauch. Es haben sich auch die zur Anzeige Ver­pflichteten dieser Ausdrücke in ihren Anzeigen zu be­dienen. Durch Veröffentlichung dieser Anzeigen im Amtsblatt wird den Pferdebesitzern Gelegenheit ge­boten, ihre Pferde durch Fernhaltung von verseuchten Orten und durch Vermeidung einer mittelbaren oder unmittelbaren Berührung mit verseuchten, oder der Ansteckung verdächtigen Bestände thunlichst gegen die Ansteckung zu schützen. Hiebei wird noch bemerkt, daß bei den Veröffentlichungen die Namen der Pferde­

besitzer , deren Pferde an Influenza erkrankt sind, nicht genannt werden, sondern blos die Ortschaft.

DO.-A.-T. W. -!

Stuttgart, 11. März. (Landtag.) Heute trat die Kammer der Abgeordneten in die Beratung des Hauptfinanz- ctats für 1891/93, die von dem Abg. v. Hofackcr mit einigen allgemeinen Bemerkungen eingeleitet wurde. Aus der kurzen Generaldebatte ist zu erwähnen, daß der Abg. Sachs seinem Bedauern darüber Ausdruck gab, daß die vor zwei Jahren auf eine Million Mark festgesetzten Beiträge an die Gemein­den für Straßenbauten dieses Mal auf die Hälfte herabgesetzt worden sind. Der Finanzminister erwiderte, der Staat weise den Gemeinden jährlich 3 Millionen Mark zu, er thue also, was er könne. Auf die Forderung von Sachs, die Malz­steuer für die kleineren und mittleren Brauer zu ermäßigen, entgegnen der Minister, es sei doch zu erwägen, waS den Vorzug verdiene, eine Ermäßigung einzelner Steuern, die nur gewissen Kreisen zu Gute komme, oder Verwendungen zum Vorteil des ganzen Landes. Eine Reihe von Kapiteln des Etats werden ohne Debatten angenommen, darunter auch die Zivilliste, wofür jährlich 1799 458 eingestellt werden. Bei dem Etat des Departements der Justiz tritt der Abg. Egger für Herabsetzung der Gerichtskosten und der hohen Anwaltsgebühre» und Abschaffung des Advokatenzwangs ein. Der Abg. Haußmann (Gerabronn) redet der Herabsetzung der Probezeit der Justizreferendarien von 3 auf 2 Jahren das Wort, spricht sich weiter für die Entschädigung unschuldig Verurteilter und für die Einführung der Berufung gegen Strafkammerurteile aus und wendet sich schließlich gegen einige untergeordnete Formalien auf dem Gebiete des Ge­richtswesens. Der Justizminister v. Faber erklärt sich mit der Herabsetzung der Gerichtskosten ganz einverstanden, be­dauert aber, daß die württ. Regierung im Bundesrat mit ihren Wünschen allein stehe. Die Einnahmen der Anwälte möchte der Minister nicht weiter geschmälert sehen. Sehr lymphatisch verhält sich auch Herr v. Faber gegenüber der Entschädigung unschuldig Verurteilter. Tatsächlich werden in Württemberg, dessen Strafprozeßordnung von 1868 eine Entschädigungspflicht enthielt, aus dem GratialienfondS un­schuldig Verurteilte, allerdings in beschränkter Weise, ent­schädigt und bestehe auch im Bundesrat Geneigtheit, die Entschädigungsfrage im Sinne der württ. Strafprozeßordnung zu regeln. Wolle die Kammer einen Spezialposten für Entschädigungen an unschuldig Verurteilte iu den Etat ein­stellen, so habe er (der Minister) nichts dagegen.

Stuttgart, 11. März. (Landtag.) Der Entwurf eines Gesetzes, betr. die Ortsichulbehörden, ist erschienen: Art. 1 lautet: Die nach Art. 72 des Volksschulgcsetzes vom 29. Septbr. 1836 zur Schulaufsicht berufene Ortsschulbehörde, Ortsschulrat, besteht aus den Ortsgeistlichen, den Ortsschul­aufsehern, dem Ortsvorsteher, den in der Schulgemeinde cm- gestellten Lehrern der Volksschule und einer Anzahl gewählter Mitglieder. In größeren Städten mit mehreren Volksschulen kann die Ortsschulaufsicht einem oder mehreren Ortsschul­aufsehern ohne die Verwaltung eines Pfarramts übertragen werden. Die Zahl der in die Ortsschulbehörde berufenen Geistlichen soll einschließlich der Ortsschulaufseher, sofern diese ein Pfarramt bekleiden, niemals 3 übersteigen. Dasselbe gilt für die in die Ortsschulbehörde berufenen Schullehrer. Wenn mehr als 3 Geistliche, einschließlich der ein Pfarramt bekleidenden Ortsschulaufseher, in einer Gemeinde angestellt ind, so sind zunächst diese, die weiteren Geistlichen nach dem Dienstaltcr in die Ortsschulbehörde berufen. Von den Schul­lehrern sind zunächst die mit Dienstaufsichtsrechten betraurcn Lehrer berufen. Wo eine Mittelschule besteht, ist ein Lehrer derselben Mitglied der Ortsschulbehörde. Im übrigen ent­scheidet das Dienstalter über die Berufung in den Ortsschulrat. Art. 2: Die Zahl der aus der Schulgemeinde zu wählenden Mitglieder kommt der Zahl der in die Ortsschulbchörde berufenen Geistlichen, Schulaufseher und Schullehrer gleich. Wählbar sind mit Ausschluß der Geistlichen und der im Dienste der Volksschule stehenden Lehrer alle in der Schul­gemeinde wohnenden Männer, welche gemäß Art. 12, 14 und 18 des Gesetzes, betr. die Gemeindeangehörigkcit, vom 16. Juni 1885 die gemeindcbürgerlichen Wählbarkeitsrechte besitzen. Die Wahl derselben geschieht auf die Dauer von 3 Jahren. Sie erfolgt durch den Gemeinderat und Bür- gerausschuß. Aus den weiteren Artikeln heben wir hervor: Aus Art. 3.: In Gemeinden, iu welchen Volksschulen ver­miedener Konfession bestehen, wird für die Schulen jeder Konfession eine besondere Ortsschulbehörde gebildet. Aus Art. 4: Bei freiwilligen Konfessionsschule» wird die Orts­chulbehörde aus dem geistlichen Vorstand der Ortskirchen­gemeinde, bezw. dem Schulaufseher, den Schullehrern der Konfessionsschule und der entsprechenden Zahl gewählter Konfessionsgenossen gebildet.

Stuttgart, 12. März. (Landtag.) Die Kammer der Abgeordneten beendete heute die Spezialberatung des Justiz­etats. Einer von dem Abg. Hsug gegebenen Anregung ge­genüber, welche die Zuständigkeit der Gemeindegerichle bei vermögcnsrechtlichen Ansprüchen bis zu 60 Mark (jetzt 50) auszudehnen empfahl, machte der Justizminister v. Faber die Zusage, der Sache näher treten zu wollen. Eine von der Regierung gewünschte Erhöhung des Taggeldes der Justi- refercndaren von 5 Mk. auf 5 Mk. 30 Pfg., resp. 5 Mk. 50 Pfg. blieb uicht unwidersprochen. Namentlich die Abgg. Sachs und Aldinger erhoben dagegen aus Svarsamkeits- gründen Einsprache. Es bedurfte erst eines eindringlichen Hinweises des Justizministers auf die lange Studien- und Probezeit der jungen Leute, ehe man die Forderung, und zwar nur mit 7 Stimmen Majorität anuahm. Schon lange ist die Verlegung des 184449 erbauten Stuttgarter Zuchthauses, an welches sich neuerdings, da die Stadt nach dieser Seite hin sehr ausdehnungsfähig ist, ein ganzer tzäuser- komplex angesicdelt hat, ein Wunsch der hiesigen Bürgerschaft, der aber, nach den heutigen Ausführungen des Ministers v. Faber, wohl so bald noch nicht in Erfüllung gehen wird. Der einzige Weg, sich des Zuchthauses bald zu entledigen, wäre der, wenn die Stuttgarter dem Staat für den Platz ein namhaftes Angebot machen würden. Die Ausgaben für

die wiirttembergischen Strafanstalten belaufen sich jährlich aus 1306 858 Mk., während die Einnahmen 727 745 Mk. ausmachen, so daß dieselben einen jährlichen Zuschuß' von 581113 Mk. erfordern. Von dem Abg. Frhrn. v. Secken­dorf wird die Ausdehnung der Pastoration auch auf die Gefangenen in den Amtsgcrichtsgefängnissen angeregt. Der Justizminister sagt dieselbe zu.

Stuttgart, 12. März. Regierungsrat Most- haf vom Ministerium des Innern hat einen Ruf nach Japan erhalten. Er soll als Beirat des ja­panischen Staatsministeriums in dreijähriger Thä- tigkeit bei der Einrichtung der Verwaltung nach europäischen Grundsätzen Mitwirken. Wie der S. M. hört, hat Regierungsrat Mosthaf angenommen und begiebt sich bereits im April auf seinen Posten, nachdem ihm der erforderliche Urlaub bewilligt wurde.

Stuttgart. Die in vielen Blättern verbreitete Nachricht von dem Ableben des Oberststallmeisters Grafen v. Taubenheim erweist sich glücklicherweise als durchaus unwahr.

Stuttgart. Wie derMerkur" erfährt, ist unter den hiesigen Angehörigen des Bäckergewerbes eine Bewegung im Gange, welche zum Ziele hat, den Sonntag für alle Bäckereien frei zu bekommen. Die Vorräte, welche für den Sonntag erforderlich sind, sollen am Samstag hergestellt und von den Kunden abverlangt werden; am Sonntag bleiben die Bäckcreibetriebe geschlossen. Ob die eingeleitete Bewegung zum erstrebten Ziele führt, muß sich binnen wenigen Tagen zeigen.

München, 12. März. Der anläßlich der Prinz­regent Luitpold-Feier veranstaltete Landesfestzug ist heute vormittag bei prachtvollem Wetter auf das glänzendste durchgeführt worden. In dem Zuge befanden sich fast 400 Fahnen, 100 reich verzierte Equipagen, 20 Musikkorps, 20 malerische Embleme­wagen mit Hunderten originellster Volkstrachten aus dem ganzen Lande; es mögen etwa 4000 Teilnehmer gewesen sein. Ein nach Zehntausenden zählendes Publikum bildete Spalier und begrüßte den Festzug mit jubelnden Zurufen.

München, 13. März. Das Telegramm des Kaisers an den Prinzregenten lautet: Unter den Be­weisen der Verehrung und Liebe des gesamten Bayern­volkes feierst Du heute Deinen 70. Geburtstag. Em­pfange zu diesem seltenen Feste Meine ans vollem Herzen kommenden Glückwünsche und laß Mich da­bei aussprechen, wie froh und dankbar Ich es an­erkenne, daß mit Deiner treuen Mitwirkung die Bande, welche Uns, Unsere Häuser und Regierungen ver­knüpfen, zum Heile des gemeinsamen Vaterlandes sich nur immer fester und inniger gestaltet haben. Möge die Liebe Deines Volkes und die Anerkennung der deutschen Bundesfürsten Dir auch im kommenden Leben feste Stütze in Deinen schwierigen Regenten- iflichten sein. Die Kaiserin schließt sich Meinen Glück- und Segenswünschen von ganzem Herzen an. Wilhelm. Das Antworttelegramm des Prinz­regenten lautet: Tief gerührt durch Deine so herz­lichen, treuen Glück- und Segenswünsche zu Meinem Jubelfeste drängt es Mich, Dir Meinen innigsten Dank auszusprechen. Mit besonderer Freude erfüllt Mich Deine so warme Anerkennung der festen Bande, welche Uns, Unsere Häuser und Regierungen ver­binden. Der Kaiserin küsse ich dankend die Hände. Luitpold.

Für die Feier des 175jährigen Bestehens des 8. württ. Jnf.-Neg. Nr. 126 in Straßburg am 18. ds. ist folgendes in Aussicht genommen: Beflaggung der Kaserne, um 11 vormittags Parade des Regi­ments, demnächst festliche Speisung der Mannschaften in der Kaserne; um 4 Uhr nachmittags Festessen der Offiziere mit den geladenen Gästen; um 8 Uhr abends Tanzvergnügen der Mannschaften in verschie­denen größeren Lokalen der Stadt.

Frankfurt a. M. Die Frankfurter Zeitung meldet aus Berlin: In einzelnen Provinzblättern taucht die Nachricht auf, Caprivi werde bald zurück­treten und solle durch Dr. Miquel ersetzt werden. Das ist zurzeit unrichtig; aber man muß im allge­meinen jetzt mit der Thatsache rechnen, daß die Dinge, die jahrzehntelang fest waren, in Fluß ge­raten sind.

Prinz Heinrich von Preußen, des Kaisers Bruder, ist ein sehr vielseitiger Künstler. Er leistet nicht blos Tüchtiges als Schauspieler, Taschen- spieler und Jongleur, sondern auch als Musiker. Der Prinz singt sehr gut, und ist jetzt auch in einem Marinekonzert in Kiel als Violinspieler auf­getreten.