Schweidnitz, 2. Okt. Der Kaiser kommt nicht zu dem Geburtstage Moltke's nach Kreisau, sondern lud den Grafen Moltke ein, seinen Geburtstag in Berlin zu feiern.
Saarbrücken, 2. Okt. Eine Versammlung von Bergleuten des Saargebiets, welche in Neunkirchen tagte, beschloß folgende Ergebenheitsdepesche an den Kaiser zu richten: „Majestät geloben die hier versammelten Bergleute aufs neue unverbrüchliche Treue und angesichts des Erlöschens des Sozialistengesetzes Fernhalten von allen Umsturzbestrebungen."
Die Berliner Sozialdemokraten haben am Mittwoch Abend bei stellenweise nur schwacher Beteiligung ihre Vertreter zum Parteikongreß in Halle gewählt. Es wurden nur Anhänger Bebels gewählt. Die Delegierten zu dem Kongreß erhalten außer dem Fahrgeld 10 ^ Diäten pro Tag.
Mit dem 1. Oktober, an welchem das Sozialistengesetz außer Kraft trat, gewinnt auch das neue Gesetz über die Erhöhung der Friedenspräsenzstärke des Heeres, welches der Reichstag im Juni angenommen hat, Wirksamkeit. Das neue Heeresgesetz setzt die Friedenspräsenzstärke auf 486 983 Mann fest, wobei die Offiziere (20 285), Einjährig-Freiwilligen (9000), Militär-Aerzte (1830), Zahlmeister, Roßärzte, Büchsenmacher, Waffenschmiede, Sattler, sowie sämtliche Militärbeamte nicht inbegriffen sind. Seit 1875 ist die Friedenzpräsenzstärke des deutschen Heeres von 401 659 Mann auf die oben angegebene Ziffer gestiegen, hat sich somit um 85 324 Mann vermehrt. Seit 4. April 1887 beträgt die Erhöhung 18 574 Mann, wovon 11800 Äann auf neue Formationen und 6674 Mann auf Verstärkung vorhandener Formationen kommen. Wie erinnerlich, werden neu errichtet:. 70 Batterien Feldartillerie, ein Pionier-Bataillon, drei Train-Bataillone und vier Infanterie-Bataillone.
Die Ernennung eines neuen preußischen Kriegsministers ist bereits erfolgt, der Generallieutenant von Kaltenborn-Stachau ist zum Nachfolger des bisherigen Ministers von Verdy du Vernois bestimmt worden. Hingegen war es nicht richtig, wenn es hieß, auch der Generalstabschef Graf Waldersee wolle seinen Posten aufgeben.
Das Hirtenschreiben der katholischen Bischöfe in Preußen über die soziale Frage fordert in erster Reihe und mit ganz besonderem Nachdruck, daß die christliche Religion dem öffentlichen Unterricht zu Grunde gelegt werde. Alles Bemühen sei umsonst, wenn die Lehre von der Gottheit Christi öffentlich geleugnet werden dürfe, und auf den Lehrstühlen Systeme aufgestellt würden, welche sich mit der christlichen Lehre in Widerspruch setzen. Hier gelte keine Halbheit und darum müsse der Kirche der gebührende und ungeschmälerte religiöse Einfluß auf die Schule und die Erziehung eingeräumt, die freie und ungehinderte Entfaltung des Ordenslebens gestattet werden. Im Weiteren wird dann zur Liebe und Versöhnung und auch zu praktischen Maßnahmen aufgefordert.
Oetzerrrich-Ungar».
Wien, 2. Okt. Kaiser Wilhelm verlieh dem Bürgermeister Prix den Kronenorden zweiter Klasse und übergab dem Guardian des Kapuzinerklosters 300 Gulden für die Armen.
Wien. Man bespricht hier den Umstand, daß auch diesmal Graf Taaffc ohne preuß. Orden geblieben ist. Allerdings wird darauf hingewiesen, daß der ganze Besuch einen intim familiären, durchaus keinen polit. Charakter habe.
Pest, 3. Okt. Jsteleck (bei Szegedin) ist wäh- rend eines orkanartigen Sturmes niedergebrannt.
Pest, 1. Okt. Auf der noch uncröfsneten Bahn Kaschan - Tourna, entgleiste infolge verbrecherischer Steinrammung ein Arbeiterzug. Drei Arbeiter sind tot, drei schwer und zwei leicht verletzt.
Frankreich.
Paris. Ein Korrespondent des Pariser „Figaro" berichtet von einer Unterredung, die er in Neapel mit Crispi gehabt und.bei welcher der Premierminister Italiens neuerdings den friedlichen und devensiven Charakter deS Dreibundes hervorgehoben und gesagt habe, derselbe laufe im Jahre 1892 ab und sei noch nicht erneuert worden. Was seine (Crispis) Stellung zu Frankreich betreffe, so wünsche er, die aufgetauchten Mißverständnisse zu zerstreuen. An einen Krieg glaube er nicht: er erachte Frankreich für sehr stark, aber er meine, wenn Frankreich
sich ruhig verhalte, so werde die Ruhr sicher von niemandem gestört werden. Im übrigen werden die Rüstungen Europas schließlich Europa nur zum Vorteil Amerikas untergraben. Diese Unterredung enthält, wie man sieht, nichts, war nicht längst bekannt wäre; zu wünschen bleibt nur, daß man jenseits der Vogesen den Satz, der Frieden werde sicher erhalten bleiben, wenn Frankreich denselben nicht störe, sich stets vor Augen hält.
Calais, 29. Sept. 70 Tüllfabriken wurden geschlossen, 4000 Personen sind arbeitslos. Abgesandte der Nottinghamer Trades-Unions überbrachten 3000 Pfund St. zur Unterstützung.
Italien.
Rom, 2. Okt. Der offiziöse „Capitan fracaffa" beglückwünscht die deutsche Regierung wegen der weisen Maßregel der Aufhebung des Sozialistengesetzes. Der 1. Oktober sei ein denkwürdiges Datum in der Geschichte Deutschlands. — Die „Riforma" und „Opinione" besprechen die Reise des Kaisers Wilhelm nach Wien äußerst sympathisch. Diese Reise sei ein glückliches Ereignis für ganz Europa.
Rom, 2. Okt. Von zuverlässiger Seite wird versichert, Crispi habe dem „Figaro"-Correspon- denten eine Unterredung nur unter der Bedingung bewilligt, daß keine Veröffentlichung derselben erfolge. Der Bericht sei übrigens richtig in den den Dreibund und die friedlichen Zwecke desselben betreffenden Punkten; der Dreibund sei noch nicht erneuert. Ferner sei die Bemerkung richtig, daß die Rüstungen Europas diese- zum Vorteil Amerika's ruinierten. Im übrigen sei der Bericht nach alten Biographieen Crispi's angefertigt, und zwar sehr übertreibend.
Rom, 3. Okt. Der offiziöse „Capitan Fracassa" gibt anläßlich der Wiener Kaiserbegegnung folgende wichtige Erklärungen ab: „Die Gegner der Tripelallianz mögen schreien, so laut sie wollen, daß die Tripelallianz nicht erneuert werde, ja daß sie bereits erschüttert sei. All diesen boshaften Wünschen antwortet die Klarheit der Thatsachen; das Band zwischen Italien und den Zentralmächten ist heute weit inniger als je zuvor, und all der Lärm der Radikalen und für russische Knute begeisterten französischen und italienischen sRepublikaner wird nichts anderes erreichen, als die Tripelallianz immer mehr zu befestigen und die Erneuerung der Allianz noch mehr zu erleichtern.
England.
London, 2. Okt. Jack der Aufschlitzer kündigte einen neuen Mord für die nächste Zeit an. Die Aufregung im Osten Londons ist groß. (Wahrscheinlich blos Büberei.)
London, 3. Okt. Die der „Times" aus Sansibar übermittelten Einzelnheiten über die Ermordung der Küntzel'schen Expedition in Witu besagen, der Sultan habe alle Deutschen, welche nach Witu kamen, entwaffnen lassen. Küntzel erging sich deshalb in heftigen Schmähungen gegen den Sultan und besiegelte damit sein Schicksal. Vier seiner Genossen wurden außerhalb Witus sofort, drei nach meilenweiter Verfolgung getötet, zuletzt Küntzel. Mauschel entkam verwundet. Die Mörder begaben sich nach Küntzel's Lager und töteten den zurückgelassenen Karl Horn. Die deutschen Plantagen um Witu sind gänzlich verwüstet, der deutsche Pflanzer Behnke wurde ebenfalls getötet; die Leichen sind noch nicht beerdigt, aber unverstümmelt. Alle Einwohner des Distrikts, einschließlich des Sultans, sind an der That beteiligt.
London, 4. Okt. Der „Times" wird gemeldet, der König von Holland sei dem Abscheiden nahe. Die gegenteiligen Nachrichten seien falsch.
Londoner Zeitungen bringen folgende Allarmnachrichten aus Erzerum, die aber denn doch wohl sehr stark übertrieben sein dürften: Die Zusammenziehung russischer Truppen an der türkischen Grenze dauert fort, es sollen dort bereits 72 000 Mann zusammengezogen sein. Die Türken fürchten bald angegriffen zu werden und es beginnen zahlreiche Familien zu flüchten. Da ist augenscheinlich ersichtlich ausgeschnitten.
Der Mörder des Tessiner Staatsrats Rossi hat sich nicht nach Italien, sondern nach England geflüchtet und ist in London verhaftet worden. Da es sich um ein politisches Verbrechen handelt, verweigert die englische Regierung Castionis Auslieferung, die die schweizer Regierung verlangt hat.
Amerika.
Newyork, 28. Sept. (Zugzusarnmenstoß.) Auf der Baltimore und Ohio Eisenbahn stießen gestern unweit Zanesville zwei nach verschiedenen Richtungen fahrende Güterzüge zusammen. Die Züge sollten in Blackhand aneinander vorüberfahren, der dortige Telegraphist aber bestellte die Weisung nicht. Nachdem er sein Versehen zu spät bemerkt hatte, telegraphierte er an den Telegraphisten in Zanesville, daß ein Zusammenstoß unvermeidlich wäre, und verließ seinen Posten. Mit furchtbarem Anprall gerieten die beiden Züge aneinander. Die Wagen türmten sich zu einem wirren Haufen auf. Acht Personen wurden getötet.
In einer der großen Chicago er Räuchereien brach Sonntag nacht ein Feuer aus. 7000 geschlachtete Schweine und eine große Menge eingesalzenes Fleisch verbrannten. Der angerichtete Schaden beläuft sich auf 500 000 Dollars.
Afrika.
Reichskommiffar von Wißmann wird in nächster Zeit nach Ostafrika wieder zurückrcisen und seinem Amte in gewohnter Weise bis zum 1. April nächsten Jahres vorstehen. Alsdann soll eine Neuregelung der Verwaltung in unserem dortigen Schutzgebiet erfolgen und zwar wird voraussichtlich der bisherige Gouverneur von Kamerun, Freiherr von Soden, an die Spitze der Zivilverwaltnng treten, während Major von Wißmann oder ein ariderer Offizier das Kommando der Schutztruppe erhält.
Kleinere Mitteilungen.
Rottenburg, 28. Sept. Gestern nachmittag fiel der Oekonom Joseph Neu beim Obstbrechen so unglücklich von einem Baume, daß der gerufene Arzt den Fall für sehr bedenklich erklärte und auch wirklich heute nachmittag der Tod eintrat. Der Verstorbene steht im 46. Lebensjahre, war ein fleißiger, friedliebender, achtbarer Bürger und hinterläßt eine Witwe mit 9 Kindern.
Ravensburg, 2. Okt. (Seltenheit.) Der Stern von Bethlehem, welcher nach astronomischen Berechnungen alle 315 Jahre im Gesichtsfelde der Erde erscheint, wird in diesem Jahre im November innerhalb des Sternbildes sichtbar werden. Seit der Geburt Christi ist es jetzt das sechste Mal, daß dieser Stern, der von vielen Astronomen als Komet betrachtet wird, erscheint; das letzte mal, im Jahre 1575, wurde derselbe in gleicher Nacht sichtbar, in welcher der Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg geboren wurde. Damals legte man ihm den Namen „Stern des Hauses Brandenburg" bei.
In einem Wald bei Nürnberg aßen 6 Kinder von den Beeren eines Tollkirschenstrauches; die Folgen waren entsetzlich; die Kinder wurden, durch das Gift in förmliche Raserei versetzt, aufgefunden. Ein Knabe starb die Nacht darauf, die anderen 5 Kinder hoffen die Aerzte retten zu können.
Eine ältere, ziemlich bedürftige Frau in Heidenheim, die ihr Leben mühsam durchschlägt, fand lt. „G.-B." in der Nähe des Gasthofs zum Schwanen einen Geldbeutel mit 420 ^ Inhalt. Als ehrliche Finderin gelang es ihr denjenigen ausfindig zu machen, der das Geld verloren. Derselbe war auch ganz freudig. Fiuderlohn gab es nicht. (Pfui!)
In Fulda ist nach einem neulich abgehaltenen Bienenfeste eine Massenerkrankung eingetreten. Einige zwanzig Teilnehmer sind unter typhösen Erscheinungen erkrankt. Vier Personen sind gestorben. Amtliche Untersuchung ist im Gange.
München, 3. Okt. Adele Spitzeder ist mit Hinterlassnng von 8000 Mark Schulden nach der Schweiz geflüchtet. Zwei hiesige Gläubiger reisten derselben nach und nahmen ihr in Sanct Gallen über 3000 ^ Effekten ab, welche bei den Schweizer Behörden deponiert wurden.
In München hat das Oktoberfest auf der Theresienwiese begonnen; Tausende, überwiegend echte Münchener und natürlich auch Münchenerinnen, füllen den großen Platz und die zahlreichen Buden, in denen „a guts Bier" verzapft wird. „Wurschteln" giebt's selbstverständlich auch. Der Prinzregent wird mit seinem Gefolge das Fest am Nachmittag des 5. Oktober besuchen.
Kempten, 2. Okt. Gestern nacht wurde in Jmmenstadt ein Gendarm ermordet, ein zweiter verwundet. Beide wollten in einem Gasthof einer Schlägerei Einhalt thun. Einer der Beteiligten