H

» «

Mainz, 13. Jan. Das Kriegsgericht in Mainz verurteilte dieser Tage einen Soldaten zu achtjährigem Gefängnis, weil derselbe während des Exerzierens seinem Vorgesetzten iws Gewehr vor die Füße geworfen, Schimpfworte gebraucht hatte und dann davongelaufen.

Deutscher Reichstag. Zum Beginn der Mon­tagssitzung berichtete Präsident von Lcwetzow zunächst über die am Sonntag stat^chabtc Audienz des Rcichstagspräsi- diums beim Kaiser. Der Monarch hat für die Beileidskund­gebung zum Tode der Kaiserin Augusta seinen herzlichen Dank ausgesprochen, ist dann auch auf die allgemeine politische Lage zu sprechen gekommen und hat den Frieden als völlig gesichert bezeichnet. Deutschlands geographische Lage ver­pflichte es aber, seine Rüstung im besten Stande zu halten, die Landarmce, wie die Marine, und deshalb hat der Kai­ser besonders für die Annahme des Marineetats in zweiter Lesung gedankt. Darauf wurde der Gesetzentwurf auf Bil­dung zweier neuer Armeekorps in erster und zweiter Lesung dcbätteloS angenommen, und sodann begann die zweite Be­ratung des Militäretats. Abg. Richter (freis) brachte Klagen über die Behandlung von Volksschullehrern, die zum Militär einbcrufen seien, durch die Lieutenants und Unterof­fiziere vor und forderte entschieden Abhilfe. Kriegsminister von Verdy antwortete, es werde das Nötige angeordnet werden, in einzelnen Fällen sei auch schon Bestrafung erfolgt. Wünschenswert wäre es, wenn solche Klagen von den betref­fenden Lehrern sofort, und nicht erst nach so später Zeit vor- gcbracht würden. Die dauernden Ausgaben wurden darauf unverändert nach den Kommissionsbcschlüssen genehmigt. Ein Antrag des Abg. Haarmann (natlib.), im Etat die nöti­gen Mittel einzustellen, um beurlaubten Soldaten alljährlich freie Eisenbahnfahrt in die Heimat zu gewähren, wurde der Budgerkommission überwiesen, und dann die Beratung der einmaligen Ausgaben begonnen, die mit Ausnahme der For­derungen über die Artillerie, welche am Dienstag beraten werden sollen, nach den Beschlüssen der Budgetkommission ge­nehmigt wurden. Hierauf vertagte sich das Haus.

Deutscher Reichstag. Dienstagssitzung. Die am Montag zurückgestclltc Forderung für die Artillerie im Be­trage von U17 Millionen aus dem Militäretat wurde debat- tclos und ziemlich einstimmig angenommen. Alsdann wurde die Wahl des Abg. Dr. Delbrück (freikons.) auf Antrag der Geschäftsordnungskomuiissiou für erloschen erklärt, weil Dr. Delbrück in seiner Stellung als außerordentlicher Profes­sor jetzt ein Staatsgehalt bezieht. Es folgt die Prüfung der Wahl des Abg. Wcbsky (natlib.), welche die Wahl­prüfungskommission beantragt, für giltig zu erklären. Das Haus beschloß mit schwacher Mehrheit die Wahl Websky's für ungiltig zu erklären und vertagte sich dann auf Mittwoch Nachmittag 2 Uhr. (Anträge.)

Berlin, 14. Janr. Der Reichstag wird höchst wahrscheinlich bereits Ende nächster Woche aufgelöst werden oder sich selbst vertagen. Vielleicht findet auch, nachdem in zweiter Lesung der Auswei­sungsparagraph abgelehnt worden, die Auflösung des Reichstags durch kaiserlichen Erlaß statt.

Berlin, 15. Jan. Der preußische Landtag ist heute ini Auftrag des Kaisers und Königs im Weißen Saal des kgl. Schlosses durch den Staats­minister v. Boetticher eröffnet worden. In der Thronrede wird zum Schluß der Befriedigung des Kaisers über das Entgegenkommen der Areitgeber den Bergarbeitern gegenüber Ausdruck verliehen und mitgeteilt, daß die Beziehungen des Deutschen Reiches zu den ausländischen Mächten allerseits gute seien.

Dortmund, 13. Jan. Eine leichtsinnige Wette kostete dem Bergmann Kolobius das Leben. Derselbe wollte nämlich hintereinander fünfzehn halbe Schoppen Schnaps trinken, brach aber zusammen, als er bis auf l3 gekommen.

Die Stadt Elberfeld beschloß die Errichtung einer Stiftung im Betrage von l00,000 zur Verbesserung der Wohnungsverhältnisse der arbeiten­den Klassen als Zeichen bleibender Erinnerung an die verewigte Kaiserin-Königin Augusta.

DerReichsanzeiger" berichtet: Die Uebcr- sicht des gegenwärtigen Saatenstandes der preußi­schen Monarchie ergiebt, daß infolge der günstigen Wit­terung die Herbstbestellung fast überall gut und rechtzeitig erfolgte. Die Wintersaaten sind bei mildem Wetter im allgemeinen gut aufgegangen, haben sich günstig entwickelt und meist kräftig bestockt. Der gegenwär­tige Stand ist daher als guter, strichweise vorzüg­licher zu bezeichnen. Teilweise wird über Mäuse- und Schncckenfraß Klage geführt. Die Arbeiten zur Frühjahrsbestellung konnten genügend vorbereitet werden.

Von der deutsch-französischen Grenze. In der Nacht zum 8. Januar spielte sich bei Mörz­heim eine wirkliche Schlacht zwischen sieben'franzö­sischen Schmugglern und zwei deutschen Grenzauf­sehern ab. Die Schmuggler waren mit Aexten bewaffnet und rückten den Beamten zu Leibe. Der Sieg blieb zwar den Grenzaufsehern, aber die Schmuggler konnten sich doch retten und die nahe Grenze gewinnen. Einige sollen aber etwas hart

mitgenommen worden sein; jedenfalls ist ihnen für einige Zeit die Lustausgetrieben, solche Nachtfahrten zu unternehmen.

Schweiz.

Zürich, 13. Jan. Die streikende» Setzer in Zürich scheinen ihre Berner Brüder nachahmen zu wollen. So geht der N. Z. Z. folgende Mitteilung zu:Nachdem sie am Samstag nacht einen seit länge­rer Zeit bei Herrn Bürkli in Arbeit stehenden schweb zerischen Schriftsetzer komplottmäßig belagert und be­droht hatten, so daß er nur unter Schutz der Po­lizei nach Hause gelangen konnte, gingen die strei­kenden Buchdrucker am Sonntag nachmittag zu ern­steren Angriffen auf zwei andere, bei Orell Füßli und Co. in Arbeit stehende Buchdrucker über.

Ein deutscher Gehilfe wurde von den Streikenden bei der Sonne in Unterstraß abends halb 6 Uhr so zusammengehauen, daß er an sieben Kopfwunden blutend bewußtlos in das Kantonsspital überführt werden mußte. Einem zufällig in der Sonne an­wesenden Geheimpolizisten gelang es, zwei der Thä ter zu verhaften und in Gewahrsam zu bringen. Oesterreich-Ungarn.

Der Kaiser Franz Josef übersandie, wie nachträglich verlautet, dem deutschen Kaiser zum Jahreswechsel 10,000 Virginiazigarren feinster Güte, die gleiche Festgabe erhielten der Kaiser Alexander von Rußland und der König Humbert von Italien.

Klagenfurt, 15. Jan. In ganz Kärnthen ist gestern abend ein Erdbeben verspürt worden.

Frankreich.

Aus Paris wird der Tod des Gewehrer­finders Obersten Lebet gemeldet.

Gegen die unsinnige Behandlung der aus­wärtigen Politik, wie sie in Paris von der Re­vanchepartei oder solchen Leuten, die um jeden Preis von sich reden machen wollen, seit einer Woche wie­der betrieben wird, machen nun doch alle besonne­nen Elemente Front. Das Gerede von einer ge­planten Zusammenkunft zwischen dem deutschen Kai­ser und dem Präsidenten Carnot verdient nicht die geringste Beachtung mehr, seitdem bestimmt erklärt worden ist, der Präsident der Republik werde sich nicht nach Brüssel begeben. Wenn trotzdem einige excentrische Abgeordnete die Sache in der Dcputier- tcnkammer zur Sprache bringe» wollten, so geschah das selbstverständlich mit dem Nebengedanken, gegen Deutschland loszuziehen. Die Regierung, wie die Mehrheit der Deputiertenkammer wollen aber nicht ohne Ursache Schwierigkeiten Hervorrufen, und die Interpellation soll deshalb totgeschwiegen werden, damit wenigstens öffentlicher Eclat verhütet wird. Die Dcutschenfresser, die cs dem französischen Bot­schafter in Berlin schon verargen, daß er am Bei­setzungstage der Kaiserin Augusta die Flagge seines Hotels halbmast habe flaggen lassen, werden natür­lich nie zu bekehren sein; während dieser Preßaus- fälle gegen Deutschland dauert das Liebeswerben um Rußlands Gunst in geradezu widerwärtiger Weise fort. Und der Zar will trotz aller Schweif­wedele nicht hören.

Italien.

Rom, 16. Jan. Der Papst und 8 Kardinale sind an der Influenza erkrankt. - Der Papst verbot dem Kardinal Hohenlohe, seine Billa d'Este in Tivoli an das italienische Unterrichtsmini­sterium zu verkaufen.

Aus Rom. Der Papst beabsichtigt, ein Manifest zu erlassen, um die Verschiebung der für den Februar in Aussicht genommenen Pilgerfahrt deutscher Katholiken nach Rom wegen der Influenza zu empfehlen.

England.

London, 15. Jan. Aus Sansibar wird un­term heutigen gemeldet : Einin Pascha hatte einen Rückfall. Der Zustand soll sehr ungünstig sein.

Portugal.

Lissabon, 14. Jan. Die Aufregung wegen der angeblich für Portugal schimpflichen Lösung des englisch-portugiesischen Konflikts ist noch im Znneh- men. Die Straßenkravalle haben sich gestern wie­derholt und das Ministerium hat infolgedessen um seine Entlastung gebeten.

Die Nachgiebigkeit, welche die portugiesische Regierung in den Verhandlungen mit England gezeigt hat, scheint nicht nach dem Geschmack der portugiesischen Bevölkerung zu sein. Als sich am

Sonntag in Lissabon das Gerücht verbreitet hatte, die Regierung hätte auf ein englisches Ultimatum nachgegeben, wnrden den Ministern die Fenstern eingeworfen und vor dem Palast von Belem und den Ministerien ertönte der Ruf:Nieder mit dem Ministerium!" Auch im englischen Konsulat wurden, obschon das Haus von der Polizei besetzt war, die Fenster eingeworfen und das Wappenschild abgeris­sen und mit Füßen getreten. Einige der Tumul­tanten sind verhaftet worden. Unterdessen hat sich herausgestellt, daß das Gerücht, nach welchem die letzte Depesche Lord Salisburys die Räumung des Gebiets im Norden des Ruo-Fiusses durch die Por­tugiesen verlangt habe, jeglicher Begründung entbehrt. Die englische Regierung hat nur verlangt, daß Por­tugal sich verpflichte, keinen Akt der Jurisdiktion in den Distrikten auszuübcn, über welche England das Protektorat beansprucht. Die 'Antwort Portu­gals hat in London soweit zufrieden gestellt, daß die Verhandlungen ungestört ihren Fortgang nehmen können und eine baldige Beilegung des Streites zu erwarten steht.

Rußland.

Eine überaus friedliche Acußerung des Zaren wird verbreitet. Nach dem Börsencourier hat der Zar erklärt, Rußland brauche sich mit der Einfüh­rung von Repetiergcwehren und von rauchlosem Pulver nicht zu überstürzen; es könne die Kosten für Experimente sparen; er, der Zar, wisse, daß der Friede erhalten bleiben werde. Diese Auslassung ist so wichtig, daß man Wohl wünschen möchte, sie möge in authentischer und unanfechtbarer Weise bestätigt werden. Eine Ableugnung von irgend einer Seite wird freilich nicht so leicht erfolgen ; denn solche Be­merkungen haben die Eigenschaft, den Personen, welchen sic in den Mund gelegt werden, auch dann zu gefallen und nützlich zu erscheinen, wenn gar nichts Derartiges gesagt worden ist. Die nicht we­niger bedeutsame Kundgebung des Präsidenten Car­not für den Frieden (ein Krieg ist unmöglich") hat sich allerdings bewahrheitet. Sv darf man hoffen daß es mit der Neußcrung des Zaren ebenso sein werde.

Die Feier des russischen Neujahrsfestes in Petersburg ist ruhig verlaufen, über irgend welche Ansprachen des Zaren wird nichts gemeldet. Deutlich genug freilich spricht, daß von den am russischen Hofe üblichen Neujahrsauszeichnungcn fast ausschließlich Panslawisten betroffen sind. Ihre auswärtige Politik befolgt Kaiser Alexander nun zwar nicht, ihre innere aber umsomehr, und wenig deutschfreundlich sind beide.

Ein Nihilistenattentat. In Moskau hat ein Fräulein Olga ButschareSko, eine neunzehn­jährige Nihilistin, die im Telegraphendienst beschäf­tigt ist, den Hauptmann Donotontisch, Chef der Moskauer Sicherheitspolizei, in dem Augenblicke mit einem Revolverschussc getötet, wo er sie beim Ein­tritt in das Haus eines gewissen Anvrejew festnch- men wollte. In dem Hause, in welchem die Nihi­listen sich zu versammeln pflegten, wurden nachher viele kompromittierende Papiere entdeckt.

Amerika.

New York, 12. Janr. In einem Marstalle in Versailles, Kentucky, brach heute Feuer aus, wo­bei 35 Pferde im Gesamtwerte von über 151000 Dollars in den Flammen umgekommen.

Newyork, l3. Jan. Ein Orkan zerstörte gestern in Clinton (Kentuky) 55 Häuser. Elf Per­sonen wurden getötet, gegen 50 verletzt.

Newyork, 15. Jan. Briefen aus Rio de Janeiro zufolge wurden bei der Revolte am 18. Dezember v. Js. hundert Meuterer getötet und am nächsten Tage 21 Aufrührer hingerichtet.

St. Louis, 15. Jan. Nähere Nachrichten über die durch den Wirbelsturm angerichteten Ver­heerungen besagen, daß nicht nur ein, sondern daß mehrere Eisenbahnzüge umgestürzt und zum Teil zerschmettert worden sind. Die Zahl der Toten und Verwundeten ist noch nicht festgestellt.

Chin a.

Eine Zuschrift derTimes" will den Ursprung der Grippe auf die großen Uebcrschwemmungen in China im Laufe des vergangenen Jahres zurück­führen. Der furchtbare Schlamm des über seine Ifer getretenen Gelben Flusses bedeckte weite Strecken und die brennende Sommcrsonne erzeugte in dieser mit Dünger gesättigten Decke Millionen von Keimen.