München, 30. Oktbr. Die Rekursinstanz wandelte die Gefängnisstrafe, zu welcher Dr. Sigl, der Herausgeber des Vaterlands, wegen Unfugs (Verunglimpfung der Königin-Mutter) verurteilt worden, in lOO ^ Geldstrafe um. Das Gericht nahm als Milderungsgrund an, Sigl fehle bei seinem notorisches Preußenhaß jegliche lleberlegnng; er habe in der Königin-Mutter immer nur die preußische Prinzessin gesehen.

Der Finanzausschuß des bayerischen Ab­geordnetenhauses genehmigte 21560000 Mark zur Herstellung von Dvppelgeleisen, erhöhte auf Er­suchen des Ministers von Crailsheim wegen der in­zwischen überall gesteigerten Fabrikpreise und Stei­gerung des Betriebes die Position für neue Loko­motiven und Waggons um 2/4 Mill.

Leipzig, 24. Okt. Die durch die mangel­hafte Behandlung eines Mediciners hervorgerufene vorübergehende Verschlimmerung der Krankheit des Patienten ist nach einem Urteil des Reichsgerichts, I. Strafsenats, vom 20 . Mai 1889, als fahrlässige Körperverletznug zu bestrafen.

Berlin, 28. Okt. DieKreuzztg." schreibt: Es ist ein schweres Vergehen eines großen Teiles der deutschen Presse, vor allem derfreisinnigen, daß sie die Leser über die ausgedehnten, an Kriegs­rüstungen grenzenden militärischen Maßnahmen un­serer östlichen und westlichen Nachbarn nicht auf­klärt und so die Meinung nicht anfkommen läßt, als ob die militärischen Forderungen der Reichsre­gierung nicht lediglich Maßnahmen der Abwehr zur Sicherung des Reiches seien, und als ob die Zu­stimmung der Parteien zu solchen Forderungen le­diglich aus Liebedienerei für die Regierung erfolge.

Berlin, 29. Okt. Einer Anzahl aus Berlin ausgewiesener Sozialisten es wird eine größere Zahl genannt ist, ohne Zuthun derselben, die Rückkehr nach Berlin wieder freigestellt worden. In einem Falle hat sich, wie ein Berichterstatter mitteilt, ein bereits zurückgekehrter Ausgewiesener vom Polizeipräsidium Auskunft darüber erbeten, ob sein ferneres politisches Verhalten einer besonderen Zensur unterliege. Darauf veranlaßte ihn die Po­lizei zur Unterschrift eines Reverses, in weichem er verspricht,nicht politisch zu agitieren". In mehre­ren Blättern wird die eingetretene mildere Behand­lung mit den bevorstehenden Verhandlungen über das Sozialistengesetz in Verbindung gebracht."

Berlin, 3l. Oktbr. Der Buchhalter eines hiesigen Bankgeschäfts Namens Otto Döhrin g ist seinen Principalen mit Effekten im Werte von 90000 l/L durchgegangen.

Deutscher Reichstag. Am Dienstag hielt der Reichstag seine erste ordentliche Sitzung ab. Nachdem ein Danktclegramm der Kaiserin Friedrich verlesen war, in wel­chem sie für die Glückwünsche zur Vermählung der Prinzessin Sophie dankt, begann die erste Beratung des Etats, welche Staatssekretär Frhr. von Maltzahn-Gültz cröffncte. Derselbe legte dar, daß die Reichsregierung nicht etwa im Golde wüh­len wolle, wenn sie bedeutende Forderungen gestellt, sie ver­lange nur, was nötig sei. Durch einen Ausfall bei der Zuk- kersteuer und anderen Abgaben weise der vorjährige Etat leider ein Defizit von über 20 Millionen auf. Im laufenden Etat sei aber ein Ueberschuß von 23 Millionen zu erwarten. Die Kornzölle hätten 26 Millionen mehr gegeben, der Reichs- kasse also erheblichen Nutzen gebracht. Die Behauptung, in Deutschland bestehe eine Teuerung, sei nicht zutreffend, denn die Getreidcpreise seien heute nicht höher als 1880. Redner bittet besonders um Annahme der im Interesse des Friedens sehr nötigen Militärforderungen. Abg. Rickert (freis.) führt auS, daß dieser Etat dem deutschen Volke eine Ueberraschung bereitet, wie sie schlimmer nicht gedacht werden könne. Es sei recht gut, Deutschland den Frieden zu schützen, aber dann müsse man auch seine Finanzen schonen, damit es einen even­tuellen Angriff aushalten könne. Die ganze Wirtschaftspo­litik dränge nur auf neue Steuern hin, sie verschulde die herrMnde Teuerung, von welcher die ärmeren Kreise so schwer getroffen würden. Redner bekämpft die Kolonialpo­litik als zu geringen Nutzen bietend und die neuen Flvttcn- forderungen und betont, daß für die Landwirtschaft ein Heil erst dann zu erwarten sei, wenn mit dieser ganzen Wirt­schaftspolitik gebrochen sei. Wenn noch ein Reichstag nach den Wünschen des Kartells gewählt werde, dann werde es mit den besten politischen Rechten der Nation aus sein. Hierauf wird die Weiterdcratung auf Mittwoch 12 Uhr vertagt.

Zur Freitag'schen Brochüre erfährt die M. AUg. Ztg. aus guter Hand, daß Kaiser Wilhelm die Schrift über seinen Vater vor der Veröffentlich­ung eingesehen und gebilligt habe,ohne daß der Verfasser dazu Veranlassung gegeben hatte."

Der Verein für Eisenbahnkunde in Berlin hat einen Beschluß gefaßt, nach welchem er die Ein­führung einer Normalzeit (Einheitszeit) für den in­neren und äußeren Dienst der Eisenbahnen Deutsch, lands im Interesse eines regelmäßigen und sicheren

I Betriebes für dringend wünschenswert hält und hier­für die mittlere Sonnenzeit des Meridians der Erd­kugel, welcher 15 Längengrade östlich von dem Me­ridian der Sternwarte von Greenwich liegt, empfiehlt. Der Verein ist ferner der Ansicht, daß die Einfüh­rung dieser Zeitrechnung in Deutschland in juristi­scher und bürgerlicher Hinsicht von Vorteil ist und dieselbe sich, wie dies in England, Schweden, Nord­amerika und Japan der Fall gewesen, leicht voll­ziehen wird.

Mit neuen A ch t millim e ter-Gewehre n ist in der ganzen Reichsarmee zuerst das Gardejäger­bataillon in Potsdam ausgerüstet worden. Daselbe hatte die neuen Waffen aus Spandau erhalten. Jetzt sollen Truppenteile des 8 . und lO. Korps an die ! Reihe kommen.

! Tetschen, 29. Okt. Die Gensdarmerie hat hier eine Falschmünzerbande verhaftet, die falsche Fünfmarkstücke hergestellt hat.

Schweiz.

Die durch die Blättter, (s. Gesellsch. Nr. 128), gegangene Nachricht, daß das Hotel Bellevue auf dem Pilatus abgebrannt sei, wird von der N. Zür. Ztg." als durchaus unrichtigt bezeichnet.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 28. Okt. Die Vermählungsfeier in der griechischen Hauptstadt ist mit größtem Glanze l vor sich gegangen und der Empfang, der dem deut­schen Kaiserpaar bereitet worden, war, nach allen Berichten ein äußerst herzlicher und freudiger. Al­lerdings haben in Athen, wie derMagdeb. Ztg."

I berichtet wird, eine Anzahl von Einwohnern den Versuch einer thörichten Demonstration franz. Sym­pathien gemacht, indem sie sich anschickten, blau-weiß- rote Fahnen auszustecken. Die Polzei hat diesen Verstoß kurzer Hand unterdrückt. Nach allem, was man aus Athen hört, ist die Versicherung, daß bei diesem kindischen Streich nur eine verschwindende Minorität der Bevölkerung beteiligt gewesen sei,

1 durchaus glaublich. Man darf, bemerkt ein deutsches , Blatt mit Recht, wohl neugierig darauf sein, wie sich ^ der Vexirspiegel ausnehmen wird, worin die fran- - zöstsche Presse ihren Landsleuten die Tagesereignisse zu zeigen pflegt.

i Wien, 30. Okt. DiePresse" meldet, Milan ! habe sich verlobt.

Wien, 30. Okt. Prinz Ferdinand von ! Coburg traf heute um 4Vi Uhr Nachmittags hier ein und begab sich in die Kapuzinergruft, woselbst er eine Stunde verweilte und am Sarge des Kron­prinzen betete.

Krakau, 26. Okt. (Brand.) In der Ort­schaft Swiatniki ist heute nacht ein Brand ausge­brochen, durch den die dort befindliche Schlosser­schule und sechzig Häuser eingeäschert wurden. Fast die gesamte Einwohnerschaft, größtenteils aus Schlos­sern bestehend, ist vollständig zu Grunde gerichtet.

Graz, 29. Okt. In ganz Untersteyermark wird durch Hochwasserfluten großer Schaden ange­richtet.

. Frankreich.

! P a r i s, 29. Okt. Durch den Strike der Bergleute in Nordfrankreich ist der Fortbetrieb der Eisenwerke ernstlich bedroht.

Der Erzherzog Johann von Oesterreich ^ wird in das Redaktionsbureau des Newyork-Herald in Paris eintreten. Er soll 40000 Fr. Gehalt ^ bekommen.

! Mit dem Kohlenarbeitcrstreik in Nord- ! Frankreich sieht es immer noch sehr bös aus. Durch ^ den Kohlenmangel ist bereits der Forstbetrieb mehr- i rerer großen Eisenwerke bedroht. Die Pariser Rc- ! gierung berät Maßnahmen zur Beilegung des Aus­landes. ^

! Italien.

Venedig. 29. Okt. Die Ankunft des deut­schen Kaiserpaares ist hier amtlich auf den 1l. No­vember angemeldet, die Rückreise erfolgt über Triest.

Palermo, 31. Okt. Der Gemeinderat von Syrakus, in dessen letzter Sitzung der Ministerprä­sident Crispi beschimpft worden war, ist aufgelöst worden. '

England.

London, 29. Okt. Aüs China wird gemel­det, mehrere'Wolkenbrüche hätten im Thale des gelben Flusses die ganze Baumwollernte zerstört. Eine Hungersnot sei daselbst auSgebrochen. ' '

Serbien.

Belgrad, 30. Okt. Z a tt k o w, der russischen.

Partei, ist, wie die hiesigen Blätter melden, inwich­tigen Angelegenheiten" nach St. Petersburg berufen worden.

In Belgrad scheint endlich wieder volle Ruhe eingekehrt zu sein. Die Skupschtina, die Volks­vertretung , äußert sich sehr maßvoll, und die große Menge ist des politischen Skandals überhaupt satt. König Alexander hat seiner Mutter in diesen Tagen wieder einen eiustündigen Besuch abgestattet. Von vierzehn zu vierzehn Tagen werden sich diese Be­suche wiederholen, dagegen bleibt es der Königin strengstens verwehrt, ihr Kind im Palais aufzusu­chen, so lange sie sich weigert, die bekannten Bedin­gungen König Milan's anzunchmen. Sollte die Königin, was allerdings nicht zu erwarten steht, es dennoch versuchen, den Palast zu betreten, so haben die Thürhüter Befehl, sie gewaltsam zu verhindern. Im Allgemeinen muß fcstgestellt werden, daß die Teilnahme für die Königin immer mehr schwindet, selbst in der Presse erwähnt man ihrer nur noch selten. Man sehnt sich in allen Kreisen nach Ruhm und sucht deshalb jeden Zündstoff, ver dieselbe be­drohen könnte, zu unterdrücken. Es heißt bereits, Natalie wolle Belgrad wieder verlassen.

Griechenland-

Athen, 28. Okt. Der Großfürst-Thronfolger von Rußland, der im Ganzen achtzehn Tage in Athen verbleiben wird, hat auch die Geschenke des Zaren an das Brautpaar überbracht. Dieselben bestehen in einem kostbaren Brillantenschmuck für die Prinzessin Sophie und einem vollständigen Thee- service aus Krystall und vergoldetem Silber in alt- russischem Stil für den Kronprinzen. Die silbernen Teller dieses Services tragen in russischer Schrift die Namen Konstantin und Sophie. Diese Hoch­zeitsgaben bilden eine höchst glückliche Vereinigung von europäischem Geschmack und asiatischem Prunk. Kronprinz Konstantin, der aus Anlaß seiner Ver­mählung vom Zar zum Hauptmann befördert wor­den ist, erhielt außerdem noch eine sehr ansgestattete Hauptmaunsnniform des Newa-Regiments zum Ge­schenk. Als Festgabe für den König Georg hat der Zarewitsch vier edle Pferde mit hierher gebracht.

Athen, 28. Oktbr. Im Königsschlosse fand heute von 1 <B/s bis 1 Uhr die Ceremonie des Handkusses statt. Die gesamte Generalität, die Staatswürdenträger, die höheren Offiziere und die Damen der vornehmen Gesellschaft defilierten im Thronsaale vor dem Kronprinzen Konstantin und seiner Gemahlin, deren Hände sie küßten.

Der Bürgermeister Regina von Athen schlug den Toast des Kaisers auf die griechischen Majestäten, das griechische Volk und die königliche Hauptstadt auf Pergament im Rathaussaale an.

Recht patriarchalisch hat sich in voriger Woche die Eröffnung der aus Anlaß der Bermählungs- feierlichkeiten in Athen berufenen griechischen De­putiertenkammer abgespielt. Die Herren Deputierten hatten meist Weib und Kind in den Sitzungssaal mitgebracht, die je nach der Parteistellung des Fa­milienvaters neben demselben, auf der Rechten oder Linken des Hauses, auf den sechs grauen, amphi­theatralisch aufgebauten Sitzreihen gemütlich Platz nahmen. Auf dem Präsidentenstuhl saß als Alters­präsident ein achtzigjähriger Greis, Herr Kalliphro- nas in der seltsamen Nationaltracht, der Fustanella mit faltigem weißem Balletrock, roter Weste, dunklen Puffärmeln. Bei Vorlesung der Thronrede blieb man ganz gemütlich sitzen und entblößte nicht ein­mal die Häupter.

In der Dardanellen-Gcgend hat in der Nacht zum 26. d. M. ein heftiges Erdbeben statt­gefunden, bei welchem 19 starke Stöße in der Rich­tung von Südwesten her verspürt worden sind. Biele Menschen sollen dabei ums Leben gekommen sein. Professor Falb hat den 24. Okt. als kritischen Tag erster Ordnung bezeichnet, und da nach seiner Theorie ein Spielraum bis zu zwei Tagen vor bezw. nach den betreffenden Tagen gelassen wird, so hat sich also auch dieses Mal die Ansage als zutref­fend erwiesen.

Türkei.

Konstantinopel, 28) Okt. (Die deutsche Kaiserin im Harem.) Der in das Festprogramm für Konstantinopel aufgenommene Besuch des Ha­rems durch die Kaiserin August« Viktoria wird sich, wie Berliner Blättern geschrieben wird, auf die Begrüßung der rechtmäßigen Frauen . deS türkischen