freiwilligen und Pflicht-Mannschaften statt. Präzis f
I Uhr ertönten die Allarmsignale, worauf sich die Mannschaften im Eilschritt auf den Sammelplatz begaben, um sofort mit den Gerätschaften auf den be- zeichneten Brandplatz abzurücken. Generalidee war: Das Jpser Hertkorn'sche Haus im Gebäude-Comp-! lex zwischen der hintern Gasse und dem Zwinger! steht in Hellen Flammen und sind die angebauten - und umliegenden Häuser zu beschützen. Rasch ging! die Ausstellung der nötigen Leitern vor sich und! bald hatten auch die Steiger mit den Dachleiterni ihre Positionen eingenommen, so daß es der Schlauch- i Mannschaft schon nach Verfluß von 20 Minuten i nach dem Allarmsignal möglich war, den ersten ^ Wasserstrahl über das Brandobjekt zu schleudern, und in weiteren 3 Minuten waren sämtliche Schläuche > in Thätigkeit. Auch die Wasser- und Rettungsfuhrwerke hatten große Eile. Doch es scheint, daß es den vereinigten Anstrengungen gelang, bei Zeit des entfesselnden Elements Herr zu werden, denn bald ertönten die Rückzugssignale, worauf sich die Mannschaften zum Abmarsch sammelten, um nach einem Zug durch die Stadt ihre Gerätschaften zum ersten Mal in dem neu eingerichteten geräumigen Requisitenlokal in der Burgstraße unterzubringen. Es ist nun für die Folge die Einrichtung getroffen, daß die für den Landfeuerdienst nötigen Requisiten sich in dem bisherigen, neben dem Rathaus befindlichen Lokal, alle weiteren Spritzen und Gerätschaften in dem neuen Lokal untergebracht werden. Es sind mit dieser Schlußprobe, welcher auch der Bezirksfeuerlöschinspektor beiwohnte, die Feuerwehrübungen für dieses Jahr abgeschlossen. Ein allgemeines Bankett in der Harschen Brauerei zur Traube, wobei die Feuerwehrmusik für gute Unterhaltung sorgte, bildete den Schluß der Probe.
** W e i l d e r st a d t, 28. Okt. Der heutige Feiertag ist für die evangelische Gemeinde unserer alten Reichsstadt durch die Einweihung der neuerbauten Brenzkirche ein unvergeßlicher, hoher Festtag geworden. Die Stadt selbst erschien im schönsten Festgewand, indem mit kaum nennenswerten Ausnahmen sämtliche Häuser, derselben teils reich beflaggt, teils hübsch bekränzt waren. Zahlreiche Festgäste waren von den benachbarten Dörfern und Städten erschienen. Morgens 7 Uhr wurde das Fest mit den neuen Glocken der Brenzkirche, deren eine von einem ev. Bürger gestiftet wurde, cingeläu- tet, worauf der Choral: Wie schön leucht uns der Morgenstern rc. mit Posaunenstimmen erklang. Um
II Uhr fand ein Abschiedsgottesdienst in der Spitalkirche statt. Nach Gesang und Gebet hielt Pfarrer Fab er von Merklingen, der die ev. Gemeinde der Stadt 12 Jahre lang mit Wort und Sakrament bedient hatte, eine Abschiedsrede über Ps. 50, 23, indem er ein Wort aufrichtigen Dankes und herzlicher Segenswünsche aussprach. Besonders dankbar anzuerkennen ist, daß die Schwestergemeinde 20 Jahre lang den evangelischen Gemeindegliedern für ihre Gottesdienste diese Kirche bereitwilligst überlassen hat. Ein stattlicher Festzug bewegte sich nun unter Musikbegleitung und Glockengeläute dem neuen Gotteshause zu. In demselben bemerkte man u. a. den Präsidenten des ev. Konsistoriums, die beiden Hofprediger, Prälat Gerok und Dr. Braun, die Prälaten v. Merz und v. Lang, die Dekane von Leonberg, Böblingen und Calw, den amerikan. Botschafter, eine große Anzahl von Geistlichen im Ornat mit den b. Gefässcn, einen Knaben mit einer neuen Fahne,
3 weißgekleidete Mädchen, eine derselben ein Kissen mit dem Kirchenschlüssel tragend u. s. w. An der neuen Kirche angekommen, sang man: „Thut mir auf die schöne Pforte rc." Ein Mädchen überreicht den Schlüssel mit passenden Versen an den Erbauer des stattlichen Hauses, Professor R. Reich ardt aus Stuttgart, welcher denselben mit Segenswünschen dem Ortsgeistlichcn übergab, der die schönen Raume öffnet. Als das bei derartigen Gelegenheiten nie fehlende Gedränge — es waren freilich auch Tausende erschienen — sich einigermaßen gelegt hatte, erschallte die herrliche Orgel und der schöne gemischte Festchor: Preis und Anbetung sei unsrem Gott! Hieraus sprach Dekan Lamparter von Leonbcrg im Auftrag der Oberkirchenbehörde die Weihercde und das Weihegebet. Nachdem die Gemeinde das Wcihelied (Gott Vater, aller Dinge Grund rc.) gesungen, bestieg der Orrsgeistliche, Stadtpfarrer Helb- ling, die steinerne Kanzel und sprach über Psalm 26, 6—8, indem er diesen Text als ein Wort des
Dankes, der Bitte und des ernsten Gelöbnisses näher ausführte. Der Vorstand des württ. Gustab-Adolf- Vcreins, Stadtpfarrer Lauxmann von Stuttgart, hatte für die Glaubensgenossen ein Wort der Freude und des Trostes. Er überreichte der Gemeinde ein prächtiges Taufgefäß von Nürnberg, einen Kelch, ein Kruzifix und eine Prachtbibel, woranf der Kirchenchor anstimmte: Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren! Prälat von Lang aus Ludwigsburg brachte Grüße und Segenswünsche von der Oberkirchenbehörde und ermahnte die Gemeinde, das herrliche Gebäude recht in Ehren zu halten, indem sie mit heilsbegierigem Herzen das Wort Gottes fleißig höre. Mit Gebet und Segen schloß derselbe. — Das massiv von buntem Sandstein in gothischem Stil erbaute Haus, dessen Aufführung Bauführer Volz von Sindelfingen zu leiten hatte, faßt 1000 Zuhörer. Es hat ein kurzes Langschiff mit mehreren steinernen Säulen, zwei Querschiffe mit Emporen und ein Holzgewölbe. An den Wänden sind die 4 Evangelisten schön gemalt in Lebensgröße sichtbar. Im Chor steht gegenüber der Kanzel die von einem Stuttgarter Herr gestiftete Büste von Joh. Brenz in Erz gegossen von Karl Donndorf ausgeführt. Das Chorfenster mit dem segnenden Christus ist eine Stiftung einer ev. Familie der Stadt. Die Kirche wird durch zwei Oefen geheizt. Sie hat ca. 85000 ^ gekostet, von denen noch ca. 12000 ^ zu zahlen sind. Der ganz massive Turm macht den Haupteffekt von außen. An der linken Ecke desselben ist ein in Stein gehauener Erlöser mit der Weltkugel in ziemlicher Höhe angebracht. Er ist ein Geschenk des Kunstvereins und soll 800 gekostet haben. Außer dem schön restaurierten Brenzhaus, in dem der ev. Stadtpfarrer wohnt, hat nun die Stadt Weil auch noch ein zweites, großartiges Denkmal, das nicht nur die Stadt, sondern auch das ganze evangelische Württemberg an den großen Reformator Johannes Brenz recht lebhaft erinnert.
E i s e n b a h n u n f a l l. Dem fahrplanmäßig von Böblingen um 11 Uhr 38 Minuten hier eintref- fenden Personenzug ist in der Nähe der Station Vaihingen leider wieder ein Unfall zugestoßen.
, Als derselbe iu den Bahnhof von Vaihingen einfah- > ren wollte, entgleiste der Zug infolge einer bis ! jetzt noch nicht aufgeklärten Ursache. Der Abstand vom Bahnhof betrug etwa noch 3—400 Schritte.
^ Die Lokomotive, welche den Bahnkörper aufriß,
! wurde samt einigen Wagen beschädigt; Verletzungen ^ von Menschen sind glücklicherweise nicht zu beklagen, j Ein Hiifszug mit Arbeitspersonal ist sofort von hier nach der Unfallstelle abgefertigt worden. Von an- . derer Seite wird über den Unfall gemeldet: Mit Blitzeseile verbreitete sich heute mittag die Kunde von einem neuen Eisenbahnunglück ans der Gäubahn. Sofort eingeholte Informationen ergaben jedoch, daß nur eine Lokomotive und der an sie angekupvelte Sicherheitswagcn auf der Station Baihingen a. d. Fildern beim Passieren einer Weiche entgleist sind. Ob eine falsche Weichenstellung oder mangelhafte. Funktion der Weiche die Ursache der Entgleisung ist, werden die weiteren Erhebungen ergeben. Verletzt ist niemand, doch ist das Geleise gesperrt und wurde alsbald ein Arbeiterzug von Eßlingen nach i Vaihingen beordert.
Aidlingen, OA. Böblingen, 25. Oktober. (Diphtheritis.) Schon seit mehreren Wochen grassiert hier die Diphtheritis in einem solchen Grad, - daß in der Woche mehrere Kinder starben. Meistens fallen ihr jüngere Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren zum Opfer.
Tübingen, 29. Okt. Ein tiefschmerzlicher Verlust hat heute die Universität, unsere Stadt, ja das ganze Land betroffen. Gustav Rümclin, der verdiente Kanzler der Landesuniversität, der feinsinnige, geistvolle und stets eigenartige Schriftsteller der verehrte Lehrer und geachtete Staatsmann, ist nach kurzem Leiden gestern Nacht, 75 Jahr alt, verschieden.
Stuttgart, 25. Okt. Gutem Vernehmen nach wird der württembergische Landtag vor Weihnachten nicht mehr zusammenberufen, dagegen soll er gleich von Januar ab in einer wenigstens zweimonatlichen Session tagen.
Heiden heim, 27. Okt. Bei dem Schnellzug von Uim, der abends 7 Uhr hier eintreffen soll, entgleiste in Herbrcchtingen ein Wagen, wodurch die
Bahn gesperrt wurde. Personen erlitten bei dem Unfall keine Verletzung.
Berlin, 28. Okt. Die Kaiserin Augusta Viktoria soll — so läßt sich der „Figaro" aus Berlin melden — für den April nächsten Jahres einem freudigen Ereignisse entgegensetzen.
Berlin, 24. Ökt. Den Abendblättern zufolge hat der Bundesrat in heutiger Sitzung das Sozialistengesetz unverändert nach der Vorlage angenommen.
Die dem neuen Sozialistengesetz beigegebene Begründung führt aus: Das Sozialistengesetz war nicht bestimmt zur Bekämpfung von Lehren und Ideen, sein Zweck war vielmehr, eine i maßlose Agitation einzuschränken, die Rechtsordnung zu wahren und den ruhigen Bürgern Schutz zu gewähren. Dieser Aufgabe sei das Gesetz auch gerecht geworden durch energische Handhabung; es habe eine weitere Ausbreitung der sozialdemokratischen Bewegung gehemmt und namentlich die ländliche Bevölkerung vor ihr bewahrt. Dieser Erfolg müsse durch eine fortdauernde Wirksamkeit gehütet werden. Nach einer zehnjährigen Dauer seien die Aussichten über die zu bekämpfenden Bestrebungen und die Kampfmittel genügend geklärt, um ein definitives Gesetz zu machen. Das Gesetz würde, wenn es sofort auf die Dauer erlassen worden wäre, mehr genützt haben, denn die jedesmalige Verlängerung habe Stoff für die Agitation geboten. Es handle sich ja auch nicht um die Bekämpfung eines vorübergehenden, sondern eines chronischen Uebcls, dessen Heilung erst für eine fernere Zukunft zu erwarten sei. Der Versuch, andere Mittel an Stelle des Sozialistengesetzes zu finden, führe entweder zu einem weniger kräftigen Mittel oder treffe auch andere Teile des sozialen Organismus. Wann durch die Wirkung der sozialpolitischen Gesetzgebung, wie Altersversorgung rc., dieses Gesetz künftig entbehrlich sein werde, sei noch nicht abzusehen. Die Agitation habe zu tief Wurzel geschlagen, als daß in wenigen Jahren eine Aenderung zu erwarten sei.
Nach Bewilligung der vom Reichstage geforderten neuen Anleihe von rund 250 Millionen werden die Schulden des deutschen Reiches den Betrag von einer Milliarde schon erheblich überschritten haben. Gegenwärtig beläuft sich die vierprozentige Reichsschuld ans 450 die dreieinhalbprozentige auf 409^/2 Millionen. Nach Bewilligung der neuen Anleihe werden wir also fast IlOO Millionen Mark Schulden haben.
Gencralfeldmarschall Graf Moltke feierte am Samstag in Creisan im besten Wohlsein seinen neunundachtzigsten Geburtstag und erhielt Glückwünsche des Kaisers, deutscher Fürsten und vieler hoher Persönlichkeiten.
Von den Feinden des Dreibundes wird bekanntlich behauptet, daß das italienische Volk dem Dreibunde kühl gegenübcrstehe. Diese Unterstellung unterzieht nun der römische Korrespondent der Times, welcher die Italiener infolge seines langjährigen Aufenthaltes in Rom genau kennt, einer scharfen"Kritik: „Es ist Unsinn, zu behaupten, daß Italien seinen Beitritt bereut. Es giebt kein Land in Europa, wo die Negierung mehr von der öffentlichen Meinung abhängt; und seit Cavour sitzt kein Premier so fest im Sattel wie Crispi. . . . Italien schloß sich dem Bunde wie ein Mann an, als er vorgeschlagen wurde, weil man davon die Verhütung des Krieges erhoffte. Das Land wünscht keinen Krieg, und jede Feindschaft Italiens gegen Frankreich liegt ihm fern. Ich habe Italien von einem Ende zum anderen durchzogen, von der österreichischen bis zur französischen Grenze, von den Alpen bis nach Sizilien, und bin keinem begegnet, der auch nur den geringsten Haß gegen Frankreich hegte, während ich noch keinen französischen Reisenden gefunden habe, der ans seiner Erbitterung gegen Italien ein Hehl machte und nicht seine Vernichtung wünschte. Ich glaube nicht, daß ein einziger Franzose behaupten könne, er sei in den letzten 2 Jahren angefochten worden, weil er ein Franzose sei. Können die Verteidiger Frankreichs dasselbe sagen? Frankreich ist Italiens einziger Feind. Es giebt gewisse Thatsachen in der europäischen Politik, die so offenkundig sind, daß ihre Erörterung Zeitverschwendung wäre. Erstens sind alle Parteien in Frankreich der italienischen Einheit feindlich gesinnt und stimmen meist für die Zurückgabe Noms an den Papst, und das werden wenige ehrliche Franzosen