sie sogar für nicht blos willkommen, sondern für notwendig, da wo die Verhältnisse für die Realschule eine eigene Vorbereitungsklasse nicht gestatten. Ich warnte damals nur vor der Bestimmung, daß der Besuch der Collaboraturklasse eine unbedingte Forderung für den Besuch der Realschule sein solle, denn dies müsse notwendig, wie ich aus Erfahrung wisse, dahin führen, daß die Realklasse nur den Abhub erhalte, und dies selbst die Mitglieder der Studienkommission es als selbstverständlich ansehen dürfen, daß diejenigen, denen es in die Präzeptorats- klasse nicht reiche, in die Realklasse ausgenommen werden müssen. Bei Ermangelung einer Collaboraturklasse hätten sowohl der Präzeptor als der Reallehrer jeder 4—5 Jahresklassen gleichzeitig zu unterrichten. Was dabei herauskommen muß, auch bei den besten Lehrern, möge sich jedermann überlegen. Dagegen wird für beiderlei Anstalten das Alter von 1l—-14 Jahren als das normale für den Schulbesuch betrachtet und wenn für die Realschule mit l 1 Jahren befähigte Schüler aus der Volksschule direkt ausgenommen werden können, ist es ihr Schade nicht; der Vorsprung, den die Lateiner in der ersten Zeit haben, wird oft bald ausgeglichen, namentlich gegenüber von solchen Schülern, die in der Vorklasse sich mit dem Bewußtsein getragen haben, daß ihnen die Realschule ein Asyl biete, das man ihnen nicht verweigern könne. Maier, Reallehrer a. D.
Die vom süddeutschen Korrespondensbureau verbreitete, und auch in unser Blatt übergegangene Meldung von dem Tode des Pfarrers Kneipp erweist sich als durchaus unbegründet.
Calw, 8. Sept. Am Samstag Abend 9 Uhr wurde einem hier wohnenden kinderlosen, vermögli- chen Ehepaar ein neugeborenes, nur wenige Stunden altes Knäblein vor die Hausthüre gelegt mit einem Zettel des Inhalts, daß sie sich ja schon lange ein Kind wünschen, während den Eltern, die schon reich mit Kindern gesegnet seien, die Auferziehung eines weiteren nur schwer fallen würde. Man sieht hier mit Spannung dem Ergebnis der eifrig betriebenen Nachforschungen nach den unnatürlichen Eltern entgegen.
Stuttgart, 6. Sept Stuttgart wird vom 1. Okt. ab um eine Zeitung reicher sein. Der Inhaber und Leiter des Süddeutschen Korrespondenz- Bureaus, Herr I. Treiber, wird an genanntem Tage erstmals ein Blatt erscheinen lassen, welches den Titel „Tagespost" führt. (Ist sicher doch kein Bedürfnis!)
Stuttgart. In der hiesigen Synagoge fand Ende voriger Woche eine interessante Trauung statt. Das Brautpaar war taubstumm. Die Zeremonie leitete Kirchenrat Dr. v. Wassermann, während Hofrat Dr. Renz als Zeichendolmetsch diente.
Der verstorbene Baudirektor Dr. v. Ehmann hat außer der bereits bekannten, für die Armen der Stadt Stuttgart ausgesetzten großen Summe noch 100 000 für wohlthätige Zwecke und Anstalten des Landes bestimmt.
Cannstatt, 8. Sept. Nach der gestern ein- gekvmmrnen Nachricht findet die am Volksfest beabsichtigte staatliche Nindviehausstellung wegen der an verschiedenen Orten aufs neue ausgebroche- Maul- und Klauenseuche nicht statt, dagegen wird die Pserdeausstcllung bestimmt gehalten.
Volksfest. Bei der gestrigen Versteigerung der Wirtschaftsplätze ans dem hiesigen Wasen hatte sich in Anbetracht des heurigen Jubilünmsvolkssestes, welches 4 Tage dauert, eine sehr große Zahl Stei- gerungslustigcr eingesundcn. Der niederste Preis für Wirtschaften war 15, der höchste 415 inkl. Wasserzins. Die Gcsamteinnahmc beträgt für die hiesige Stadtkasse die Summe von ungefähr 6000 ^
Dieser Tage wurde in dem Staatswald bei Herzogs Weiler von einem Forstschutzwächter ein prächtiger Edelhirsch, Zehnender, geschossen. Derselbe wog 856 Pfund, lieferte 275 Pfund Fleisch, welches das Pfund um 40 Pfennig abgegeben wurde.
Brandfülle: In Bcsenscld (Freudenstadt) am 7. Sept. beide Wohnhäuser des Gemeindepflegers F. mit eingebauten Scheunen wie auch der Wagenschopf des Nachbars H. Ein 6jähriger Knabe hat mit einem Zündhölzchen in dem Streuschuppen spielend den Brand verursacht. — Am 9. Sept. in Dorn Han OA. Sulz a. N. das Haus des Schneiders Johannes Rath. Der nicht versicherte Eigentümer, welker der Brandstiftung verdächtig, wurde festgenommcn.
Nach der „Schwetzinger Zeitung" wurde in Gochsheim ein dort einquartierter Dragoner, der Heu entwendet haben soll, von zwei Bauernburschen totgeschlagen.
München, 8. Sept. Der heute zur Verteilung gekommene Aufruf zum Katholikentag zählt 2622 Unterschriften; davon sind 539 Pfarrer und i Geistliche. Die Mehrzahl der Unterzeichner sind ! Bierbrauer, Wirte und Mesner.
! München, 8. Sept. Der Bayreuther Kasernenbrand hat einen Schaden von 120 000 ^ angerichtet; sämtliche Kriegsgarnituren dreier Compagnien wurden zerstört. Der Brand ist wahrscheinlich gelegt worden.
In einem Dorfe bei Ko bürg, wo Militär liegt, ließ der Schultheiß ausklingcln, daß jedes Mädchen, welches sich abends nach H^IO Uhr noch mit einem Soldaten auf der Straße sehen läßt, mit 2 -/tl Strafe belegt wird.
Dresden, 7. Sept. Bei dem gestrigen Paradediner im königlichen Schlosse, an dem außer den allerhöchsten und höchsten Herrschaften und deren Gefolge die fremdherrlichen Offiziere, der Ehrendienst, die Generalität und die in Parade gestandenen Stabsoffiziere teilnahmen, trank der König auf das Wohl des Kaisers, worauf der Kaiser herzlichst dankte und ans das Wohl des Königs und des sächsischen Heeres trank. Abends brachte die Bürgerschaft Dresdens dem Kaiserpaar einen Fackelzug mit Serenade dar.
Aus dem Trinkspruch des Kaisers bei der Festtafel am 7. Sept. in Dresden führen wir folgende Sätze an: Gestatten Ew. Majestät, Ihnen ^ für Ihre huldvollen Worte meinen herzlichen Dank ^ zu Füßen zu legen. Es ist eine große Schuld, die ich abzutragen habe. Viele Jahre haben Ew. Maj. , mit unwandelbarer Treue und Gnade für mich ge- ! sorgt und sich um mich bekümmert. Wie Ew. Maje- ! stät wohlbekannt, hat dereinst mein verstorbener Va- i ter mich Ew. Majestät besonders ans Herz gelegt i mit der Bitte, Sie möchten für mich sorgen, wenn i ihn einmal menschliches träfe. Ew. Majestät haben i diese Bitte in hochherziger Weise erfüllt; ich habe schon lange Jahre meines Lebens einen innigen ^ Freund und väterlichen Berater an Ew. Majestät i gefunden und bin nun hocherfreut, hier meinen war- i men Dank dafür zum Ausdruck zu bringen. In i Ew. Majestät verehre ich denjenigen Zeitgenossen, der unter dem Kommando meines hochseligen Herrn ' Großvaters mit ruhmreicher Hand an der Wieder- - gewinnung unserer alten Freiheit, an der Neubegründung des deutschen Reiches erfolgreich mitgearbeitet hat. Wir ergreifen die Gläser und trin
ken ans das Wohl des hohen Herrn, des schlachterprobten Führers, des Vaters seines Vaterlandes, auf das Wohl Sr. Majestät des Königs Albert!
Berlin. 9. Sept. Die vorgestrige Generalversammlung der Jnvalidenkasse des -Verbandes der Hirsch'schen Gewerkvereine beschloß, die Auslösung der Kasse, worin ein Fehlbetrag von 169,000 festgestellt ist, am 21. Sept. eintreten zu lassen.
In Berliner Hofkreisen soll, wie das „B. T." wissen will, mit dem Zarenbesuch überhaupt nicht mehr gerechnet werden.
Herr v. Scholz' geht, vorläufig wenigstens, nicht! Die Nordd. Allg. Ztg. bringt folgende Zeilen: „Die Zeitungen beschäftigen sich neuerdings i mit dem Rücktritte des Finanzministers v. Scholz und ! behandeln denselben als eine ausgemachte Thatsachc.
, Wir sind in der Lage, die betreffenden Nachrichten ! als müssige Erfindungen zu bezeichnen. Herr von Scholz ist augenleidend und hat zur Wiederherstellung seiner Gesundheit einen längeren Urlaub ange- treteN." Man wird wohl allgemein annehmen, daß auch der Rauch, welcher durch diese Mitteilung zerstreut werden soll, irgend ein Feuer zur Ursache hatte; wäre gar nichts vorgefallen, was zu den jetzt dementierten Gerüchten Anlaß geben konnte, so hätte das Dementi wohl nicht wochenlang aus sich war- , ten lassen.
Die Getreide-Einfuhr nach Deutschland hat in den ersten 7 Monaten dieses Jahres diejenige des Vorjahres sehr erheblich überschritten. Es sind in diesem Abschnitt des Jahres beinahe 2 Mill. Doppelztr. Waizeu und 5 Mill. Doppclztr. Roggen, über 60 O 000 Doppelztr. Hafer, sowie rund 1,5 Mill. Doppelztr. Gerste und 1,3 Millionen Doppelztr. Mais und Reis mehr eingeführt worden, als im gleichen Zeitraum des Jahres 1888.
Die Kohlcupreise gehen in die Höhe! In Berlin machen die vereinigten dortigen Kohlenhändler durch Säulenanschlag bekannt, daß sie von jetzt ab eine Steigerung der Preise für Steinkohlen eintreten lassen müssen. Sie wollen dazu durch die seit dem 1. d. Mts. Seitens der Grubenverwaltungen eingeführte bedeutende Preiserhöhung veranlaßt sein.
O e st e r r e i ch - U n g c, r u.
Der Rücktritt des Statthalters von Böhmen, des Barons Kraus, und die Ernennung des Grafen F. Thun an die Stelle Kraus' wird in den Wiener Blättern lebhaft besprochen. Thatsache ist, daß der neue Statthalter ein schroffer, tschechischer, konservativer Parteimann ist; er hat sich im vorigen Jahr im böhmischen Landtag noch selbst als leideuschaft- licher Gegner des Liberalismus bezeichnet und her- Vvrgehoben, sein Programm gipfle in der Krönung des Kaisers zum König von Böhmen. Gras F. Thun, ein Schwager des Fürsten Schwarzenberg, ist stets der entschiedenste Gegner einer Verständigung mit den Deutschen gewesen.
Wenn man Geld sucht! Die ungarische Hauptstadt Pest will eine neue Anleihe von 25 Millionen aufnehmen und hatte Bankkonsortien zur Einreichung von Offerten ausgefordert. Jetzt ist nun der Schlußtermin gekommen, aber es ist kein einziges Angebot gekommen.
Belgien.
Brüssel, 9. Sept. Der General Brialmont veröffentlicht ir 'dem Militärblatt „Defense Nationale" einen Artikel, 1 welchem er 50 Millionen Frks. für die Neubefestigung Antwerpens verlangt.
Antwerpen, 7. Sept. Die Stadtverwaltung läßt durch Anschläge an den Straßenecken bekannt machen, daß die Provinzialbehörde für die entsetzliche Katastrophe verantwortlich zu machen sei, da dieselbe trotz des prophetischen Einspruchs des städtischen Ingenieurs dem klerikalen Unternehmer Corvilain dis Erlaubnis erteilte, in unmittelbarer Nähe der Docks und des Hafenbassius, zwischen Kattendyk und dem Vorort Anstruweel, einen feuergefährlichen Betrieb zu eröffnen. Corvilain hatte 60 Millionen durch Einführung einer neuen Bewaffnung unbrauchbar gewordene Patronen von der spanischen Regierung angekaust und 130 Arbeiter angestcllt, welche das Pulver aus den Patronen herausnehmen und die Metallteile einschmelzen sollten. Sämtliche Arbeiter des Etablissements find tot, sämtliche 7D Häuser des Ortes Anstruweel find cingestürzt. Die Glasscherben von gesprungenen Fensterscheiben werden in einzelnen Teilen der Stadt schaufelweise fortgeschafft. Mehrere Banken haben bereits Beträge von je 5000 Frks. für die Opfer der Katastrohe gezeichnet. Auch die Zeitungen fordern zu Beiträgen für die Verunglückten und deren Hinterbliebenen auf. Die Zahl der explodierten Patronen beträgt 51 Millionen. Der Korrespondent der Jnd. belge hat das Spital Stuivenberg besucht und ein herzbrechendes Schauspiel gesehen. In einem besonderen Saale lagen etwa 50 Personen, meist junge Mädchen von 15 bis 22 Jahren, die schrecklich verbrannt waren; einzelne Leichen waren nicht mehr zu erkennen. Was noch lebend hercingebracht wurde, war vor schrecklichen Schmerzen bewußtlos oder schrie wild ans. Barmherzige Schwestern, Aerzte und sonstiges Personal wetteiferten in Hilfeleistungen, aber diese kamen vielfach zu spät. Im Totensaale lag bereits ein Dutzend völlig verkohlter Leichname; weiterhin menschliche Reste, Arme, Beine, Fleischstücke, alles kohlschwarz. Ins Militärspital wurden ebenfalls Leichen verbracht. Unter denselben befanden sich zwei junge Mädchen; als man sie betten wollte, fand es sich, daß man für sic nur zwei rechte Arme hatte und nicht wußte, wohin diese gehörten. Besonders groß ist der Verlust von Kindern. Es war die Zeit, wo viele von ihnen in der Nähe spielten, und nicht ein einziges blieb unverwnndet. Das eine hatte ein Auge, das andere ein Ohr oder einen Arm verloren. Väter und Mütter irrten verzweifelnd umher, um ihre Kinder zu suchen; sie fanden dieselben verwundet, tot, oder auch gar nicht. Ein Mädchen von !6 Jahren wurde von der Explosion etwa 100 Meter weit geschleudert und erhob sich unversehrt vom Boden; ein anderes, das 300 Meter weit geworfen wurde, brach blos den Arm und befindet sich verhältnismäßig wohl. Die Teilnahme und Hilfe der Bevölkerung wird allgemein gelobt. Der Minister Volder unterrichtete den König in einem