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durch eine paffende Ansprache ein, in welcher er der sreiwill. Feuerwehr zugleich im Namen der ganzen Stadt den Dank für ihre stets opferbereite Pflichttreue zum Ausdruck brachte. Hierauf erwiderte der Kommandant, Herr Georgii, in warmen Worten und brachte ein Hoch aus auf Se. Majestät, unfern König, dem Förderer alles Guten und Edlen, welchem diese ehrende Aus­zeichnung zu danken sei. Nachdem die Musik noch die Königshymne gespielt, marschierte das Gesamtkorps zum Spritzenhause zurück. Die nun folgende Probe ging flott von statten, woraus durch die Stadt nach dem Thudium'- schen Saale, zur Generalversammlung, marschiert wurde. Aus dem vom Komniandanten vorgetragenen Bericht ist zunächst ein günstiger Stand der Hauptkaffe zu entnehmen, ferner, daß im vergangenen Jahre in der Stadt selbst glücklicherweise kein Fall vorgekommen ist, der die Hilfe der Feuer­wehr in Anspruch genommen hätte. Von auswärtigen Brandfällen ist zu nennen: Stammheim und Gechingen. In letzterem Ort kam die hiesige Feuerwehr nicht in Thätigkeit. Sonst lag im Gegensatz zum vorigen Jahre nichts vor, das eine Debatte zur Folge hätte haben können. Der Kommandant, hielt es namentlich noch für seine Pflicht, die Mitglieder zu häufigerer Teil­nahme an den Uebungen zu ermahnen, welche im kommenden Jahre öfter wie bisher stattfinden sollen. Herr Georgii wurde als Kommandant wieder­gewählt, ebenso der Stellvertreter, Herr Bub, in beiden Fällen durch Accla- mation. Die Wahlen des Ausschußes und der übrigen Führer wickelten sich rasch und ohne Aenderung ab.

* Calw, 6. Okt. Der Militärverein hier beabsichtigt, um das im nächsten Frühjahr in Wildbad stattfindende Kriegerfest würdig mit­feiern zu können, eine Fahne onzuschaffen. Der Verein besteht nun seit 4 Jahren und zählt iUer 70 Mitglieder, lauter gediente Soldaten, die sich vereinigten, um unter Ausschließung jedes politischen Parteiumtriebes die Liebe zu Kaiser, König und Vaterland zu pflegen und ihren kameradschaft­lichen Zusammenhalt dadurch zu bethätigen, daß sie notleidende Kameraden unterstützen. Durch seine Angehörigkeit zum württ. Kciegerbund trägt er in seinem Teil auch dazu bei, an den bedürftigen Veteranen des letzten Krieges die Ehrenschuld des deutschen Volkes einzulösen. Da nun das, durch monat­liche Beiträge seiner Mitglieder, gesammelte Vermögen des Vereins aus­schließlich zu Unterstützungszwecken dient, so müssen die zur Fahne nötigen Mittel durch freiwillige Beiträge gedeckt werden und hat der Verein durch die Opferwilligkeit seiner Mitglieder schon ein nettes Sümmchen zusammen­gebracht, das aber noch lange nicht hinreicht um eine, eines Calwer Vereins würdige Fahne anzuschaffen, doch hofft der Verein auch weitere Kreise für sein Unternehmen zu interessieren und soll zu diesem Zweck am nächsten Sonn­tag ein Konzert der hiesigen Stadtkapelle im Thudiu m'fchen Garten statlfinden, dessen Ertrag der Fahnenkaffe des Militärvereins zugute kommen soll. Wir wünschen diesem Unternehmen recht guten Erfolg und das dazu nötige Weiter.

Oberkollbach, 5. Oktbr. Am heutigen Tage wurde das mit

Kostenaufwand von über 20,000 ^ erbaute, den neuesten Anforde- ^ rungen durchaus entsprechende Schulgebäude eingeweiht. Nachdem vom alten Schulhaus, dem nunmehrigen Rathaus Abschied genommen, bewegte sich ein ansehnlicher Zug, mit Teilnehmern von nah und fern, in das neue schöne Schulhaus, woselbst Herr Pfarrer Metzger von Altburg eine Ansprache an die zum Weiheakte Versammelten hielt. Mit Gebet und Gesang fand die Feier ihren Abschluß.

* Neuweiler, 4. Okt. Gestern hielt unser allgemein beliebter Herr Pfarrverweser Lang in dichlgesüllter Kirche seine Abschiedspredigt. Er verläßt uns nach »/ffährigem Aufenthalt. Ungerne sehen wir ihn scheiden. An seine Stelle kommt als ständiger Pfarrer Herr Pfarrverweser Stortz

Sie würde sicher diese unbekannte Frau niemals aufsuchen. Sie erschrack vor dem Gedanken, das Vermächtnis einer Toten für sich auszubeuten. Purpur färbte das schöne, erregte Gesicht.

War es nicht die Geschichte zweier Herzen, zweier Leben, die sie da in ihrer Hand hielt?

Der Brief fiel wieder zurück auf die trockenen Blumen.

Nein, nein, sie konnte nicht Worte stehlen, die kein fremdes Auge sehen durfte! Das hieße ein Heiligtum plündern.

Während dieses ganzen, unruhigen Morgens ging sie müßig von einer Stelle zur anderen. Erst am Abend, wenn die Erschöpfung überwunden war, wollte sie die unterbrochene Fahrt wieder ausnehmen, um in der etwa vierzig Meilen entfernten Grenzstadt ein vorläufiges Unterkommen zu suchen. Vis dahin galt es auszuharren.

Immer auf's Neue kehrten die Gedanken zu jenem mysteriösen, verschlossenen Briefe zurück, immer klarer bezeugte der Verstand die Notwendigkeit, seinen Inhalt kennen zu lernen. Wie schrecklich zwingend ihr Schicksal sie vorwärts drängte, wie viel Ungeahntes, Unbeabsichtigtes sich verbarg hinter dem ersten, leicht erscheinenden Schritt!

Ja, sie mußte jenes Siegel brechen, mußte zuerst und zunächst sich selbst schützen. Bittere Thränen sielen in ihren Schooß, dann aber kamen, nachdem erst der Entschluß feststand, auch langsam und dienstfertig wie immer, die halb frivolen Sophismen, welche im Leben jeden Abgrund überbrücken und allmählich auch das schwärzeste Schwarz in Weiß zu verwandeln verstehen.

Bin ich denn berechtigt, den Brief zu vernichten?" flüsterten im Tone mora­lischer Scrupel diese willfährigen Stimmen.

Dürfte ich das mit gutem Gewissen jemals thun? Und doch soll er liegen bleiben, um durch einen der tausend Zufälle des Lebens in fremde, unberufene Hände zu gelangen? Es ist nicht allein für meine eigene Sicherheit wenn ich ihn lese.

Als sich der Mittag neigte, waren alle Zweifel besiegt. Ein Federmesser wurde am Licht erhitzt, und mit großer Geschicklichkeit das Siegel gelöst vier eng beschrie­bene Seiten lagen offen vor den Blicken der schönen Sünderin.

Ihr Herz pochte stärker, ihre Hände zitterten erst nach geraumer Zeit ver­mochte sie zu lesen:

Ob du noch lebst, Josephine, ob nicht der Brief, den ich, als letztes Werk

von Mühlen a/N., welcher in den nächsten Tagen aufziehen wird. Möge derselbe hier in Kirche und Schule längere Zeit thätig sein, damit nicht immer ein Wechsel aus den andern folgt, welcher immer nachteilig für die Gemeinde ist.

Stuttgart, 5. Okt. (Schwurgericht.) Die Geschworenen sprachen gestern nach kurzer Verhandlung den 22jährigen gewesenen Postpraktikanten C. A. Eisenlohr von Reutlingen der Unterschlagung von 240 im Amte unter Annahme mildernder Umstände schuldig, worauf er vom Schwur­gerichtshof zu 15monatlichem Gefängnis verurteilt wurde. Der Angekl. hatte am 20. Mai d. I. 2 Posteinzahlungen nach Nürnberg im oben angegebenen Betrage für sich verwendet, die Adressen vernichtet und die Einträge unter­lassen. Geldnot war die Ursache des Verbrechens.

Cannstatt, 3. Okt. Bei den beiden im hiesigen Bezirkskrankenhaus befindlichen, beim Rennen verunglückten Offizieren ist eine wesentliche Besserung eingetreten. Herr Lieutenant Frech ist bereits so weit wieder hergestellt, daß er sich täglich einige Stunden im Freien aufhalten kann. Bei Herrn Lieutenant v. Monteton ist die Besserung eine langsame, aber stetig fort­schreitende; das Bewußtsein ist klar, ohne Fieber und Schmerzen; alle Frak­tionen sind normal.

Ludwigsburg, 3. Oktbr. Allgemeine Teilnahme erregt der heute früh nach kurzem Unwohlsein eingetretene unerwartete Tod des Hrn. Dekan Metzger (geb. 1818). Er war Pfarrer in Oberfischbach, Helfer in Vaihingen, Dekan in Gaildorf, Calw und seit 6 Jahren hier. Durch sein freundliches, gemütvolles und herzliches Wesen und seine seelsorgerliche Treue stand er hier in großer Achtung und Liebe. Die Anstalten der inneren Mission, die Werner'sche Kinderanstalt, das Maria-Martha-Stift, Karlshöhe, Privatkrankenhaus verlieren in ihm einen treuen Freund und unverdrossenen Mitarbeiter. Unter den Kämpfern für Recht, Ordnung und Leben der evangelischen Landeskirche stand er in vorderster Reihe als Mitglied der Landessynode und ihres Ausschusses. Noch spätere Geschlechter werden seinen Namen segnen als des Gründers und Vorstands der Jubiläumsstiftung von 1877, deren Stipendien in der Stadt studierenden Theologen zu gute kommen.

Staats-Anz.

Eßlingen, 1. Okt. Gestern abend schlug ein Neger vom Zirkus Pinder den Schreiner Weigandt von hier auf dem Hospitalplatze mit einem starken Prügel so auf den Kopf, daß Weigandt bewußtlos zusammen­brach. Der Schlag wurde von dem rohen Menschen geführt, weil Weigandt durch eine Oeffnung in den Zirkus geschaut hatte. Der Thäter wurde verhaftet.

Eßlingen, 2. Okt. Zu der seltsamen Art des heurigen Jahrganges gehört es, daß in den Gärten hie und da duftende Veilchen blühen; auf dem hiesigen Spitalplatz haben Kastanienbäume, an denen vom ersten Laub keine Spur mehr zu sehen war, wieder reiche und volle Blüten getrieben. Die hellgrünen Laub-Blätter und die rosaschimmernden Blüten sehen auf dem ab­gestorbenen Baume neben reifen Früchten eigenartig aus. In den Wein­bergen stehts leider schlimm. Wo noch Trauben sich finden, ist die Reife­entwickelung, an jeder einzelnen Rebe sogar, ganz ungleich. Obst hat es in den Bergeinschnitten viel gegeben und es ist auch dessen Qualität eine ganz vortreffliche zu nennen, so daß sich die Preise um ca. 2 über fremden halten. In einzelnen Gegenden haben die Bäume sehr im Laub gelitten, Mshatb da und dort Befürchtungen für's nächste Jahr laut wdrden wollen.

Aus dem Oberamt Gaildorf, 30. Sept. In einigen Orten unseres Bezirks ist gegenwärtig ein schlimmer Gast auf Besuch: der Typhus. Am meisten ist wohl das Filial Unterfischbach heimgesucht. Dort vermehrt sich die Zahl der Kranken von Tag zu Tag; gegenwärtig sind es deren 3040. Die Krankheit hat schon mehrere Opfer gefordert.

meines Daseins, jetzt unter allen Qualen der bittersten Reue schreibe, vielleicht gar einer Längstgestorbenen gilt, oder schlimmer noch! der Frau eines anderen Mannes? Ich weiß es nicht, aber eine Ahnung sagt mir, daß Du diese Zeilen lesen, daß Du mein verwaistes Kind beschützen werdest. Josephine, ich habe einst Deine Jugend vergiftet, ich habe Dich betrogen um das Glück des Lebens, aber wüßtest Du, wie viel ich gelitten, wie hart ich gebüßt, Du würdest mich beklagen, anstatt mich zu verdammen! Man kann keine Trauben ernten von den Disteln und keine Rosen von den Dornsträuchern, ich habe es bitter genug erfahren, seit mich die eigene Thor- heit über das Weltmeer trieb. Wir wuchsen als Nachbarskinder neben einander zu denkenden Menschen heran; Josephine, ich war Deines Herzens von jeher zu sicher, zu völlig gewiß, um es nach seinem ganzen Werte schätzen zu können. Andere, Bös­willige ach, liebe Freundin, es gibt ihrer so viele! flüsterten mir zu, daß es lächerlich sei, wie ein Ritter des Mittelalters nur für ein einziges Mädchen zu schwärmen, man prophezeite mir eine unglückliche Ehe und nannte Dich herrisch, eigensinnig, ja man erinnerte mich spöttelnd an die drei Jahre, welche Du mehr zählst als ich. O Josephine, hättest Du damals mehr Nachsicht, mehr Milde walten lassen, hättest Du! Aber vergib, daß ich es wage, Dich tadeln zu wollen, ja daß ich überhaupt in Deiner Seele die verblaßten Bilder früherer Tage wieder zum Leben erwecke. Ich allein war der Schuldige, ich allein habe, wenn Gott gerecht ist, die Strafe erlitten. Meine Tochter wird Dir sagen, wie es uns seither erging; sie kann Dir auch von ihrer Mutter erzählen! O Josephine, es sind zwei Frauen, deren Lebensglück ich stahl; der einen, indem ich sie verließ, und der andern, indem ich sie heiratete. Dein Bild stand, nie vergessen, als Drittes an unserem Herd; die Erinnerung an meinen Betrug, mein Unrecht, hat mir den Frieden geraubt und das Gelingen verscheucht. Josephine, ich sterbe, ein mutloser, gebrochener Mann; ich hinterlasse ein liebes, theures Kind, dem die Gefahren und Verlockungen der Welt bisher fremd blieben willst Du wie eine Mutter für meine Elisabet sorgen, soll sie eine Heimat besitzen in Deinem Hause und Deinem Herzen! Josephine, ich habe Dich beleidigt, Deine Hoffnungen geraubt, aber ich hörte nie auf, Dich unendlich hoch zu schätzen, Dich für die Beste, Edelste der Frauen zu halten Dir allein vertraue ich mein schutzloses Kind. Gott segne Dich viel tausendmal!

Dein Ernst Herbst."

(Fortsetzung folgt.)