chem Kaiser Friedrich's Tagebuch enthalten war, wieder aufgehoben.

Der Schnee hat auch in Frankreich, Bel­gien, der Schweiz und Oesterreich-Ungarn große Verkehrsstockungen herbeigeführt. In Wien herrschte zudem ein furchtbarer Sturm, der großen Schaden angerichtet hat.

Oesterreich Ungarn.

Wien, 8. Febr. Die jungczechischenNarodui Listi" melden, die Warschauer Czechen seien entschlos­sen, zur russischen Kirche überzutreten, falls der Papst dem Erzbischof Popiel nicht befehle, die be- gehrte Trauermesse für den Kronprinzen Rudolf ab­zuhalten. Die Haltung der zahlreichen Geistlichen, welche Trauergottesdienste verweigerten, macht in hohen Kreisen peinlichen Eindruck.

Wien, 9. Febr. Heute fand das letzte See­lenamt für den dahingeschiedenen Kronprinzen statt und übermorgen verläßt der Hof unsere Stadt, um einen 6wvchentlichen Aufenthalt in der ungar. Haupt­stadt zu uehmen. Heute legt auch unsere Stadt den Trauerschmuck ab, morgen wird in den Hoftheatern wieder gespielt werden und auch die Erörterungen und Berichterstattungen über das traurige Ereignis werden nun wohl zum Schweigen kommen.

Wien, 1l. Febr. Der Kaiser ordnete an, daß Erzherzogin Stephanie, die Witwe des Kron­prinzen Rudolf, den offiziellen Titel einer Kronprin­zessin-Witwe führe.

Wien, 1 l. Febr. Das Kaiserpaar reiste heute nach Pest ab ; fast alle Erzherzoge begaben sich nach dem Süden. Die Kronprinzessin-Witwe mit ihrer Tochter begiebt sich nächster Tage nach Miramare.

Wien, II. Febr. Infolge höheren Auftrags sind sämtliche Gemächer des Kronprinzen Rudolf in Görgeny Szent-Jmre versiegelt worden.

Wien, 11. Febr. Die Korpökommandanten erließen Rescrvatbefehle, wonach den Offizieren jede Erwähnung der Vorgänge in Mcierling im Gespräche strengstens untersagt wird.

Pest, 9. Febr. Es verlautet, Tisza wolle um seine Entlassung einkommen.

Pest, 11. Febr. Heute nachmittag traf das Ikaiserpaar hier ein und wurde am Bahnhofe vom gesamten Ministerium, den Mitgliedern beider Par- lamentshäuscr. zahlreichen Vertretern der Aristokra­tie und des Klerus, von den Behörden der Stadt und. des Komitats empfangen. Die Stadt ist mit Trauerflaggen und Trikoloren geschmückt. Die Menge brach beim Anblicke des Kaiserpaares in stürmische Eljrnrufe aus.

Steyr, 10. Febr. (Eine Rabenmutter). Kürzlich sollte gegen die Hausbesitzerin und Tisch- lermeistcrin Frau Fuchs die strafgcrichtlichc Verhand­lung stattfindcn, weil sie ihren zweijährigen Knaben seit August in einer ungeheizten Dachkammer ohne Pflege, in Schmutz und Unrat liegen ließ. Gestern steckte die entmenschte Mutter ihre Wohnung mittels Hobelspäncn in Brand. wodurch ihr Kind erstickte und verbrannte. Bei ihrer Verhaftung rief die er­bitterte Menge;Steiniget die Rabenmutter!"

Frankreich. j

Paris. 9. Febr. Oberst Senard erhielt eine j

Rüge mit Vermerk in den Personalakten. >

storNr» !

R o m. 9. Febr. Die Stadt nimmt allmählich j ihr gewöhnliches Aussehen wieder an. Die Kauflä- j den sind aufs Neue geöffnet. ;

Rom, 10. Febr. Noch ist die Stadt nicht;

in den normalen Zustand zurückgekehrt. Fast allei Geschäfte sind geschlossen. Manche Straßen bieten l einen traurigen Eindruck. Am kläglichsten sieht das große Galanteriegeschäft Finocchi aus, wo alle Fen­ster eingeschlagen sind, und Auslagen demoliert wer­den. Ein gleiches Los traf alle Geschäfte in der Via Frattina und noch viele andere aus dem Carso j Birtorio-Emmanuele. Leider machte sich auch die ^ Diebszunfl die Krawalle sehr zu nutzen. Die Zahl der Verhafteten gicbt man auf 800 an. Leiderzeigte sich auch der Gemeiuderat nicht auf der Höhe der Situation. Statt eiligst eine Linderung des Elends zu beraten, lies er aus Angst seine Abendsitzung auSfallen. Jedenfalls erheischt die Lage der arbeits­losen Bauarbeiter seit Ausbruch der Baukrise im Interesse des Staates wie der Humanität schleunige Abhilfe.

Seine Marmorbüste hat Kaiser Wilhelm in diesen Tagen dem König von Jtalicy durch einen Kabinctskonricr zustellen lassen. Das Geschenk, wcl-

! ches der Kaiser schon im Oktober dem König Hum- bert versprochen hatte, traf am vergangenen Don­nerstag in Rom ein und wurde sofort dem Könige ! überreicht. Die Büste ist ungemein ähnlich und- ! nig Humbert beeilte sich, sie seiner Gemahlin persön­lich zu zeigen. Der König Humbert wird als Ge­gengeschenk seine und seiner Gemahlin Büste dem Kaiser übersenden.

Rußland.

Petersburg, 4. Febr. Nach einem Berichte des Ministers des Innern kommen in Rußland un- ! gefähr 40 000 Brände jährlich vor, wodurch 135000 - Gebäude zerstört und ein Verlust von 70 Millionen ! Rubel verursacht wird. Hierin sind die zahlreichen ; Feuersbrünste in Petersburg noch nicht einmal ein- ! geschlossen.

j Petersburg, 11. Febr. In dem Prozesse ; gegen vier evangelische Geistliche wurde Pastor Sho- i kolowski wegen evangelischer Trauung eines angeb- ; lich orthodoxen Brautpaares zu einem Jahre Ge- ^ fängnis und zu Amtsentsetzung verurteilt; gegen drei ! andere Geistliche wurde wegen Vornahme der evan­gelischen Trauung eines konfessionell gemischten Brautpaares vor der russischen Trauung auf vier Monate Enthebung vom Amte erkannt. Der Ver­teidiger Utin sprach meisterhaft und wird Berufung einlegen. Die hiesige Festung beherbergt zum erstenmale seit 10 Jahren keinen einzigen nihilistischen Untersuchungsgefangenen.

Bulgarien

Belgrad, 8. Febr. In Bulgarien befürchtet man eine vom Klerus arrangierte Revolution gegen den Koburger, weil derselbe mit Prinzessin Clemen- tinc für den Katholizismus mit allen Mitteln wirkt.

Afrika.

Die Sklavenblokade an der ostafrikanischen ! Küste wird, dem LondonerStandard" zufolge auf- ' gehoben werden, sobald die Bildung der deutschen Kolonialtruppe vollzogen ist. Daß die Blokade dann aufgehoben werden soll, hat übrigens Fürst Bis­marck selbst im Reichstage mitgeteilt. Die von den Arabern in Ostafrika gefangenen deutschen katholi­schen Missionare sind wieder frei. Es ist den Be­mühungen der deutschen Vertretung gelungen, gegen ein Löfegeld von etwa 9000 ^ die Missionare aus­zulösen und sind sie bereits in Bagamoyo angekom­men. Der Araberhäuptling Buschiri hat auch wohl die Dinge nicht zum Aeußersten kommen lassen wol­len und giebt vielleicht noch mehr nach.

Asien.

Laut telegraphischen Berichten aus Japan soll am heutigen Tage die feierliche Berküncngung der neuen Verfassung durch den Kaiser stattfinden. Die Ver­fassung führt eine konstitutionelle Regicruugsform ein.

Amerika.

Mr. Edison, der berühmte amerikanische Er­finder im Gebiete der Elektrizität, hat eine merk­würdige Laufbahn zurückgelegt. Er hat nur 8 Wo­chen Schulunterricht genossen, alles übrige Wissen hat er teils seiner Mutter zu danken, teils durch Selbststudium erworben. Als Zeitungsjunge pflegte er die ihm zum Verkauf gegebenen Blatter eifrig zu lesen, und nach gethaner Tagesarbeit in einer Bahn­station Telegraphie zu studieren. Er wurde hierauf als Signalmann angestellt. Noch ehe er 20 Jahre alt war, trat er mit einigen beachtenswerten Erfin­dungen hervor. Er ist jetzt erst 42 Jahre alt und es ist leicht möglich, daß er die Welt noch durch manch anderes Wunderding, wie es sein Phono­graph ist, in Erstaunen setzen wird.

Kleinere Mitteilungen.

A »feuerndes Beispiel eines Lehrers. Anfangs Dezember v. I. kam der 11jährige Sohn des Oekonomen Maier in Korkendorf bei Bay­reuth in Bayern dem Göpel zu nahe, wurde von dem Getriebe erfaßt und erhielt au einem Fuße furcht­bare Verletzungen. Da bei den starken Zerreißun ­gen und Quetschungen die Heilung sehr langsam vor sich ging, wurde von dem Aerzte für gut befunden, dem Arme des Vaters Haut zu entnehmen und auf die kranken Stellen des verwundeten Fußes zu ver­pflanzen. Der Erfolg war so günstig, daß an wei- ^ tere Uebertragungen gedacht werden konnte. Nicht ! weniger als 20 Personen waren bereit, sich Haut i abnehmen zu lassen. Unter diesen waren nur 3 Er­wachsene , die übrigen lauter Kinder vom sechsten Jahre an. Das gute Beispiel des Lehrers Groß, der sich zuerst der Operation unterzogen hatte, wirkte anfeucrnd auf die Kleinen. Ohne eine Miene zu

verziehen, ließen die jungen Spartaner ihre Haut 'dem Arzte, um dem lieben Kameraden zu helfen. ; Kein Schmerzenslaut ließ sich vernehmen, als man ! die Haut mit der Pinzette emporhob und mit der ! Schere Herausschnitt. Die Kleinen waren so uner- ! schrockenwiedie Großen, einzelne verbissen den Schmerz, ! um die Nachfolgenden der kleinen Heldenkarawane i nicht zu entmutigen. Welch' schöner Beweis von aufopfernder Nächstenliebe war die selbstlose Hin- : gäbe dieser Kinderschar!

Wie der Kaiser lebt. Das Alltagsleben im . Berliner Königsschlosse ist so schreibt man der 'Köln. Ztg." sehr ernst. Der Kaiser pflegt sich ! schon um 5 Uhr zu erheben; die Prinzen stehen um ! 6 Uhr auf. Ein Bad eröffnet den Tag, dann folgt i das Frühstück und um 7 Uhr beginnt für die älteren ! Prinzen bereits die Arbeit. Der Kaiser begiebt sich nach dem Frühstück in sein Arbeitszimmer, in wel­chem er bis zur Ausfahrt nach dem Tiergarten ver­weilt. Nach der Rückkehr von dort beginnen die , Konferenzen und Empfänge. Die Anstrengungen j dieser Lebensweise werden einigermaßen dadurch ausgeglichen, daß der Kaiser gut und stark ißt. Aber selbst wenn er sich zur Ruhe begeben hat, sind Blei­stift und Papier zur Festhaltung von Gedanken zur ' Hand. Der Kronprinz hat seine eigene Wohnung und seinen vollständigen Hofstaat, welcher aus dem von König Friedrich Wilhelm II. gestifteten Kron­prinzenfonds bestritten wird. Er hat seinen Gou­verneur, einen Generalstabsofflzier, seinen Erzieher und seine Lehrer. Zu letzter» gehört auch, trotzdem der Kronprinz erst 7 Jahre zählt, bereits ein Kla­vierlehrer. Jeden Tag exerziert er vormittags und nachmittags mit seinen Brüdern unter dem Kom­mando eines Feldwebels. Das Exerzierzimmcr ist das letzte der Zimmerflucht, welche die Prinzen bewoh­nen. Zu ihm führt die Treppe aus der Wohnung der Eltern hinauf. Die Erziehung der älteren Prin­zen ist sehr streng; ihre ganze freie Zeit betrügt täglich etwa anderthalb Stunden. In Bezug auf Spielzeug werden sic knapp gehalten.

Der Postillon Gerlach, der dem Kaiser am frühen Morgen des Geburtstages auf seinem Horn das erste Ständchen brachte:Schier 30 Jahre bist Du alt" wurde zum Kaiser geholt.Sie haben doch über ihre Musik nichts im Dienste versäumt?" fragte ihn der Kaiser.Hab' ich allens wieder in- jeholt, Majestät"antwortete der Postillon. Der Kaiser lachte und drückte ihm einen !00 Markschein in die Hand:zur Ausbildung Ihrer musikalischen Talente." Aber wegen Abgabe von außerdienstli­chen Signalen mußte Gerlach im Postbureau 3 ^ Strafe zahlen. Er zählte sie seelenvergnügt aus den Tisch und sagte:Dienst ist Dienst, Ordnung muß sein. _

Geschichte eines SchlüssMstchcns.

Von Hermann Bacmeister. (Schluß).

Mein Geburtstag war inzwischen angebrochen. Ganz leer hatte mich die Mutter doch nicht gehen ! lassen. Ich erhielt ein halbes Dutzend neue Taschen­tücher; sie erschienen mir wie die Trockner von Zu- kunftsthräncu.

Bedingt still vergnügt," ich weiß keinen bes­seren Ausdruck für meine Gedurstagsstimmung, saß ich im Kreise meiner Geschwister beim Mittagessen vor meinem Teller mit Reisbrei, von welchem ich schon die zweite Portion in Empfang genommen habe.

' Meinem Vater, welcher ein ihn sehr in An- ^ sprüch nehmendes. mit umfangreicher Kassenführung ! verbundenes städtisches Amt zu verwalten hatte, war ! nichts unangenehmer, als wenn er, von seinem Bu- j reau in die Privatwohnung zurückgekehil. während ^ des Mittagstisches durch einen Besuch gestört wurde.

; Auch heute schnellte er ärgerlich von seinem

! Sitze auf, als an der Thüre zum Eßzimmer angc- j klopft ward, im gleichen Augenblicke, da ich meiner 'Mutter den Teller zuschob, um die Reisbreiportion ; Nro. 3 cntgegenzunchmen.

Wer mag auch! Herein!" rief mein Vater ; ärgerlich mit lauter Stimme und herein trat Knöpfte senior, in der Hand ein zerknittertes gelbliches Pa­pier haltend, in welchem ich alsbald die unbezahlte Rechnung für das Lchmetterlingskästchen erkannte.

Ein jäher Schrecken erfaßte mich. Den Löffel, welchen ich soeben mit der ersten Ladung von Reis­breiportion Nro. 3 zum Munde geführt, ließ ich auf den Teller zurücksinken und starrte, Unheil witternd, den Gast Schreincrmeister ängstlich an.