Noch hatte er ja den Mund nicht aufgethan, noch konnte alles anders kommen. als ich mir cs ausmalte und — —
„Was wollen Sie. Herr Nachbar?" tönte es von meines Vaters Lippen.
„Geld will ich, Herr Verwalter, für das Schmetterlingskästchen, welches ich Ihrem Buben," er deutete dabei auf mich, „auf feine eigene Bestellung hin angefertigt habe. Ich kann und mag nicht mehr länger warten. Mein Jüngster braucht ein Paar Hofen für den Winter und die werden fo etwa gerade die 2 fl. 24 kr. kosten, welche ich auf der Rechnung hier notiert habe."
„2 fl. 24 kr." riefen Vater und Mutter zu gleicher Zen und die letztere setzte hinzu: „Deshalb hat er das Geld zum Geburtstag wollen?"
Mein Vater erhob sich, öffnete die Thür zum Nebenzimmer und sprach zu Knöpfte: „Darf ich bitten?" Der Nachbar trat dort ein, hinter ihm folgten meine beiden Eltern und die Thüre war geschlossen. Meine Geschwister im Eßzimmer außen waren sprach- ^ los vor Erstaunen, umsomehr, da ich alle ihre Fra- ! gen nur mit einem kategorischen „Laßt mich!" beantwortete.
Innen ward gar lebhaft hin- und hergesprochen. Ich verstand von dem wirren Gerede aber zuletzt nur die Worte: „So, Herr Knöpfte, da haben Sie Ihr Geld!" ^
Gleich darauf that sich die Thüre wieder auf > und meine Eltern mit dem Nachbar traten in das Eßzimmer. Er hatte mich also doch verraten und seinen Sohn Heinrich als Werkzeug gebraucht, um mich zu Fall zu bringen.
Was wollte ich machen! Rettungslos war ich, zur Feier meines Geburtstags, dem Zorne meines Vaters preisgegeben, und daß dieser Zorn ein gerechter war, das mußte ich erst noch im Stillen anerkennen. i
„Wo hast Du den verdammten Kasten hinge- than?" M-t diesen Worten fuhr mich nun mein Vater an.
„Erlauben Sie, Herr Verwalter, es ist kein verdammter Kasten, es ist ein schön gearbeitetes Kästchen und mein Heinrich" — unterbrach Knöpfte. Am Weiterrcden aber hinderte ihn mein Vater, indem er sprach: „Ach was! Kasten ist Rauen. Die Hauptsache ist für mich, zu wissen, wo er hängt." ^
„Auf der Bühne," stammelte ich weinend und i „Auf der Bühne?" tönte es in neckischem Echo aus - meiner Geschwister Munde mir fragend entgegen.
„Dann zeig es dem Herrn Knöpfte und mir!" brauste mein Vater wieder auf und öffnete die Thüre gegen den Gang hin. Ein armes Schlachtopfer wankte, ich hinaus, gefolgt von meinem Vater und dem perfiden Knöpfte. Erstaunt blickten Mutter und Geschwister uns nach. ^
Bald war der Trauerzug auf der Bühne an- ^ gelangt.. Ich nahm das Kästchen von der Wand ! und reichte es meinem Vater. Er würdigte meine ^ schönen Falter keines Blickes. Ein rauhes „Bor- ; wärts marsch!" Das waren die einzigen Worte, welche - er in dem Bühnenwinkel ertönen ließ und nun setzte, sich der Trauerzug wieder nach abwärts in Be- l wegung.
Bald waren wir unten angelangt; aus der offenen Thüre der Wohnstube drängten Mutter und Geschwister neugierig vor. Ein lautes „Ah!" entrang sich ihrem Munde, als der kleine Zug mit dem Schatz - kästlein anmarschiert kam.
„Aber nicht wahr, fein Hab ich cs doch gemacht?" sprach Knöpfte mit einem triumphierenden Blick auf seine Arbeit gegen meine Mutter hin. Und mein Bub, der Heiner erst, der hat eine Zukunft,, da betrachten Sie nur den geschnitzten Namenszug!" fuhr er fort.
Meine Mutter aber wollte nichts hören und mein Väter schritt weitere Erörterungen mit den Worten ab: „S'ist nun genug, Herr Knöpfte. Wenn Eie jetzt gehen, begleite ich Sie die Straße huiab, ich muß mich ein wenig nn Freien ergehen — nach dieser Geburtstagsfeier." Damit mar dem Herrn Nachbar auf seine Art der Laufpaß gegeben.
Wenige Minuten später 'sah ich vom Fenster ^ aus meinen Vater, sein Bambusrohr mit einem goldenen Knopf unter dem Arm, friedlich neben Knöpfte senior einherwandeln. Ich war froh; Vas Wetter! halte sich bis auf weiteres verzogen.
Die Mutter schickte meine Geschwister, nachdem der Vater weg war, fort und begann mich wegen
der Geschichte ins Verhör zu nehmen. Sie betrachtete dabei das Kästchen von allen Seiten, und als ich mit meiner Beichte zu Ende mar, rief sie plötzlich aus: „Ich hab's. — — Wie geschaffen zu einem Schlüffelküstchen! — Die Schmetterlinge müssen heraus, heute noch."
„Schlüsselkästchcn? Naus?" rief ich aus. „Ich begreife nicht."
„Aber ich begreife," rief meine Mutter, „daß mein altes Schlüsselkästchen nachgerade in die Brüche zu gehen droht, lieber kurz oder lang bedarf ich ein neues und da kommt mir Dein Schmetterlingsbehälter gerade recht. Er läßt sich Prächtig umwan- deln und dann sind die Kosten für einen neuen Behälter erspart.
„Aber meine Schmetterlinge?" rief ich jammernd aus.
Auch hiesür wußte meine gute Mutter sofort Rat, wenn er auch mir geringen Trost bot.
„Die geflügelte» Dinger," sprach sie, „nimmt man eines nach dem andern behusam aus dem Kästchen heraus und steckt sie einstweilen in schönster Ordnung in das alte Bügelbrett, welches in der Ecke der blauen Stube steht."
„Und das ist Dein letztes Wort, Mutter?" rief ich seufzend.
„Mein letztes," erwiderte sie ernst. „Auf diese Weise allein kannst Du des Vaters Zorn und — wohlverstanden! auch sein Bambusrohr-"
„Mutter, ich folge sofort Deinem Befehle," unterbrach ich sic. Das Wort „Bambusrohr" hatte wunderbar gewirkt und die rasche Sinnesänderung bei mir zum Durchbruch gebracht.
Ich begann mit der mir zugedachten Arbeit. In einem Zeiträume von zehn Minuten war der zierliche Glaskasten von Schmetterlingen und Stecknadeln gründlich gesäubert. Der hübschen Falter bunte Reihe, in ihrer Mitte der Totenkopf, paradierte nach weiteren zehn Minuten, kunstgerecht aufgcspießt, auf des schon erwähnten Bügelbrettes tannenem Boden.
Mit wehmütigen Gefühlen ergriff ich den dürftigen Ersatz für mein glasüberdecktes weiland Schmetterlingskästchen und stellte das Brett mit seinen Insassen hinaus auf das Fenstergesimse des breiten aus der Rückseite unseres Hauses befindlichen Altans. Dorr sollten die toten Falter weilen, bis ich ein besseres Unterkommen für sie ausfindig gemacht.
In das Wohnzimmer zurückgekehrt, half ich meiner Mutter die Nägel in das neue Schlüsselkästchen einschlagen. Ach! Der Ton dieser Hammerschläge war Trauermusik für meine Ohren. Allein, was wollte ich anfangen! Entweder Bambus oder Schlüffelküstchen — man hatte es mir ja vorhin schon gesagt. Also!-—-
Nachdem das Kästchen für seine neue Bestimmung soweit hergerichtet war, hing es meine Mutter mit den ihm einverleibten Schlüsseln an der Wand neben der zur Wohnstube führenden Thüre aus und-
„Frau Verwalter! Ums Himmelswillen! Kommen Sic doch schnell heraus! Der Peter, der Malefizpeter!" Mit diesen in größter Aufregung gesprochenen Worten stürzte unsere Dienstmagd plötzlich herein. —
„Der Malefizprtcr". — Dieser Schreckensruf bedeutete stets, daß unser schwarzer, mit dem Beinamen „Peter" belegter Kater wieder einmal irgend einen Streich ausgeführt hatte.
Das war auch diesmal der Fall, davon überzeugten sich meine Mutter, ich und meine übrigen auf das Geschrei herbeigeeilten Geschwister, als wieder Dienstmagd nach dem Altan hinaus folgten. Dem Kater, welcher wohl ohne Zweifel, von mir unbemerkt, in einer vcrdorgenen Ecke des Altans gesessen hatte, waren des Bügelbretts geflügelte Insassen offenbar als ein sehr begehrenswertes Streitobjekt für seine stets kampfbereiten Krallen erschienen.
Als unsere Dicnftmagd, welche sich zufälligerweise ouf dem Altan zu schaffen machte, dort erschien, halte der vierfüßige Unhold sein Zerstörungswerk schon beendigt.
„Ein Schlachten war's, nicht eine Schlacht zu nennen," so konnte ich ausrufen angesichts der zersetzten Fühlhörner und Flügel, welche die Wahlstart bedeckten.
Tiefbetrübt betrachtete ich die erbarmungslos geopferten Faltcrüberreste und that im Stillen das Gelübde, der Scbmetterlingsjagd fortan für immer
zu entsagen. Ich habe das Gelübde gehalten; der Schreinermeister Knöpfte senior und meines Vaters Bambusrohr und unser schwarzer Kater hatten es mir angethan.
Als mein Vater vom Spaziergang heimkchrte und beim Betreten der Wohnstube das neue Stück Hausrat entdeckte, sprach er sich völlig befriedigt über die Aenderung aus. Ich, sein schwer geprüfter Sohn, hatte das gleiche Gefühl — aus Gründen der Vernunft.
Allerdings kam noch mancher Tag nach meinem ! damaligen bewegten Geburtstag, da ich mit umflortem ^ Blick hinüberschaute nach der Stelle an der Wand, i wo das Kästchen mit Heinrichs, des perfiden Nachbars Sohns, Namenszug hing. Doch der Zeit, der Wunden heilenden, wohlthätiges Walten erprobte sich im vorliegenden Falle auch an mir.
Ich betrachtete späterhin das Schlüssclkästchen dort drüben, „das Ding an sich," als etwas ganz natürliches.
Und als ich, 18 Jahre alt, der Heimat Valet sagen mußte, und meine brave Mutter das Kästchen, dessen erster Nagel den Schlüssel zum Sekretär enthielt, öffnete, diesem das Reisegeld für mich entnahm und mir einhändigte — — es war mir doch eigentümlich dabei zu Mut.
„Wie lange werde ich es wohl auch noch benützen dürfen, das nette praktische Kästchen?" sprach sie ernst, als sie den Schlüssel wieder an Ort und Stelle brachte und ihre Augen füllten sich mit Thränen.
Sie hatte richtig geahnt. Nur wenige Jahre noch durfte sie das Kästchen im Gebrauch behalten, dann schloß sie ihre müden Augen für immer.
Ich aber glaubte deshalb ein Anrecht auf das Kästchen zu haben, weil es ursprünglich für mich speziell angefcrtigt worden war und — weil meine gute Mutterdamals, als ich Abschied von ihr nahm, noch mit mir über dasselbe gesprochen hatte.
Bei der Beratung im Familienrate über die Frage, wem das Schlüsselkästchen zugesprochen werden solle, wurde zu Gunsten meines einst vom Tode des Ertrinkens durch Heinrich Knöpfte geretteten jüngeren Bruders entschieden. Ich mußte mich dareinfügen, so schwer es mir auch fiel.
Mein Bruder ist später nach Amerika ansgewandert und mein weiland Schmetterlingskästchcn hat er mitgenommen. Es ist unversehrt nach Philadelphia, wo er seinen Wohnsitz nahm, hinüberge- ^ kommen und schmückt jetzt dort eine Wand des Schlaf ! zimmers meines Bruders.
Von Zeit zu Zeit versäume ich nicht, mich nach ! dem Schicksal meines einstigen Schmerzenskindes zu ! erkundigen und habe bis jetzt stets mit Befriedigung i vernommen, daß es sich „den Umstünden angemessen"
; befindet.
Alle meine Bemühungen aber, das Schlüsselkästchen wieder über das Wasser herüber zu bringen, sind an dem entschiedenen „non poooumns" meines Bruders gescheitert. So wird es wohl im Lande der Bankers sein Dasein beschließen.
Handel öd Berkehrl
Stuttgart, 11. Feb. (Landesproduklen-Börse.) Die Börse ist schwach besucht uud das Geschäft ist schlecht. Wir notieren ver 1c>0 Klgr.: Weizen, bahr. 21, russischer ^ 21.75, dto. fränk. „tL 20.30, serb. 21, Dinkel 13, Haber 12.60-13.40.
Stuttgart, 8. Febr. Der Ledermesse am 5. dk. wurden ca. 1050 Zir. (gegen 800 Ztr. fcrnd) zugeführt. Dcr Verkehr war nicht besonders lebhaft, cs fehlte an Käufern. Die Preise waren gedrückt.
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Druck und Verlag der H. V. Aaiser'schen Buchhandlung in 2?ag»td.