Der Gesellschafter.

Amts- und Intelligenz-Blatt für de« Oberamts-Bezirk Nagold.

^ Erscheint wöchentlich 3 mal: Dienstag, DonnerS- - tag und Samstag, und kostet vierteljährlich hier /Vo 1 ^.1 . (ohne Trägerlohn) 80 in dem Bezirk 1 ^

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Donnersts- den 29. November

sUrHe Ispaltige Zeile aus ge­wöhnlicher Schrift bei einmaliger Einrückung 9 bei mehrmaliger je 6 et. Dir Inserate müssen ^ OOO spätestens morgens 8 Uhr am Tage vor der ^OOO« Herausgabe des Blattes der Druckerei aufgegeben sein.

Steht ein Staatsstreich in Paris in Sicht?

Ganz Frankreich ist durch die Behauptung der ! boulangistischen und monarchistischen Zeitungen alar-! miert worden, das Ministerium Floquet planezur, Rettung der Republik" vor Boulanger nichts Gerin- ^ geres, als einen Staatsstreich. Bei der für den 2. Dezember geplanten großen republikanischen Demon- - stration sollte absichtlich ein Zusammenstoß mit den; Boulangisten herbeigcführt und der dann entstehende ! Krawall zum Anlaß genommen werden, Paris null- > tärisch zu besetzen, Boulanger nebst allen Anhängern! zu verhaften und ihnen als Staatsverbrechern den j Prozeß zu machen. Boulanger und der Bonapartist Cassagnac haben mehreren Berichterstattern erklärt, ! daß sie im Besitze von Beweisstücken dafür seien, § daß die Regierung thatsächlich einen Staatsstreich > geplant habe, wenn sic auch jetzt wohl nicht mehr an die Ausführung denken. und ihre Blätter fahren ^ fort, die Nachricht von dem L taatsstreich durch neue! und phantasievolle Einzelheiten ouszuschmückcn. Die! Regierungsblätter widerlegen diese Angaben mit grüß- ^ tcr Entschiedenheit und suchen das Ganze ins Lächer-! lichc zu ziehen, worin sie, was die Einzelheiten des Staatsstreiches anlangt, gewiß recht haben. Dagegen steht fest, daß in den republikanischen Kreisen eine Stimmung herrscht, die auf ein entschiedenes Borgeheu gegen Boulanger drängte und die unter Umständen vor Gewaltthätigkeiten nicht znrückschrccken würde. In Anbetracht der von Boulanger drohenden Ge­fahr scheint zwischen den Parteigruppen der Repu­blikaner eine beachtenswerte Annäherung stattgesnn- den zu haben. Diese hat sich schon am Sonnabend in der Kammer bemerkbar gemacht, wo ein von den Boulangisten gegen die Regierung gerichteter Antrag abgelehnt wurde, ohne daß der Ministerpräsident Floquet sich sehr zu ereifern brauchte.

Wir gehen nicht fehl, wenn wir die Lage in Paris folgendermaßen auffassen: Die gegenwärtige Republik sieht sich von Boulanger auf das Allerern- sicste bedroht; mehr noch, die Ansicht der Mehrzahl der Republikaner geht dahin, daß cs sehr leicht mög­lich ist, daß der General bei den im Frühjahr statt- , findenden allgemeinen Kammerwahlcn den Sieg da­vonträgt, und damit die Macht erlangt, dem heuti­gen Regierungssystem den Garaus zu machen, an die Stelle der Parlamentherrschast die Diktatur zu setzen. Selbstverständlich haben die jetzigen Partei­häupter keine Lust, durch Boulanger sich in das' Nichts stürzen zu lassen, und da man nicht weist, was die folgenden Tage bringen können, ist in diesen Kreisen die Ansicht aufgetaucht, jetzt, wo man der Armee noch einigermaßen sicher ist, kurzen Prozeß zu mach»,, und Boulanger und seine Leute als Staatsverbrecher festzunehmen. Daraus sind dann die Gerüchte von einem festbeschlossenen Staatsstreich der Regierung entstanden. Man will also zu dem Plan zurückkehre«' den einsichtige Männer schon bei der Kassierung des Generals empfohlen: Damals mußte Boulanger auf ein paar Jahrein ein er Festung eingesperrt werden, keinHund und kein Hahn hätte nach ihm gefragt; aber was damals schnell anging, dafür ist es heute zu spät. Die jetzigen Regierungsmänner können einen Staatsstreich viel­leicht durchführen, Nutzen davon aber wird die Par­lamentsherrschast auf keinen Fall haben. Der größere Teil der Bevölkerung sieht ja nicht Boulanger als Schuldigen an, sondern die Regierung. Außerdem liegt es in der Natur der Sache, daß solche Staats­streiche stets einem Manne zu Gute kommen, das Beispiel des ersten und dritten Napoleon zeigt das sehr genau; was soll zudem daS Ministerium Floquet

von einem solchen Unternehmen haben, wenn es auch nach demselben noch jeder Zeit durch eine eigensinnige Kammermehrheit gestürzt werden kann? Ein Staats- ; streich bedeutet einen Gewaltakt, und wer die Ge- ! Walt ausübt, der muß sie auch behalten, sonst schwem­men die Wogen des Staatsstreiches ihn selbst mit fort. Will die heutige Regierung oder Herr Carnot den Staatsstreich, gut, aber mit ihm muß auch die zeitweilige Aufhebung der Verfassung verknüpft sein. Neue Ministerkrisen würden sonst den ganzen Schlag schnell ungeschehen machen können. Wir bezweifeln aber, daß Floquet oder Carnot die gebotene Energie besitzen, um gänzlich reinen Tisch machen zu können. Endlich das Schwierigste: Wessen will man Bou­langer im Falle seiner Verhaftung anklagen? Daß er die Republik beseitigen will, ist ihm nicht nach­zuweisen, er will nur eine radikale Berfassungsreform. Das ist aber kein Verbrechen. Die Parteigenossen Herrn Floquets, die Herren Clemenceau und Genossen haben gegen die gemäßigten Ministerien Freycinet, Ferry, Rouvier rc. genau ebenso scharf gesprochen, wie Boulanger gegen die heutige Regierung und waren auch keine Staatsverbrecher. Eine rechtliche Aburteilung Boulangers könnte also eine merkwürdige Entscheidung Hervorrufen. Und selbst wenn Bou­langer verurtheilt würde, ewig bleibt er nicht im Ge­fängnis. Große Staatsumwälzungen verlangen Eisen­singer und nicht unentschlossene Behandlung. Gehen die Verhältnisse in Paris wie gegenwärtig ihren Gang weiter, kommt die Regierung nicht zur durchgreifen­den That, nun dann werden wirerleben, oder können es doch recht leicht erleben, daß Boulanger in Folge neuer Wahlsiege Kriegsminister wieder wird und die Kammern durch ein Bataillon Infanterie auseinander jagen läßt. Daß die Armee einen Staatsstreich der gegenwärtigen Regierung unterstützen wird, das hofft man'in Paris; daß die Armee einem Staatsstreich Boulangers aber Widerstand leisten wird, daran glaubt Niemand. Will die Republick keinen mili­tärischen Diktator haben, dann muß sie einen bürger­lichen nehmen. Wie die Dinge jetzt stehen, geht es nicht mehr lange weiter .

Frhr. v. Kechler-Schwandorf, Hauptmann von der Landwehr-Infanterie, kommmandiert zur Dienstleistung beim Bezirks-Kommando Stuttgart, unter Belastung in diesem Kommando-Vcrhältuis und unter Verleihung des Charakters als Major, mit seiner bisherigen Uniform wurde zur Dis­position gestellt.

Der Bahnhofverwslter I. Klasse und Postmeister Hopfin Horb wurde aus die erledigte Stelle eines Bahn- hofverwaltcrS I. Klasse und'Postmeisters in Mühlacker auf Ansuchen gnädigst versetzt.

Infolge der vom 6,-16. Nov. abgehaltenen Dienst- «uüfunL.evang. Lehrer sind u. a. zur Versehung von Schul- Misten für befähigt erklärt worden: Friedrich Betz, Unter- Wrcr i» Oeschelbronn, Gottlob Elsenbraun, Unterlehrer in Calbach, Karl Eisenmann, Seminarunterlehrer in Nagold, Fnederich Fehle, Unterlehrer in Rohrdorf, Georg Kläger, UiiterlehreG in Nagold, Adolf Staig er, Hilfslehrer an der Elementarschule in Stuttgart, (früher Präparaodenlehrer in Nagold). H ,

Bei der vom 2.^15. Nov. d. I. in Tübingen vorgc- nommenen ersten höheren Fiuanzdienstprüfung find u. a. die Kandidaten Gottlteb Graze von Oberifiingen, (Freuden­stadt), und Hermann Kümmerten von Altensteig für befähigt erkannt u nd zu Finanzrefercndären II. Klaffe bestellt worden.

Tages-Neirigkeiten.

s:j Altensteig, 27. Nov. Der hiesige Liederkranz gab vergangenen Sonntag Abend im Gasthof zum Stern hier einen Scherzabend. Außer hiesigen Kräften wirkte auch H. Tognarelli aus Stuttgart mit, welcher als Komiker verdienten Beifall fand. Das aus 18 Nummern bestehende Programm erforderte zu seiner Abwicklung volle 5 Stunden. Die Perle in der

Aufführung war unstreitig das Terzett (Opernfreunde)' welches vorzüglich gespielt und mit brausendem Bei­fall ausgezeichnet wurde. Dem Vorstand und Diri­gent des Vereins, welcher den Scherzabend veran­staltete, gebührt der Dank der vergnügten Zuhörer.

Simmersfeld, 25. Nov. Heute fand hier von zahlreich versammelter Gemeinde die In­vestitur des ueuernannten Herrn Pfarrers Hen­ninge! durch Herrn Dekan Schott von Nagold statt. Als Zeugen waren anwesend die Herren Professor Wctzel von Nagold und Schultheiß Theurer von Fünfbronn. Mittags fand ein Festessen im Gast­haus z.Hirsch" statt, an welchem sich außer den genannten Geistlichen die Schultheißen und Lehrer von hier und den Filialorten Beuren, Ettmannsweiler und Fünfbronn beteiligten. Hiebei wurden auf den neuen Geistlichen und dessen Familie Toaste aus­gebracht von den Herren Dekan Schott, Professor Wetzel und Schullehrer Wurster. (W. Ldsztg.)

Stuttgart, 25. Nov. (Landesversammlung der Deutschen Partei.) Heute tagte hier die Landes­versammlung der deutschen Partei, die aus fast allen Bezirken des Landes von etwa 80 Teilnehmern be­sucht war. Der Zweck der Versammlung war, die Stellungnahme der Partei zu den im Januar 1889 bevorstehenden Landtagswahlen zu präcisieren. Bei der Steuerfrage wird sich die Partei entschieden für finanzielle Erleichterung der Gemeinden aussprechen. Daß nur wahrhaft reichstreue Abgeordnete in den Landtag gewählt werden, wird als ein dringendes Bedürfnis bezeichnet.

Stuttgart, 26. Nov. lieber die Frage der Berechtigung der Amtsversammlungen zur Ver- willigung von Beiträgen für die König Karl-Jubi- läumsstiftung haben die vier Kreisregierungen als die zur Genehmigung diesbezüglicher Amtsversamm- lungs-Beschlüffe zuständigen Aufsichtsbehörden ein­gehende Beratung gepflogen, wobei dieselben über­einstimmend zu dem Ergebnis gelangt sind, daß die Berechtigung der Amtsversammlungen zu solchen Ver- willigungen auf dem Boden des württembergischen Rechts in keiner Weise zu beanstanden sei. (St.A.)

Ellwangen, 24. Nov. Der um 12 Uhr mittags von hier nach Crailsheim abgehende Güter­zug entgleiste bei Jagstzell infolge eines Weichen­bruchs. Der Lokomotivführer wurde über die Bö­schung herabgeschleudert, ohne jedoch Schaden zu nehmen; 7 mit Vieh beladene Wagen wurden aus dem Geleise geworfen und teilweise zertrümmert, einem Viehwärter ist der Fuß abgedrückt. Arbeitspersonal von Ellwangen und aus der Reparaturwerkstätte in Aalen sind zur Stelle, um die Defekte möglichst rasch auszubessern. Aerztliche Hilfe leistete Oberamts­wundarzt Dr. Werfer von Ellwangen.

Brandsälle: In Roigheim (Möckmühl) am 25. d. Mts. die gefüllte Scheune nebst dem Tanzkokal des Ludwig Kämpfzum Lamm".

Meßkirch, 24. Nov. Um die erledigte hies. Ratschreiberstelle haben sich ca. 50 Bewerber gemeldet.

Der König Ludwig hat den Kaisern von Oesterreich-Ungarn und Deutschland portu­giesische Regimenter verliehen.

In Tegernsee fand am Dienstag Morgen die definitive Beisetzung der Leiche des Herzogs Maximilian in Bayern in Beisein einer Kommission statt, welche die Siegel anlegte. Während des feier­lichen Aktes fand Glockenläuten und die Lösung von 101 Böllerschüssen statt.

Das Kriegsgericht in Mainz hat sich kürz- ! lich wieder mit einem Falle von Soldatenmißhand­lung zu befassen gehabt; der Unteroffizier Kind von