längst veröffentlichten Programm steht!" Die Organisation bedeutet nicht den Beginn neuer militärischer Maßnahmen, sondern den Abschluß der alten.
Berlin, 18. Nov. Es heißt, das Verfahren gegen Professor Geffcken soll eingestellt werden, weil sein Geisteszustand derart sei. daß er nicht mit voller Klarheit die Folgen seiner Handlungsweise habe übersehen können. Augenblicklich dauert aber das Verfahren noch an, in Barmen hat in den letzten Tagen erst eine Zeugenvernehmung stattgefunden. Vermutlich steht die Vernehmung im Zusammenhang mit Aeuße- rungen Geffckens über den Reichskanzler, welche elfterer vor mehreren Jahren gelegentlich eines Besuchs zu Barmen bei einer konservativen Tafelrunde gemacht haben soll.
Berlin, 19. Nov. Der „Kreuzztg." zufolge dürfte die Wiedervereinigung des Militärkabinets mit dem Kriegsministerium in nicht allzu ferner Zeit in Aussicht stehen.
Berlin, 19. Nov. Die Anklage gegen die „Freisinnige Zeitung" wegen Nachdrucks von Stellen aus dem Tagebuch Kaiser Friedrichs von 1870 bis 71 ist, wie das genannte Matt mitteilt, vom Kaiser Wilhelm persönlich veranlaßt.
Berlin, 19. Nov. Nach über London kommenden Meldungen aus Sansibar ist der Sultan krank und hat die Kundmachung der Blockade noch nicht erlassen. Man fürchtet, daß sich die Bewegung an der Küste auf alle Europäer erstreckt. Die deutsche Marinebesatzung in Bagamoyo soll wieder abgerückt sein, weil ein bösartiges Fieber daselbst grassiert.
Berlin, 18. Nov. Die Lebensbeschreibung des Kaisers Friedrich soll nach der „Jndep. belge" von der Kaiserin Viktoria selbst verfaßt worden fein und Herr Renncl Rodd nur die Stelle eines Sekretärs der Kaiserin ausgefüllt haben.
Berlin, 20. Nov. Die Matrikularumlagen dürfen sich um 111, Mill. Mark erhöhen, während die Ueberweisungen an die Bundesstaaten um 15 Mill. Mark den Ansatz des laufenden Jahres übersteigen. Wenn auch diesmal noch ein Fehlbetrag des letzten Finanzjahres mit 22 Millionen Mark zu decken ist, so wird im nächsten Jahre bei voller Wirkung des Zuckersteuergesetzes die Quelle der Fehlbeträge und damit auch die Erhöhung der Matrikular- beiträge verstopft.
Berlin, 20. Nov. Die Kreuzzeitung warnt wiederum offiziös vor der russischen Anleihe, die vollständig nach Deutschland abgeladen werden soll, wobei die deutschen Kapitalisten auch noch den Gewinn der französischen „Geschäftsfreunde" bezahlen sollen.
Potsdam, 19. Nov. Der Kaiser und die Kaiserin empfingen 9'/r Uhr vorm, eine Marineabordnung von Schweden im hiesigen Stadtschlosse; der Kaiser trug schwedische Marine-Uniform. Die Audienz währte eine Viertelstunde, woraus das Kai- scrpaar sich mit der Deputation in die jGarnisons- kirche und später in die katholische Kirche begab, wo die Vereidigung der Rekruten des 1. Garde-Regiments zu Fug und des Garde-Jäger-Bataillons stattfanden. Der Kaiser erteilte beide Male persönlich den' Befehl zum Einrücken der Fahnen in die Kirche. Das gesamte Offizierskorps der Garnison wohnte der Feier bei.
In Rücksicht auf die hohen Preise für Brot u. andere Lebensmittel hat die Aktien-Malzfabrik Rei- nich u. Komp, in Halle freiwillig ihrem gesamten Arbeiterpersonal eine Teuerungszulage von 1 pro Mann und Woche gewährt.
Eine ganz auffällige Nachricht bringt die „Frankfurter Zeitung" aus Sofia. Sie meldet, daß dorthin mehrere in der russischen Armee als Offiziere dienende Bulgaren in Briefen mitgeteilt hätten, der russische Kriegsminister Wannowski habe die Mobilisierung der russischen Armee bis Ende Januar fertigzustellen befohlen! Das ist entweder eine furchtbare Lüge oder bitterer Ernst. Hoffentlich das erstere!
Londoner Blätter beharren dabei, daß die Vermählung der preußischen Prinzessin Viktoria mit dem Prinzen Alexander von Battenberg noch vor Ablauf dieses Jahres stattfinden werde.
Eine Sensationsnachricht wurde am Sonntag in Berlin viel besprochen. Es heißt, dem Reichstage werde noch im Laufe dieser Saison, vielleicht vor Weihnachten schon, eine neue Militärvorlage unterbreitet werden, welche für verschiedene Zwecke, besonders zur Vermehrung der Artillerie, die Summe von 360 Millionen fordern wird. Mag die
Summe zu hoch sein, ohne all und jede Grundlage scheint die Meldung nicht zu sein. Der neue Etat wird keine besondern Extra-Ausgaben brauchen.
Der Kaiser und die Kaiserin haben einen besonderen Courier nach Kopenhagen gesandt, um dem dänischen Königspaare wertvolle Geschenke, Erzeugnisse der Königlichen Porzellan-Manufaktur in Charlottenburg zu überbringen.
Im Berliner Amtsgericht I. erschien dieser Tage der Generalfeldmarschall Graf Moltke, und begab sich nach dem Testamentszimmer, um dort seinen letzten Willen gerichtlich niederzulegen. Das umfangreiche Aktenstück trug auf dem Umschläge die von des Feldmarschalls eigener Hand in deutlichen, kräftigen Zügen geschriebenen Worte: „Hierin be- i findet sich mein Testament. Gerichtliche Siegelung meines Nachlasses ist verboten. Moltke, Feldmarschall."
Die Kaiserin Friedrich ist am Sonmag mit ihren 3 Töchtern zum Besuch ihrer Mutter nach Schloß Windsor in England abgereist, von da sie ^ zum Weihnachtsfeste nach Deutschland zurückkehrt. j
Rosig scheint die Stimmung der leitenden i Kreise in Berlin gerade nicht zu sein, denn die ^ „Nordd. Aüg. Ztg." publiziert an leitender Stelle folgenden Artikel aus dem ersten italienischen Mili-! tärblatt „Esercito Jtaliano": „Die Italiener prote- stieren unausgesetzt gegen die Zumutung, daß sie die ! Absicht haben, Frankreich anzugreifen; die Franzosen andererseits versichern, daß sie keinerlei kriegerische Gedanken gegen uns haben. Ich glaube, daß beide Parteien es mit diesen Versicherungen aufrichtig meinen. Der Krieg wird aber trotzdem bei der ersten sich darbietendcn Gelegenheit ausbrcchen, als das natürliche und unabwendbare Resultat jener Serie von Ereignissen, welche die gegenwärtige Situation geschaffen haben: Der Gestaltung zweier großer geeinigter und nationaler Staaten an der französischen Ostgrenze, welche den Einfluß Frankreichs begrenzen, seine Kraft einschränken und die Grundlage des neuen ! europäischen Gleichgewichts bilden. Frankreich kann nicht anders, als seine Anstrengungen darauf richten, diesen Zustand der Dinge zu verändern. Es würde seine Vergangenheit verleugnen, wenn es nicht ver- ! suchen würde, den eisernen Ring, mit welchem es I durch die Einigung Deutschlands und Italiens ge-! fesselt ist, zu durchbrechen und es wird dies thun. - Man kann es hierfür nicht tadeln. Laßt uns offen sprechen. Wozu ist es gut, uns gegenseitig zu täu-! schen? Frankreich wird niemals in der Lage sein,! auf die Neutralität Italiens zu rechnen. Durch den! Instinkt der Selbsterhaltung wird Italien geleitet, ^ vom Anbeginn des Kampfes seine Kräfte mit Jenen! zu vereinen, die Frankreich in dem eisernen Ringe halten wollen, was immer noch die beste Garantie des Friedens ist. Frankreich weiß dies wohl. Ein Erfolg der französischen Waffen, der durch unsere Neutralität erleichtert worden, würde sich Italien bald und bitter fühlbar machen. Einem siegreichen Kriege gegen Deutschland würde der Krieg gegen Italien folgen. Nach Berlin würde Rom an die Reihe kommen; das wäre unvermeidlich der italienische > Staatsmann, welcher in solcher Lage auch nur einen j Augenblick zögern würde, den einzig möglichen Entschluß zu fassen, würde sein Vaterland verraten und seinen Namen dem Tadel künftiger Generationen preisgeben. Er würde dieses Land der sicheren Vernichtung zusühren."
Das mit der Petersburger Regierung in Verbindung stehende Journal „Nord" erklärt, in diesem ^ Jahre werde keine russische Staatsanleihe mehr stattfinden. Das ist sehr gut möglich, das Jahr zählt ja nur noch 6 Wochen, daß eine Anleihe im klebrigen vereinbart ist, ist zweiffellos.
Wenn die von der „Köln. Ztg." mitgeteilten Gerüchte wahr sind, so muß es um die Finanzen Boulangers nicht schlimm bestellt sein. Er soll vor einigen Tagen 2 Mill. Frk. durch eine international Finanzgröße erhalten haben, die sich glücklich schätzre, aus diese Weise den Beweis zu erbringen, daß es ihr auf einige Millionen mehr oder minder nicht an- > kommt. Boulanger selbst erklärt, daß er Geld in Fülle habe und daß ihm unter andern auch ameri- j konische Freunde 400000 Fr. gegeben und weitere ^ 4 Millionen angeboten hätten; die Bekanntschaft dieser Freunde habe er gemacht, als er zur Feier des Unabhängigkeitsfestes als Vertreter der Negierung nach, Amerika reiste. Aus welcher Quelle sich aber auch i der Geldstrom ergossen haben mag, Geld scheint wieder in Menge vorhanden zu sein!
Die „Post" bespricht heute wieder die neue russische Anleihe und sagt, es sei perfid, auszu streuen, daß deutsche Bankiers sich an der russischen Anleihe beteiligen, weil sie von der Dauer des freundschaftlichen Verhältnisses zu Rußland unterrichtet seien; das sind sie nicht und können es nicht sein, weil die deutsche Regierung selbst davon nicht unterrichtet ist. Selbst der erste Staatsmann kann die Eventualitäten der nächsten russischen Entwicklung nicht berechnen. Wenn deutsche Bankiers sich an der Anleihe beteiligen, so wurden sie wahrscheinlich nicht gewarnt, aber absolut sicher ist, daß sie auch nicht ermuntert wurden. Die ganze Verantwortung einer Verlockung des deutschen Publikums müßten sie allein auf ihre Schultern nehmen. Man bezweckt mit dieser Anleihe, den Kredit Rußlands und den Glauben an die dauernde Friedlichkeit seiner Politik dergestalt zu befestigen, daß es demnächst zn einer Anleihe von ungleich größerem Umfang mit guter Aussicht auf Erfolg wird schreiten können, sogar wieder auf Erfolg in Deutschland. Was daraus sich ergeben kann, darüber bitten wir den geneigten Leser, ein wenig nachzudenken.
Der Hausvater eines Rettungshauses in der Provinz hatte bei den Wahlen eine Depesche an den Kaiser gesendet: „Nach schwerem Kampf Sieg der konservativen Sache. Gott war mit uns, ihm sei die Ehre." Die „Konservative Korrespondenz" rügt diese Anmaßung dieses Unberufenen und den Mißbrauch des Namens Gottes in Wahlfächern Was würde man sagen, wenn es den Wählern in Hagen einfiele, dem Kaiser eine Depesche zu schicken: „Gott sei die Ehre, Eugen Richter hat gesiegt!"? Oesterreich Ungarn.
Brünn, 16. Nov. Infolge des Frostwettcrs sind in der Umgebung Brünns bei 100000 Meterzentner Zuckerrüben erfroren. Es ist dies für die Landwirte und die Zuckerindustrie von bedeutendem Schaden.
Frankreich.
Paris, 16. Nov. Der Pariser Gemcinderat beschloß heute, wie die „F. Z." meldet, mit 42 gegen 31 Stimmen, städtische Bäckereien zu begründen, die Brot zu den Selbstkosten abgebcn werden, und ernannte eine Kommission zur Ausarbeitung dieses Planes.
Paris. 17. Nov. Die Hetzpresse beschuldigt ganz direkt „die Deutschen" , das am Mittwoch in Chatellerault abgebrannte Gebäude, worin die Lebel- Gcwehre fabriziert werden, angezündet zn haben.
Paris, 18. Nov. In den Kammern brachte Freycinet einen Kredit von 60000 Fr. ein zum Ankauf von Kälte-Erzeugern zum Zweck der Erhaltung des Fleisches, welches für die Verproviantierung der festen Plätze und der Konzentrationsarmeeen bestimmt ist. Die Intendanz will nämlich — da man glaubt, künftig im Kriegsfall 5—800000 Mann auf einen Punkt konzentrieren zu können, diese Massen mit geschlachtetem Fleisch versehen, das in großer Kälte ausbewahrt werden soll, in Anbetracht dessen, daß die Mannschaft den Fleischkonserven in Büchsen wenig Geschmack abgcwinnt.
Paris, 18. Nov. Wahrscheinlich werden die Pariser Schulbataillone ein Ende nehmen. Sie sind nicht mehr Mode und letzthin sagte Minister Lockroy zu den Turnern von Paris, deren Fest er anwohnte: „Die Offiziere verlangen von den Rekruten Gewandtheit, Marschfähigkeit, Körperkraft, aber nicht, daß sie mit dem Gewehr exerzieren können." Man hat mit dieser Jugendwehr schlechte Erfahrungen gemacht und will diese unreife Soldatenspielerei, wozu der Pariser und andere Gemeinderäte viel Geld verwilligt haben, jetzt ausgeben.
Paris, 19. Nov. In Amboise fand gestern eine von Charles Laurent berufene Versammlung statt. Wilson wohnte derselben bei. Er erschien inmitten einer großen Anzahl von ihm gemieteter Leute, um die Versammlung zu stören. Er wurde mit den Rusen: „Ins Wasser!" „Ins Gefängnis!" empfangen. Als Laurent anfing zu sprechen, rief ihm Wilson zu: „Sie haben mich und damit die Republik besudelt!" Daraus entstand furchtbarer Lärm. Die Versammlung mußte geschlossen werden. In dem nebenliegenden Cafö soll Wilson jedem seiner Helfershelfer zwei Franks ausgezahlt haben.
Paris, 20. Nov. Die äußerste Linke der Kammer beschloß, an der Kundgebung teilznnehmen, welche der Pariser Gemcinderat am 2. Dez. auf dem Kirchhofe Montmartre zu Ehren des bei dem Auf-