ringen. Vom Wetter doch einigermaßen begünstigt, trug nun jeder Verein sein auf diesen Tag eingeüb­tes Festlied vor und eS verdienen in der That die meistenteils gediegenen Leistungen der einzelnen Ver­eine vollste Anerkennung. Kaum hatte der letzte Verein die Tribüne verlassen, so ergoß sich ein furcht­barer Regen auf die Erde nieder, welcher die Fest­teilnehmer nötigte, in den Wirtschaften ein Unterkom­men zu suchen, wo dann die Geselligkeit noch weiter zu ihrem Recht kam. Hoch lebe die edle Gesangs­kunst!!!

Calw, 9. Juli. Am gestrigen Tage hat der GesangvereinEintracht" von Eßlingen den schon früher gehegten Wunsch, dem Calwcr Liederkranz einen Besuch abzustatten, ausgeführt. Früh morgens nach 7 Uhr auf dem hies. Bahnhof von den Sängern des Liederkranzes" bewillkommt, wurde die stets gern zu unternehmende romantische Tour Teinach-Zaval- stein nach Calw mit gutem Humor unternommen. Nach dem im badischen Ho^ hier eingenommenen Mit­tagessen fand von 3 Uhr an Gesangsunterhaltung in den Lokalitäten desselben unter Abwechselung der Ge­sangvereineEintracht", des Nagolder und Calwer Liederkranzes" statt. Der Vorstand des hies. Lieder­kranzes, Herr Kollaborator Bäuchle, begrüßte zu­nächst die werten Gäste, worauf uns der Genuß sehr schön vorgetragener Lieder zuteil wurde. Auch der mit derEintracht" befreundete Nagolder Gesang­verein, wenn auch nur in einer Anzahl von 16 Sän­gern erschienen, trug nicht wenig zur Verschönerung der Unterhaltung bei. Für das freundliche Entgegen­kommen des Calwer Liederkranzes dankte der Vorstand derEintracht" in warmen Worten. (C. H.)

Calw, 9. Juli. Gestern vormittag fand in der hiesigen Turnhalle eine vom Gauturnwart Ammer abgehaltene Gau turnschule desNagoldgaues" statt, woran sich die Vorturner aus Altensteig, Bir­kenfeld, Calw, Hirsau, Nagold und Neuenbürg betei­ligten. Im Laufe des Nachmittags wurde eine Gau­turnversammlung im badischen Hof abgehalten. (C. H.)

Tübingen. 6. Juli. In der heutigen Strafkammer wurde gegen eine ledige Dienstmagd von Oberiflingen, O.A. Freudenstadt, verhandelt. Dieselbe, im Dienst eines hiesigen Uhrmachers, holte am Sonntag morgen, den 22. April, Holz­kohlen von der Bühne, bügelte mit einem Kohlcnbngeleisen einen Schurz und warf nachher die noch nicht abgekühlten Kohlen in einen Korb. Dieser entzündete sich sofort und ver­ursachte ein Schadenfeuer, welches den obern Teil des Hauses in Asche legte. Die Angeklagte wurde zu 4 Wochen Ge­fängnis verurteilt und wird im Zivilprozeß auch ihr über 1000 ^ betragendes Vermögen wegen Brandschadenersatz verlieren.

Leonberg, 9. Juli. Sonntag mittag kurz nach 4 Uhr ging ein schweres Hagelwetter mit wol­kenbruchartigem Regen über unsere Gegend hin. Der Schaden an den Obstbäumen und den Feldgewächsen ist im allgemeinen weniger beträchtlich, mehr dagegen an den Weinbergen.

Stuttgart, 10. Juli. DerStaatsanzei­ger" meldet über den Besuch des Prinz-Regenten Luitpold von Bayern in Friedrichshasen: Bei der Tafel erhob sich der König und brachte folgen­den Tonst aus:Ich trinke auf das Wohl des Prinz-Regenten, sowie auf die Fortdauer des gegen­seitigen freundschaftlichen Verhältnisses zwischen Bayern und Württemberg." Hierauf erwiderte der Prinz- Regent:Ich erlaube Mir auf das Wohl Ihrer Majestäten das Glas zu erheben; Ich.bin glücklich, daß Ich mich schon seit langer Zeit der wohlwollen­den Freundschaft Ihrer Majestäten erfreue. Hoch lebe das Königspaar von Württemberg!" Der Prinz-Regent empfing den Minister von Mittnacht in besonderer Audienz. Der König verlieh dem Prinz-Regenten das zweite Feldartillerieregiment Nr. 29. Die Einwohnerschaft brachte «dem Prinz-Regen­ten die herzlichsten und wärmsten Ovationen dar.

Leipzig, 9. Juli. Das Reichsgericht ver­urteilte Dietz wegen Landesverrats, Beiseite­schaffung von Aktenstücken und Diebstahls, zu 10 Jah­ren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust; die Ehe­frau des Dietz wegen Beihilfe zum Landesverrat zu 4 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust, den Färbcreibesitzer Appel wegen Beihilfe zum Lan­desverrat und Bestechung zu 9 Jahren Festung und 1 Jahr Gefängnis.

Leipzig, 9. Juli. Beim hiesigen Landgericht begann heute der Prozeß gegen den Bankier Sand­bank. Es wurde sestgestellt, daß 141 Wechsel im Betrage von ungefähr 3 Millionen Mark gefälscht sind. Sandbank wurde zu 3'/« Jahren Gefängnis verurteilt.

Wittenberg, 7. Juli. Der Redakteur des Wittenberger Kreisblattes", das den bekannten Ar­tikel derDresdener Nachrichten":Keine Frauen­zimmerpolitik" nachgedruckt hatte, erhielt 1 Monat Festung.

Berlin, lieber die bevorstehende Reise des Kaisers nach Petersburg verlautet, daß Kaiser Wilhelm bereits am ersten Tage seines Regierungs­antrittes entschlossen war, dem Zaren einen Besuch abzustatten und eine Wiederannäherung an Rußland anzubahnen. Es handelte sich nur darum, einem et­waigen Mißverständnisse vorzubeugen, als ob ein solcher Schritt durch spezifisch preußische, nicht durch nationale Motive diktiert wäre; man sollte nirgends glauben, daß die Verwandtschaft 'der Hohenzollern- dynastie mit dem russischen Kaiserhause ausschlagge­bend sei, vielmehr sollten die deutschen Bundessürsten darüber beruhigt werden, daß ohne ihr Borwissen und ihre Zustimmung eine so bedeutsame Wendung der nationalen Politik niemals zu besorgen sei. Die bekannten intimen Beziehungen des bayrischen Prinz- Regenten, wie des Königs von Sachsen zu dem Wie­ner Hof wurden dabei nicht übersehen; es mußte das Vertrauen in den unveränderten Fortbestand des deutsch-österreichischen Bündnisses erheblich gekräftigt werden, wenn man gewahrte, daß die beiden Bundes­sürsten in München und Dresden, die innigen per­sönlichen Freunde des Kaisers Franz Joseph, in dem Petersburger Besuche des Kaisers Wilhelm keinerlei Gefährdung der mitteleuropäischen Allianz erblickten. Deshalb wurde bei ihrer Anwesenheit in Berlin den hervorragendsten Bundesfürsten die Absicht des Kai­sers mitgeteilt. Beide Fürsten sollen die Reise als ein weiteres Mittel zur Befestigung des Friedens mit großer Genugthuung begrüßt haben.

Berlin, 6. Juli. Der Kaiser verlieh dem Kriegsminister Bronsart und dem früheren Chef der Admiralität v. Caprivi das Großkreuz des roten Adlerordens, letzterem mit besonders huldvollem Hand­schreiben; Caprivi ist vorläufig zur Disposition ge­stellt. Dem Feldmarschall Prinz Georg von Sachsen ward die erste Armeeinspektion übertragen, das da­durch vakante Kommando des zwölften (sächsischen) Armeekorps erhält wahrscheinlich Caprivi.

Berlin, 8. Juli. Der Reichskanzler wird, wie es heute heißt, an dem Botschafterdiner im Stadt­schloß zu Potsdam am 12. Juli teilnehmen und erst nach Friedrichsruhe gehen, nachdem der Kaiser sich auf die Reise nach Petersburg begeben hat.

Berlin, 9. Juli. Die deutsche Flottille wird Kaiser Wilhelm nur bis zur Grenze der deut­schen Gewässer geleiten, von wo aus die kaiserliche Jacht nur mehr von zwei deutschen Kriegsschiffen begleitet werden wird. Wenn, wie vorläufig bestimmt ist, die erste Begegnung zwischen Kaiser Wilhelm II. und Zar Alexander III. auf offener See statt­findet, so wird zunächst Kaiser Wilhelm an Bord der russischen Jacht Derjawa kommen, welche im Momente der Ankunft Kaiser Wilhelms die deutsche Flagge hissen wird. Hierauf wird sich der russische Thronfolger auf die Jacht Hohenzollern begeben, welche wieder die russische Flagge aushißt.

Berlin, 10. Juli. Unter dem Titel:Die Krankheit Kaiser Friedrichs III." sind nun­mehr die Berichte der deutschen Aerzte erschienen. Dieselben beginnen mit einer Darstellung der ersten Erkrankungserscheinungen zu Begmn 1887 von Pro­fessor Gerhardt und zeigen sofort, daß nicht nur die deutschen Aerzte das Uebel sogleich erkannt, sondern daß sie auch die Mittel besaßen, es erfolgreich zu beseitigen, wenn nicht das unheilvolle Eingreifen Mak- kenzie's und seiner Helfershelfer sie daran gehindert hätte. Es ist eine ganze Reihe furchtbarer Anklagen, alle unter protokollarischen Beweis gestellt, die da gegen diesen Mann erhoben werden. Jeder der ! deutschen Aerzte ist in der Lage, den Beweis zu führen, wie Mackenzie von Anfang an roh, hinter­listig, falsch und ungeschickt eingegriffen und wie nur ihm die Schuld beizumessen ist, wenn Kaiser Fried­rich heute im Grabe ruht.

Die Nat.-Ztg. schreibt in Bestätigung einer ! Meldung anderer Blätter, wonach auch Prinz Fried­lich Karl den Krebs gehabt: Derselbe habe ein Jahr ! vor seinem durch einen Schlagansall erfolgten Tode an der Wange einen Hautkrebs gehabt, den Prof. v. Bergmann operiert habe; eine Recidive sei nicht ein- > getreten.

Oeßerreich-Ungaru.

Kaiser Franz Joseph ist nicht eifersüchtig, daß Kaiser Wilhelm seinen ersten Besuch dem Zaren macht, er soll sogar selbst dazu mitgewirkt haben. Oesterreich weiß, daß es Deutschland sicher ist.

Frankreich.

Paris, 9. Juli. Bei dem gestrigen Bankett zu Rennes griff Boulanger die Kammer aufs heftigste an. Es sei höchste Zeit, dieser Kammer, die­ser unheilvollen Verfassung ein Ende zu machen. Die Stimme des Volkes müsse sich jetzt hören lassen zum Wohle der Republik, und bei den vorbereitenden Wahlen bestätigen, daß die Auflösung der Kammer und die Revision der Verfassung der einzige Wunsch jedes Franzosen sei.

Mackenzie hat sich vomFigaro" intervie­wen lassen und sagt: Durch höheren Befehl bin ich immer und überall eingeengt, in Berlin wie in San Remo. Ich bin Engländer und teilte die beiläufig sehr auseinandergehenden Ansichten der deutschen Aerzte nicht. So ist denn auch die Ope­ration in San Remo auf strengen Befehl aus Ber­lin und durch einen deutschen Arzt aus geführt. Der Tod des Kaisers hat mich überrascht. Ich glaubte, er würde noch ein Jahr leben. Zufälle und Un­vorsichtigkeiten haben alle meine Berechnungen um­geworfen.

Paris, 97 Juli. Mackenzie dementiert den imFigaro" veröffentlichten Bericht über ein Inter­view und erklärt, daß er vorläufig zum Schweigen verpflichtet sei.

Paris, 9. Juli. Gegenwärtig schwebt in Toulon der große Prozeß gegen den Weinhändler Grafen Villeneuve in Hyvres, in dessen Keller der Wein mit Arsenik versetzt wurde. Villeneuve hatte vor einigen Jahren 700 Kilogramm Arsenik aus Deutschland bezogen und auf dem Bahnhofe von Salms selbst in Empfang genommen. Was hatte er damit angefangen? 70 Zeugen sind von dem Zuchtpolizeigericht in Toulon aufgerufen und 102 Opfer erheben Klage. Es wurden 400 Personen, die von dem Wein genossen, krank, 12 starben, an­dere wurden gelähmt rc. Villeneuve erklärt, er habe den Arsenik gegen die Reblaus verwendet, aller sei nicht gebraucht worden, und er habe die 100 er­übrigenden Kilo in geschlossenen Fässern verwahrt. Es sei möglich, daß seine Küfer den Arsenik für Gips nahmen, denn er habe allerdings seinen Wein mit Gips und Weinsteinsäure hergerichtet, wie das all­gemein üblich sei. Die Küfer behaupten dagegen, wenn Arsenik in dem Wein gewesen sei, so müsse ihn der Prinzipal selbst hineingethan haben; derselbe sei manchmal mit kleinen Säckchen gekommen, die er in den Wein ausgelcert habe.

Rußlautz.

Laut Mitteilung aus Warschau erklärte der , Großfürst Wladimir von Rußland bei dem ihm i dort veranstalteten und von etwa 400 Offizieren und l höheren russischen Beamten besuchten Bankett, daß er in Berlin anläßlich seines letzten Besuches die ' Ueberzcugung gewonnen habe, daß Kaiser Wilhelm II. ein aufrichtiger Freund Rußland's und bereit sei, auch ein Bundesgenosse des Kaisers von Rußland zu werden (???) In Anbetracht dieser Sachlage i könne er, der Großfürst, versichern, daß die gegen- i wärtig in Westrußland konzentrierten Truppen nicht ! gegen Deutsche zu kämpfen haben würden.

Serbien. . .

! Belgrad, 8. Juli. Im ganzen Lande herrscht j große Aufregung und ist die allgemeine Ansicht, daß die Scheidung der Ehe des Königspaar e s nicht nur für die Königin, sondern noch mehr für das ganze Land, den König und den Kronprinzen ; ein großes Unglück wäre.

! Belgrad. Die Mission des Generals Pro­tic besteht darin, den Kronprinzen nach Serbien zurückzubringen. Die Königin weigert sich, ihren Sohn auszufolgen, doch dürfte auch diese Schwierig­keit bald behoben sein.

Belgrad. Nach einer Wiener Depesche der Köln. Zeitung" wäre der Königin eine Apanage von 300 000 Fr. angeboten worden. Auf die Weigerung der Königin hin werde sich der Kriegsminister des Kronprinzen, wenn notig mit Gewalt, bemächtigen.

Belgrad, 8. Juli. Nach neuesten Nachrich­ten hat der serbische Synodus den König Milan vermocht, sein Gesuch um eine formale Scheidung zu­rückzuziehen ; der König wolle sich mit der Trennung von Tisch und Bett begnügen, und gestehe der Koni-