von Oesterreich und den König von Italien, seine hohen Verbündeten, persönlich besuchen werde, gilt in allen politischen Kreisen für ausgemacht. Ueberhaupt wird man annehmen dürfen, schreibt die K. Ztg., daß die persönlichen Beziehungen des deutschen Kaisers zu den auswärtigen Herr­schern wie zu seinen deutschen Bundesfürsten auch äußerlich reger werden, als es seit einigen Jahren bei dem hohen Alter Wilhelms I. und bei der Krankheit Friedrichs III. möglich war.

Berlin, 29. Juni. Dem Vernehmen nach beabsichtige Kaiser Wilhelm von Wien aus München und Stuttgart diesen Spätsommer zu besuchen. Die Abreise zum Kaiser Franz hängt mit der Begegnung mit dem Zaren Alexander zusammen.

Berlin, 29. Juni. DieKreuzzeitung" wird amtlich veranlaßt, ihre gestrigen Nachrichten vom Abschiedsgesuch der kommandierenden Generale von Treskow und von Witzendorf zu widerrufen.

Berlin, 29. Juni. DerReichsanzeiger" veröffentlicht folgendes Dankschreiben des Kaisers Wilhelm II.:

Schwere Tage sind über Mich und Mein Haus gekommen. Von neuem ist Mein kaum beruhigtes Gemüt tief erschüttert. Mit dem Heimgange Sr. Majestät des Kaisers und Königs Friedrich, welcher Meinem teueren Großvater so bald in die Ewigkeit folgen mußte, ist Mir der beste und liebevollste Va­ter , dem Lande der treueste und edelste Herrscter entrissen worden. Nur auf allzu kurze Zeit war es ihm durch ein hartes Geschick vergönnt, zum Heile seines Volkes, das er mit voller Liebe umfaßte, zu wirken. Die ganze deutsche Nation in erhabener Einmütigkeit trauert mit Mir um einen solchen Ver­lust und fremde Völker nehmen Teil an unserem ge­meinsamen Schmerze. Prachtvolle Blumen und Kränze, welche von nah und fern dem hohen Entschlafenen gewidmet worden, zahlreiche Zuschriften und Tele­gramme, in denen Mir herzliches Beileid ausgedrückt wird, geben Zeugnis von der reichen Liebe und Ver­ehrung, welche der Verewigte sich im Leben erwor­ben hatte. Gemeinden, Vereine und einzelne Perso­nen aus allen Teilen Deutschlands, insbesondere auch aus Elsaß-Lothringen, Deutsche auf fremdem Boden, selbst in fernen Weltteilen, soweit nur die Trauerkunde drang, haben in solcher Weise ihr war­mes Mitgefühl zum Ausdruck gebracht. Es ist wahr­lich rührend für Mich und gewährt Mir erhebenden Trost, Meinen geliebten Vater noch über das Grab hinaus so treu und innig geehrt zu sehen. Aus der Tiefe Meines Herzens sage Ich daher für alle diese Zeichen wahrer Teilnahme, welche Mich in den Ta­gen der Trübsal aufgerichiet haben, Meinen herzlich­sten und aufrichtigsten Dank mit der Versicherung, daß gleich Meinen Vorfahren auch Mein ernstes Bestreben nur darauf gerichtet sein wird, in unge­störter friedlicher Arbeit das Wohl des Landes zu fördern und zu befestigen. Möge Gott Mir seinen Segen dazu geben! Ich ersuche Sie, diesen Erlaß zur öffentlichen Kenntnis zu bringen.

Berlin, den 26. Juni 1888.

Wilhelm.

An den Reichskanzler.

Berlin, 29. Juni. Allem Anscheine nach, so schreibt dieVoss. Ztg.", steht die Lösung der bul­garischen Frage ohne Erschütterung des euro­päischen Friedens vielleicht näher denn bisher. Ba­ron Staöl überreichte, einer Londoner Meldung des­selben Blattes zufolge, gestern Lord Salisbury eine Note der russischen Regierung, welche neue Vor­schläge zur Lösung dieser Frage macht. Danach soll Rußland nicht länger auf der Beseitigung des Ko- burgers bestehen, aber an der Forderung festhalten, daß ein russischer General bulgarischer Kriegsminister sein soll.

Berlin, 30. Juni. Sir Mackenzie hat für die nächsten Wochen eine Anzahl von Journalisten zu sich eingeladen, um sie mit Informationen über seine Erlebnisse in der Umgebung des Kaisers Fried­rich und der Kaiserin Viktoria zu versehen. Die daraufhin zu verfassenden Zeitungsartikel sollen offen auf Mackenzie als Informationsquelle Bezug nehmen.

Berlin, 30. Juni. DerKreuzzeitung" wird aus Petersburg gemeldet: Aus der nächsten Umge­bung des Zaren kommt die Mitteilung, daß es dem Einflüsse des Fürsten Bismarck gelungen sei, die russische Politik dahin zu bestimmen, daß sie von einer Allianz mit Frankreich definitiv absieht

und daß demnächst weitere Beweise der jetzt besonders guten Beziehungen beider Mächte zu einander zu all­gemeiner Kenntnis gelangen werden.

Berlin, 30. Juni. Generallieuteuant von Caprivi hat seine Entlassung als Chef der Admi­ralität erhalten und ist zugleich zum Commandeur des 9. Armeekorps (bisher General v. Treskow) er­nannt worden.

Berlin, 30. Juni. DasArmeeverordnungs­blatt" macht bekannt: Der Kaiser genehmigte, daß auch die Generalität, die Offiziere des Kriegsmini­steriums, des Generalstabes und der Adjutantur im Dienst zu Pferde hohe Stiefel tragen dürfen, jedoch nicht bei großen Paraden. Die berittenen Offiziere der Fußtruppen haben auch bei großen Paraden hohe Stiefel anzulegen.

Berlin, 30. Juni. Eine interessante Mit­teilung macht das Londoner BlattTruth": Die Kaiserin-Witwe Viktoria werde den Herbst mit ihren drei jüngeren Töchtern in Schottland zubringen, zu welchem Zwecke ihr die Königin das Schloß Aber- geldie zur Verfügung gestellt habe. Die Hochzeit der Prinzessin Viktoria von Preußen mit dem Prinzen Alexander von Battenberg werde alsbald nach Verlauf der Trauer in aller Stille in England stattfinden, wo das Paar nach seiner Vermählung dauernd woh­nen werde. Selbstverständlich stehen dem vielberu-! jenen Eheprojekt jetzt durchaus nicht mehr jene Gründe wie vor zwei Monaten gegenüber. Immerhin bleibt ^ aber Bestätigung abzuwarten.

Am Schluffe der letzten Sitzung des preußi­schen Herrenhauses trat Fürst Bismarck in den Kreis der ihm bekannten Herren und plauderte in! heiterster Weise mit denselben. Er gab seiner Hoff- I nung auf ruhige, friedliche Zeiten zuversichtlichen j Ausdruck. Mit dem Overpräsidenten von Achen- ! bach sind derPost" zufolge, Unterhandlungen über! Annahme des Postens des Ministers nicht gepflogen ! worden. Alles, was verlautet-', ist unwahr. '

Der Reichskanzler Fürst Bismarck wird i nunmehr einen dreimonatlichen Urlaub antreten und denselben teils auf seinen Gütern, teils in Kiisingen verbringen. Er wird im Laufe des Sommers nicht nur mit dem Grafen Kalnoky, sondern auch mit dem italienischen Ministerpräsidenten Crispi eine Bespre- sprechung haben.

Wolkenbrüche haben am Mittwoch nördlich von Hirschberg weit und breit schreckliche Verwü­stungen auf den Aeckern sowie an Brücken und We­gen angerichtet. Viele Blitzschläge werden ebenfalls aus Schlesien gemeldet.' z

Oesterreich-Ungarn. !

Wien, 28. Juni. DasFremdenblatt" be- ! zeichnet die preußische Thronrede als ebenso bedeut- ! sam wie glückverheißend, sie biete durchaus den Bc- ! weis für eine hochherzige und erleuchtete Auffassung der erhabenen Mission seitens des Kaisers und Kö­nigs Wilhelm II. Des großen Friedrichs Ausspruch, wiederholt vom Kaiser sei das freudigste Wort, wel­ches die Nation vernehmen konnte. DiePresse" sieht in der eventuellen Begegnung Kaiser Wilhelms mit! Kaiser Alexander eine hochbedeutsame praktische Be- ! thätigung der ernsten Friedenspolitik Deutschlands.

Der oberste Gerichtshof in W i e n hat das Urteil gegen den bekannten Antisemitenführer Abg. v. Schönerer, wodurch Letzterer zum Verlust des - Abgeordnekenmandats, des Adels und zu vier Mo- j naten schweren Kerkers verurteilt wird, bestätigt. Schönerer wurden, als er das Gerichtsgebäude ver- ! ließ, von seinen Anhängern lebhafte Ovationen dar­gebracht. Die Polizei nahm mehrfache Verhaftun­gen vor. Frankreich. i

Paris, 29. Juni. Ein gestern vormittag j abgehaltener Ministerrat beschloß, die 2900 Bürger­meister der Haupikantonsorte einzuladen, am 14. Juli der Revue und dem großen, ans dem Marsfelde stattfindenden Bankett beizuwohnen. Zu demselben werden ferner alle Räte, Senatoren und Munizipal­räte von Paris ein geladen.

Paris, 29. Juni. General Alvensleben wurde gestern Nachmittag um 3 Uhr von dem Prä­sidenten der Republik empfangen. Eine Schwadron Dragoner ritt dem Wagen der Präsidentschaft, der ihn abholte, voran. Abends fand ein Diner zu Ehren des außerordentlichen Gesandten im Elysee statt.

Der O r k a n der letzten Tage hat in ganz Frankreich, besonders aber im Norden, viel Unheil angerichtet. Das Dorf Hcrvelinghem, 10 Kilometer von Calais ist u. A. vollständig zerstört. Das Dorf bildet nur noch einen chaotischen Trüm­

merhaufen. Ganze Mauern wurden vom Sturm aus dem Boden gehoben und 100 m weit fortgctragen. Eine Heerde von 200 Hammeln, dem Maire gehörig, ward völlig vernichtet. Eines Bäckers Brotwagen ward, vollgeladcn wie er war, mit Insassen und den 2 Pferden vom Orkan erfaßt, fortgeführt und zertrümmert. Häuser brachen einfach zusammen. Dabei verursachten die niederströmenden wolkenbruchartigen Wasser­massen eine Ueberschwemmung um das Dorf herum, so daß ! die Einwohner sich nur schwimmend auf die nahen Höhen ! retten konnten. In der ganzen Gegend hat namentlich der ^ Hagel die Ernte völlig zerstört.

England.

Das englische Unterhaus hat den Bau eines Tunnels unter dem Kanal mit großer Mehr­heit abgelehnt. Besser ist besser, sagen die Englän­der, es könnten doch einmal in böser Zeit französische Soldaten an unserm Ende herauspurzeln. Der f ! traue den Franzosen.

! Rußland.

! Petersburg. In den leitenden Kreisen nicht j nur, sondern in der ganzen russischen Bevölkerung ist übereinstimmenden Berichten zufolge der Umschwung zu Gunsten Deutschlands so gewaltig, daß die Hoff­nungen auf eine Rußland günstige Lösung der bul­garischen Frage nunmehr eben so extreme Formen annehmcn, als die früher» Kundgebungen des Hasses.

! Es mag den Russen nicht leicht geworden sein, die Regungen desselben so weit zu unterdrücken, daß sich ! namentlich die Presse einer anständigen Tonart be­fleißigt. Auch in Rußland sah man allerorten dem Regierungsantritt Kaiser Wilhelms mit Besorg­nis entgegen. Jetzt dagegen wird allseitig zugegeben, daß die ersten Kundgebungen des jugendlichen Herr­schers viel dazu beigetragen haben, jene Befürchtun­gen zu zerstreuen und ein besseres Verhältnis zwischen den beiden mächtigen Nationen anzubahnen. Die russische Gesellschaft hat cs auf allen Gebieten em­pfunden, was der Mangel der deutschen Freundschaft für sie bedeutet, sie ist vielfach mürbe geworden und wäre herzlich froh, wenn Rußland auf gute Art aus der Sackgasse herauskäme. So ist die Stimmung seit einiger Zeit; ob dieselbe Dauer haben, ob sie praktische Ergebnisse liefern wird, ist freilich eine an­dere Frage. _

Kleinere Mitteilungen.

Bei einer Felddieustübung des Ludwigsburgcr Ulancu- Regimcnts in Pleidelsheim siel ein Soldat von einem Baume so unglücklich in einen Bohnenstccken, daß ihm derselbe tief in den Unterleib drang. Der Verletzte ist gestorben.

Zur Warnung beim Kirjcheness en. Auf einem Gute bei Schleißhcim liegen 2 Kinder, 4 bezw. Ist-Jahre alt, welche Kirschen samt den Kernen ge­gessen hatten, an Darmentzündung auf den Tod darnieder.

Die Umgegend von Rom wird seit 2 Wochen durch riesige Heuschreckenschwärme hsimgesucht, welche die Vegetation stellenweise ganz vernichtet ha­ben und für die Zukunft noch Schlimmeres befürch­ten lassen. Auch aus Algier laufen furchtbare Nachrichten über Verheerungen durch Heuschrecken­schwärme ein: Aus Guelma wird gemeldet, daß die Heuschrecken sich in kompakten, 20 Kilometer langen und 10 Kilometer breiten Massen nähern; dieselben haben in 3 Tagen 34 Kilometer zurückgelcgt; die Umgegend von Aigregada ist schon vollständig ruiniert.

Anläßlich der großen Rennen ergehen sich mehrere französische Blätter in bitteren Klagen über die große Ver­schwendung, die jetzt in Paris (leider in Paris nicht allein. Die Red.) entfaltet wird. Vor allem wird den jungen Mäd­chen der Text gelesen, die ebenso kostbare Trachten zur Schau tragen wie die Mütter. Denn auch die Mädchen erscheinen in seidenen Kleidern und tragen reichen Schmuck wie die ver­heirateten Damen. Was die jetzige Verschwendung in den Trachten noch steigert, ist die geringe Widerstandskraft der Kleiderstoffe. Früher hielten diese wenigstens eine Sagon aus, jetzt nicht länger als eine Gesellschaft. Wenn eine Dame früher jährlich 20 000 Fr. für ihre Kleidung ausgab, so bc- zahlt sie jetzt das Doppelte. Das Wortzahlt" darf mcht genau genommen werden, denn oft bleibt man schuldig, und die Schneider gedulden sich, bis die Großeltern oder irgend eine Großtante stirbt, deren Erbschaft dann herhalten muß. Es giebt in ParisSchneider-Ateliers," die Ansständc im Betrage von Millionen haben und sich dabei sehr wohl be­finden. Aber nicht nur die Trachten sind maßlos verschwen­derisch, auch bei Tisch wird Alles übertrieben und der Tasel- luxus grenzt ans Unglaubliche. Besonders beim Nachtisch zeigt sich das in außerordentlicher Weise. Man hat Früchte entdeckt, von denen man früher keine Ahnung hatte, Trauben müssen zu allen Jahreszeiten vorhanden sein und für jede Gattung Obst muß ein anderer Tafelaufsatz hingestellt werden. Und der Blumen kein Ende! Längs des Tischläufers ein wahres Blumenbeet, die Servietten mit Blumen umwunden, die Leuchter voller Kränze. Dazu hat jeder Gast sein eigenes Salzfäßchen, seine Zuckerdose, seine Pfefferbüchse, seine Butter­vase, seine Senfflasche u. s. w. Der unerhörteste Luxus aber wird in Kotillongeschenken getrieben. Was waren die be­rühmten Montage der Kaiserin Eugenie gegen die jetzigen Zeiten? Damals pflegte der Marquis de Caux eine Orange,