sigen Nahrungsstoffen bestand, wurde von Dr. Ma­ckenzie mit einer Schlundsonde direkt in den Magen geführt. Als Getränk ist für den Kaiser Stahlwas­ser verordnet worden. Der Generaladjutant, Gene­rallieutenant von Mischke soll von jetzt an in der unmittelbaren Umgebung des Monarchen in Fried- richskron verbleiben. Bekanntlich gehört General v. Mischke zu den intimsten Vertrauenspersonen des Kaisers Friedrich.

Berlin, 13. Juni. Die künstliche Ernäh­rung des Kaisers wird täglich zweimal vorge­nommen. Die durch die Sonde dem Magen zuge­führte flüssige Nahrung besteht aus kräftiger Bouillon, Eiern, Milch und Wein, kurz aus einer entsprechen­den Mischung kräftigster und zugleich leicht verdau­licher Nährstoffe. Wie gefährlich in der vergangenen Nacht die Situation gewesen, erhellt auch daraus, daß der Kronprinz von 10 bis 2 Uhr im Schloß Friedrichskron verweilte.

König Oskar von Schweden trifft heute Abend zu kurzem Besuche in Berlin ein, leider in einem Augenblicke, wo in Folge einer neuen Wen­dung in der tückischen Krankheit seines kaiserlichen Freundes die Gemüter des deutschen Volkes aber­mals mit hoffentlich bald wieder weichender Besorg­nis erfüllt sind. Die Freundschaft der beiden Herr­scher, die trotz des strengen Inkognitos, unter wel­chem König Oskar reist und trotz des leidenden Zu­standes Kaisers Friedrichs ihren Ausdruck finden wird, hat sich naturgemäß aus der Verwandtschaft ihrer Naturen entwickelt. Sowohl in aufgeklärten Lebensanschauungen als in der Liebe zu Kunst und Wissenschaften König Oskar zählt sogar zu den Dichtern auf dem Throne stimmen beide überein. Dazu kommt, daß, während die Vorgänger des je­tzigen Königs von Schweden stets von Abneigung gegen Deutschland erfüllt waren, und Schweden dementsprechend auch während des deutsch französischen Krieges, wenigstens mit seinen Wünschen, offen auf Seite Frankreichs stand,. König Oskar aus seinen Sympathien für das stammverwandte deutsche Volk nie ein Hehl gemacht hat.

Potsdam, 13. Juni. Der König von Schweden mit Lagerheim und Gefolge ist mittags 12 Uhr 10 Min. auf der Station Wildpark einge­troffen und nach Schloß Friedrichskron gefahren. Beim kronprinzlichen Paar im Marmorpalais ist um 1 Uhr Familicndejeuner mit Marschalltafel.

Potsdam, 13. Juni. Der Kaiser empfing den König von Schweden auf der Gartenterrasse im Stuhle sitzend. Der König von Schweden hatte eine etwa 10 Minuten währende Unterredung mit Mackenzie.

Berlin, 13. Juni. Das Schreiben des Kaisers an Puttkamer soll sehr umfangreich gewesen sein (man spricht von einem sechs Seiten langen Briefe) und in liebenswürdiger Weise an die vielfachen Berührungen erinnert haben, welche er als Kronprinz mit Hrn. v. Puttkamer in früheren Jah­ren gehabt hatte. Die Gegensätze zwischen dem Kai­ser und dem bisherigen Minister sind ausschließlich auf politischem Gebiete vorhanden gewesen; von einer persönlichen Antipathie des Kaisers ist nicht die Rede, und die dem ausscheidenden hohen Beamten verliehene Ordensauszeichnung ist daher auch nicht als eine bloße Formalität anzusehen, als welche sie von eini­gen Seiten dargestellt worden ist.

Da der Kaiser Schonung bedarf, werden sich auch wohl die Verhandlungen über die Wiederbese­tzung des preußischen Ministeriums des Innern noch eine Zeit lang hinziehen. Staatssekretär von Böt­ticher scheint aus der Reihe der Kandidaten für den Posten ausscheiden zu wollen. Der Staatsse­kretär ist im Bnndcsrat sowohl, wie im Reichstage eine allgemeine verehrte und dabei überaus geschäfts­kundige Persönlichkeit, und man würde ihn dort schmerzlich vermisst». Auch der Reichskanzler, dessen Stellvertreter Herr von Bötticher ist. wünscht, der­selbe möge seine Thätigkeit vor Allem dem Reiche widmen. Sonstige Gerüchte über Kandidaturen für den Ministerpostcn haben wenig Wert; es ist augen­scheinlich noch nichts beschlossen worden.

Potsdam, 13. Juni. Da bei dem augen­blicklichen Befinden des Kaisers die Einführung einer Ernährungssonde mit einiger Gefahr verbunden ist, so hat Dr. Mackenzie seine Zustimmung zur An­wendung des Instrumentes erst gegeben, als von allen Acrzten einstimmig zugegeben war, daß diese ErnährungS-Methode notwendig sei, um

das Leben des Kaisers zu verlängern, da Patienten öfters noch selbst einige Monate länger gelebt haben, wenn die Ernährung durch die Sonde erfolgte. Bereits am Samstag Morgen hat Dr. Mackenzie eine Tamponkanüle eingesetzt, da sich eine Verbindung zwischen Kehlkopf und Speiseröhre ge­bildet hatte. Die Nahrungsaufnahme erfolgt jetzt täglich zweimal» früh und abends in Gegenwart der Aerzte; während dieser Zeit ist der Kaiser in der Lage, feste Nahrung ohne die Schlundsonde zu neh­men. wie überhaupt feste Nahrung jetzt leichter aus­genommen wird als flüssige.

Berlin, 13. Juni. Neuere Nachrichten, wo­nach der Reichskanzler die Neigung kundgegeben, die Konsequenzen aus der sich seiner Richtung ent­gegenwendenden inneren politischen Situation zu ziehen, entbehren nach besten Informationen keines­wegs des Rückhalts; ein längerer Besuch, den der Kronprinz dem Kanzler gemacht, wird mit diesen Nachrichten in Verbindung gebracht ; der bedrohliche Zustand des Kaisers dürfte aber den Kanzler be­stimmen, sich Entsagung aufzuerlegen.

Berlin, 13. Juni. Nach derVossischen" und nach derBörsen-Zeitung" soll die Stellung des deutschen Botschafters in Paris, Grafen Mün­ster erschüttert sein. Man will wissen, daß der Bot­schafter gegen die Einführung der Paßcontrole ge­wesen sein und sich dem Präsidenten Carnot gegen­über zu weit in dem Sinne engagiert haben soll, daß er seinen Einfluß zur Aufhebung der Verord­nung geltend zu machen versprach.

Berlin, 13. Juni. Der König und die Königin von Sachsen werden sich demnächst zum Besuch an den schwedischen Hof nach Stockholm be­geben.

Berlin, 14. Juni. Die kaiserliche Familie ist vollzählig in Friedrichskron versammelt, der Kanzler hat sich gleichfalls dahin begeben.

Berlin. Zu der Frage, ob der Inhalt einer Postkarte, in welcher Jemand wegen Bezahlung einer Schuld gemahnt wird, als beleidigend anzusehen, die Postkarte daher von der Beförderung auszuschließen ist, bemerkt die D. Verk -Ztg., daß nach einer Ent­scheidung des Berliner Kammergerichts eine solche Mahnung an sich noch keine Beleidigung sei; sie werde erst dann zu einer strafbaren Beleidigung, wenn die Form, in welcher die Mahnung abgefaßt ist, einen beleidigenden Charakter trägt. Soweit da­her diese Voraussetzung nicht unzweifelhaft zutrifft, werden Postkarten, welche eine Zahlungsaufforderung enthalten, bei der Postbeförderung nicht zu beanstan­den sein.

Schweiz.

Einen sehr interessanten Beschluß hat der große Rat des Kantons Basel-Stadt gefaßt: Es sol­len darnach fortan alle Schüler und Schülerinnen der Ober- und Mittelschulen die Lehrmittel unent­geltlich erhalten. Mancher sorgende Familienvater in Basel wird darob einen Freudenhymnus anstimmen.

Oesterreich-Ungarn.

Wien. Die Thronrede Kaiser Franz Josefs hat im Auslande einen vorzüglichen Eindruck gemacht. Aus derselben wird offiziös hervorgehoben, daß die Angelegenheit Bulgariens, die in den letzten Jahren eine stehende Rubrik in den Thronreden gebildet hat, diesmal keine spezielle Erwähnung findet; es werde, schreibt diePol. Korr.", daraus geschlossen , daß diese Angelegenheiten für den Moment wenigstens von der Bildfläche jener Fragen, welche die Mächte in hervorragender Weise beschäftigen, verschwunden sind. In Petersburg und Paris wird das Urteil über Kaiser Franz Josefs Worte vielleicht anders lauten. Sollte man jedoch diesmal an der Newa Worte finden, welche mit der friedlichen und maß­vollen österreichischen Thronrede in Einklang zu brin­gen wären, so dürfte man darin eine Bestätigung jener Gerüchte finden, welche von leisen Annäherungs­versuchen zwischen Wien und Petersburg wissen wollten.

Wien. Bemerkenswert sind die Auslassungen der österreichischen Presse der Ministcrkrisis in Deutsch­land. So meint dieN. F. P.," daß das jetzige System nur von der Karrikatur des konservativen Regiments. wie sich solche in v. Puttkamer verkör­pert habe, gesäubert worden sei. Das konservative Regiment werde nicht geopfert werden. Vor über­triebenen Hoffnungen, denen sich etwa die Links-Li- beralen hingeben wollten, stehe als unüberwindliches Bollwerk der Abwehr die gewaltige Gestalt des Reichs­

kanzlers, über welche hinwegzuschreiten Kaiser Fried­rich sicherlich nicht gewillt sei und schwerlich jemals gewillt sein werde.

Frankreich.

Paris, 12. Juni. In der letzten Nacht brach ein großer Brand im Marine-Arsenal von Rochefort aus, welcher die gesamte Tischlerei, die Anstreicherei und verschiedene kleinere Werkstätten vollkommen einäscherte. Die materiellen Verluste zählen nach Millionen.

Belgien.

In Belgien fanden am Dienstag allgemeine Parlamentsneuwahlcn statt; die bisherige katholische Mehrheit hat sich gehalten, die Liberalen unterlagen.

Brüssel, 13. Juni. Die Congoregierung er­hielt schlimme Nachrichten von Stanley.

Italien.

In Bologna ist am Montag in Gegenwart des Königspaares und der ganzen Studentenschaft das Denkmal König Viktor Emanuels enthüllt wor­den. Von den Differenzen mit dem Sultan von Zanzibar erwartet die römische Regierung keine grö­ßeren Schwierigkeiten. Zunächst handelt es sich darum, daß der Sultan Genugthuuug für seine ge­ringschätzenden Aeußerungen über das Schreiben Kö­nig Humberts an ihn giebt. Jetzt sperrt er sich freilich noch, wird aber schließlich sicher die geforderte Satisfaktion geben.

Aus Bologna berichten französische Blätter von den dortigen Festtagen, daß die französischen und deutschen Studenten fraternisiert und in densel­ben Wagen ihren Einzug in die Stadt gehalten hätten, worauf die italienischen Studenten enthusias­miert die Pferde ausspannten und ihre Gäste in die Stadt zogen. Abends wären Franzosen und Deutsche Arm in Arm durch die Stadt gewandert. Die Pa­riser Blätter schreiben, sie wollten hoffen, daß das Telegramm zum mindesten übertrieben sei. Der Patriotismus sträube sich, an solche Verirrung zu glauben. Die französischen Studenten seien unfähig, den unvergänglichen Groll zu vergessen, den sie mehr als jemals den Deutschen schulden. Aber weshalb sollen sich denn Franzosen und Deutschen bei neu­tralen Festen nicht freundlich begegnen können? Muß denn immer gleich gehauen sein?

England.

Telegramm der N. Fr. Pr. aus London, 13. Juni: Die ungemein ernsten Nachrichten aus Potsdam über das Befinden des Kaisers Fried­rich drängen alle Angelegenheiten der inneren und auswärtigen Politik in den Hintergrund. Nach den letzten Berichten wird das Schlimmste in Bälde be­fürchtet, und der Prinz von Wales hat auf diese Meldungen hin die Teilnahme an den Ascot-Rennen aufgegeben. Die Journale schreiben, als ob die Ka­tastrophe schon eingctreten wäre.

Spanien.

Die Königin-Regentin von Spanien ist am Sonabend von Barcelona nach Madrid zn- rückgekehrt. Ihre Abreise von Barcelona hat Ver­anlassung zu einer großen Huldigung gegeben, wie man sie in der Hochburg der Republikaner kaum für möglich gehalten hätte. Bei der Ankunft in Madrid wurde der Königin ebenfalls von den Senatoren und Deputierten und einer großen Menschenmenge ein festlicher Empfang bereitet. Königin Christine darf mit dem Erfolg ihrer Reise wohl zufrieden sein; sie hat sich die Herzen ihrer erbittertsten Gegner erobert.

Madrid, 13. Juni. Die Königin nahm die Demission des Ministeriums an und beauftragte Sa- gasta mit der Bildung eines neuen Kabinetts. Die Kammern vertagten sich bis zur erfolgten Neubildung des Kabinetts.

Kleinere Mitteilungen.

Oberndorf, OA. Herrenberg, 12. Juni. Die Leser dieses Blattes erinnern sich wohl noch des schrecklichen Vorkommnisses, daß ein Ojähriger Knabe von hier einen 8jährigen zuerst ersäufen wollte, dann in einem Steinbruch mit einem Hebeisen totschlug. Bekanntlich hat derselbe das Verbrechen eingestanden, kann aber seiner Jugend wegen nicht strafrechtlich verfolgt werden. Da nun begreiflicherweise in der Schule kein Kind neben .ihm Platz nehmen wollte, daher derselbe die Schule nicht mehr besuchte, so soll der Missethätec nunmehr auf Verwendung des K. Odcramtes dem Konradihaus in Schelklingen übermittelt werden, an das der Vater sein Erziehuugs- recht abtreten mußte. Bisher hat der Verbrecher,