Berlin. 8. Juni. DerVoss. Ztg." wird von berufener Seite versichert, daß die Eiterabsonde­rung. wie sie jetzt seit Wochen beim Kaiser vorhan­den ist, mit dem Grundleiden desselben in keiner di­rekten Verbindung steht, sondern ihre Ursache in Eingriffen im Wundkanal und in dem unteren Teil der Luftröhre hat. deren Folgen jetzt immer mehr schwinden.

Berlin. 8. Juni. BerlinerPolitischen Nach­richten" zufolge ordnet eine kaiserliche Kabinettsordre an, daß Jnfanterieoffiziere künftig anstatt des Degens einen leichten Säbel mit Stahlscheide, berittene Jn- santerieosfiziere hohe Stiefel, wie die Dragoner oder Artillerie, tragen. j

DieVossische Ztg." erfährt, daß ein könig-! licher Erlaß zu erwarten ist, der im Interesse! freier Wahlen die Behörden ernstlich auf ihre Pflicht ^ verweist, sich jeder unerlaubten Beeinflussung dersel­ben zu enthalten.

Berlin, 8. Juni. DiePost" und dieNa­tionalzeitung" melden: Minister von Puttkamer hat um seinen Abschied gebeten und zwar in Folge eines neuen Schreibens des Kaisers, welches ihm gestern zuging.

Berlin, 9. Juni. DieNordd. Wgem. Zei­tung" meldet: Der Kaiser erteilte dem Minister und Vicepräsidenten des Staatsministeriums v, Putt­kammer die erbetene Dienstentlassung. Gleichzeitig verlieh er demselben das Großkreuz des Hohenzollein-! ordens.

Berlin, 9. Juni. Die heutige Meldung der Nordd. Allg. Ztg. von der Annahme des Entlas­sungsgesuchs des Ministers v. Puttkamer sei-: tens des Kaisers wird nirgends mit Ueberraschung und nur in dem kleinen Teile der Kreuzzeitungspartei mit Bedauern vernommen. Fürst Bismarck ist von dem Kaiser augenscheinlich gelegentlich der Acceptie-! rung des Gesetzes betr. die Verlängerung der Legis- i laturperioden über die Auffassung des Kaisers bezüg- ! lich der Leitung des Ministeriums des Innern in Be­treff der Behandlung des Wahlgeschäfts und anderer ! Fragen nicht in Zweifel gelassen worden, ebensowenig darüber, daß der Kaiser seine Auffassungen gegenüber,> dem Herrn v. Puttkamer nachdrücklich geltend machen > werde. Die Folge ließ sich voraussehen und ist ge- > wiß von dem Reichskanzler in ihrer Bedeutung ge­genüber der sonst in Betracht zu ziehenden Eventua­lität einer Verweigerung der Sanktion des erwähn- ! ten Gesetzes in die politische Rechnung der nächsten! Zeit eingestellt worden. Man nennt als Ersatzkandi- ^ daten die Herren v. Bennigsen und Dr. Miquel,! macht sich aber auf Ueberraschungen gefaßt, jedoch! nicht im Sinne einer über den gemäßigten Liberalis­mus hinausgehendcn Richtung.

DieKreuzzeitung" sagt, Kaiser Friedriche habe beschlossen, die Grundsätze abzuändern, welche Kaiser Wilhelm im Erlaß vom 4. Janr. 1882 für! das Verhalten der politischen Beamten bei den Wah-; len ausgestellt habe. Sie begreife, daß ein Royalist! wie v. Puttkamer nicht für den richtigen Mann ge- j halten werde, diese neuen Regierungsmaxime zur Gel­tung zu bringen. j

Wie vor einiger Zeit mitgeteilt, war auch ge- ! gen mehrere Blätter, welche den berüchtigten Artikel ^ Kei ne Frau enziiü mer-Politik" unter Pro- ! trst adgcdruckt hatten, Anklage wegen Majestätsbe- ^ leidigung erhoben. Diese Anklagen sind, wie jetzt! gemeldet wird, sistiert worden. j

Der Reichskanzler hat dem deutschen Ver-! ein für Knabenhandarbeit eine Beihilfe von 5000 i Mark aus Reichsmitteln gewährt. j

Die Bismarck'sche Fürstenwürde. Die vielfachen! Nobilitierungen der letzten Zeit haben in weiteren Kreisen Interesse für genealogische Fragen hervorgerufen. Vielfach! wurde die Frage aufgeworfen, ob die Fürstenwürdc des! Reichskanzlers nach dessen Tode erlischt oder erblich ist. Der! Reichskanzler Fürst Bismarck wurde durch Diplom vom 22. : März 187 l vom Kaiser in den nach dem Rechte der Erst-! gebürt erblichen Fürsteustand erhoben. Nach seinem Tode würde also die Fürsteilwürde samt dem PrädikatDurchlaucht" auf den Grafen Herbert Bismarck übergehen.

Das anfänglich verbotene, aber in der Umar­beitung schließlich zugelassene Trümpelmann'sche Lu- therschauspiel ist am Mittwoch zum ersten Male in Berlin aufgeführt und hat stürmischen Beifall! gefunden. Zum Schluß stimmte das ganze Publi- ! kum in das alte LntherliedEin feste Burg ist un­ser Goti!" mit ein. Die Vorstellungen erfolgen zum Besten des Fonds für die Errichtung eines Lutherdenkmals in Berlin.

Die in letzter Zeit vielgenannten Maxini'-

schen Schnellfeuergeschütze werden nun auch im Großen hergestellt werden. Die LondonerTimes" berichtet nemlich, daß die Firma Krupp in Essen vom Erfinder und Patentinhaber das ausschließliche Herstellungsrecht für Deutschland auf die nächsten 20 Jahre hinaus erworben habe. Dieser Schritt der angesehenen Deutschen Firma ist ein Beweis mehr, daß es sich bei den Maxim'schen Geschützen um eine Sache von ernster Bedeutung handelt.

Geschichtliche Bedeutung hat Spandau er­halten als Festung, durch sein Zuchthaus (er kommt nach Spandau") und durch den Juliusturm, in wel­chem die 120 Millionen Mark Mobilmachungsgelder liegen. Neuerdings ist Spandau der Hauptort für den europäischen Krebshandel geworden. Die Krebse, hauptsächlich aus mansurischen Seen stammend, wer­den zuerst in Wehlau in Ostpreußen angesammelt und dann nach der Größe sortiert, in Körben verpackt und waggonweise an ein Ausfuhrhaus in Spandau gesandt, wo sie zur Fütterung in großen Behältern untergebracht werden. Bon da geht es nach einigen Tagen nach Deutz am Rhein und von da aus nach wiederholter Fütterung nach Belgien und Frankreich. Die Franzosen liefern dann als Vergelt den Deutschen die Austern.

In Hamburg kamen kürzlich fünf junge Kameruner, im Alter von 12 bis 15 Jahren, aus Afrika an. Dieselben wollen sich in Deutschland auf bestimmte Berufe vorbereiten. Unter den Angekom­menen befindet sich auch der Sohn des KönigsAkwa", welcher sich dem Kaufmannsstande widmen will.

Wie verlautet, soll schon in nächster Zeit die Frage des Welfeiffonds neu angeregt werden. Wie bekannt, ist das Vermögen weiland König Georgs von Hannover seinerzeit beschlagnahmt worden und ein besonderes Gesetz hat bestimmt, daß die Zin­sen des beschlagnahmten Vermögens Verwendung finden sollen zur Abwehr feindseliger Bestrebungen König Georgs gegen Preußen. Eine Aufhebung der Beschlagnahme ist nur ans dem Wege der Gesetz­gebung möglich. Kaiser Friedrich soll der Ansicht sein, daß es besser sei. den sogenannten Welfcnfonds nicht forlbcstehen zu lassen.

Schweiz.

In Genf erscheint seit kurzer Zeit ein neues tägliches BlattLa critique soziale". Laut Pro­gramm ist es kommunistisch und kosmopolitisch, und ausgesprochener Feind des Eigentums, des Gesetzes, der Familie und Religion,dieser alten Gottheiten, welche die Menschheit seit so vielen Jahrhunderten bluten machen." (!)

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 8. Juni. DerPester Lloyd" bringt aus Berlin einen Artikel, dem er die höchste Beach­tung widmet. Der Artikel warnt Ungarn vor der Bewerbung um Frankreichs Freundschaft, da Frank­reich zum Zweck einer Agression um die Allianz Ruß­lands wirbt. Eine friedliche Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland sei ausgeschlossen, zwi­schen Oesterreich und Rußland jedoch nach Ansicht Bismarck's noch immer nicht. Bismarck sucht Ruß­land zu sich herüberzuziehen, weil er die Hoffnung auf Vermittlung noch nicht anfgab und das Zaren­reich von dem Bündnis mit Frankreich abhalten will. Dänemark.

Kopenhagen, 8. Juni. Anläßlich des am 15. November d. I. stattfindenden Regierungsjubi­läums des Königs eröffncte ein Komite Subskriptio­nen, um dem Königspaar eine Sommerwohnung in Jütland zu schenken. Der König verbittet sich jedoch jegliche Gabe wegen der drückenden ökonomischen Zeitverhältnisse und der vielfachen Ansprüche an die Opferwilligkeit der Bevölkerung.

Frankreich.

Paris, 6. Juni. Der Ausschuß der Rechten in der Depntiertenkammer hat beschlossen, Abdrücke der Rede Bonlangcrs Herstellen und in allen Gemein­den des Landes verbreiten zu lassen.

Paris, 6. Juni. Nach einer Berl. Korresp. derNeuen Züricher Zeitung" hätte die französische Regierung bei einigen andern Mächten vertraulich sondiert, ob dieselben wohl geneigt wären, die neuen deutschen Paßvorschriften in Berlin zum Gegenstände einer diplomatischen Erwähnung zu machen. Der Bescheid, welcher überall der französischen Sondie­rung zu Teil geworden, habe indessen gezeigt, daß man sich nirgends von einer Einmischung Erfolg versprach noch dieselbe angesichts der Lage der ge­samten Politik für angebracht hielt. Dem franzö­

sischen Fühler sei sodann keine weitere Behandlung der Angelegenheit gefolgt.

Die Boul a n giste n sind infolge des schlech­ten Eindrucks, welchen das parlamentarische Auftre­ten ihres Generals in Paris und auch in der Pro­vinz gemacht hat, ziemlich entmutigt, trösten sich mit der Hoffnung, daß die republikanische Kammer- ! Mehrheit, die am Montag wie ein Mann Front ge- ! gen den Boulangismus machte, sehr bald wieder aus- ^ einanderfallen werde. Sie sind so sehr überzeugt, daß ! die republikanischen Abgeordneten über die Revisioirs- j frage wieder in ernste Fehde geraten, daß sie bereits ! mit einflußreichen Mitgliedern derZovists äss äroits äs l'llonims st äu srtovsiO Verhandlungen ! angeknüpft haben, um im Notfälle auch gegen die Regierung die Revision und die Einberufung einer ^ verfassunggebenden Versammlung diuchzrisetzen.

DerProgres de l'Est" in Nancy weiß wieder von ! einer deutschen Grenzverletzung zu berichten. Letzten Samstag früh seien 20 deutsche Soldaten auf die Ehefrau Mailfert, Bahnwärtern: am Bahnübergänge der Gemeinde St. Ail, zwischen St. Marie aux Chcnes und Verneville ge­legen, zugekommcn und hätten in dem Gärtchen neben dem BahnwärterhauSBlumen aus Frankreichwie sie den Flie­der genannt, Pflücken wollen. Die Drohungen der Frau Mailfert, französische Soldaten herbcizurufeii, seien verlacht worden, doch hätten die Deutschen sich schließlich entfernt, bis aus zwei, die sich gegen die Bahnwärter»! unschicklich benom­men und hiebei die Grenze überschritten hätten. Nachdem sie erkannt, daß sie auf französischem Gebiet seien, haben sich jedoch die deutschen Soldaten nach einigen Scherzworten mit Frau Mailfert zurückgezogen. Ob und was an der Sache ist, wird sich gleich zeigen.

Paris, 8. Juni. Floquet hat eine Untersu­chung über den Zwischenfall von Saint-Ail angeord­net, wo angeblich 20 deutsche Soldaten die Grenze überschritten hätten.

DieKosmopolitische Liga" der Pariser Sozialisten hat am Sonntag ein Verbrüderung-fest der Nationen veran­staltet, bei dem die deutschen Sozialisten üble Erfahrungen gemacht haben. Als ein Anarchist die deutschen Brüder vor­stellte, schrieen die Kosmopoliten:Nieder mit Bismarck! Nieder mit den Deutschen!" Trotz einer Lobrede, welche Lc- boucher auf die deutschen Sozialisten hielt, entstand zwischen den Gegnern und Freunden derselben eine Rauferei, der die bittere Luise mit kühner Geistesgegenwart dadurch ein Ende machte, daß sie die Tanzmusik spielen ließ und den Ball mit der ihr eigenen Grazie mit einem deutschen Sozialisten eröffnet?.

Der Luft schiss er Jovis in Paris beab­sichtigt, in einem Ballon über den atlantischen Ozean nach Amerika zu schiffen. Er baut zu diesem Zwecke einen eigenen Ballon,L'Atlantique" genannt. Der 25 000 Kubikmeter enthaltende Ballon soll 2000 Kilo wiegen; das Schiff am Ballon ist so gebaut, daß, wenn auch der Ballon ins Wasser siele, die Beman­nung sich halten könnte. Es enthält zwei Kabinen; das Kochen soll unter Zuhilfenahme einer Art Davis- schen Lampe geschehen. An der Ueberfahrt, die aus drei Tage bemessen ist, sollen teilnehmen: die Luft­schiffer Jovis und Malet, der Schriftsteller Paul Arsne, der Stadtarchitekt Charpentier und ein Matrose.

Belgien.

Ein schlimmer Empfang wurde dem Kö­nig von Belgien in der Stadt Hondeng von den Sozialisten zuteil. Sie brüllten ihm die Marseillaise und die Rase zu: Es lebe die Republik und das all­gemeine Stimmrecht!

Brüssel, 9. Juni. Der GrasvonParis berief eine neue große Royalisten-Vcrsammlung auf den 20. Juni nach Brüssel ein.

Italien.

Wie aus Rom berichtet wird, erfreut sich Papst Leo eines vortrefflichen Befindens. All' die Mühen der zahlreichen Empfänge der letzten Zeit hat er mit außerordentlicher Leichtigkeit überstanden.

Der Papst hat durch den Kardinal-Staats­sekretär Rampolla ein Glückwunschschreiben an Dr. Windthorst zu dessen goldener Hochzeit richten lassen und darin das Versprechen gegeben, er werde in der neuen Marienkirche zu Hannover einen marmornen Altar auf seine Kosten errichten lassen.

Rom, 5. .Juni. Prinz Amadeus verlobte sich mit der Prinzessin Lätitia Bonapartc, Toch­ter des Prinzen Napoleon.

Aus Rom wird bestätigt, daß der Papst den Konsens zur Vermählung des Herzogs Amadeus von Aosta mit seiner Nichte, Prinzessin Maria Lätitia Boaaparte, gegeben hat.

Ein Konflikt Italiens mit dem Sultan von Zanzibar ist ansgebrochen. Wie dasRcutersche Bürenu" aus Zanzibar meldet, hat der italienische Konsul die Flagge eingezogen und die freundschaft­lichen Beziehungen zu dem Sultan unterbrochen.